Verteidigung des deutschen Kolonialismus von Bruce Gilley

Die These, dass koloniale Verbrechen gleichzusetzen sind mit dem Holocaust sind schwierig.

Kannst du mir jemanden nennen, der oder die koloniale Verbrechen mit dem Holocaust dezidiert gleichsetzt?

Selbst wenn jemand eine langfristige Kontinuität zwischen den kolonialen Verbrechen und dem Holocaust postuliert, ist das ja lange keine Gleichsetzung, sondern lediglich die Unterstellung, dass sich das eine in irgendeiner Weise aus dem Anderen entwickelt habe.

Diskussionen um Kontinuitäten über längere Zeiträume à la von Luther, über Friedrich II., über Bismarck zu Hitler hat es ja immer mal wieder gegeben, zu verschiedenen Themen.
Aber, völlig abseits von der Frage ob man dem zustimmen möchte oder nicht, was hat das mit Gleichsetzen oder auch nur mit sauberem Vergleichen zu tun?
Es ist eben die Unterstellung einer bestimmten Evolution auf einer besonders herausragenden, einzigartigen Basis, wenn man dem folgen möchte.

Ich persönlich würde allerdings meinen, dass solche Thesen in der Regel eher Indiiz für einen Mangel an sinnvollen Vergleichen, als deren Produkte sind, aber das ist nur meine Meinung.
 
@Shingami:
vgl.
Besonders nachdrücklich hat der Historiker Jürgen Zimmerer argumentiert, es gebe Verbindungen "von Windhuk nach Auschwitz". Für ihn basieren sowohl der europäische Kolonialismus wie auch "die nationalsozialistische Expansions- und Mordpolitik, auf im Grunde ähnlichen Konzepten von Rasse und Raum". Zur Auflösung der Fußnote[5] Hinzu kommen bestimmte geteilte Herrschaftstechniken, vom Verbot von sogenannten Mischehen über Lager bis hin zum Genozid.
Koloniale Ursprünge?
 
@Arnaud28

Wie gesagt, das Postulat von Kontinuitätslinien ist an und für sich keine Gleichsetzung.

Ob sich einzelne Aspekte der beiden Ereignisse sinnvoll miteinander vergleichen lassen ist eine ganz andere Frage.
Gleichsetzen und vergleichen sind einmal zwei verschiedene Dinge.
 
@Arnaud28

Wie gesagt, das Postulat von Kontinuitätslinien ist an und für sich keine Gleichsetzung.

Ob sich einzelne Aspekte der beiden Ereignisse sinnvoll miteinander vergleichen lassen ist eine ganz andere Frage.
Gleichsetzen und vergleichen sind einmal zwei verschiedene Dinge.

Das wird in dieser Debatte die ich verlinkt habe besprochen. Lohnt sich wirklich dies mal anzuhören.

Ich empfehle diese Debatte sich mal anzuhören:

https://www.swr.de/swr2/leben-und-g...caust-gedenken-swr2-forum-2022-01-18-100.html

Hier diskutieren:
Prof. Dr. Norbert Frei, Historiker, Universität Jena
Prof. Dr. Sybille Steinbacher, Historikerin, Universität Frankfurt a.M. und Direktorin des Fritz Bauer Instituts
Prof. Dr. Jürgen Zimmerer, Historiker, Universität Hamburg und Leiter der „Forschungsstelle Hamburgs (post-)koloniales Erbe"
 
Wie gesagt, das Postulat von Kontinuitätslinien ist an und für sich keine Gleichsetzung.

So ist es. Es erwächst aus der "Kontinuität" keine Determinierung, dass etwas passiert. Vielmehr basiert die These zur "Kontinuität" auf einer personen- und ideologiegebundenen Pfadabhängigkeit.

Bei der Ausarbeitung von "Mein Kampf" und dem daraus folgenden ideologischen Weltbild sind eine Vielzahl von Ideen eingearbeitet worden (vgl. kommentierte Ausgabe etc.).

