Das Reitergrab von Nordendorf - wie ist der Bestattete anzusprechen?

Hallo

Mir ist nciht ganz kalr, warum der Bodendenkmalheini so in Euphorie verfällt. Goldblattkreuze nördlich der Alpen, bes. im allem. Raum gibt es ja schon wie Sand am meer und kopptisches Geschirr nördlich der Alpen gibt es auch, ist also nicht ganz so ungewöhnlich. Und ob die Goldblattkreuze bedeuten,daß er ein Christ war,da läßt sich jetzt trefflich drüber streiten, genauso, ob er aufgrund von Handelswegen zu dem kopt. Geschirr kam, ich vermute da schon eher eine milit. Beziehung zu den Römern, (Bauschutt) aufgrund dessen er Zugang zu diesen "Luxusgütern" hatte.

mfg
schwedenmann
 
Nordendorf, der Fundort dieser beiden neuen Gräber, ist ja nun archäologisch und auch religionshistorisch sowie linguistisch kein unbekannter Fundplatz. Es ist dort ja schon 1844 Jahren ein Reihengräberfeld mit 433 Gräbern nachgewiesen worden. Die Neufunde sind insofern überraschend, als dass sie abseits des bekannten Reihengräberfeldes (5. - 7. Jhdt.) gefunden wurden, obwohl sie wohl offenbar zu einer Zeit angelegt wurden, als das Gräberfeld noch genutzt wurden. Nun kann man sich fragen, warum das so war.
Ethnisch gelten die Bestatteten des Gräberfeldes in Nordendorf als Alamannen. Denkbar wäre, dass die beiden neu aufgefundenen Reitergräber mit Franken belegt wurden. In dem Artikel steht allerdings nichts über fränkische Tracht. Die Frage ist natürlich sowieso, ob man man die Zugehörigkeit des Individuums allzu leichtfertig an der Tracht festmachen kann, vor allem dann, wenn fränkische Herren in einer unterworfenen alamannischen Umgebung lebten. Vielleicht wollte man aber das Gräberfeld erweitern und hat mit den Reitergräbern gewissermaßen eine Marke gesetzt, in welche Richtung sich das Gräberfeld in Zukunft ausbreiten sollte (reine Spekulation meinerseits).

Bis ins 6. Jhdt. jedenfalls war unter den Alamannen zumindest noch der Glaube an die alten Götter verbreitet, gerade der neuerliche Fundort Nordendorf ist ja für zwei Frauenfibeln bekannt, die auf ihren Rückseiten entsprechende Ritzinschriften tragen (ja, es sind sogar die frühesten Zeugnisse der Götternamen Wodan und Donar im südgermanischen Raum), wobei es sicher seit dem 5. Jhdt. auch Christianisiseurngsbestrebungen gegeben haben mag, im 7. Jhdt., aus der zeit, aus der die beiden aktuellen etwas abseitig gelegenen Reitergäber stammen, war die Christianisierung der Alamannen aber bereits im vollen Gange, wenn auch sicher noch nicht abgeschlossen.
 
Vielleicht wollte man aber das Gräberfeld erweitern und hat mit den Reitergräbern gewissermaßen eine Marke gesetzt, in welche Richtung sich das Gräberfeld in Zukunft ausbreiten sollte (reine Spekulation meinerseits).

Diese These, das will ich noch mal betonen, steht und fällt natürlich mit dem Entfernungsverhältnis der beiden Reitergräber zu restlichen Gräberfeld.
 
Sollte im 7. Jahrhundert in dieser Gegend nicht auch noch mit christlichen Romanen zu rechnen sein? In Augsburg hat sich die lokale romanische Sprache wohl recht lange gehalten.
 
Hab gerade das gegooglet:
Ein Kulturbruch zwischen Spätantike und Frühmittelalter (»Katastrophentheorie«), wie ihn die bayerische Archäologie und Historiographie bis vor kurzem in Überbewertung des Germanischen annahm, hat hier nicht stattgefunden.

