Warum wird Friedrich der Große verehrt?

PostmodernAtheist

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Darf ich noch mal was fragen? Ich versteh diesen Hype um Friedrich den Großen nicht, klar ist er interessant, klar hat er viele gute Reformen (Kartoffel!!) etc eingeführt, aber war er in der ersten Linie nicht ein gewaltiger Glückspilz? Wäre Russland vom Feind nicht zum Verbündeten geworden, hätte man ihn wohl kleingehauen. Berlin war ja schonmal besetzt. Hab schon gehört man hatte sein "Glück" doch schon vorausahnen können, aber würde mal gerne eure Meinung hören. Überhaupt scheinen Nationalhelden oft überbewertet.
 
Nun, er hat den Ritterschlag von einem anderen Großen der Weltgeschichte bekommen, und der irrte selten:
"Wenn dieser Mann noch lebte, stünden wir jetzt nicht hier" (Napoleon I., am Grab Friedrich des Großen)

Gruß, muheijo
 
Es kommt wahrscheinlich darauf an, aus welcher Zeit die historischen Werke stammen, in denen Du über den König liest. "Heldenverehrung" im strengen Sinn dürfte es vor allem in der nationalprotestantischen oder nationalliberalen Geschichtsschreibung des 19. und frühen 20. Jh. geben. Ähnlich wie Luther, der "Große Kurfürst" und (wenn auch verstärkt eher nach seinem Rücktritt) Bismarck galt er damals als einer der großen Männer, die das preußisch-deutsche Kaiserreich auf den Weg brachten und damit die deutsche Geschichte zu ihrem Ziel führten. Nicht umsonst versuchte die NS-Propaganda, Hitler in diese Reihe zu stellen und beschwor sogar gegen Ende des Krieges ein neues "Mirakel", das die gegnerische Koalition sprengen würde.

In der neueren Forschung wird er natürlich wieder mehr als Mensch seiner Zeit verstanden, auch wenn er in der Regel noch immer als recht erfolgreicher Herrscher angesehen wird. Im populärwissenschaftlichen Kontext - etwa in vielen Dokumentationen - dürfte sein Status als "Aufklärer" und "Freund des einfachen Volkes" eine gewisse Rolle spielen. Er wird dann häufig als Vorbild an Pflichtbewusstsein und Verantwortungsgefühl gezeichnet, wenn ich es recht sehe. Dann fehlt natürlich auch die von Dir genannte Kartoffelanekdote nicht, während die Kriege für Preußens Gloria anders als vor einem Jahrhundert weniger in den Vordergrund gestellt werden.

Wie Du ihn selbst beurteilst, kannst Du letztlich nur aufgrund Deiner Wertmaßstäbe entscheiden. Jedenfalls scheint er schon bei Zeitgenossen starke Ablehnung oder Bewunderung hervorgerufen zu haben. Goethe scheibt beispielsweise, seine Familie habe sich bei einigen Feierlichkeiten heftig zerstritten, weil sie teils "österreichisch" und teils "fritzisch" eingestellt gewesen sei.
 
Ich versteh diesen Hype um Friedrich den Großen nicht,
Welchen Hype um Friedrich II. hast du denn in letzter Zeit wo wahrgenommen? Würde mich mal interessieren?

klar hat er viele gute Reformen (Kartoffel!!) etc eingeführt,
Interessant, dass bei den Reformen immer wieder die Annekdote mit der Kartoffen auftaucht, während ander Dinge, wie etwa die Abschaffung der Leibeigenschaft, mindestens auf dem Krondomänen oder die (weitgehende) Abschaffung der Folter relativ wenig im kollektiven Gedächtnis präsent sind.

aber war er in der ersten Linie nicht ein gewaltiger Glückspilz?
Außenpolitisch ja, da hat er sich auch in Teilen eher ungeschickt verhalten. Den letzten Krieg mit Österreich hat er dadurch seinen traditionellen Verbündeten Frankreich gegen Großbritannien auszutauschen ("Umkehrung der Allianzen") auch zu einem ordentlichen Teil mit heraufbeschworen.
Nichts desto weniger, hat sein Wirken und auch das Glück, dass er dabei hatte eine sehr einschneidende Wirkung auf die weitere Geschichte Europas gehabt, denn ohne dem, wäre Preußen wahrscheinlich eine Mittelmacht geblieben, und die Geschichte Europas ob zu Besseren oder Schlechteren, wahrscheinlich völlig annders verlaufen.

Wäre Russland vom Feind nicht zum Verbündeten geworden, hätte man ihn wohl kleingehauen.

Zum de faco Verbündeten gegen Österreich und Frankreich wurde es ja nie. Sicherlich hat Friedrich mit dem Tod Zarin Elisabehs und der Thronwechsel zu Peter III. in St. Petersburg Durchaus Glück gehabt, wobei man hier natürlich spekuliren kann, ob es möglicherweise auch zwischen Friedrich und der Zarin zu einem Arrangement gekommen wäre, weil Russland in der Dreierallianz eigentlich am Wenigsten Gewinn zu erwarten hatte.

