Hier ein Auszug aus der Publikation oben:
"...Zweitens muB eine kleine philologische Vorerörterung eingeschaltet werden: Synhedrion bedeutet: Sitzung (in einer im Deutschen schwer wiederzugebenden Nuance: Zusammen-Sitzung). Im literarischen Gebrauch vermittelt das Wort den Begriff jeder Zusammenkunft Mehrerer, zu verschiedensten Zwecken: Besprechung, Beratung, Beschlußfassung, Urteilsfallung. Die neutestamentliche Literatur kennt neben dieser wenig präzisen Bedeutung (einer sozialen Konstellation) auch durch Josephus, den Zeitgenossen, unterstützt, den Terminus Synhedrion auch als Übersetzung des hebraischen Mitgliederzahl, geregeltem Vorsitz, festem Versammlungsort (Quader-Halle) — ohne daß allerdings die neuzeitliche Gewaltenteilung vorausgesetzt werden darf. Nach der Zerstörung des Tempels wird das Beth Din ha-Gadol mit dem aramaischen Lehnwort Sanhedrin bezeichnet. Im Hebraischen ist die Übersetzung von Synhedrion: Jeschiwah — mit der gleichen Doppelbedeutung. In jeder hebraischen Tagezeitung ist von der 'Jeschiwat Hamemschalah' zu lesen (der Sitzung der Regierung an jedem Sonntag) und ebenso ist Jeschiwah die Bezeichnung einer Talmud-Hochschule als padagogischer Institution. Manche Redewendungen lassen sich nur aus dem weiteren Zusammenhang erfassen: z.B. Sie trafen sich an der StraBen-Ecke und gingen in die Jeschiwah. (Das kann sein: in die Sitzung oder in die Schul-Anstalt.) Dieser Tatbestand der Doppelbedeutung des Wortes ' Synhedrion' liegt im Neuen Testament vor.
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Das zweite oben genannte Gremium ist das Sanhedrin, das Beth Din ha-Gadol, in dem der amtierende Hohepriester den Vorsitz führt. Wenn er nicht anwesend ist, leitet der Av Beth Din - auf deutsch: Vorsitzender - die Sitzung. Nach der Zerstörung des Tempels wird die Stelle des Hohenpriesters vom Nassi — auf deutsch: Präsident — eingenommen. In diesem aus den historischen Reminiszenzen des Talmud, sowie aus Josephus bekannten obersten Gremium des jüdischen Tempelstaates, das sich mit Ketzereiprozessen ebenso wie mit Kalenderfragen, mit der Auswahl und Bestätigung der Priesterschaft ebenso wie mit Fragen des Kultes und Ritus zu befassen hatte, rangen die in grundsatzlichen Fragen sehr verschieden eingestellten Parteien der Sadduzäer und Pharisäer um den entscheidenden Einfluß. Die Sadduzäer hatten die faktische Machtstellung der Hohenpriester und der von diesen abhängigen Schichten, die Pharisäer die breiten Massen des Volkes auf ihrer Seite."