Das klingt schon einmal gut.
Ich habe auch gegoogelt:

Charakteristisch für das frühe bairische Herzogtum war die Mehrsprachigkeit der Bevölkerung. Das Herzogtum war im 6. Jahrhundert auf dem Boden der römischen Provinzen Rätien und Noricum unter der Dynastie der Agilolfinger entstanden. Die Bevölkerung setzte sich aus romanischsprachigen ehemaligen Provinzialen und germanischsprachigen Bewohnern zusammen, so dass neben Althochdeutsch bzw. Altbairisch vor allem eine romanische Sprache gesprochen wurde. Hinzu kamen Hebräisch (etwa der Juden in Regensburg) und wohl die slawische Sprache der Karantanen.
https://www.historisches-lexikon-ba...r_(Altbayern/Österreich_-_Franken_-_Schwaben)
 
Die Bevölkerung setzte sich aus romanischsprachigen ehemaligen Provinzialen und germanischsprachigen Bewohnern zusammen, so dass neben Althochdeutsch bzw. Altbairisch vor allem eine romanische Sprache gesprochen wurde.

Dass in beträchtlichen Teilen des Herzogtums Baiern noch bis ins Hochmittelalter Romanisch gesprochen wurde, war mir schon klar. Insbesondere die Salzburger Gegend war noch lange romanischsprachig:
Salzburger Romania – Bad Reichenhall Wiki
Eine wegen ihrer Dreisprachigkeit interessante Gegend ist auch das Kalser Tal:
Sprachschichten im Kalsertal - Gemeinde Kals am Großglockner

Nun ist Sprachwechsel nicht identisch mit Kulturbruch, und wenn man Indizien für ein Fortleben des Romanischen in Augsburg sucht, wären halt sprachliche Indizien beweiskräftiger. Im Ortsnamen Augsburg
finden wir eine Eindeutschung, dies ist ab 826 (Augusburuc) belegbar. Vergleichbar wäre Regensburg (für Regino / Castra Regina, 772 Reganespurch); für das 7. Jahrhundert finde ich leider keine Belege.
 
Der Name Augsburg spricht für eine Bevölkerungskontinuität der Siedlung. Wie schaut es denn mit anderen Flurnamen und Ortsnamen in der Umgebung aus?

Gibt es aus dem Zeitraum datierbare Funde, die den Fortbestand einer romanischen Bevölkerung dokumentieren?

Natürlich könnte auch das römische Augusta Vindelicium in der Spätantike aufgegeben worden sein, die letzten Romanen könnten noch den ersten Alemannen mitgeteilt haben, wie ihre Stadt gehießen hat, bevor sie Reißaus genommen haben. Die ersten Alemannen könnten so den Namen übernommen haben, bevor sie dann die Stadt mit ihren wohl noch massiven Mauern übernommen haben.

Hier ist noch etwas:

Die Mauern der Stadt boten im 4. Jahrhundert der Bevöl kerung auf dem flachen Land Schutz und Niederlassungsmöglichkeiten; das Umland der Hauptstadt mit seinem ehemals dichten Netz von Gutshöfen und Kleinstädten scheint nach der Mitte des 4. Jahrhunderts ziemlich entvölkert gewesen zu sein.

[...] Gegenwärtige Grabungen Hinter dem Schwalbeneck haben römische Funde bis um die Mitte des 5. Jahrhunderts sowie alamannisch-fränkische Siedlungsreste aus dem 6. Jahrhundert in den römischen Ruinen erbracht. Hier scheint sich erstmals für Augsburg eine durchgehende Kontinuität von der Römerzeit in das frühe Mittelalter abzuzeichnen. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, daß bisher keine frühchristlichen Kirchenanlagen aus spätrömischer Zeit sicher für Augusta Vindelicum nachgewiesen werden konnten: Gebäudespuren bei St. Gallus an der öst lichen Terrassenkante der Römerstadt, zeitweilig als Überreste einer Doppelkirchenanlage interpretiert, bedürfen dringend neuer archäologischer Untersuchungen.

aus: https://www.wissner.com/stadtlexiko...d-archaeologie-in-augusta-vindelicum-augsburg
 
Der Name Augsburg spricht für eine Bevölkerungskontinuität der Siedlung. Wie schaut es denn mit anderen Flurnamen und Ortsnamen in der Umgebung aus?
Da sieht es ziemlich germanisch aus. Augsburg ist umzingelt von -ing(en)-Namen wie Bobingen, Göggingen, Mering, Kissing, die auf eine frühmittelalterliche Besiedlung schließen lassen.
 
