Francisco de Carvajal und Garcilaso de la Vega el Inca

El Quijote

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Bis auf dass Francisco de Carvajal einer der wichtigsten Conquistadoren Perús war und mit Francisco Pizarros Halbruder Gonzalo gegen die spanische Krone rebellierte, hat dieser recht wenig mit Garcilaso de la Vega el Inca zu tun. Der junge Mestize war, als der 84jährige Carvajal hingerichtet wurde, erst neun.
Er berichtet aber, dass er mit einigen anderen Jungs einige Tage nach der Vierteilung Carvajals auf einem Feld einen Schenkel Carvajals fand, wobei sich die Jungs gegenseitig anstachelten, den halbverwesten - das Fleisch sei schon grün gewesen - Schenkel anzufassen, sich aber nicht trauten. Einer - Garcilaso nennt ihn Bartolomé Monedero - tat es dann schließlich doch - mit dem Daumen habe er den Schenkel anstuppsen wollen und sei dabei tief in das verweste Fleisch eingedrungen, beschreibt Garcilaos de la Vega das grausige Schaupiel - und die anderen Jungs meinten daraufhin, jetzt sei er durch de Boshaftigkeit Carvajals verflucht. In einem nahen Bach wusch er sich die Hände, aber am nächsten Tag habe er einen geschwollenen Finger gehabt und in den folgenden Stunden habe sich die Schwellung über Hand und Arm ausgebreitet. Erst nach vier Monaten habe der Junge wieder einen Stift halten können.

Eigentlich halte ich diese Geschichte für einen ziemlichen Humbug. Aber ich kenne mich mit der Biologie nun auch nicht sehr gut aus. Angenommen, Bartolomé hätte eine Wunde in seinem Daumen gehabt und sich so infiziert, ist das eine plausible Erklärung oder müssen wir diesen Bericht als Soldatenlatein verwerfen?
 
Wahrscheinlich hat ein gewisser Stolz den Zeitzeugen und Inka Garcilaso de la Vega dazu bewogen seine Erinnerungen etwas „farbiger“ zu präsentieren. Er erzählt auch eine Geschichte von einem Affen und Francisco de Villacastin, dessen Söhne er gut gekannt haben will.

Einer der Affen bewarf einen Armbrustschützen namens Villacastin mit einem Stein und brach ihm zwei Zähne; letzterer war später Eroberer von Peru und Besitzer eines guten Repartimiento namens Ayauiri; er starb im Gefängnis in Cuzco, weil er von Pizarros Gruppe in Xaquixaguana war, wo ihm jemand, der ihn verärgert hatte, mit einem Schwert ins Gesicht schlug, als er sich ergab; er war ein guter Mann, und der vielen seinen Segen gab, aber er starb arm, beraubt seiner Indianer und seines Vermögens. Dieser Villacastin tötete den Affen, der ihn verwundet hatte, weil er zur gleichen Zeit schoß, als das Tier den Stein warf. Er zog seine Armbrust.
Ich möchte hinzufügen, dass ich mich in der Tat erinnere, dass er zwei gebrochene Zähne hatte: Es waren Zähne des Oberkiefers, und es war in Peru bekannt, dass er diesen Unfall einem Affen verdankt. Zwei seiner Söhne waren meine lesenden und schreibenden Klassenkameraden.


Garcilaso beschreibt das und sagt, dass er Villacastín und seine Kinder kannte und dass die Geschichte in Peru bekannt war. Dennoch sind die Erinnerungen der Inkas verwirrt. Er lag falsch, als er die Frau von Villacastín nannte: "Die andere ñusta nannte sich doña Leonor Coya [....] verheiratet mit Francisco de Villacastín". Tatsächlich heiratete Villacastín Prinzessin Juana Marca Chimbo. Leonor Coya, das ist Leonor Tocto Chimbo, war die Halbschwester von Juana Marca Chimbo. Was die beiden Kinder des von dem Inka erwähnten Paares betrifft, so haben wir keine Spur von ihnen gefunden.

Garcilaso, der immer noch Gonzalo Silvestre zitiert, informiert uns, dass Villacastín im Gefängnis von Cuzco stirbt.

Francisco de Carvajal (* 1464 in Rágama de Arevalo, Salamanca; † 10. April 1548 in Cusco, Peru) war ein spanischer Offizier und Konquistador. Wegen seiner Grausamkeit war er als "Dämon der Anden" gefürchtet. Obwohl er weit über 70 Jahre alt war, waren seine Brutalität und seine physische Stärke sprichwörtlich.
Er wurde (...) zusammen mit Gonzalo Pizzaro und anderen Rebellen zum Tode verurteilt und nach seiner Hinrichtung in der Inkafestung Sacsayhuamán gevierteilt.


Da ja Carvajal mit anderen Rebellen hingerichtet wurde konnten die Buben den Schenkel des Carvajal sicher nicht identifizieren. Diese Geschichte hat sicher die Leser durch ihre „Farbigkeit“ beeindruckt.
 
Carvajal war aber der einzige der Rebellen, der gevierteilt wurde, weil er a) dem katholischen Glauben abgeschworen hatte und weil er b) selber ein recht grausamer und willfähriger Henker war.
 
Kannst du eben noch die Herkunft deiner Zitate angeben?

