Theologische Änderung durch spätantike Bekehrungen

F

Fragestellung

Gast
Sehr geehrte Damen und Herre und Diverse (richtig geschrieben?),
Liebes Fachpublikum,

ich habe eine Frage zum frühen Christentum. Ich wünsche die Beantwortung dieser Frage aus einem geschichtswissenschaftlichen, nüchternen Blickwinkel, keine theologische oder religionsphilosophische Diskussion über die Manipulation der Bibel oder die Vorzüge des Atheismus.

Das vorausgeschickt: Stimmt es, dass die Bekehrung der "Germanen" oder allgemein die Völker der Völkerwanderungszeit auf das christliche Dogma zurückwirkten?
Also nicht die eigentlichen Glaubensinhalte, aber deren Interpretation und Vorstellungen, die man sich machte, veränderten?
Dabei ging es auch um die Gewichtung der jeweiligen Glaubensartikel.

Ich habe mal gelesen, weiß allerdings nicht mehr wo, dass die Lehre von der Rücknahme der Erbsünde durch den Kreuztot auch erst durch diese Bekehrungen zustande gekommen sind?
 
Nun bin ich zwar mitnichten ein christlicher Theologe, aber meines Wissens wurde die Erbsündelehre von Augustinus erfunden, und zwar erstmals in seiner Schrift De libero arbitrio, Über den freien Willen, im Jahr 395. Der Titel der Schrift klingt gut, ist aber ein Rundumschuss gegen die Freiheit des Individuums: denn von nun an ist nicht mehr der Einzelne verantwortlich, sondern die Menschheit als ganzes, indem sie die ursprüngliche Sünde (= die Episode mit dem Apfel, der gar keiner war) von Geburt an geerbt hat. Augustinus schreibt demnach: "Seitdem [seit der Vertreibung aus dem Paradies] gebührt allen, sieht man von der Barmherzigkeit Gottes ab, die ewige Verdammung." (De diversis quaestionibus)
Inwieweit die Germanen diese These abgeschwächt haben, ist mir unbekannt, ich glaube nicht, dass sie sie gekannt haben. Aber es gab im Arianismus, dem die Germanenvölker zunächst einmal gefolgt sind, sicherlich auch hierzu andere Ansichten, allerdings geht das über meine Kenntnisse hinaus.
 
Die Zentren des Christentums lagen in der Spätantike im Nahen Osten, in Ägypten, in Africa und in Konstantinopel, also gerade nicht in den Regionen, in denen es zunehmend massive Berührungen mit den und Bekehrungen der Germanen gab. Dort spielten sich im 4. und 5. Jhdt. auch die zentralen theologischen Konflikte ab, die zu Glaubensspaltungen sowie zur Herausbildung der noch heute gültigen katholischen und orthodoxen Glaubensinhalte führten.
Die Germanen hingegen konvertierten großteils zum Arianismus, der sich letztlich als Sackgasse erwies, weil er ausstarb, als die Germanenstämme nach und nach zum Katholizismus wechselten oder von den Oströmern wieder unterworfen wurden.

Insofern verstehe ich nicht, wie ausgerechnet die in der Peripherie lebenden Germanen auf das christliche Dogma zurückgewirkt haben sollen.
 
Die Zentren des Christentums lagen in der Spätantike im Nahen Osten, in Ägypten, in Africa und in Konstantinopel,

Bei der Bekehrung Nordeuropas spielten die Iren und Schotten eine große Rolle.

Natürlich waren die Zentren des Christentums damals Christentums auch Rom war weit ab vom Schuss.
Aber heute hat sich das "römische" Christentum eben durchgesetzt, ud deshalb ist es denkbar, dass der Einfluss der transalpinen Bekehrung ganz erheblich war.
 
