Schlacht bei Marignano

AliceLauber

Neues Mitglied
Guten Tag zusammen,

ich habe eine Frage bezüglich der Schlacht bei Marignano:
Die Eidgenossenschaft verlor damals die Schlacht bei Marignano gegen Frankreich. Nach dieser Niederlage beendete die Schweiz ihre Expansionspolitik. Ich frage mich, was passiert wäre, wenn die Schweiz die Schlacht gewonnen hätte? Wären sie vielleicht eine "Grossmacht" geworden, oder stattdessen später von anderen Grossmächten eingenommen worden? Ich würde mich extrem über fiktive Spekulationen und Anregungen freuen, vielen Dank!

Freundliche Grüsse
 
... Ich frage mich, was passiert wäre, wenn die Schweiz die Schlacht gewonnen hätte? Wären sie vielleicht eine "Grossmacht" geworden, oder stattdessen später von anderen Grossmächten eingenommen worden? ...
Grüezi Alice

Was geworden wäre, kann man kaum abschätzen.
Aber: 250 Jahre nach der Schlacht bei Marignano wurde die Eidgenossenschaft von Frankreich eingenommen.

Gruss Pelzer
 
Dann hätten sie eine nächste Schlacht verloren und mittelfristig hätte sich genau der selbe historische Verlauf ergeben. Insbesondere betreffs moderner Waffentechnik (Artillerie) waren die Eidgenossen in ihrer Entwicklung stehengeblieben und damit gegenüber den entstehenden zentralisierten Mächten ins Hintertreffen geraten.

Siehe u. a. Fiedler, Siegfried, Heerwesen der Neuzeit
 
Guten Tag zusammen,

ich habe eine Frage bezüglich der Schlacht bei Marignano:
Die Eidgenossenschaft verlor damals die Schlacht bei Marignano gegen Frankreich. Nach dieser Niederlage beendete die Schweiz ihre Expansionspolitik. Ich frage mich, was passiert wäre, wenn die Schweiz die Schlacht gewonnen hätte? Wären sie vielleicht eine "Grossmacht" geworden, oder stattdessen später von anderen Grossmächten eingenommen worden? Ich würde mich extrem über fiktive Spekulationen und Anregungen freuen, vielen Dank!

Freundliche Grüsse

Ebenfalls Grüezi Alice
Was für ein Sinn macht eine solche Spekulation?
 
Wenn man sich nie überlegt, was unter anderen Umständen passiert wäre, könnte man ja gar keine kausale Aussagen treffen. Dann wäre die Geschichtswissenschaft rein beschreibend.
 
Wenn man sich nie überlegt, was unter anderen Umständen passiert wäre, könnte man ja gar keine kausale Aussagen treffen. Dann wäre die Geschichtswissenschaft rein beschreibend.
Die Möglichkeiten des was wäre wenn sind dennoch sehr begrenzt. Es sind allenfalls Handlungsalternativen die man aufzeigen kann (und darauf aufbauend das Werturteil fällend), als große Geschichtsentwürfe. Da fehlen dann einfach die validen Daten. Unsere validen Daten sind die Quellen. An denen kommen wir nicht vorbei.
 
Dann mach ich doch mal Spekulationen:

Hätten die Eidgenossen, sofern sie ihre Waffentechnik schon vor der Schlacht modernisiert hätten und dann möglicherweise gegen Frankreich und Venezien gewonnen hätten - ja dann hätten sie nun
- entweder in einer späteren Schlacht verloren oder auch nicht
- dann wäre möglichweise Mailand Eidgenössisch geworden uns Sforza wäre im Amt geblieben oder auch nicht
- es hätte möglicherweise eine weitere Schlacht in der Lombardei gegeben oder mehrere oder auch nicht
- der Friedensvertrag zwischen der Eidgenossenschaft und Frankreich 1516 wäre nicht zu Stande gekommen oder vielleicht dann später oder auch nicht
- hätten sie in keiner Schlacht mehr verloren - dann wäre vielleicht Italien Eidgenössisch geworden und wir hätten in der Schweiz viel mehr Wein - oder auch nicht
- Frankreich hätte die Eidgenossenschaft schon viel früher erobert und sie zerschlagen - oder auch nicht

kann man beliebig weiter spinnen in die eine oder andere Richtung. Ob das was bringt muss jeder selber wissen.