Was Irrtümer bei Garcilaso anbelangt, so müssen wir bedenken, dass die Kommentare erst 25 Jahre nach seiner Auswanderung nach Spanien (1560) überhaupt entstanden (1586 haben wir erstmals Nachricht, dass Garcilas plante sie herauszugeben) und er wohl über Jahrzehnte an ihnen arbeitete (sie erschienen 1609).
 
Der Link wird hier nicht angenommen:
e-Spania revue interdisciplinaire d'études hispaniques

Juan de Betanzos et Francisco de Villacastín : deux conquérants dans la tourmente des guerres du Pérou (années 1530-1550)
Loann BERENS
 
Man wird bei Garcilaso verschiedene Schichten seines Berichtes trennen müssen:
Selbsterlebtes und Erzähltes.
Das Selbsterlebte, zumindest das, was er zu seiner Jugend in Cusco erlebte, ist zum Zeitpunkt der Niederschrift mindestens 25 Jahre und länger her. Erinnerungen sind trügerisch.
Das Erzählte wird man in mehrere Schichten trennen müssen:
- prähispanische Überlieferung, die er in Cusco hörte. In Spanien konnte er 25 Jahre + nicht mehr nachfragen, da gab es keine Inka, höchstens noch Mestizen, wie ihn.
- Berichte von der Eroberung, die er als Kind hörte. Hier konnte er ggf. auf Schriftstücke zurückgreifen oder Zeitzeugen wie etwa seinen väterlichen Freund Gonzalo Silvestre befragen. Mit allen Vor- und Nachteilen.
 
Man wird bei Garcilaso verschiedene Schichten seines Berichtes trennen müssen:
Selbsterlebtes und Erzähltes.
Das Selbsterlebte, zumindest das, was er zu seiner Jugend in Cusco erlebte, ist zum Zeitpunkt der Niederschrift mindestens 25 Jahre und länger her. Erinnerungen sind trügerisch.
Das Erzählte wird man in mehrere Schichten trennen müssen:
- prähispanische Überlieferung, die er in Cusco hörte. In Spanien konnte er 25 Jahre + nicht mehr nachfragen, da gab es keine Inka, höchstens noch Mestizen, wie ihn.
- Berichte von der Eroberung, die er als Kind hörte. Hier konnte er ggf. auf Schriftstücke zurückgreifen oder Zeitzeugen wie etwa seinen väterlichen Freund Gonzalo Silvestre befragen. Mit allen Vor- und Nachteilen.
Ich habe das Buch nach längerer Lesepause wieder an mich genommen und darin eine Stelle gefunden, wo Garcilaso berichtet, dass er seinen Mitschülern Briefe geschrieben habe, dass sie ihm berichten sollten:

Porque luego que propuse escribir esta historia escribí a los condiscípulos de escuela y gramática escargándoles que cada uno me ayudase con la relación que pudiese tener de las particulares conquistas que los Incas hicieron de las provincias de sus madres, porque cada provincia tiene sus cuentas [...] Los condiscípulos, tomando de veras lo que les pedí, cada cual de ellos dio cuenta de mi intención a su madre y parientes, los cuales sabiendo que un indio hijo de su tierra quería escribir los sucesos de ella sacaron de sus archivos las relaciones que tenía de sus historias y me las enviaron.

Nämlich später, als ich in Angriff nahm diese Geschichte zu schreiben, schrieb ich an meine Mitschüler aus der Schule und Grammatikschule sie bittend (escargar existiert im heutigen Spanischen nicht mehr, aber encargar, 'beauftragen'), dass jeder mir mit der Erzählung hülfe, was er erfahren könne mit den einzelnen Eroberungen der Inka, welche sie in den Provinzen ihrer Mütter vollzogen hätten, denn jede Provinz hat ihre Erzählungen. [...] Die Mitschüler, meine Bitte ernstnehmend, konsultierten ihre Mütter und (indigenen) Verwandten, dass diese wussten, dass ein Indianer, Sohn ihres Landes über die Ereignisse von diesem Land schrieben wollte und sie schickten mir die Erzählungen aus ihren Archiven.
Die Frage ist natürlich, wie man sich das im Einzelnen vorzustellen hat. Garcilaso de la Vega, als Priester im andalusischen Córdoba sitzend, schreibt seinen in Perú zurückgebliebenen Mitschülern, dass sie ihm doch bitte Material schicken sollten, so weit so gut. Angeblich hat jeder der Angeschriebenen auch geantwortet, bemerkenswert aber nicht unmöglich. Hier beginnt nun das Problem: Die Verwandten hätten ihre Erzählungen aus den Archiven geholt. Die Mitschüler, das waren alles Mestizen, die Lesen und Schreiben gelernt hatten, die eine indigene und eine spanische Erziehung genossen hatten, so wie Garcilaso. Die Verwandten aber, das waren die Familien der Mütter, Quechua, oder vielleicht sogar Inka/Colla, wie Garcilaso selbst, also prähispanischer Adel. Aber: Die hatten keine Schrift, die hatten nur Quipu, also eine Knotenschrift, die Mengenangaben von Produkten lieferte (Die Größe der Knoten und ihre Abstände markierten Mengen, die Farbe der Wolle Produkte, so viel ich weiß). Schrift in dem Sinne hatten sie nicht und die Quipus waren nicht in der Lage, historische Information zu übermitteln.

 
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