Es wird gerne mal hier oder dort behauptet, christliche Elemente seien von den Germanen, Kelten, Slawen ins Christentum eingebracht worden: Osterfeuer/Osterfeuerräder, Johannesfeuer, Szmingus Dingus, Ostereier, Weihnachtsbaum etc.
Wenn man dann genau schaut, dann stellt sich heraus, dass hier nichts anderes als Lumen Christi („Ich bin das Licht der Welt!“), Szmingus Dingus als Reminiszenz an den früher allgemeingültigen kollektiven Tauftermin: Ostern, etc. eine Rolle spielt. Oder die Bräuche lassen sich recht gut auf ihre Wurzeln im SpätMA oder der FNZ zurückführen, nicht alles was unserer aufgeklärten Zeit archaisch und unchristlich vorkommt ist dies auch wirklich.

Was es tatsächlich gab, war die Debatte, ob Jesus mehr Mensch oder mehr Gott war, der Arianismus griff die Trinitätslehre an. Aber diese Strömung ist nicht von Germanen „erfunden“ sondern vielmehr aufgegriffen worden. Nur die Franken sollen gleich den Katholizismus gewählt haben.
 
Bei der Bekehrung Nordeuropas spielten die Iren und Schotten eine große Rolle.

Natürlich waren die Zentren des Christentums damals Christentums auch Rom war weit ab vom Schuss.
Aber heute hat sich das "römische" Christentum eben durchgesetzt, ud deshalb ist es denkbar, dass der Einfluss der transalpinen Bekehrung ganz erheblich war.
Das "römische" Christentum ist nicht in Rom entstanden. Natürlich mischte der Bischof von Rom auch mit, aber die zentralen Diskussionen und Konflikte fanden primär andernorts statt. Maßgebliche Akteure waren oft die Patriarchen von Alexandria und Konstantinopel sowie die Kaiser (die die oft zerstörerische Kraft der Dispute einzufangen versuchten) und natürlich diverse Geistliche und sonstige Gelehrte, großteils aus den von mir bereits genannten Gebieten. Auch die großen Konzile des Spätantike fanden in Kleinasien oder Konstantinopel statt, nicht in Rom.

Als die "Iren" und "Schotten" in Nordeuropa missionierten, war das "römische" Christentum bereits weitgehend so ausgeformt, wie es noch heute besteht. (Der verheerende "Bilderstreit" des frühen Mittelalters war weitgehend eine byzantinische Angelegenheit, und letztlich setzte sich die Bilderverehrung durch.)

Falls Du tatsächlich christliche Bräuche (angeblich) germanischer Herkunft im Sinne hast: Man muss schon unterscheiden zwischen Glaubenslehren und Bräuchen: Weder der Weihnachtsbaum noch der Osterhase sind in irgendeiner Weise dogmatisch.
 
Ich habe mich ein bisschen umgeschaut und finde eigentlich nur Pelagius, der die Augustinische Erbsündenlehre kritisiert: Pelagius (Theologe) – Wikipedia . Tatsächlich wirkte er vor allem im Weströmischen Reich, hatte allerdings im Unterschied zum Arianismus kaum einen entscheidenden Einfluss, wurde als Häretiker verurteilt, und die Erbsündelehre hat sich ja tatsächlich in Westrom durchgesetzt.

Pelagius predigte in Rom Anfang des 5. Jh. Seit Alarichs Belagerung von Rom hatten die Weströmer jedoch andere Sorgen als die Erbsünde, denn das Reich drohte unterzugehen.

Der Arianismus selbst hatte sich im Wesentlichen nur mit der Frage der Person Christi auseinandergesetzt - isser nun Gott, isser ihm ähnlich oder isser nicht mal das -, zur Erbsünde habe ich hierzu nichts gefunden.

Wenn man aber bei der Iroschottischen Kirche nachliest, fallt auf, dass sie tatsächlich von Pelagius beeinflusst war: "Von den damaligen häretischen Bewegungen gelangten der Pelagianismus und der Quartodecimanismus in die Region." schreibt die wiki (Iroschottische Kirche – Wikipedia ). Falls also an deiner These etwas dran ist, dann kam die Kritik an der Erbsündelehre nicht von "den" Germanen, sondern von Pelagius, der - über mir nicht bekannte Wege - in der iroschottischen Kirche Einfluss gewann. Das ging schon deshalb recht einfach, weil Irland keine Verbindung zu Westrom hatte und damit auch die Verurteilung von Ketzern nicht mitmachen musste.
 
der Arianismus griff die Trinitätslehre an. Aber diese Strömung ist nicht von Germanen „erfunden“ sondern vielmehr aufgegriffen worden.

