Wie war das eigentlich mit der Anwerbung von Fachkräften?

Die Aussage über die Kabinettskriege gilt vorwiegend für West-, Nord-, Süd- und Mitteleuropa. Die Türkei und Rußland etwa hatten diesbezüglich andere Erfahrungen und Gewohnheiten.
 
rbb Preußen-Chronik | Der Soldatenkönig macht Schluss mit dem Pressen von Soldaten (1. Mai 1733)
Die preußischen Werber sind in ganz Deutschland berüchtigt. So wehrt sich 1731 Hannover:
„Preußische und andere Werber... sollen als Straßen- und Menschenräuber, Störer des Landfriedens und Verletzer unserer Hoheit traktiert und, wenn sie schuldig befunden werden, am Leben gestraft werden. ... Wer einen preußischen Werber tot oder lebendig einliefert, erhält aus der Kreigskasse fünfzig Taler.“

rbb Preußen-Chronik | Begriff: Pressen
verstärkte Anwerbung von Soldaten ausdrücklich "ohne große Gewaltätigkeit"

Friedrich Wilhelm I. führte in Preußen das Kantonatssystem ein. Jedem Regiment wurde ein bestimmter Kanton zugewiesen, wo Rekruten geworben wurden. Dieses System hatte den Vorteil, dass sich Werbetrupps nicht ins Gehege kamen und der heimischen Landwirtschaft nicht zu viele Arbeitskräfte entzogen wurden.

Das Kantonatssystem wurde in den 1760er Jahren auch in Hessen-Kassel eingeführt. Gewalt bei der Werbung wurde durch den Landgrafen ausdrücklich verboten.

Übertretungen dieses Verbots wurden auch durchaus geahndet. Allerdings standen die Werber auch unter Druck. Sie mussten Ersatz an Rekruten stellen, und mit zunehmender Kriegsdauer wurde es immer schwieriger, Nachschub an Rekruten zu beschaffen. Gegenüber "Ausländern" nahm man es daher mit der gewaltlosen Werbung nicht allzu genau, und Übergriffe kamen daher immer wieder vor.
 
Warum gab es dann in Preußen ungefähr so viele zivile Opfer wie getötete Soldaten ?
Polnische Grenzregion - Fotos, Videos und Informationen, rund um das Oderbruch
Diese war vor den anrückenden, plündernden und mordenden russischen Kosaken auf ein Nachbargut geflohen.
Eine gute Entscheidung, denn die Kosaken richteten in Tamsel ein regelrechtes Blutbad an. Sie plünderten nicht nur das Dorf und auch das Schloß regelrecht aus, sie ermordeten auch viele der Bewohner. Im Schloßpark lagen neben dem erschlagenen Lehrer der Wreechschen Kinder, die Leichen von über hundert geschändeter Bauernfrauen aus Tamsel.

Wenn eine Region Kriegsschauplatz wurde, war das natürlich für die Zivilbevölkerung mit Belastungen verbunden. Es kam vor, dass Zivilisten flüchteten, Felder nicht mehr bestellt wurden, dass durch Unterernährung und durchziehende Truppen sich Krankheiten verbreiteten. Ostpreußen war seit 1758 von russischen Truppen besetzt. Die Mehrzahl der Bewohner wurde aber nicht massakriert, sie flüchtete auch nicht, sondern leistete statt König Friedrich der Zarin Elisabeth den Treueeid und zahlte ihr statt dem Preußenkönig Steuern und Kontributionen.

Insgesamt forderte der Siebenjährige Krieg etwa 550.000 Verluste. Davon gingen 180.000 auf Preußen. Es liegt mir fern, die Leiden der Zivilbevölkerung zu bagatellisieren, in Sachsen, Pommern und Teilen von Brandenburg wurde sie sehr in Mitleidenschaft gezogen.