Also meine Hypothese lautet, hier dürften weder in alemannischen, romanischen noch fränkischen Interpretationsansätzen die Erhellungen liegen. Vielmehr verbirgt sich hinter einem einzigen Buchstabendreher (vermutlich im Zuge unausgereifter Verschleierungstechniken entstanden) des Rätsels Lösung, ein omnipräsentes Volk tritt hier ein weiteres Mal ins Licht der Geschichte, der Fundort spricht für sich: Nor(d)bendorf
 
Da sieht es ziemlich germanisch aus. Augsburg ist umzingelt von -ing(en)-Namen wie Bobingen, Göggingen, Mering, Kissing, die auf eine frühmittelalterliche Besiedlung schließen lassen.
Das entspricht dem, was man auch in der Schweiz vorfindet. Wegen wiederholter Überfälle wurden die römischen Landgüter aufgeben, man wanderte ganz ab oder zog sich hinter die Mauern der befestigten Städte zurück, in Schwaben etwa in Augsburg, Günzburg, Kempten und Füssen. Die Sicherung der Lebensmittelversorgung wurde in der Folgezeit mehr und mehr von alemannischen Bauern übernommen — wobei man heute sogar annimmt, dass diese zumindest zum Teil regelrecht angeworben wurden.
 
Ethnisch gelten die Bestatteten des Gräberfeldes in Nordendorf als Alamannen. Denkbar wäre, dass die beiden neu aufgefundenen Reitergräber mit Franken belegt wurden. In dem Artikel steht allerdings nichts über fränkische Tracht. Die Frage ist natürlich sowieso, ob man man die Zugehörigkeit des Individuums allzu leichtfertig an der Tracht festmachen kann, vor allem dann, wenn fränkische Herren in einer unterworfenen alamannischen Umgebung lebten. Vielleicht wollte man aber das Gräberfeld erweitern und hat mit den Reitergräbern gewissermaßen eine Marke gesetzt, in welche Richtung sich das Gräberfeld in Zukunft ausbreiten sollte (reine Spekulation meinerseits).
Jedoch sprechen die Goldblattkreuze gegen Franken. Diese findet man überwiegend bei Langobarden und Alamannen.

In den 90er Jahren habe ich einen Vortrag eines Archäologen gehört. Dieser meinte, dass Goldblattkreuze auf eine arianische Glaubensrichtung verweist. Ich fand das damals überzeugend belegt.
Der Wiki-Artikel zu Goldblattkreuzen schreibt jedoch, dass dies wohl nicht mehr der aktuele Forschungsstand ist. Aber so ganz überzeugt bin ich von der neuen These noch nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Goldblattkreuz
 
In den 90er Jahren habe ich einen Vortrag eines Archäologen gehört. Dieser meinte, dass Goldblattkreuze auf eine arianische Glaubensrichtung verweist. Ich fand das damals überzeugend belegt.
Der Wiki-Artikel zu Goldblattkreuzen schreibt jedoch, dass dies wohl nicht mehr der aktuele Forschungsstand ist. Aber so ganz überzeugt bin ich von der neuen These noch nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Goldblattkreuz

Die Originalidee lautete wohl, die Goldblattkreuze seien Abzeichen des arianischen Teils der Langobarden, der in Italien zum Katholizismus übergetreten sei.
Nach Helmut Roth, Bemerkungen zur Deutung und Funktion der Goldblattkreuze in Baden-Württemberg, in: Fundberichte aus Baden-Württemberg, Band 1, 1974, S. 642-649, S. 649.

Roth merkt an, dass Siegfried Fuchs, Die langobardische Goldblattkreuze südwärts der Alpen, Berlin 1938, Urheber dieser Meinung, die immer noch wiederholt werden würde, sei.
Nun, 1938 war auch die Zeit, in welcher der Arianismus gerne als Ausdruck eines germanisch gefärbten Christentums gedeutet wurde....