Die als "Arianismus" bezeichnete Variante des Christentums, die von den Germanen aufgegriffen wurde, hat mit Arius nichts am Hut und griff auch keineswegs "die Trinitätslehre" an. Selbstverständlich glaubten auch die gotischen, langobardischen etc. Christus an den dreifaltigen Gott.

Aus einem von mir öfters schon verlinkten Artikel greife ich einige wichtige Aussagen heraus:

Für Athanasius, der 328 nach dem Tod Alexanders Bischof von Alexandrien wurde, und die übrigen Vertreter der Beschlüsse von Nizäa galten alle Kritiker des nizänischen Bekenntnisses als „Arianer“, obwohl sie z. B. die Sicht des Arius vom Sohn Gottes als Geschöpf ablehnten.
[...]
Einig in ihrer Ablehnung des nizänischen Begriffes ὁμοούσιος (wesenseins) haben diese Kritiker der Beschlüsse von Nizäa sehr unterschiedlich den Sohn als dem Vater gleich (ὅμοιος/lat. similis) zu beschreiben versucht. Aber nur an der einen Gruppe, die unter Verzicht auf jedes philosophische Vokabular den Sohn einfach als „dem Vater gleich nach den (heiligen) Schriften“ bezeichnete (daher Homöer), und die mit Unterstützung der Kaiser Constantius II. (337 – 361) und Valens (365 – 378) im Osten zeitweilig führend waren, bleibt von nun an der Name „Arianer“ hängen! Seit dem kirchenpolitischen Umschwung unter Kaiser Theodosius (379 – 395), markiert durch das Zweite ökumenische Konzil von Konstantinopel im Jahre 381, gelten diese „Arianer“ nun auch juristisch als Häretiker. Mit dem historischen Arius hat ihre theologische Position kaum noch etwas zu tun.
[...]
Aber diese „Homöer“, wie diese Gruppe nach ihrem theologischen Stichwort homoios (=gleich) zur Beschreibung des Verhältnisses von Gott Vater und Sohn in der Trinität heute meist genannt werden, werden als „Arianer“ in der Polemik nicht nur mit den Aussagen des Arius identifiziert, so sehr sie sich auch immer dagegen wehren, sondern auch mit dem polemischen Konstrukt, das behauptete, Arius habe in Christus nur einen Menschen gesehen.
[...]
Zu diesen so verstandenen „Arianern“ gehörte auch Wulfila († 383), der Bischof einer seit den vierziger Jahren des vierten Jahrhunderts unter Kaiser Constantius II. auf Reichsboden angesiedelten gotischen Gruppe.Mit Ausnahme der Franken, die an der Wende vom fünften zum sechsten Jahrhundert in Gallien das Christentum in seiner „katholischen“ (nizänischen) Form annahmen, haben alle anderen im Laufe der Völkerwanderung in das Imperium Romanum eindringenden, hier siedelnden und dann eigene Reiche bildenden gentilen Gruppen, die von den römischen Zeitgenossen und der spätantiken Geschichtsschreibung als Germanen bezeichnet wurden, das Christentum in der Form dieses „Arianismus“ vermutlich durch gotische Vermittlung angenommen.
[...]
An diesem „Arianismus“ der germanischen Völker ist nun absolut nichts spezifisch Germanisches zu erkennen. Die theologischen Debatten, die überliefert sind, bleiben ganz im Rahmen der griechischen und lateinischen Tradition, ebenso die Liturgie und der Heiligenkalender, die beide aus Konstantinopel übernommen wurden, so dass ich inzwischen verschiedentlich und natürlich bisher ohne jeden Erfolg vorgeschlagen habe, den Begriff „germanischer Arianismus“ ganz zu streichen.