Für die Zeitgenossen war "der Krieg", der "Große Krieg", der Krieg schlechthin, so wie es für die Großeltern der Dreißigjährige Krieg war, so wie es für unsere Nachkriegsgeneration der Zweite Weltkrieg ist. Es war aber kein Krieg mehr gegen Land und Leute wie es der Dreißigjährige Krieg gewesen war. Im 30 Jährigen Krieg gab es bei weitem nicht solche Verluste an Zivilisten wie im Dreißigjährigen Krieg, als mancherorts die Hälfte oder sogar bis zu 90% der Bevölkerung dezimiert war. Vom Siebenjährigen Krieg erholte sich Europa recht schnell, während mancherorts die Bevölkerungszahl erst im 19. Jahrhundert wieder das Niveau von 1618 erreichte. In Städten wie Hamburg spürte man vom Siebenjährigen Krieg nicht viel, und in den Korrespondenzen von Friedrich Nikolai oder Lessing wird er mit keinem Wort erwähnt. Als Marlborough in den Niederlanden Krieg führte, reiste er jeden Winter nach England, ebenso wie die französischen Offiziere nach Paris oder Versailles. Für solche Fälle wurden von der Gegenseite Pässe ausgegeben, um unter Umständen feindliche Linien zu passieren. Vor der Schlacht von Malplaquet trafen sich irische Offiziere aus beiden Parteien zu einem Picknick.

Krieg ist zu allen Zeiten grausam, und zu allen Zeiten hat in der Regel die Zivilbevölkerung die größten Lasten zu tragen, ganz unabhängig davon, ob der Krieg mit Flitzebogen oder Raketen ausgekämpft wird. Grausam war natürlich auch der Siebenjährige, und wenn jemand Zynismus unterstellt, wenn man von "zivilisierten Kabinettskriegen" spricht, dann ist der Vorwurf nicht völlig abwegig.

Verglichen mit dem Krieg "gegen Land und Leute" wie es der Dreißigjährige Krieg war, verglichen mit den "Völkerschlachten" des frühen 19. Jahrhunderts, verglichen mit der "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts, von einem Rasse- und Vernichtungskrieg ganz zu schweigen, waren die Kabinettskriege des 18. Jahrhunderts schon in gewisser Weise zivilisiert. In Regionen, die nicht unmittelbar von Aufmärschen und Kampfhandlungen betroffen waren, merkte man nicht viel vom Krieg.
 
In diesem Fall hatten die begehrten Fachkräfte natürlich bessere Karten! Deshalb ja auch die vielen Freiheiten! Allerdings war man damals von den heutigen arbeitsrechtlichen Normen noch meilenweit entfernt.
Was allerdings auch interessant ist:
So betrachtet, war man damals mit dem "europäischen Gedanken", in manchen Bereichen, schon wesentlich weiter, als heute! Wie ja auch von anderen bereits bemerkt wurde, waren die damaligen Armeen nicht selten multinational.
Diese Entwicklung, endete dann mit dem aufkommen, der Nationalstaaten.

Dennoch ist dies ein interessantes Thema.
 
Mit einem "europäischen Gedanken" hatte das wohl nicht viel zu tun. Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte, Soldaten, Offiziere oder Siedler erfolgte primär im Eigeninteresse des Monarchen (um sein eigenes Land zu stärken - gerne auch zu Lasten der anderen) und nicht als "Austauschprogramm" zur Förderung der europäischen Integration oder der innereuropäischen Mobilität.
 
Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte, Soldaten, Offiziere oder Siedler erfolgte primär im Eigeninteresse des Monarchen
Zur "Multinationalität" einiger Armeen hat auch beigetragen, dass einige Landesfürsten ihre Armeen an andere Mächte vermieteten. Sie unterstanden dann weiterhin dem jeweiligen Landesfürsten, kämpften aber für die Interessen eines anderen Landes. In Hessen-Kassel hatte dies eine lange Tradition. Bevor hessische Soldaten für die Briten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg kämpften, wurden sie bspw. auch an die Niederlande vermietet. Pfalz-Zweibrücken kämpfte für Frankreich im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
 
Mit einem "europäischen Gedanken" hatte das wohl nicht viel zu tun. Die Anwerbung ausländischer Fachkräfte, Soldaten, Offiziere oder Siedler erfolgte primär im Eigeninteresse des Monarchen (um sein eigenes Land zu stärken - gerne auch zu Lasten der anderen) und nicht als "Austauschprogramm" zur Förderung der europäischen Integration oder der innereuropäischen Mobilität.

Eben! Bei den Wissenschaftlern, Offizieren, Künstlern, die bei einem anderen Fürsten oder König Dienste annahmen, waren es auch in der Regel keine paneuropäischen Motive. Es mochte dabei eine Bindung an einen Monarchen oder Gönner eine Rolle gespielt haben, in den meisten Fällen waren einfach bessere Karriere- und Verdienstmöglichkeiten die dominierende Rolle bei der Entscheidung gespielt haben.

