Rotkopf

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Nach und nach soll der Beginn, die Entwicklung und Veränderung bis zum Ende des Safawidenreiches dargestellt und diskutiert werden.

Beginn:
Um 1300 führte und lehrte Scheich Safi Ad-Din als Meister eine Sufi Bruderschaft im heutigen Azerbaidschan. Safi Ad-Din war Sunnit und verehrte für damalige Zeiten nicht untypisch die Imame der Schiiten. Seine Nachfahren und Schüler wandelten immer mehr in schiitische Lehren und Mystik bis sie eine radikal militaristische Richtung mit politischem Herrschaftsanspruch annahmen.

Nachdem die schiitischen Kara Koyunlun (auch Qara Qoyunlu) die Lebensorte der Safawiden eroberten, fand Scheich Cüneyt (auch Junaid), ein Nachfahre Safi Ad-Dins, bei Uzun Hasan dem Fürsten der sunnitischen Ak Koyunlu in Anatolien Zuflucht. Die Ak Koyunlu waren mit den Kara Koyunlu in generationenübergreifender Rivalität und Feindschaft verbunden.

Die safawidische Lehre fand parallel dazu bei den türkischen Stämmen Anatoliens viele Anhänger.

Nach dem Tode Uzun Hasans fanden die Ak Koyunlus keine Stabilität bis 1499 der 11jährige Sohn Ismail die Führung der Safawiden und der 7 großen Kizilbas (Qizilbash) Stämme in Anatolien übernahm.

Ismail war sowohl Nachfahre Uzun Hasans und damit legitimer Herrscher der Ak Koyunlu als auch Enkel von Scheich Cüneyt und damit legitimer Nachfolger und Führer der safawidischen Lehre bzw. ihr nahe stehender Lehren.

Die mehrheitlichen Kizilbas Stämme verbündeten sich mit Ismail als Nachfahren des Uzun Hasan, weil sie die Ost-Expansion der sunnitischen Osmanen stoppen wollten und ein eigenes Reich der schiitisch-mystischen Richtung begründen. Ismail war wie eben erwähnt doppelt legitimiert die Stämme im Fürstentum der Ak Koyunlu zu führen.

Ismail wird als sehr charismatisch und ehrgeizig beschrieben. In wenigen Jahren eroberte Ismail mit seinen Kizilbas Stämmen große Teile des heutigen Azerbaidschans und Irans und begründete das safawidische Reich. Wie fast überall in damaligen islamischen Gebieten waren ca. 80% der Bevölkerung sunnitisch und ca. 15% schiitisch. Die Safawiden und Kizilbas führten eine zwangsschiitisierung durch - weswegen das heutige Iran mehrheitlich schiitisch ist.

Die sunnitischen Osmanen expandierten unter Sultan Selim in Richtung Westen. Die zumeist türkischen heterodoxen Gemeinschaften Anatoliens waren mit der Herrschaft der sunnitischen Osmanen unzufrieden und viele zogen in Richtung Osten um aus dem osmanischen Herrschaftsbereich auszutreten. Ismail und die Qizilbas Stämme warben zudem aktiv um die in Anatolien lebenden heterodoxen türkischen Stämme und Gemeinschaften.

Die Osmanen forcierten ihre Ost Expansion Richtung Ostanatolien während die Safawiden eine West Expansion in Richtung Zentralanatolien einleiteten. Der Konflikt war vorprogrammiert und sollte in die Geschichte eingehen welches bis heute nachwirkt.

Die Armee der Osmanen setzte sich aus vielen Völkern des Reiches zusammen, Türken, Kurden, Bosnier, Bulgaren, Griechen, Serben, Kroaten usw.
Die Armee der Safawiden bestand mehrheitlich aus den Kizilbas Stämmen und einigen persischen und kurdischen Truppen.

Sah Ismail wusste um die Überlegenheit der osmanischen Armee weswegen er einem direkten Konflikt aus dem Wege ging und mit seinen Truppen oft den Standort wechselte. Die Kizilbas Stämme waren ziemlich unzufrieden und wollten den direkten entscheidenden Kampf.

Die Janitischaren auf osmanischer Seite wiederum waren unzufrieden gegen die ihrer Meinung nach ihren Lehren nahestehenden Kizilbas und Safawiden kämpfen zu müssen. Sultan Selim statuierte ein Exempel indem er mehrere Führungsoffiziere der Janitscharen vor den Janitscharen exekutieren ließ.
 
