Holländische Widerstandsmissionen (Film „Dein Reich komme“)

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Yasmin44

Gast
Hallo! Ich bin Schülerin eines Gymnasiums in Thüringen und muss eine Seminararbeit zu dem Thema „Realität vs. Fiktion - Vergleich von historischen Gegebenheiten mit ihrer filmischen Umsetzung“ verfassen. Dazu habe ich den Film „Dein Reich komme“ von 2011 ausgewählt.

In dem Film wird eine Untergrundmission dargestellt, bei welcher eine Gruppe holländischer Widerstandskämpfer eine Brücke sprengen, über die Autos von Offizieren mit Gefangenen fahren sollen. So gelingt es ihnen, die Gefangenen zu befreien. Außerdem sieht man eine Windmühle, in welcher das Licht angeschaltet ist und dessen Flügel auf 12 Uhr stehen. Dies ist ein geheimes Warnsignal, welches bedeutet, dass einer der Widerstandskämpfer ein Verräter ist.

Ich habe bis jetzt jedoch keine Informationen zur Realität dieser Angelegenheiten gefunden. Weiß jemand, wo ich eventuell nachprüfen könnte, ob solch eine Mission jemals in echt passiert ist oder ob es dieses Warnsignal tatsächlich gab? Ich habe bereits die Bücher „Die Zuflucht“ von Corrie ten Boom und „Erinnerungen an die Zuflucht“ von Hans Poley gelesen sowie ein Interview mit David Thomas Jenkins, welcher in dem Film Hans Poley spielt, durchgeführt aber konnte keine Informationen zu diesen Angelegenheiten finden.

Vielen Dank im Voraus!
 
So, wie du die Geschichte schilderst (ich kenne den Film nicht), klingt das ein wenig nach Quentin Tarrantinos Unglourious Basterds, also weniger vom Plot her, als von der etwas übertriebenen Art der Handlung. Nur dass Tarrantino mit voller Absicht krass überzeichnet, während das hier in deinem Beispiel wohl eher aus Versehen geschehen ist. Will sagen: Es ist relativ unwahrscheinlich, dass hier ein konkretes historisches Ereignis nacherzählt wird. Es ist gewissermaßen ein eigenes Genre des Kriegsfilms, dass den Widerstand in von Deutschen besetzten Ländern während des Zweiten Weltkriegs zeigt und in diese Unterkategorie des Kriegsfilms scheinen zwei Dinge einfach zu gehören:
- das Sprengen einer Brücke (am besten während ein Munitionszug oder Offiziere darüber fahren)
- einen Verräter/Kollaborateur, der das Unternehmen fast zum Scheitern bringt.
Sicher ist, dass es historisch Brückensprengungen gegeben hat und dass wahrscheinlich auch Widerstandsgruppen durch Verrat (wie und durch wen auch immer) aufgeflogen sind. Da ein Film etwas erzählen will, werden dann verschiedene historische Handlungsstränge personell und zeitlich verknüpft. Du solltest dich da auch ein wenig mit Dramentheorie auskennen, das ist vermutlich wichtiger, als vergeblich nach einer konkreten historischen Vorbildsituation zu suchen.

So ein Film der folgt ja - bei allen Unterschieden - letztendlich bis heute dem, was wir bereits aus dem antiken Drama kennen.
  1. Exposition: die Hauptfiguren, Protagonisten und Antogonisten sowie die Ausgangssituation werden vorgestellt.
  2. Auslöser für die dramatische Handlung
  3. Plot point
  4. Fallende Handlung mit retardierendem Moment: der Zuschauer wird im Unklaren darüber gelassen, was passiert, verschiedene Lösungswege werde aufgezeigt und der Zuschauer in die Richtung gedrängt, vorauszusehen was passiert und dann passiert doch wieder etwas ganz anderes
  5. Katastrophe/Lösung
Bei Punkt 5 sei gesagt, dass Katastrophe oder Lösung im antiken Drama jeweils definierten, ob es sich um eine Tragödie oder um eine Komödie handelte, das unterscheidet unsere modernen Sehgewohnheiten von denen der Antike.