Ansonsten würden Goldblattkreuze daher sowieso nicht auf die arianische Glaubensrichtung selber verweisen. Christlein, Die Alamannen, 1978, notierte damals S. 120, die Goldblattkreuze ständen als Sitte sowohl bei Alamannen wie bei Langobarden in Italien zweifelsohne in einem Zusammenhang, sie seien annähernd zeitgleich aufgetreten; der geistige Hintergrund sei schwer fassbar, man wisse jedoch, die Sitte sei aufgrund der vielen Bestattungen mit Goldblattkreuzen in Kirchengebäuden mit dem christlich-katholischen Bekenntnis vereinbar gewesen.
 
In den 90er Jahren habe ich einen Vortrag eines Archäologen gehört. Dieser meinte, dass Goldblattkreuze auf eine arianische Glaubensrichtung verweist. Ich fand das damals überzeugend belegt.
Der Wiki-Artikel zu Goldblattkreuzen schreibt jedoch, dass dies wohl nicht mehr der aktuele Forschungsstand ist. Aber so ganz überzeugt bin ich von der neuen These noch nicht.
https://de.wikipedia.org/wiki/Goldblattkreuz
Ich habe davon keine Ahnung. Weshalb sollen die Goldblattkreuze auf eine arianische Glaubensrichtung verweisen/fandest du überzeugend belegt.

Edit: Andreas' Beitrag habe ich erst gelesen, nachdem ich diesen hier geschrieben habe, dennoch würde mich interessieren, was Flavius damals so überzeugend vorkam.
 
Das entspricht dem, was man auch in der Schweiz vorfindet. Wegen wiederholter Überfälle wurden die römischen Landgüter aufgeben, man wanderte ganz ab oder zog sich hinter die Mauern der befestigten Städte zurück, in Schwaben etwa in Augsburg, Günzburg, Kempten und Füssen.

Das ist die Situation Mitte des 4. Jahrhunderts.
Was Günzburg betrifft, lese ich in "Die Römer in Schwaben" (Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Arbeitsheft 28, München 1986, S. 35):
"Zum Schutz der Donaugrenze erhielt Gontia im 4. Jahrhundert erneut eine Garnison, die milites Ursarienses. Am Beginn des 5. Jahrhunderts verschwinden Kastell, Siedlung und Bestattungsplatz aus dem archäologischen Fundbild. Vorläufig führt noch keine Brücke über das Jahrhundert der Völkerwanderungszeit zur alamannischen Hofsiedlung des 6. Jahrhunderts, die mit Reihengräbern außerhalb der Römerstadt archäologisch faßbar wird."

Aus Augsburg gibt es ab Mitte des 5. Jahrhunderts keine datierbaren römischen Funde mehr. Den einzigen belastbaren Hinweis auf eine Kontinuität liefert Venantius Fortunatus, der um 570 berichtet, dass in Augsburg die Gebeine der Märtyrin Afra verehrt wurden.
Aber kann man da noch von einer isolierten romanischsprachigen Bevölkerung ausgehen?
Aus dem Gräberfeld unter der Ulrichskirche stammt "der älteste sicher datierbare alamannische Grabfund im engeren Stadtgebiet, eine bronzene Vogelfibel für Frauengewand vom mittleren 6. Jahrhundert. Das ganze Gräberfeld wuchs auf möglicherweise über tausend Bestattungen an. Sieben nach Osten ausgerichtete Steinkistengräber des beginnenden 7. Jahrhunderts enthielten Grabbeigaben für hochgestellte Personen, darunter ein Schwert mit silberverzierter Scheide. Man fand ferner Ausstattungen für zwei Geistliche. [...] Alle Herkunftsmerkmale dieser Gräber wiesen auf westfränkischen Einfluss hin von Burgund und der Provence her." (Wolfgang Zorn, Augsburg - Geschichte einer europäischen Stadt, 4. Auflage, Augsburg 2001, S.71f)

Ganz anders sieht es in Trier oder Köln aus. Hier haben wir handfeste Belege, dass tatsächlich im 6. Jahrhundert noch romanisch gesprochen wurde:
Ein Grabstein des 5./6. Jahrhunderts nahe St. Gereon
 
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