Warum wurden die polnischen Interessen nicht berücksichtigt?

Aber, es bleibt die Tatsache, dass man in bester Großmachtmanier, über das Schicksal eines anderen, kleineren Volkes entschieden hat, ohne diesem eine Möglichkeit der Mitsprache einzuräumen. Und das halte ich, trotz der komplizierten Lage, für eine Unverschämtheit gegenüber den Polen.

Egal was man von der Westverschiebung Polens hielt oder hält: Die Westmächte hätten letzten Endes Krieg gegen die Sowjetunion führen müssen, um diese zu verhindern.

Und Churchill hat ja tatsächlich nach dem Ende des Krieges einen Plan in Auftrag gegeben, in dem britische und amerikanische Truppen überraschend die sowjetischen Truppen angreifen sollten, die sog. Operation Unthinkable. Der Plan sah sogar die teilweise Wiederbewaffnung deutscher Truppen vor. Dabei ging es auch um die polnische Frage, auch wenn das eigentlich Ziel des Plans wahrscheinlich die Verhinderung der Dominanz der Sowjetunion über den Osten Europas war.

Aus diesen Plänen ist natürlich nichts geworden, da die Erfolgsaussichten höchst unsicher waren, der Plan nicht mit den USA abgestimmt war und es wohl auch politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre, nach dem Weltkrieg jetzt gleich wieder in den nächsten Krieg einzusteigen, zumal der Weltkrieg in Asien ja noch nicht vorbei war, von der ethischen und rechtlichen Fragwürdigkeit mal ganz abgesehen.

Die Operation Unthinkable blieb undenkbar.

Operation Unthinkable – Wikipedia

Abgesehen davon konnten die Westmächte wohl auch ganz gut damit leben, dass Deutschland im Osten Gebiete abtreten sollte und das Polen sich einfach nach Westen ausdehnt, ohne im Osten Gebiete abzugeben, war einfach unrealistisch.
 
Und Churchill hat ja tatsächlich nach dem Ende des Krieges einen Plan in Auftrag gegeben, in dem britische und amerikanische Truppen überraschend die sowjetischen Truppen angreifen sollten, die sog. Operation Unthinkable.

"Plan" suggeriert in diesem Sinne mehr als es eigentlich gewesen ist, letztendlich war es eine Planstudie/Operationsstudie, die zu dem Ergebnis kam, dass dies nicht durchführbar sei und das Stadium eines ausgefeilten militärischen Plans in diesem Sinne wurde dabei nie erreicht.

Abgesehen davon konnten die Westmächte wohl auch ganz gut damit leben, dass Deutschland im Osten Gebiete abtreten sollte und das Polen sich einfach nach Westen ausdehnt, ohne im Osten Gebiete abzugeben, war einfach unrealistisch.

Ja, aber das bedeutet nicht, dass die Westmächte in diesem Sinne mit den Gebietsabtretungen, die auch Deutschland leisten sollte, ohne weiteres einverstanden gewesen wären.

Vor Potsdam wurden da auf den interalliierten Konferenzen verschiedene Modelle diskutiert, die zwar alle die Abtrennung Ostpreußens vorsahen, teilweise aber anpeilten Teile Pommerns und Schlesiens so wie Ostbrandenburg bei Deutschland oder irgendeiner Form eines deutschen Staates zu belassen.
Vor allem auch um die damit verbundenen Umsiedlungsaktionen in Grenzen zu halten:

Yalta Conference - Wikipedia

Das war in diesem Sinne auch mehr eine erzwungene Zustimmung, als dass man da im Lager der Westmächte Luftsprünge gemacht hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es freut mich, dass mein Thema so viel Interesse hervorruft. :) Wie gesagt, es ging mir mal darum, auch die "polnische Perspektive" einzunehmen. Und das, wie gesagt, vor dem Hintergrund des Hitler-Stalin-Paktes.
Mir ist natürlich klar, dass eine "Verschiebung" eines Staates, nicht gleichzusetzen ist, mit seiner Zerschlagung! Oder gar seiner Vernichtung! So wie, es Hitler vorhatte! Aber, es bleibt die Tatsache, dass man in bester Großmachtmanier, über das Schicksal eines anderen, kleineren Volkes entschieden hat, ohne diesem eine Möglichkeit der Mitsprache einzuräumen. Und das halte ich, trotz der komplizierten Lage, für eine Unverschämtheit gegenüber den Polen. Immerhin, haben auch polnische Menschen ihren Beitrag geleistet, um Hitler zu besiegen.

Ich finde, der Anstand hätte es geboten, dass man die polnische Exilregierung, irgendwie an der Entscheidung beteiligt bzw. zumindest ihre Meinung einholt.