https://www.zuv.fau.de/einrichtunge...ersitaetsreden/Uni-Rede_83-Prof_Brennecke.pdf
 
War es also ein unglücklicher Zufall, dass Wulfia, der den Westgoten das Christentum brachte, Homöer war, die übrigen ostgermanischen Stämme dieses Christentum übernahmen und somit die germanischen Reiche auf dem Boden des Imperiums als ketzerisch angesehen wurden?
Oder war es manchen Stammesherrschern ganz recht, sich religiös von den Römern absetzen zu können, weil es, wie im ostgotischen Italien, bei der Spaltung der Völker bleiben sollte?
Übrigens ist uns die germanische oder arianische Sicht der Dinge ja wohl nicht überliefert, wir können über sie also nur spekulieren.
Und da darf man schon mal überlegen, ob eine Glaubenslehre, die den menschlichen Aspekt des Erlösers etwas mehr in den Vordergrund stellte, unter Germanen vielleicht besser ankam als die orthodoxe Anschauung der Dreieinigkeit.
 
Als die "Iren" und "Schotten" in Nordeuropa missionierten, war das "römische" Christentum bereits weitgehend so ausgeformt, wie es noch heute besteht.
Zumindest beim Ostertermin und einigen liturgischen Fragen scheint es Differenzen zwischen der römisch-katholischen Kirche und der iro-schottischen gegeben zu haben, die allerdings auf der Synode von Whitby 664 beigelegt wurden. 664 gab es aber bereits länger iro-schottische Missionsbestrebungen in Zentraleuropa.
 
Aus einem von mir öfters schon verlinkten Artikel greife ich einige wichtige Aussagen heraus:
Ich erinnere mich, das schon mal gelesen zu haben und leiste Abbitte.

@topic:
Was die Kirche immer wieder gemacht hat, aber da ist kein Alleinstellungsmerkmal in Mitteleuropa, das können wir allerorten sehen, ist, die heiligen Plätze der Vorgängerreligionen zu besetzen.
- das waren häufig zentral gelegene Orte, die Raum für Versammlungen boten
- man konnte damit seine macht demonstrieren: Unser Gott ist stärker als eure Götter
- den Altgläubigen brachen ihre Kultorte weg.
Man muss nur nach Rom oder Syrakus schauen und findet dort alte Tempel, in denen Kirchen stecken. Die große Moschee in Damaskus war vorher eine byzantinische Kirche und davor ein Jupitertempel. Die Pyramide von Cholula wird von einer Kirche gekrönt. Über dem Haupttempel der Inka in Cusco (Qorikancha, goldener Hof, Sonnentempel) wurde ein Dominikanerkonvent errichtet.

Man hat auch immer wieder versucht, alte Kulte mit dem christlichen Kult zu versöhnen. So wird in Mexiko die Virgen de la Muerte verehrt, eine Mischung aus altmexikanischer Totengöttin und Jungfrau Maria. Auf Kuba benutzten die Anhänger der Santería Kirchen und verehren dort ihre afrokubanischen Götter, die mit bestimmten Heiligen der rk Kirche in Verbindung gebracht werden und in Perú oder Bolivien findet man in den Kirchen und Kathedralen häufiger mal dargebrachte Kokablätter und das Meerschweinchen ist im Valle Sagrado de los Incas ein typisches Festmahl bei der Erstkommunion (in Perú gibt es mehrere Bilder aus der Schule von Cusco (in Cusco, in Arequipa etc.), auf denen ein gebratenes Meerschweinchen beim letzten Abendmahl dargestellt ist, ebenso wie Inti und Quilla (Sonne und Mond)).

Diese Formen von Synkretismus gibt es, sie werden von der Kirche teils als Aberrationen verurteilt, teils wohlwollend betrachtet.
 
War es also ein unglücklicher Zufall, dass Wulfia, der den Westgoten das Christentum brachte, Homöer war, die übrigen ostgermanischen Stämme dieses Christentum übernahmen
Es war sicher kein "Zufall" (und warum eigentlich "unglücklich"?), denn die von Wulfila vertretene Richtung gehörte seinerzeit zum Mainstream.