Einige Ergänzungen zu den obigen Ausführungen:
  • Das Stammland der Kizilbas war Zentralanatolien welches zum großen Teil von den Osmanen erobert wurde und die Kizilbas eine Rückeroberung planten.
  • Sah Hatayi und Sultan Selim schrieben sich regelmäßige Briefe mit Gedichten mit manchmal mehr manchmal weniger subtilen Beleidigungen. Beide beherrschten verschiedene Sprachen und Schriften. Während Selim schwerpunktmäßig auf arabisch und in Teilen auf türkisch und persisch schrieb, schrieb Ismail mehrheitlich auf türkisch und in Teilen auf arabisch und persisch. Hintergrund war unter anderem die Politik die auf die türkischen Gemeinschaften in Anatolien zielten (Ismails Absicht) und der auf die orthodoxen Mehrheiten der Muslime nämlich den Sunniten zielte (Selims Absicht).
  • Die Osmanen unter Sultan Selim verfolgten die Kizilbas Stämme in Anatolien auf brutale Weise. Damit es zu keiner Solidarität durch andere Konfessionen und Gruppen in Anatolien kam, ließ er die bis dato zu der volksislamischen Diversität zählende heterodox-islamische Gemeinschaften der Kizilbas zusätzlich durch religiöse Autoritäten entrechten, indem Fetwas gegen die Kizilbas ausgesprochen wurde. Die Auswirkungen dieser Entrechtungspolitik führte zu einer Auslöschung des urbanen Lebens der Kizilbas und bis heute zu einer Verfolgung und Diskriminierung der Nachfahren der Kizilbas Stämme in Anatolien - den heutigen Aleviten (die heutigen Aleviten sind die Nachfahren vieler heterodoxer Gemeinschaften aus Anatolien die über verschiedene geschichtliche Ereignisse zusammenfanden, schwerpunktmäßig der Kizilbas und den Bektasis). Die überlebenden Kizilbash Stämme zogen in unwirtliche Gebiete und führten die Taqiya aus, das Verbergen/Verschleiern des eigenen Glaubens.
  • Nicht weniger zimperlich ging Sah Ismail mit den Sunniten in ihrem safawidischen Reich um. Die jedoch die Möglichkeit der Konversation und damit Rettung hatten. Viele Sunniten wählten das Schiitentum um ihr Leben und Hab und Gut zu retten, weil dies von den Safawiden und Kizilbas akzeptiert und von den Zwangskonvertierenden eher dem Sunnitentum entsprach als die heterodoxe Ausrichtung der Kizilbas. Trotzdem waren bis zu dem Tode Sah Ismails etwas weniger als 80% der Bevölkerung weiterhin sunnitisch und diese mehrheitlich Iraner.
  • Eine Minderheit von türkischen Kizilbas Stämmen mit wenig Kompetenzen der Verwaltung einer Zentralregierung herrschte über das safawidische Reich mit einer mehrheitlich iranischen/persischen Bevölkerung - diese fehlende Kompetenz der Kizilbas Stämme sollte beginnend mit den letzten Jahren Ismails und im Besonderen nach dem Tode Ismails zu deren Machtverlust und Vertreibung aus dem iranisierenden Safawidenreich führen. Denn die Iraner/Perser konnten aus Jahrtausende andauernden Erfahrung eine Zentralregierung verwalten und drangen danach die Macht und Deutungshoheit in Politik, Verwaltung, Religion und Militär in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Sah zu übernehmen. Nach zwei Generationen war das safawidische Reich komplett in iranischer/persischer Hand und die türkischen Kizilbas Stämme wurden vertrieben. Hier zeigte sich, dass ein Reich zu erobern militärisch möglich ist, diese zu halten aber komplexe Verwaltung und Politik benötigt. Und die Osmanen waren hier weiter als die Safawiden - die wie die Ak- und Kara Koyunlu fragile föderalistische Reiche beherrschten.
 
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Die Unzufriedenheit der türkischen heterodox islamischen Nomaden mit den sunnitischen Osmanen hatte eine Vorgeschichte die ins 11 Jahrhundert hineinreicht und oftmals von Aufständen gegen die Seldschuken geprägt war.

Die Einwanderung der türkischen Nomadenstämme nach Anatolien und teils in den Balkan fand schwerpunktmäßig im 11. Jahrhundert statt. Die Nomadenstämme waren fast durchweg islamisch geprägt. Geistliche Führer dieser Nomaden waren Derwische, sogenannte Babas, Abdals und später auch Dedes und Anas und sie prägten die mystische und heterodoxe Form des Islams in Anatolien und teils des Balkans indem sie verschiedene Elemente aus Naturkulten und dem Schamanismus aufnahmen.

Die Seldschuken regierten eher städtisch und höfisch ihr Reich während die vielen türkischen Nomadenstämm unabhängig der Seldschuken in ihren Regionen oftmals föderativ und kooperierend lebten und co-regierten. Ein religiöser und kultureller Konflikt entstand zwischen den städtisch lebenden Seldschuken mit ihrem orthodoxen und gesetzesgebenden Islam und den ländlich und nomadisch lebenden Stämmen mit ihrem praktischen Leben und heterodoxen Islam immer öfter statt und führte zu verschiedenen Aufständen.

In 1240 fand eine die Zukunft Anatoliens prägende Schlacht während eines großen und mehrjährig andauernden Aufstands der türkisch heterodox islamisch nomadischen und halbnomadischen Stämme gegen die aus Konya herrschenden orthodox muslimischen Seldschuken in Malya statt. In den Reihen der Seldschuken kämpften auch viele zentral und westeuropäische Söldner wie Franken mit.

Drei Jahre nach der für alle Seiten verlustreichen Schlacht und des Aufstands fielen die Mongolen in Anatolien ein und besiegten nicht nur die letzten Einheiten der Nomaden sondern besiegelten das Ende des Seldschukenreiches.

Aus der Neuordnung entstand das Zeitalter der Beyliks / der Fürsten. Anatolien wurde in viele kleine zumeist sunnitische aber auch schiitische Beyliks/Fürstentümer aufgeteilt. Drei dieser Fürstentümer waren die oben erwähnten Osmanen, Kara Koyunlu und Ak Koyunlu. Und in all dieser Zeit lebten die heterodox islamisch türkischen Nomaden- und Halbnomadenstämme weiter in ihren Lebensgebieten in den verschiedenen Fürstentümern und verbündeten sich je nach Interessenlage und prägten die Politik mit. Die Nomaden hatten kein Drang nach einem städtisch und höfisch geprägtem Reich, sie lebten und regierten/herrschten wie bisher föderativ weiter.
 
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