Die Verschiebung eines Staates und die zwangsläufig damit verbundene Vertreibung der ansässigen Bevölkerung ist auf jeden Fall eine äußerst barbarische Angelegenheit, und die Liquidierung/ Ermordung von 10.000 polnischen Offizieren kann man nur als verbrecherisch bezeichnen.

Wenn man denn unbedingt historische Ereignisse nach moralisierenden Gesichtspunkten bewerten will, sollte man trotzdem die politischen Voraussetzungen nicht völlig ausblenden. Die SU hat im 2. Weltkrieg mehr als 20 Millionen Verluste erlitten. Ganze Provinzen waren verwüstet, und es hatte die Rote Armee bei weitem die meisten Verbände der Wehrmacht gebunden. Am Sieg über Hitler-Deutschland hatte die SU maßgeblichen Anteil, und die SU hatte in Polen vollendete Tatsachen geschaffen und hatte Polen "befreit". Die Gebiete, um die es ging, hatte Polen zuvor im Polnisch-Sowjetischen Krieg annektiert.

- Polen war 1918 nach mehr als 100 Jahren als Staat neu entstanden, auf Kosten von Deutschland, Russland und der nicht mehr existenten Donaumonarchie. Polen war 1918-1939 ein völlig überdehnter Staat, der mit nationalen Minderheiten vollgestopft worden war, und Polen war mit fast jedem seiner Nachbarn in Grenzkonflikte geraten. Es sprach eigentlich auch gar nichts dafür, die Fehler von 1918 zu wiederholen.

-Vor allem hatte die SU in Osteuropa vollendete Tatsachen geschaffen. Die Rote Armee kontrollierte Polen. Nach sowjetischer Lesart hatte die SU Polen vom Faschismus "befreit". Die fraglichen Gebiete hatte Polen zuvor von der SU annektiert, und es sollte Polen dafür mit ehemals deutschen Gebieten entschädigt werden.

Weder GB, noch die USA und erst recht nicht F waren auch nur annährungsweise in der Lage, Polens territoriale Unversehrtheit garantieren zu können. Sie waren dazu 1939 ebenso wenig im Stande wie 1945. Jedenfalls nicht, ohne es, nach 6 Jahren Krieg, auf einen neuen Konflikt, womöglich einen Krieg mit der SU ankommen zu lassen.

Anstand ist übrigens auch ein reichlich schwammiger Begriff, den sich notfalls jeder nach Gutdünken zurechtbiegen kann. Selbst der Massenmörder Heinrich Himmler äußerte in seiner Posener Rede die Ansicht, dass die SS Europas Juden ausgerottet habe, dabei aber "anständig" geblieben sei.
 
Ich gehe also mal davon aus, dass die geflüchteten polnischen Exilpolitiker, ein ernsthaftes Interesse an der Wiederherstellung ihres Landes hatten. Und das in den Grenzen, welche ihnen vom Ausland nach dem 1. Weltkrieg zugesichert worden waren. Deshalb gehe ich davon aus, dass die verantwortlichen Leute, diese polnischen Grenzen als ihre "natürlichen Grenzen" gesehen haben.

Aus diesem Grund, wäre schon ganz schön zu wissen, wie die Reaktionen der Leute waren. Immerhin, handelt es sich dabei um eine weitere willkürliche Grenzverschiebung! Die Betroffenen hat man sicherlich nicht gefragt. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Verhalten, sicherlich nicht dazu beigetragen hat, die Allianz zu stärken. Es wundert mich schon, dass man zu diesem Sacherhalt, keine nennenswerten Dokumente oder Aussagen von Zeitzeugen findet.

Es kann natürlich durchaus sein, dass man den Polen einfach gesagt hat: Ihr haltet die Klappe.

Das ist zwar nicht sehr nett. Soll aber zuweilen vorgekommen sein.:mad:

Ich bestreite nicht, dass die deutsche Besatzung, für Polen alles andere als "schön" war. Mir ging es wie gesagt darum, dass man ohne die Vertreter des freien Polen zu konsultieren, einfach mal über das Schicksal von Millionen Menschen entschied! Und wie Turgot so richtig geschrieben hat, man sanktionierte, ohne mit der Wimper zu zucken, einen illegalen Plan, der diesen Krieg ja quasi ausgelöst hat. Und dass ausgerechnet die BRITEN diesen Plan abgesegnet haben, finde ich ein starkes Stück. So behandelt man Vasallen, keine Verbündeten! Und für die Polen, war Stalin nicht weniger schuldig als Hitler, könnte ich mir denken!