Dabei war München ein Kristallisationspunkt - wurde im GF bereits im Kontext der Radikalisierung der extremen Rechten ausgeführt - wo viele Personen direkten Konteakt hatten.

Und es zu einem Austausch von "manifesten" bzw. "latenten" Wissensbeständen kam. Insofern ist die Pfadabhängigkeit der Idee zu einem eliminatorischen Konzept durchaus als "Wissenssoziologie" zu begreifen und den damit zusammenhängenden "kommunikativen Netzwerken".
 
Selbst wenn jemand eine langfristige Kontinuität zwischen den kolonialen Verbrechen und dem Holocaust postuliert, ist das ja lange keine Gleichsetzung, sondern lediglich die Unterstellung, dass sich das eine in irgendeiner Weise aus dem Anderen entwickelt habe.
Zumal Deutschland eher eine Kleinst-Kolonialmacht war: Frankreich, Niederlande, Spanien, Portugal, Belgien und vor allem Großbritannien hatten einiges mehr zu bieten. Dort fand aber kein Holocaust statt, falls man nicht die Massaker im Kongo dazurechnen will.
 
Zumal Deutschland eher eine Kleinst-Kolonialmacht war: Frankreich, Niederlande, Spanien, Portugal, Belgien und vor allem Großbritannien hatten einiges mehr zu bieten. Dort fand aber kein Holocaust statt, falls man nicht die Massaker im Kongo dazurechnen will.
Flächenmäßig war 1914 Deutschlands Kolonialreich das drittgrößte nach dem Französischen und Britischen. Einwohnermäßig war es das viertgrößte. Die Niederlande überholten die Deutschen da mit Indonesien.

Auch in anderen Kolonialreichen gab es sehr zweifelhaftes Vorgehen gegen die Bevölkerung, nicht nur im Kongo und in den deutschen Kolonien. In den französischen Kolonien galt der Code de l'indigénat, mit dem die nicht-weiße Bevölkerung zu Zwangsarbeit und Umsiedlungen gezwungen werden konnte. Im Rif-Krieg wurde auch Senfgas flächendeckend gegen die Bevölkerung eingesetzt. Dies sind nur zwei Beispiele. Die Liste der Kolonialgräuel lässt sich noch um einiges verlängern.
 
Zumal Deutschland eher eine Kleinst-Kolonialmacht war: Frankreich, Niederlande, Spanien, Portugal, Belgien und vor allem Großbritannien hatten einiges mehr zu bieten. Dort fand aber kein Holocaust statt, falls man nicht die Massaker im Kongo dazurechnen will.

Naja, die Unterstellung einer wie auch immer gearteten Kontinuität, bedeutet ja nicht, dass diese in irgendeiner Form determiniert wäre.
Nur wenn man das nicht unbedingt voraussetzt, wäre man dann logisch wieder bei irgendeiner Form von Sonderweg-Theorien.

Sowas zu diskutieren ist sicherlich erst einmal legitim.
 
Flächenmäßig war 1914 Deutschlands Kolonialreich das drittgrößte nach dem Französischen und Britischen. Einwohnermäßig war es das viertgrößte. Die Niederlande überholten die Deutschen da mit Indonesien.

Kommt darauf an, wie man mit Russland umgehen möchte.

Nicht flächenmäßig, aber Einwohnermäßig dürfte auch mindestens das japanische Kolonialreich, mit Hinblick auf Korea vor Beginn des 1. Weltkriegs, größer gewesen sein, als das Deutsche Kolonialreich.
 
Für Deutsch-Ostafrika für 1913 7,7 Millionen
für Kamerun, wenn ich das richtig interpretiere an die 4,6 Millionen
für Südwest an die 200.000 Einwohner (1913)
für Togo ca. 1 Million,
für Kiauchou ca. 200.000 Einwohner
Deutsch-Neuguinea ca. 480.000 Einwohner (1912)

alle Angaben gemäß Wiki.