Viel wichtiger ist es doch, wenn man sich an die Quellen hält und an diese Fragen stellt die einem weiterbringen als eine was wäre wenn Spekulation.

Wie das mit einer historischen Fragestellung (wo auch eine These aufgestellt wird) geht kann man hier schön nachlesen, Autor ist Hans Rudolf Fuhrer, Schweizer Militärhistoriker:

«La Battaglia dei Giganti» Schlacht bei Marignano 1515: Hat die überlegene französische Artillerie die Entscheidung gebracht? Eine militärhistorische Betrachtung"

https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=fer-002:2016:88::156
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Tag zusammen,

ich habe eine Frage bezüglich der Schlacht bei Marignano:
Die Eidgenossenschaft verlor damals die Schlacht bei Marignano gegen Frankreich. Nach dieser Niederlage beendete die Schweiz ihre Expansionspolitik. Ich frage mich, was passiert wäre, wenn die Schweiz die Schlacht gewonnen hätte? Wären sie vielleicht eine "Grossmacht" geworden, oder stattdessen später von anderen Grossmächten eingenommen worden? Ich würde mich extrem über fiktive Spekulationen und Anregungen freuen, vielen Dank!

Freundliche Grüsse

Stellen wir uns einfach mal die folgende Frage:

Wo wäre die ökonomische Basis der schweizerischen Eidgenossenschaft gewesen sich zur Großmacht aufschwingenn und behaupten zu können.
Neben Frankreich, Habsburg, aber auch anderen potentiell mächtigen Nachbarn, wie Savoyen und Mailand und vormals Burgund?

Worauf hätte sich eine solche Großmacht gründen sollen?

Die Schweizer waren militärisch so lange erfolgreich, wie sie in schwierigem Territorium kämpfen konnten, in dem sie massive Geländevorteile hatten und ihnen ihre überlegene Ortskenntnis zu Gute kamen.

Was die Frage ob sie irgendwann von anderen Großmächten eingenommen worden wäre angeht, das ist ja realiter mehr oder weniger passiert, jeedenfalls geriet die Schweiz, dann eben unter der Bezeichnung "Helevetische Republik" ja zwischenzeitlich mehr oder weniger in umfassende Abhängigkeit von Frankreich:

Helvetische Republik – Wikipedia
 
Stellen wir uns einfach mal die folgende Frage:

Wo wäre die ökonomische Basis der schweizerischen Eidgenossenschaft gewesen sich zur Großmacht aufschwingenn und behaupten zu können.
Neben Frankreich, Habsburg, aber auch anderen potentiell mächtigen Nachbarn, wie Savoyen und Mailand und vormals Burgund?

Worauf hätte sich eine solche Großmacht gründen sollen?

Die Schweizer waren militärisch so lange erfolgreich, wie sie in schwierigem Territorium kämpfen konnten, in dem sie massive Geländevorteile hatten und ihnen ihre überlegene Ortskenntnis zu Gute kamen.

Was die Frage ob sie irgendwann von anderen Großmächten eingenommen worden wäre angeht, das ist ja realiter mehr oder weniger passiert, jeedenfalls geriet die Schweiz, dann eben unter der Bezeichnung "Helevetische Republik" ja zwischenzeitlich mehr oder weniger in umfassende Abhängigkeit von Frankreich:

Helvetische Republik – Wikipedia

Dazu kommt noch das sich die Kantone einig sein müssten. Die Eidgenossenschaft war ja zur Zeit der Schlacht nicht ein "Staat" wie wir ihn heute kennen.
 
Dazu kommt noch das sich die Kantone einig sein müssten. Die Eidgenossenschaft war ja zur Zeit der Schlacht nicht ein "Staat" wie wir ihn heute kennen.