Hier offenbart sich mal ganz klar, Großmachtdenken. Was wiederum klar, einen Bruch der berühmten Atlantik-Charta bedeutet hat. Dieser Geist, ist ja heute noch zu spüren, wenn, man sich den sogenannten Weltsicherheitsrat anschaut! Kein der dort ständig vertretenen Mächte, hatte historisch gesehen oder moralisch das Recht, anderen Völkern vorzuschreiben, wie diese sich zu verhalten hatten!

Roosevelts Idee, mag gut geklungen haben, aber ihre Fehler waren schon kurz nach ihrem in Kraft treten, unübersehbar. Dazu muss man sich nur das Jahrzehnt nach 1945 bis 1955 anschauen. Für mich steht fest, dass man die Polen, sehr stark verarscht hat. Um es mal freundlich z formulieren.

Du kannst dich ja mal mit der Konferenz von Jalta beschäftigen, da wurde ausführlich über das Thema Polen verhandelt, und es war die polnische Exilregierung auch bei den Verhandlungen anwesend. Wenn man sich auch nur oberflächlich mit dieser Konferenz beschäftigt, kann man eigentlich gerade den Briten und Churchill nicht vorwerfen, dass er die Polen verarscht hat.

Im Gegenteil! Churchill hat wie ein Löwe für die polnischen Interessen gekämpft, und er hat Polen in den Grenzen von 1939 wieder erreichten wollen, erklärte sich aber schließlich mit der Curzon-Linie einverstanden. Dass er die überhaupt durchsetzen konnte, war schon ein Verhandlungserfolg. Unter den Großen Drei war GB inzwischen zum Juniorpartner geworden. Wenn überhaupt hätte höchstens Roosevelt versuchen können, ein Machtwort zu sprechen, aber der war ein todkranker Mann. Die Reise um die halbe Welt war eine enorme Belastung für ihn, und er traf sich mit Stalin, um sein Lieblingsprojekt die Gründung der UNO durchsetzen zu können. Im Gegensatz zu Churchill machte sich Roosevelt noch Illusionen über Stalin und glaubte mit dem eine friedliche demokratische Weltordnung errichten zu können. Vor allem aber hatte Stalin in Osteuropa bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Die Rote Armee hatte soeben Polen "befreit", sie kontrollierte halb Europa, und GB und die USA hatten nicht die Möglichkeit, dem etwas entgegenzusetzen. Die USA befanden sich noch im Krieg mit Japan, dass sich immer noch verbissen hielt. Roosevelt hoffte auf sowjetische Unterstützung im Pazifikkrieg, er brauchte Stalin für sein UNO-Projekt, er brauchte Stalin für die Neuordnung Europas, und er war daher schon bei früheren Konferenzen weit eher geneigt, Stalin Zugeständnisse zu machen.

Churchill sagte: "Für uns ist es eine Frage der Ehre, Polen in seiner territorialen Integrität und Freiheit wiederherzustellen!" Stalin antwortete darauf: Für uns ist das eine Frage auf Leben und Tod!" Churchill hatte für Polen gerettet, was zu retten war. Mehr, als die Curzon-Linie war für Polen nicht drin. Stalin sagte "njet"-und das war´s auch schon. Churchill erklärte sich schließlich mit der Curzon-Linie einverstanden, und er beharrte auch nicht, Lemberg polnisch zu lassen.

Stalin sagte, er wolle ein "starkes und demokratisches Polen". Stark- das hieß, das Polen sich bis nach Pommern und Schlesien ausdehnen sollte bis Oder und Neiße-die damals so polnisch waren wie die Fidschi-Inseln, und Polen sollte "demokratisch" werden-das hieß, es sollte die gleiche Regierungsform haben wie die SU.
Die von Stalin zugesicherten freien Wahlen gab es nie, weder in Polen, noch in einem anderen Ostblockstaat.

Die Mitglieder des polnischen Exilkomitees sollten die Heimat übrigens nie wiedersehen. Sie mussten sich die fürchterlichsten Vorwürfe und Anklagen anhören. Es wurde beschlossen, die Polnische Provisorische Regierung durch eine "Regierung der Nationalen Einheit" zu ersetzen. Das Komitee von Lublin setzte in Polen ein Politik fort, die wie in Katyn auf Zerstörung der Bourgeoisie ausgerichtet war. Jeder Widerstand wurde von der Roten Armee gebrochen. Bei der Konferenz von Jalta wurde endgültig die Westverschiebung Polens beschlossen, die bereits bei der Konferenz von Teheran angeregt wurde.