Das wären dann über den Daumen an die 15,2 Millionen Einwohner, plus gegebenenfalls noch ein paar auf den sonstigen pazifischen Inseln, aber das werden wohl nicht mehr, als allenfalls ein paar 10.000 gewesen sein.
 
Flächenmäßig war 1914 Deutschlands Kolonialreich das drittgrößte nach dem Französischen und Britischen. Einwohnermäßig war es das viertgrößte. Die Niederlande überholten die Deutschen da mit Indonesien.

Langewiesche verweist bei seiner Aufbereitung der Territorien und der Bevölkerung als Anteile am Kolonialbesitz auf Etemad (S. 131 ff vgl. Link)

------------------Territorium--------------Bevölkerung 1913
GB......................60,8 %..................................71,2 %
Frankreich.........18,2 %...................................8,7%
Deutschland......5,5 %.....................................2,2%
Japan.................0,6%.....................................3,5%

Possessing the World

Aus der Frage der kolonialen Herrschaft ergibt sich nicht automatisch ein Konflikt mit der indigenen Bevölkerung. Shinigami verwies bereits auf unterschiedliche Typen von Kolonien. Osterhammel schlägt vor (S. 16-18), drei Typen zu unterscheiden: 1. Stützpunktkolonie (Gibraltar) mit primär militärischer Nutzung, 2. Beherrschungskolonien (Indien) und 3. Siedlungskolonien. (Nordamerika)

Vor allem die Beherrschungs- und Siedlungskolonien liefen auf einen Konflikt, Vertreibung, Versklavung oder Vernichtung der indigenen Bevölkerung hinaus. Und sind insofern am ehesten ein Bezugspunkt, über den man eine ideengeschichtliche Verbindung zwischen kolonialer Praxis und genozidaler Kriegsführung herstellen kann (vgl. Diskussion bei Langewiesche S. 363ff)

Interessant ist in diesem Kontext, weil Dion die "sozioökonomische Überlegenheit" angesprochen hat, die Arbeit von Adas. Er zeigt, wie die sprunghafte innovative Entwicklung von Technik, auch im Bereich des Militärs (vgl. Parker) zu einer Veränderung der Sicht auf die "unterlegene Seite" - sprich die "Wilden" etc. führte. Und auch das Verständnis des "White men`s burden" mit geprägt hat. Und zur Erklärung der Idee einer zivilisatorischen Mission der europäischen Großmächte durch innovative Überlegenheit beiträgt.

Adas, Michael (2014): Machines as the measure of men. Science, technology, and ideologies of western dominance. 2014 Ithaca: Cornell University Press.
Etemad, Bouda (2007): Possessing the world. Taking the measurements of colonisation from the eighteenth to the twentieth century. New York, Oxford: Berghahn Books (S.131)
Langewiesche, Dieter (2019): Der gewaltsame Lehrer. Europas Kriege in der Moderne. 1. Auflage. München: C.H. Beck.
Osterhammel, Jürgen; Jansen, Jan C. (2017): Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen. 8., aktualisierte Auflage, Originalausgabe. München: C.H. Beck


 
@thanepower Mir erschließt sich nicht, was die Prozentangaben in der Tabelle ausdrücken sollen.
Edit: Z.B. "60,8% aller Kolonien 1913 sind britisch." Verstehe ich das richtig? Da würde man Russland 1913 jedenfalls nicht als Kolonialmacht ansehen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die einzelnen absoluten Werte für die einzelnen Lämder wurden auf 100 % umgerechnet. Die Werte in Prozent sind somit der absolute Anteil an 100 Prozent. Dabei sind die USA und Japan als Kolonialmächte zu vernachlässigen, da der Kolonialbesitz lange Zeit zu 100 Prozent auf die europäischen Mächte entfiel.
 
