Entnazifizierung in der britischen Besatzungszone

Mara

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Liebes Forum,

ich beschäftige mich wegen einer wichtigen Präsentation sehr mit der Entnazifizierung in der britischen Zone. Dafür habe ich mir auch die zahlenmäßige Bilanz dessen angesehen und mir ist aufgefallen, dass in der britischen Zone - im Gegensatz zu den anderen beiden westlichen Besatzungszonen - Bürger mehrheitlich als entlastet und in die 5. Kategorie eingestuft wurden anstatt als Mitläufer.
Ich weiß, dass die britische Militärregierung sich lang das Recht vorbehielt, die Kategorien 1 & 2 selbst zuzuteilen und die Spruchkammer so nur die Kategorien 3 bis 5 einordneten, aber woher rührt dann der starke Hang zu Kategorie 5?
Meine bisherige Idee ist, dass damit vielleicht die Effizienz der Verwaltung aufrechterhalten werden sollte, aber in der französischen Zone gab es ja auch vor allem Kategorie 4 und nicht 5. Gibt es andere Erklärungen, die ich übersehe und welche Belege existieren dafür?

Vielen, vielen Dank für jede Hilfe!
 
Woher hast du denn die Angabe, dass in der britischen Besatzungszone mehr als in anderen Zonen in die Kategorie 5 eingestuft wurde?
Es hing sehr häufig von den individuellen Zusammensetzungen der Spruchkammmern ab, wie jemand eingestuft wurde. Ich habe z.B. mal einen Fall zwischen den Fingern gehabt - eine auffällig dicke Akte im Vgl. mit anderen Entnazifizierungsakten - wo die Person zunächst als entlastet eingestuft worden war, dann aber aufgrund des Engagements einer zweiten Spruchkammer der Fall wieder aufgerollt wurde. Ohne über den Grad der Verstrickung der Person - eines Unternehmers - zu urteilen, habe ich mich des Eindrucks nicht erwehren können, dass die Spruchkammer, die z.T. aus Kommunisten bestand - hier aus klassenkämpferischen Motiven handelte. Beide Spruchkammern, die, den den Unternehmer entlastet hatte und die, die den Fall wieder aufrollte, waren in Niedersachsen, also in der britischen Besatzungszone.
 
Fürstenau (S. 228) liefert eine Tabelle zur "Aufgliederung der Entnazifizierung in den Länderns der Westzonen. Für Hamburg, Niedersachsen, NRW, SH bzw. britische Besatzungszone insgesamt werden für die Gruppen I und II keine Zahlen genannt. Die Ursache ist, dass keine Daten durch die Briten bereitgestellt wurden.

Und Fürstenau verweist darauf, das auch das Bundesinnenministerium keine zusätzlichen Zahlen zur Verfügung hatte.

Es ist aber auch richtig, dass die absolute Anzahl der zur Gruppe V gehörenden in der britischen Zone mit 1.1 Mio extrem hoch war. Gemessen an der Gesamtzahl für die Westzonen mit 1.2 Mio.

Fürstenau, J. (1969): Entnazifizierung. Ein Kapitel deutscher Nachkriegspolitik. Neuwied, Berlin: Luchterhand
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch ein Nachtrag. In der amerikanischen Zone wurden 950126 Fälle bearbeitet. Sofern man die einzelnen Kategorien summiert kommt man genau auf diese Zahl.

Geht man analog für die britische Zone vor, dann wurden 2.041.454 Fälle im Rahmen der Entnazifizierung bearbeitet. Summiert man die Kategorien, exklusive Gruppe I und II auf, dann erhält man exakt eben genau 2.041.454 Fälle.

Bemerkenswert ist an dem gesamten Zahlengerüst jedoch die französische Zone. In der gehörten lediglich 13 Fälle zur Gruppe I, - in der US-Zone 1654 - und zur Gruppe II 938 - in der US-Zone 22122 -.

Das spiegelt die unterschiedliche Auffassung wieder. In der US-Zone wurde am entschiedensten entsprechend der völkerrechtlichen Vorstellungen zur Entnazifizierung gehandelt. In der französischen Zone benutzte man das Wissen tendenziell eher, die NS-Belasteten durch das Wissen über ihre Vergangenheit zur Kooperation zu "bewegen".

Insgesamt so Fürstenau: "Jede statistische Aufstellung über die Entnazifizierung, die für alle Zonen vergleichbare Werte enthalten soll, stößt infolge der verschiedenen Verfahrenspraxis auf unüberwindliche Schwierigkeiten. ....Doch wird die Abstufung: schärfste Durchführung in der amerikanischen und mildeste in der französischen Zone durch viele Kommentare bestätigt." (S. 230)
 
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