Du musst dich damit abfinden, dass sich manche Abhängigkeiten und Suzeränitäten nicht kartieren lassen. Solche Kartierungsversuche scheitern zwangsläufig daran, dass derartige Karten unübersichtlich, schlecht lesbar und von Informationen überfrachtet wären. Daher müssen Historiker und Kartografen bei Geschichtskarten stets Kompromisse eingehen, die nicht immer befriediegend, aber im Interesse lesbarer Karten unausweichlich sind.
Ich habe zahlreiche historische Karten für zwei bekannte Geschichtsatlanten konzipiert und weiß, wovon ich spreche.
Die Visualisierung der staatsrechtlichen Stellung Reichsitaliens ist dabei nur eines der zahlreichen Probleme. Die Kartenentwerfer aller großen Geschichtsatlanten sind in diesem Fall zu der Überzeugung gelangt, dass ein Verlauf der Reichsgrenze in Italien bis zur Zäsur von 1648 die beste Lösung ist: Großer Historischer Weltaltlas, Bd. 2 (bsv-Verlag), Großer Atlas zur Weltgeschichte (Westermann Verlag), Putzger Historischer Weltatlas (Cornelsen Verlag), der frühere DDR-Geschichtsatlas. Lediglich der Große Historische Weltatlas zeigt die Reichsgrenze in Italien bereits seit dem 13. Jh. lediglich gerissen statt durchgezogen, was auf eine eingeschränkte Souveränität bzw. Territorialherrschaft des Reichs hinweist (Gr. Hist. Weltaltlas, S. 88 (a), S. 120 (a).
Danach sind die Reichsrechte in Italien derart lückenhaft, dass eine Norditalien umfassende Reichsgrenze eine völlig falsche Vorstellung bieten würde. Somit hat man in all diesen Atlanten die Reichsgrenze zurückhenommen, was natürlich ein Kompromiss ist. Die oben genannten Geschichtsatlanten zählen zu den wissenschaftlich und kartografisch zuverlässigen historischen Kartenwerken, die von einer Phalanx renommierter Historiker und in kartografischen Anstalten erarbeitet wurden.
Wenn z.B. im Hohen Mittelalter Grenzen gezeigt werden, so ist folgenes zu berücksichtigen: Nur wenige Grenzbeschreibungen sind aus spätmittelalterlichen Quellen überliefert, viele Grenzen muss man aus jüngeren Verhältnissen - zum Teil erst des 18. Jh. - erschließen und viele haben für das 14. und 15. Jh. überhaupt nur den Wert von Hilfslinien, weil die Herrschaften, deren ungefähren Umfang sie umreißen, über verstreute Untertanen geboten, also eigentlich "grenzenlos" waren.
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