Übrigens ist uns die germanische oder arianische Sicht der Dinge ja wohl nicht überliefert, wir können über sie also nur spekulieren.
Die Überlieferung ist dünn, aber man kann sich mit ihr wissenschaftlich beschäftigen und ist daher nicht auf Spekulationen angewiesen:
Aus der Schule des Wulfila: Avxenti Dorostorensis Epistvla de FIDE Vita ET ... : Friedrich Kauffamnn , Auxentius, Maximinus : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive
 
Es war sicher kein "Zufall" (und warum eigentlich "unglücklich"?), denn die von Wulfila vertretene Richtung gehörte seinerzeit zum Mainstream.
Die Ost- und (bis auf die Spätzeit) die Westgoten, die Vandalen waren aus Sicht der Reichskirche Ketzer und nicht Mitchristen. Natürlich muss man das nicht bewerten, aber vielleicht ist es auch nicht abwegig, die Glaubensspaltung für unglücklich zu halten.
 
Zuletzt bearbeitet:
War es also ein unglücklicher Zufall, dass Wulfia, der den Westgoten das Christentum brachte, Homöer war, die übrigen ostgermanischen Stämme dieses Christentum übernahmen und somit die germanischen Reiche auf dem Boden des Imperiums als ketzerisch angesehen wurden?

Die Franken waren auch 'Germanen' und schließlich katholisch, zudem waren vor der Theodosianischen Wende zum Neunizäum 380/381 auch andere, westlich-römische Bereiche homöischer Konfession. Die Ostgermanen hatten als Föderaten sowieso Konfessionsfreiheit. Welche germanischen Reiche auf dem Boden des Imperium? Sowohl Theoderich d. Große (Homöer) wie die Franken (katholisch) suchten Anerkennung und Legitimation durch die oströmischen Kaiser. Weder wurde Theoderichs Herrschaftsgebiet von den Kaisern in 'Ost-Rom' als häretisches Gebiet militärisch angegriffen, noch die Zusammenarbeit etwa deswegen abgelehnt.

Und da darf man schon mal überlegen, ob eine Glaubenslehre, die den menschlichen Aspekt des Erlösers etwas mehr in den Vordergrund stellte, unter Germanen vielleicht besser ankam als die orthodoxe Anschauung der Dreieinigkeit.

Liest Du auch mal die einschlägige wissenschaftliche Literatur, oder zumindest die Auszüge, die Sepiola aus dem Vortrag von Brennecke gepostet hat? ;-)

An diesem „Arianismus“ der germanischen Völker ist nun absolut nichts spezifisch Germanisches zu erkennen. Die theologischen Debatten, die überliefert sind, bleiben ganz im Rahmen der griechischen und lateinischen Tradition, ebenso die Liturgie und der Heiligenkalender, die beide aus Konstantinopel übernommen wurden, so dass ich inzwischen verschiedentlich und natürlich bisher ohne jeden Erfolg vorgeschlagen habe, den Begriff „germanischer Arianismus“ ganz zu streichen.



Die als "Arianismus" bezeichnete Variante des Christentums, die von den Germanen aufgegriffen wurde, hat mit Arius nichts am Hut und griff auch keineswegs "die Trinitätslehre" an. Selbstverständlich glaubten auch die gotischen, langobardischen etc. Christus an den dreifaltigen Gott.

Die homöischen Goten, Langobarden usw. glaubten an den dreifaltigen Gott? Nicht bei den Homöern. Nicht im Sinne ein Wesen mit drei Hypostasen, was Brennecke auch nicht meint. Homöisch bedeutet hier gleich, Gott Vater und Gott Sohn sind gleich im Gottesprädikat, wenn auch der Sohn eben gezeugt/geschaffen ist durch Gott als Gott Vater. Der Heilige Geist, naja, so ein Mischwesen am Rande von Gott Vater und Gott Sohn bzw. zwischen Gott Sohn und der irdischen Welt, meist nur so am Rande erwähnt, jedenfalls (noch, entsprechend der Zeit, in welcher das homöische Bekenntnis entstand) ohne göttlichen Status. ;-)