Zumal Deutschland eher eine Kleinst-Kolonialmacht war: Frankreich, Niederlande, Spanien, Portugal, Belgien und vor allem Großbritannien hatten einiges mehr zu bieten.

Deutschland hatte kein zusammenhängendes Kolonialgebiet, bei einem globalen Konflikt waren die Kolonien sehr schwer zu verteidigen. Im Weltkrieg sind die Kolonien dann auch mit Ausnahme von Deutsch-Ostafrika relativ schnell erobert worden. Gar so klein und unbedeutend war die deutsche Kolonialmacht nicht. Wenn ich mich nicht sehr täusche, verfügte das Kaiserreich um 1900 über das drittgrößte Kolonialgebiet nach dem britischen Empire und Frankreich.
 
In Deutsch-Ostafrika waren im Jahre 1911 ganze 270 deutsche Soldaten.
In Kamerum waren es 170, in Deutsch-Südwest 2179 und Kiautchou 2383. Hinzu kamen dann noch einheimische Söldner.
 
Gar so klein und unbedeutend war die deutsche Kolonialmacht nicht. Wenn ich mich nicht sehr täusche, verfügte das Kaiserreich um 1900 über das drittgrößte Kolonialgebiet nach dem britischen Empire und Frankreich.

Das ist richtig, wobei die Hälfte davon allerdings eher lebensfeindliche trockene Wüste und Regenwaldflächen waren.

Im Hinblick auf die reine Fläche war das deutsche Kolonialreich sicherlich nicht so klein, da ist "Kleinst-Kolonialmacht" sicherlich untertrieben, so könnte man Spanien nach dem Verlust Kubas und der Philippinen nennen oder Dänemark mit Island, ein paar 1.000 Einwohnern in Grönland und seiner Hand voll Kleinstinseln in der Karibik.

Wenn es aber, durchaus auch was die Fläche betrifft, daran gemessen wird, wie viel Fläche vorhanden war, die sich wirklich effektiv wirtschaftlich nutzen und mit vernünftiger Infrastruktur durchdringen und beherrschen ließ, war das deutsche Kolonialreich denn doch eher unbedeutend (ohne damit die kolonialen Verbrechen verharmlosen zu wollen).

Erst recht dann, wenn man sich anschaut, welche Bedeutung die Kolonien für die Gesamtwirtschaft der jeweiligen Kolonialmacht hatte.
 
Alles auf dieser Welt hat seine Vor- und Nachteile, das die Nachteile des europäischen Kolonialismus aber deutlich überwiegen steht für mich jedenfalls außer Zweifel. Den Ländern wurde keine Möglichkeit gegeben sich erst mal selbst zu finden und in völlig abstrusen Grenzen zusammengefasst zu werden, die sich an Flüssen oder dem Lineal orientieren. Nachdem es sowas wie "Nationalstaaten" gegeben hätte konnte man sich einigen, Völker wurden zusammengefasst die außer das sie halt mehr oder weniger schwarz sind, gar nichts gemeinsam haben, weder sprachlich, noch kulturell noch irgendwie sonst. Später hätte wie in Europa eine afrikanische Einigung auf gesunden Füßen entstehen können, die ist ja schon in Europa sehr wackelig, in Afrika fast unmöglich ist.

Ich will ja vielen Kolonialisten nicht unterstellen, sie hätten nicht gute Absichten gehabt, leider reicht dies nicht. Ist aber heute auch nicht anders, 70 Jahre uneigennützige Nächstenliebe, haben weniger gebracht als Chinas selbstsüchtiger Kapitalismus (bei wirklich extrem vielen katastrophalen Nebenwirkungen).

Natürlich tragen die Eliten auch eine Schuld, diese wurden freilich im Westen ja ausgebildet und kennen wahrscheinlich europäische Lösungen mehr als afrikanische oder äthiopische und was weiß ich noch.
 
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