Natürlich, im Besonderen das Machtgefälle, zwischen den alten Orten, den zugewanderten Orten, dem Untertanenland und die Problematik der verschiedenen Konfessionen spielten ja, so weit mir bekannt in der schweizerischen Geschichte auch lange eine bedeutende Rolle.
Und ab einem gewissen Punkt, dürfte dies auch im Hinblick auf die Attraktivität eines potentiellen Anschlusses an die Eidgenossenschaft, nicht unbedingt von Vorteil gewesen sein.
Dazu noch die komplizierte außenpolitische Lage durch den Sonderstatus des territorial abgeschnittenen Mühlhausen, etc.
 
Vielen Dank für diese zahlreichen Antworten, ich freue mich wirklich sehr über die schnellen und zahlreichen Antworten. Inwiefern solche Spekulationen Sinn machen oder auch nicht, darüber lässt sich sicherlich diskutieren, war gar nicht meine erste Priorität. Es war mir durchaus bewusst, dass es schwer zu sagen ist und weder Quellen noch Belege gibt für diesen historisch-fiktiven Verlauf. Trotzdem habe ich grosses Interesse daran und erfreue mich sehr an den historisch angelehnten Spekulationen.
Vielen Dank euch allen!
 
Eine nicht spekulative Frage darf man sich im Zusammenhang mit Marignano stellen und vielleicht ist sie auch in der Ausgangsfrage enthalten:
War Marignano wirklich der Wendepunkt in der Eidgenössischen Politik?
Meine Meinung dazu: Nein.
Beginn der Neutralität? Wenn man seine Truppen per Vertrag von 1516 nur noch einer Seite zur Verfügung stellt, nämlich Frankreich, ist das keine Neutralität.
Ende der Expansion? Bern und Freiburg eroberten 1536 die Waadt, zugegeben auf eigene Faust, aber immerhin.
Ende der Schweizer Infanterietaktik? Es brauchte noch zwei verlorene Schlachten bei Bicocca 1522 und bei Pavia 1525 bis die Infanterietaktik angepasst wurde.

Wenn man einen Wendepunkt sehen will, dann war es der günstige Seitenwechsel an die Seite Frankreichs, welcher immer noch expansionistische Züge hatte und der heutigen Schweiz wenigstens den Umstand brachte, dass man fortan auf der Piazza von Lugano im eigenen Land die Sonne genießen konnte.

Eine unbeantwortete These zu Marignano möchte ich in einem neuen Thread aufstellen:
Der Einfluss des "Buzza di Biasca" auf die Schlacht von Marignano
 
Zuletzt bearbeitet:
Marignano war nicht der Beginn einer neuen Eidgenössischen Politik da bin ich ganz bei Naresuan, auch war es nicht der Beginn der Neutralität - wie das gerne von gewissen Politikern gepriesen wird. Was war Marignano dann?

In der Geschichte gibt es immer wieder Niederlagen, die dann zu einem heroischen Geschichtsbild werden. Marignano gehört dazu – eine heroische Niederlage als Gründung einer Gemeinschaft. Dieses Geschichtsbild wird vermittelt und prägt sich in die Geschichtsschreibung ein und wird (zumindest bei mir war das noch so) im Geschichtsunterricht der Schule weitergegeben. Dabei werden wichtige Ereignisse und Gegebenheiten ausgeblendet oder in einem anderen Zusammenhang erzählt.

1499 wurde der Schwabenkrieg beendet, dieser Krieg war unter andrem auch ein Konkurrenzkampf zwischen den Söldner. Nach dem Schwabenkrieg dienten die Söldner aus der Schweiz für vor allem für Frankreich, aber auch in anderen europäischen Heeren findet man Söldner aus der Schweiz. Hin und wieder standen sie sich dann auch feindlich gegenüber. Die eidgenössischen und die zugewandten Orte versuchten nach 1499 das Söldnertum zu kontrollieren und konnten so eine kurze Zeit eine eigene Grossmachtpolitik ausüben. Vor der Schlacht bei Marignano war das Herzogtum Mailand von den Eidgenossen dominiert. (die genaue Vorgeschichte und Schlachtgeschichte kann man gerne noch ausführen) Der französische König Franz I erhob ebenfalls Anspruch auf die Lombardei (dazu sollte man sich auch die Geschichte von der Familie Sforza anschauen). Die Überlegenheit der beweglichen französischen Artillerie hat ja schon Neddy ausgeführt. Ausgang der Schlacht – die Eidgenossen haben verloren und mussten sich zurückziehen.