Die Überlieferung ist dünn, aber man kann sich mit ihr wissenschaftlich beschäftigen und ist daher nicht auf Spekulationen angewiesen:
Aus der Schule des Wulfila: Avxenti Dorostorensis Epistvla de FIDE Vita ET ... : Friedrich Kauffamnn , Auxentius, Maximinus : Free Download, Borrow, and Streaming : Internet Archive

Der neigt zum 'Arianismus', soweit ich sehe. Lieber Brennecke, Gert Haendler, Knut Schäferdiek, Uta Heil, oder die Edition von Roger Gryson; Schäferdiek führt Kauffmann in seinem TRE-Artikel Wulfila nicht auf.


Der Arianismus selbst hatte sich im Wesentlichen nur mit der Frage der Person Christi auseinandergesetzt - isser nun Gott, isser ihm ähnlich oder isser nicht mal das -, zur Erbsünde habe ich hierzu nichts gefunden.

Arius postuliert, der Sohn
  • ist geschaffen, gezeugt (von Gott Vater)
  • ist Gott, unveränderlich
  • ist kein Teil Gottes (Gott Vater)
  • es gab eine Zeit, in welcher der Sohn nicht war
(Q: Hanns-Christof Brennecke u.a., Athanasius Werke, dritter Band, erster Teil, Dokumente zur Geschichte des Arianischen Streites, 3. Lieferung, 2007, S. 90 f., Brief des Arius an Eusebius von Nikomedien.)

Bei Arius ist der Sohn ein Gott, und nicht gleichen Wesens wie Gott Vater (wesensungleich),
bei den Homöern ist der Sohn ebenfalls ein Gott, doch gleich Gott Vater, beiden ist das Gottesprädikat eigen. Der 'Arianismus' wie auch die Homöer (+ Wulfila) haben also nicht die Frage gestellt, ob der Sohn ein Gott ist.

Die Homöische Formel von 360 lautet u.a.:
Wir glauben an den einen Gott, den Vatter, den Allmächtigen, aus dem alles ist, und an den eingeborenen Sohn Gotte, der vor allen Zeiten und vor allem Anfang aus Gott gezeugt wurde, durch den alles entstand, das Sichtbare und das Unsichtbare, der aber als Eingeborener gezeugt wurde, als alleiniger aus dem Vater allein, Gott aus Gott, der dem Vater, der ihn gezeugt hat, gemäß den Schriften gleich ist. [...]​

In der Formel wird schließlich die weitere Verwendung der Begriffe 'Wesen' und 'Hypostase' abgelehnt.
(Q: Uta Heil, Avitus von Vienne und die homöische Kirche der Burgunder. Berlin 2011. Reihe Patristische Texte und Studien, Band 66. S. 119)

Der sonstige Unterschied zu Arius ist deutlich, der Sohn tritt beispielsweise bei den 'Homöern', übrigens auch bei Wulfila, welcher erkennbar eine homöische Position einnimmt, als Schöpfer auf.
 
Die homöischen Goten, Langobarden usw. glaubten an den dreifaltigen Gott?
Nun ja, sie wurden zumindest auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft...

Der neigt zum 'Arianismus', soweit ich sehe. Lieber Brennecke, Gert Haendler, Knut Schäferdiek, Uta Heil, oder die Edition von Roger Gryson; Schäferdiek führt Kauffmann in seinem TRE-Artikel Wulfila nicht auf.
Um Kauffmanns Ausführungen ging es mir nicht, sondern um die Quellenedition. Zumindest im Netz habe ich auf die Schnelle nichts Neueres gefunden.
 
Nun ja, sie wurden zumindest auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft....

Taufformeln...von mir völlig verdrängt. Nun ja...entlang Mt. 28, 19, bei den homöischen Christen eben gerne mit Berufung auf bzw. Anlehnung an die 'heiligen Schriften'/'wie geschrieben steht'.