In manchen Varianten - gerade wenn es um Verrat geht - ist auch unklar, wer nun Protagonist und wer Antogonist ist. Oder ein Antogonist entpuppt sich als Freund wohingegen ein Freund sich als tatsächlicher Antogonist entpuppt.
(da spielt also auch die Erzählperspektive mit hinein, die man ja eigentlich der Epik und weniger der Dramatik zuschreibt).

Gerade im Subgenre des Widerstandskämpferfilms gibt es dann häufig auch eine Protagonistin, die dann gerne von einem deutschen Offizier umschwärmt wird oder mehr, wo entweder dem Zuschauer und den Widerstandskämpfern oder aber dem Zuschauer zwar nicht, aber den Widerstandskämpfern unklar ist, auf welcher Seite sie eigentlich steht oder man (Zuschauer und/oder zumindest Widerständler) hält sie gewissermaßen für ein echtes Offiziersflittchen.

D.h. hier ist sogar unklar, wer der eigentliche Protagonist ist und das enthüllt sich erst im Laufe des Films.

Aber auch dort, wo ein Film auf wahren Begebenheiten basiert, beispielsweise Defiance (mit Daniel Craig) über die Bielski-Partisanen, ist i.d.R. das historische Geschehen in der filmischen Erzählung von den Regeln der Dramaturgie überlagert. Da werden dann die Bielski-Brüder zu Supermännern, in denen sich die historischen Bielksi-Brüder wohl kaum wiedererkannt hätten.
 
Die Mühlensprache – Wikipedia (niederl.: Molentaal oder Wiekentaal) ist eine mögliche Kommunikationsform.
Sie soll auch im 2. Weltkrieg als solche beim Widerstand eingesetzt worden sein.
Schoonoord (Alverna) - Wikipedia
übers.: ...Die Mühle wurde während des Krieges vom Widerstand als Signalgeber genutzt...
Molentaal
übers.: ..Diese Sprache wurde auch in Kriegszeiten verwendet, um beispielsweise Versteckte durch eine bestimmte Stellung der Mühlenblätter zu warnen...

Jedenfalls wurden etwa die Hälfte der 120 im 2. Weltkrieg in den Niederlanden zerstörten Windmühlen durch die Besatzer gesprengt. Die meisten aus militärischen Gründen. Einige davon angeblich, weil der Müller in der Widerstandsbewegung war.

Der Film basiert auf den Werken der Corrie ten Boom – Wikipedia . Ob und wo sie das Ereignis mit der Windmühle beschrieb, weiß ich nicht.
 
Der Film basiert auf den Werken der Corrie ten Boom – Wikipedia .

Ich muss mich korrigieren:
Der Film The Hiding Place - deutsch "Die Zuflucht"- basiert auf einem autobiografischen Werk gleichen Namens von Corrie ten Boom.
Der Film Return to the Hiding Place - deutsch "Dein Reich komme" - basiert auf dem gleichnamigen Bericht von Hans Poley, der Mitglied in der Untergrundgruppe der Corrie ten Boom war, basiert also auf ihrem Wirken, nicht ihren Werken.

Wenn im Buch des Hans Poley darüber nichts drin steht und die Übersetzerin nichts ausgelassen hat, dann war es vermutlich nur eine dramatische "Ergänzung" des Films aus zahlreichen niederländischen Legenden.

Die Mühle "De Trouwe Wachter" in Tienhoven wird dazu oft und erstaunlich genau beschrieben. So soll der Müller Arie Van Garderen im Krieg die Segel seiner Mühle in Trauerstellung, mit dem Untersegel rechts in der Mitte befestigt, gesetzt haben, das Signal für die Untergetauchten, sich schnell im Schilf zu verstecken.
De Nederlandse Molendatabase | De Trouwe Wachter, Tienhoven
Leider immer ohne Quellenangaben, so auch in der englischen Wikipedia zu Windmills beim Satz:
It was used to signal the local region during Nazi operations in World War II, such as searches for Jews.
 
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