Johann Ewald kommandierte im Unabhängigkeitskrieg ein hessisches Jägerbataillon. Er erwarb sich bei Freund und Feind großes Ansehen, und auch sein Handbuch des Guerillakrieges, vielleicht das erste seiner Art, fand großen Zuspruch. Es zeigte sich dann aber, dass der Kriegseinsatz doch nicht den Karriereschub mit sich brachte, den sich viele Offiziere versprochen hatten. In der hessischen Armee waren zwar Bürgerliche zugelassen zum Offizierskorps, die höheren Offiziere, vor allem in den Garderegimentern waren fast alle adelig. Ewald nahm darauf später dänische Dienste an, und er wurde in Dänemark noch Generalleutnant.

In diesem Fall hatten die begehrten Fachkräfte natürlich bessere Karten! Deshalb ja auch die vielen Freiheiten! Allerdings war man damals von den heutigen arbeitsrechtlichen Normen noch meilenweit entfernt.
Was allerdings auch interessant ist:
So betrachtet, war man damals mit dem "europäischen Gedanken", in manchen Bereichen, schon wesentlich weiter, als heute! Wie ja auch von anderen bereits bemerkt wurde, waren die damaligen Armeen nicht selten multinational.
Diese Entwicklung, endete dann mit dem aufkommen, der Nationalstaaten.

Dennoch ist dies ein interessantes Thema.

Was aber vor allem die Wahl des Arbeitgebers für Offiziere betraf, so war auch im Militärwesen nicht paneuropäische Gedanken, sondern schlicht die Kriegskonjunktur maßgeblich. Offiziere, die arbeitslos waren, weil ihr Fürst gerade keinen Krieg führte, boten ihre Dienste solchen an, die es taten.

Für manche Waffengattungen waren bestimmte Regionen sozusagen spezialisiert. In den Türkenkriegen zeigte sich, dass leichte Kavallerie sehr wirksam war. Fast alle europäischen Armeen stellten Husaren-, Panduren-Einheiten auf die nach ungarisch-kroatischem Vorbild kostümiert und bewaffnet waren. Oft wurden aber auch fremde Einheiten in die eigene Armee integriert. Zu den französischen Garde de Maison gehörte traditionell eine schottische und eine Schweizer Garde.

In GB oder den Niederlanden duldete die Verfassung keine starke absolutistische Armee. Im Kriegsfall wurden Söldner, meist aus Deutschland geworben. Aber auch Frankreich war an fremden Söldnern interessiert. Quer durch das Heilige Römische Reich verlief eine Grenze zwischen dem britisch/niederländischen und dem französischen Markt. Bayern, Württemberg, die Pfalz, Nassau, Isenburg und Hessen-Darmstadt waren Frankreich verbunden, während Hessen-Kassel, Hanau, Waldeck und Braunschweig enge Kontakte zu GB pflegten.

"Ausländische" Offiziere waren aber in der Regel auch die Ersten, die verabschiedet oder aus den Diensten entlassen wurden, wenn ein Krieg beendet war und eine Armee wieder auf Friedensstatus abgerüstet wurde. Als Offizier öfter mal den Arbeitgeber zu wechseln, galt keineswegs als ehrenrührig. Solange ein Offizier nicht grundsätzlich gegen den eigenen Monarchen kämpfen wollte, war seiner Auswahl kein Limit gesetzt.
 
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Was wenig bekannt ist, in Preußen wurde Tabak angebaut! Die preußische Tabakverarbeitung war alleine den Hugenotten zu verdanken.
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Der Tabak, der in deutschen Ländern gezogen wurde, zeichnete sich durchaus durch ein gewisses Qualitätsniveau aus. In Baden, im Elsass und der Pfalz wurde jahrhundertelang Tabak angebaut, und heimische Tabaksorten wie der Geudertheimer wurden für hochwertige Tabake und Zigarren verarbeitet. Seit der Tabakanbau nicht mehr subventioniert wird, sind es in Deutschland nur noch wenige Bauern, die Tabak anbauen. Auch in Franken wurde im 18. Jahrhundert Tabak angebaut, und Zeitgenossen wussten zu berichten, dass der heimische Tabak in der Qualität an amerikanische Importe aus Virginia und Maryland herankam.

Auch in Preußen können hochwertige Tabake gezogen werden. Die Tabakmanufaktur von René Rosinski verwendet nach eigenen Angaben ausschließlich Tabak, der in Polen, in der Nähe von Thorn und im ehemaligen Warthegau gezogen wurde. In Polen werden noch Skroniowski und andere alte Landtabaksorten gezogen. Die Marke "Tabacum" gehört zu den besten Snuffs, die ich je probiert habe.
 
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