Churchill hat in Teheran und in Jalta sich tatsächlich sehr für Polen eingesetzt, und es war vor allem seinem Engagement zu verdanken, dass die polnischen Interessen nicht vollends missachtet wurden. Die Vertreter der Polnischen Exilregierung mögen sich freilich durchaus verarscht gefühlt haben: In Jalta wurde ihnen-und zwar nicht mal durch die Blume-klar gemacht, dass sie nicht mehr gebraucht werden und auch nach Hause gehen können-aber nicht nach Polen, das von Stalins Kreaturen zur "Volksrepublik" umgestaltet wurde.

Wenn überhaupt, hätte höchstens der US-Präsident versuchen können, mehr herauszuholen. Die USA hatten der SU enorme Mengen an Kriegsmaterial geliefert, aber es benahm sich die amerikanische Delegation in Teheran und Jalta gegenüber der SU wie Bittsteller.

Es ist aber fraglich, ob für Polen mehr drin gewesen wäre, wenn Roosevelt stärker darauf gedrängt hätte. Für sein Projekt UNO brauchte er Stalin, der anfangs für jede Sowjetrepublik eine Stimme forderte Roosevelt war ein todkranker Mann, er war auf Stalins Mitarbeit angewiesen, und er schätzte ihn falsch ein. In Ost- und Mitteleuropa war Stalin der Herr geworden. Seine Armeen hatten vollendete Tatsachen in Europa geschaffen, er kontrollierte Osteuropa. Wie hätten GB und die USA ihm irgendwelche Entscheidungen aufzwingen sollen-und um welchen Preis!

Eine Widerherstellung Polens in den Grenzen von 1921 war in keiner Weise gegen Stalin durchsetzbar, und es ist sehr fraglich, ob es sinnvoll war, ein überdehntes und mit Minderheiten vollgestopftes Polen zu reanimieren. Auch konnte die SU durchaus mit einiger völkerrechtlicher Berechtigung Ansprüche auf Gebiete anmelden, die Polen 1921 gewaltsam von der SU annektiert hatte. Die Person (und Kriminalstatistik) Stalins ändert daran nichts.

In der Praxis war das natürlich barbarisch: ethnische Säuberung und Vertreibung in Galizien und Wolhynien gegen Polen, in Ostpreußen, Schlesien und Pommern ethnische Säuberung und Vertreibung gegen Deutsche.

Fazit: Es wurden polnische Interessen berücksichtigt. Polen wurde auf Kosten Deutschlands territorial entschädigt. Das Polen überhaupt in seiner staatlichen Souveränität und mit den Grenzen der Curzon-Linie wiederhergestellt wurde, hatte es zum großen Teil dem Engagement Churchills zu verdanken, der in Teheran und Jalta als Fürsprecher Polens und Frankreichs auftrat, und der wegen dieser Punkte immer wieder mit Stalin und Roosevelt aneinandergeriet.

Völkerrechtlich waren die Ansprüche der SU auf Weißrussland, Litauen, Wolhynien und Teile Galiziens nicht völlig unbegründet. Polen hatte diese Gebiete 1921 gewaltsam annektiert. Realpolitisch hatte GB, aber auch nicht die USA die geringsten Möglichkeiten, die von Stalin vollendeten Tatsachen ändern zu können.
 
Wenn überhaupt hätte höchstens Roosevelt versuchen können, ein Machtwort zu sprechen, aber der war ein todkranker Mann. Die Reise um die halbe Welt war eine enorme Belastung für ihn, und er traf sich mit Stalin, um sein Lieblingsprojekt die Gründung der UNO durchsetzen zu können.

Im Hinblick auf Roosevelt wird man hierbei auch sehen müssen, dass er jedes Engagement in Europa natürlich auch vor dem Congress und einer Bevölkerung verkaufen musste, die nach wie vor von einem dauerhaften Engagement in Europa nicht besonders angetan war.

Roosevelt war ein todkranker Mann, er war auf Stalins Mitarbeit angewiesen, und er schätzte ihn falsch ein.
Ich weiß nicht, schätzte Roosevelt Stalin grundsätzlich falsch ein? Wenn ich mich recht erinnere hat Westad in seinem Werk über den Kalten Krieg sich für die These ausgesprochen, dass wäre Roosevelt an Leben geblieben oder seine Politik fortgsetzt worden, ein vernünftiges miteinander durchaus eher im Bereich des Möglichen gewesen wäre, während das mit einem Truman, der sehr viel mehr ideologische Vorbehalte gehabt habe, deutlich unwahrscheinlicher war.
Ich kenne nun die Persönlichkeiten Roosevelt und Truman zu wenig um einschätzen zu können, ob an dieser Vorstellung etwas drann ist, aber interessant finde ich die Überlegung durchaus.
 
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