Der Dreifaltige Gott ist damit noch nicht eindeutig abgebildet, bilde ich mir ein. ;-)
Erst mit der Formel des Neunizäum wird dies möglich.
 
Die Franken waren auch 'Germanen' und schließlich katholisch, zudem waren vor der Theodosianischen Wende zum Neunizäum 380/381 auch andere, westlich-römische Bereiche homöischer Konfession. Die Ostgermanen hatten als Föderaten sowieso Konfessionsfreiheit. Welche germanischen Reiche auf dem Boden des Imperium? Sowohl Theoderich d. Große (Homöer) wie die Franken (katholisch) suchten Anerkennung und Legitimation durch die oströmischen Kaiser. Weder wurde Theoderichs Herrschaftsgebiet von den Kaisern in 'Ost-Rom' als häretisches Gebiet militärisch angegriffen, noch die Zusammenarbeit etwa deswegen abgelehnt.

Also ich weiß schon dass die Franken Germanen waren und katholisch wurden, allerdings vollzog sich die Reichsgründung und danach die Christianisierung, als das römische Reich in Gallien de facto schon aufgehört hatte zu existieren (und auch nach 476), und deshalb meinte ich mit den germanischen Reichen auf dem Boden des Imperiums eben die ostgermanischen. Oder waren das gar keine Reiche, weil sie nämlich Legitimation durch den Kaiser suchten?

Es ist schon ein guter Punkt, dass Theoderichs Herrschaftsgebiet von den Kaisern in 'Ost-Rom' nicht als häretisches Gebiet militärisch angegriffen wurde, aber heißt das, dass die Glaubensspaltung kein großes Problem war? Da hatte Victor von Vita aus dem Vandalenreich anderes zu berichten.

Vielleicht mal ein kurzes Zitat aus Mischas Meiers Völkerwanderung:

Von den Goten wurde das Christentum in der homöischen Form an die Gepiden, Vandalen und andere Gruppen weitergegeben und entwickelte sich im 5. Jahrhundert zu einem identitätsstiftenen Marker, mit dessen Hilfe sich die Barbaren nach der Gründung politisch selbständiger Einheiten auf römischem Boden von den nizänisch-katholischen Römern abzugrenzen vermochten.


Zum Verständnis des Glaubensstreits schreibt Meier (in der Fußnote unter anderen auf Brennecke verweisend) ähnlich wie hier sepiola und Andreassolar: "Von einer angeblich germanischen Wesensverwandtschaft zum homöischen Christentum hat all dies hingegen ... nichts zu tun."


Aber was hatte der Streit zwischen Nizäern und Homöern überhaupt mit dem zu tun, was die Barbaren und auch die nicht geistlichen Römer dachten und glaubten? Ob für die die folgenden Differenzierungen so klar und wichtig waren?


Bei Arius ist der Sohn ein Gott, und nicht gleichen Wesens wie Gott Vater (wesensungleich),

bei den Homöern ist der Sohn ebenfalls ein Gott, doch gleich Gott Vater, beiden ist das Gottesprädikat eigen. Der 'Arianismus' wie auch die Homöer (+ Wulfila) haben also nicht die Frage gestellt, ob der Sohn ein Gott ist.


Die Homöische Formel von 360 lautet u.a.:

Wir glauben an den einen Gott, den Vatter, den Allmächtigen, aus dem alles ist, und an den eingeborenen Sohn Gotte, der vor allen Zeiten und vor allem Anfang aus Gott gezeugt wurde, durch den alles entstand, das Sichtbare und das Unsichtbare, der aber als Eingeborener gezeugt wurde, als alleiniger aus dem Vater allein, Gott aus Gott, der dem Vater, der ihn gezeugt hat, gemäß den Schriften gleich ist. [...]


In der Formel wird schließlich die weitere Verwendung der Begriffe 'Wesen' und 'Hypostase' abgelehnt.