Naresuan hat es ja angetönt, die Eidgenossen dachten nicht daran sich zu Mässigen oder gar neutral zu werden. Im Gegenteil, nicht nur die Eroberung der Waadt etc. gehörte dazu, sondern auch der grosse Anteil der Schweizer Söldner, die ihren Anteil in den europäischen Kriegen hatten, zwar nicht unter der eignen Flagge, war nicht unerheblich.

Dank dem ewigen Frieden von 1516 und dem Soldbündniss von 1521 hatte vor allem Frankreich eine privilegieren Zugang auf die Schweizer Söldnerressourcen. Frankreich galt als Schutzmacht und Schiedsrichter, denn die Kantone waren sehr oft zerstritten und uneinig. Als Gegenzug erhielten die Kantone einen privilegierten Zugang für den Export von Waren und ganz wichtig in dieser Zeit auf die Salzlieferungen aus Frankreich. Frankreich hingegen bildete Männer zu Soldaten aus. Dies war für die eidgenössischen Ort wichtig, da der Boden nicht alle Bewohner ernähren konnte.

Die Eidgenossenschaft als Verbund zog sich aus den Schlachtfeldern zurück, aber nicht die Schweizer die als Söldner in diversen Kriegen mittaten. Der Rückzug aus der kriegerischen Aussenpolitik hatte aber sehr wenig mit der verlorenen Schlacht in Marignano zu tun, sondern damit das innerhalb der eidgenössischen Orte es zu widerstand kam – innenpolitisch geriet die alte Eidgenossenschaft in Not.

  • Es gab Debatten über die massiven Verluste
  • Soziale und kulturelle Veränderungen aufgrund der Kriegserfahrungen
  • Übernahmen von fremden Bräuchen.
  • Streit um das Beutegut und Korruption der Pensionsherren, welche den ausländischen Mächten Nachschub von Söldnern versprach.
  • In den Zeitgenössischen Quellen wird immer wieder die Sittenverfall der jungen Männer beschrieben.
  • etc

Einer der wichtigsten Fürsprecher der Kritiken war Ulrich Zwingli, der als Leutpriester bei der Schlacht dabei war und durch seine Erfahrungen zum entscheidenden Gegner des Soldienstes und der Abhängigkeit durch das Ausland wurde. Über die Auswirkungen der Reformation schreibe ich jetzt hier nichts.

Nur soviel – die Eidgenossenschaft war ein tief gespaltenes Gebilde, nur schon aus diesem Grund konnte keine wirkliche Aussenpolitik betrieben werden. Es gab kein einheitlicher Fürst, keine einheitlich Armee und keine gemeinsamen Ziele die man verfolgen konnte. Nicht zu unterschätzen war auch, dass es nach der Reformation auch keine einheitliche religiöse Verbundenheit mehr gab.

Die früheren Truppen der Schweizer Kantone schworen jeweils einen Eid und mit diesem Eid bildeten sie dann jeweils eine Eid-Genossenschaft. Diesen Eid wurde nach der Reformation bis 1798 nicht mehr geschworen. Denn die Reformierten weigerten sich auf die Heiligen zu schwören und die Katholiken beharrten darauf.

Nur schon aus diesen Gründen konnte die alte Eidgenossenschaft keine wirkliche Grossmacht werden. Und es kommt dazu, dass die Eidgenossenschaft eingebunden war in die europäische Politik.
 
Ergänzende Anmerkung: Marignano war auch nicht die letzte gemeinsame Schlacht der Eidgenossen. Bern, Freiburg und Solothurn zogen ihre 10000 Mann bereits vor der Schlacht ab. Zug und Zürich waren gerade dabei heimzukehren, als die Schlacht begann. Eine weitere Demonstration für die von @ursi beschriebene Uneinigkeit.

Die letzten gemeinsamen militärischen Kampfhandlungen waren 1513 vor Dijon und auch dort schon von Streit begleitet.
Schibler, Thomas: "Dijonerzug", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.04.2004. Online: Dijonerzug , konsultiert am 16.08.2021.
 
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