(Q: Uta Heil, Avitus von Vienne und die homöische Kirche der Burgunder. Berlin 2011. Reihe Patristische Texte und Studien, Band 66. S. 119)


Der sonstige Unterschied zu Arius ist deutlich, der Sohn tritt beispielsweise bei den 'Homöern', übrigens auch bei Wulfila, welcher erkennbar eine homöische Position einnimmt, als Schöpfer auf.


Jetzt noch mal eine Spekulation: Ich denke, dass sich die einfachen Gläubigen vom Streit zwischen Homöern und Nizäern, falls er ihnen denn überhaupt wichtig war, stark simplifizierte, aus theologischer Sicht verfälschte Bilder gemacht haben. Und insoweit die Einstellungen der einfachen Leute für den Gang der Dinge eine Rolle gespielt haben, waren die verfälschten Bilder dafür wichtiger als die Theologien selbst.
 
Aber was hatte der Streit zwischen Nizäern und Homöern überhaupt mit dem zu tun, was die Barbaren und auch die nicht geistlichen Römer dachten und glaubten? Ob für die die folgenden Differenzierungen so klar und wichtig waren?

natürlich nicht..oder kaum machtpolitisch.;) Anderes behauptete ich hier keinesfalls.

Jetzt noch mal eine Spekulation: Ich denke, dass sich die einfachen Gläubigen vom Streit zwischen Homöern und Nizäern, falls er ihnen denn überhaupt wichtig war, stark simplifizierte, aus theologischer Sicht verfälschte Bilder gemacht haben.

Die einfachen Gläubigen konnten weder lesen noch schreiben, noch verstanden sie die ontologischen Auseinandersetzungen der Spätantike um die 'Trinität' substanziell oder überhaupt. Im 4. Jh. und nachfolgend spielen überpersönlich u.a. auf gesellschaftlich-politischer Ebene Machtfragen und Staatsraison eine bedeutende Rolle, siehe die Einheitsbemühungen in Glaubensdingen der römischen Kaiser seit Konstantin ab 324. Glaubenseinheit bzw. Glaubensruhe waren Teil der Innenpolitik geworden (nicht nur in 'Ostrom'), ebenso aber der Einfluss der Bischöfe mit ihren unterstellten Gemeinden/Städte und den Besitzungen sowie den ökonomischen Ressourcen.

Weiterhin waren die 'Christengemeinden' und ihre Bischöfe zusehends 'schlagkräftig' geworden, Gewalt wurde Teil der Glaubensauseinandersetzungen.

Micha Meier: Schön, dass Du ihn hier anführst; ein Beispiel, wie selbst hochkompetente, hochgelobte Historiker mitnichten die Details, die Komplexität des Streites um den vermeintlichen Arianismus, die trinitarisch-triadischen Unterschied ausreichend verstehen und darstellen (können) - ist auch wirklich schwer.
Auch wenn Meier Brennecke referiert.

So schreibt Meier 2009 in einem Artikel für 'Damals', Die Vandalen und das Christentum, zutreffend von den homöischen Vandalen und der primär politisch motivierten Verfolgung der Katholiken in Nordafrika, vom homöisch geprägten Wulfila, schreibt aber dann auch

Die homöische Theologie (sie postulierte eine Ähnlichkeit zwischen Christus und Gottvater)

Das tut sie nicht, sie postuliert schlicht, Gott Vater und Gott Sohn seien gleich gemäß den Schriften. Homöisch bedeutet gleich, gleichartig, ähnlich. In diesem Zusammenhang gleich im Gottesprädikat. Siehe auch Bauer/Aland, Wörterbuch zum Neuen Testament, 1988.

sondern entstand um die Mitte des 4. Jahrhunderts aus den Diskussionen um das Glaubensbekenntnis, das 325 auf dem Ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa festgelegt worden war; sie richtete sich insbesondere gegen die dort beschlossene Formel, wonach Christus Gottvater gleich (homoousios) sei.

homoousios bedeutet wesensgleich, nicht gleich. Meier kennt real anscheinend nicht oder nicht ausreichend den Unterschied zwischen Homöern und der Nicänischen Formel - und steht damit in guter Gesellschaft auch und gerade bei den HistorikerInnen. ;)
 
Zurück
Oben