Das einzige territorium, dessen Annexion für Russland Sinn eergeben hätte, wäre Ostpreußen (damals noch ohne das Ermland und die Gegend um Elbing, die noch zum königlichen, heißt polnischen Preußeen gehörten) und dass war relativ wenig attraktiv, weil bis auf Königsberg nicht besonders gut entwickelt, in Teilen (Masuren) mit ziemlich bescheidenen Bodenqualitäten und durch den Krieg selbst ziemlich heruntergewirtschaftet.
Durchaus denkbar, dass es da auch auf anderem Wege zwischen Preußen und Russland zum Frieden gekommen wäre.

Berlin war ja schonmal besetzt.

Ja, aber das sollte man durchaus nicht überbwerten. Die Krux an der Kriegsführung in der Zeit der Kabineettskriege war, dass die Söldnerheere, mit denen sie geführt wurden, zu klein waren, als dass man damit größere Landstriche flächendeckend hätte besetzen oder risikolos in großer Entfernung hätte agieren können.
Insofern bedeutete die Besetzung von Berlin eine mögliche Plünderung der Residenzen, allerdings war auch klar, dass die Besatzer die Stadt bald wieder verlassen mussten um den Kampf weiterführen zu können.
In der Napoleonik und später, als die Armeen Großen erreichen, dass die vollständige Besetzung von Territorien in der Größe Brandenburgs und Preußisch Pommerns problemfrei machbar gewesen wäre, hätte Preußen diesen Krieg nie überstehen können, aber in der Zeit der Kabinettskriege und der vergleichsweise kleinen Söldnerheere, konnte eine unterlegene Partei im Grunde genommen endlos lange einee hit-and-run Taktik betreiben, versuchen einee größere Streitmacht auszumanövrieren, teile von ihr in Scharmützel zu verwickeln und ihr ihre Naschublinien abzuschneiden und ihren Tross zu erbeuten, so dass diese die Kampagne abbrechen und sich zurückziehen musste (Aus dem Land leben und die Landbevölkerung ausplündern galt zu dieser Zeit als verpönt und gegen die anerkannten Regeln der Kriegsführung) und sich bei Misserfolg einfach in die Weite des Landes zurück zu ziehen.

Viele kriegerische Erfolge in der Eopche sind ein Stück weit einfach damit zu erklären, dass es bedingt durch diese Strukturen keine großen Besetzungen und Vernichtungsschlachten gab.
Das gilt nicht nur für Preußen.
Sondern z.B. auch für den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, in dem die Briten einfach vor dem Problem standen zwar die im Kampf weitgehend überlegenen Truppen zu haben, aber nicht in der Lage zu sein die riesigen Territorien zu besetzen und zu kontrollieren, wohingegen die Milizen der Kolonisten immer wieder ausweichen und sich vorteilhafte Schlachtfelder aussuchen konnten.
Ähnliche Probleme bewegten auch Preußen später aus der antifranzösischen Allianz des 1. Kaolitionskrieges auszuscheren.
Ein weites Eindringen nach Frankreich hinein, war einfach nicht machbar, ohne die eigene Schlagkraft komplett einzubüßen.
Kalr XII. von Schweden machte am Beginn des 18. Jahrhunderts bei seiner Kampagne in Russland ganz ähnliche Erfahrungen.

Insofern, nach den Gegebenheiten der Zeit war des Fritzens Krieegsführung durchaus versiert und hätte wahrscheinlich auch noch eine Zeit lang länger durchgezogen werden können, zumal die Dreierallianz ohnehin nicht auf den festesten Fundamenten stand:

- Russland hatte wie gesagt nichts wirklich interessantes an Territorien zu gewinnen.
- Frankreich hatte vor allem ein Interesse Österreich als Verbündeten zu halten und sandte dementsprechend pflichtschuldig in paar Truppen hieelt sein Engagenemt in Europa aber auch in Grenzen, weil Preußen im Westen keine Territorien hatte, die für Frankreich wirklich interessant gewesen wären und für Frankreich in erster Linie Großbritannien der Gegner war.
Das heißt, man konzeentrierte sich auf den Krieg in Übersee gegen die Briten und war vor allem an der Besetzung des in Personalunion mit Großbritannien regieren Braunschweig-Lüneburg/Hannover interessiert um dieses gegebenenfalls gegen Zugeständnisse in Übersee einzutauschen, nicht so sehr an Preußen.

In der Hauptsache kämpfte Preußen gegen Habsburg, dem der Verlust Schlesiens wirtschaftlich sehr weh getan hatte und dessen Rückeroberung sich tatsächlich gelohnt hätte.
Bei den beiden Verbündeten Maria Theresias konnte man durchaus unterstellen, dass dise wahrscheinlich aus dem Krieg mit Preußen ausscheiden würden, wenn dieser zu teuer und zu langwierig würde.
Insofern war die Lage Preußens in diesem Krieg de facto nicht so verzweifelt, wie man sich das bei einem Blick auf die Karte vor dem Hintergrund moderner Krieegsführung mit flächendeckenden Besetzungen vielleicht vostellen mag.

Hab schon gehört man hatte sein "Glück" doch schon vorausahnen können, aber würde mal gerne eure Meinung hören.

Wie gesagt, man konnte durchaus darauf spekulieren, dass Frankreich und Russland eigentlich andere Kerninteressen hatten und ihr Engagenment in Grenzeen halten und es beenden würden, wenn das ganze zu kostspielig würde.
Insofern war das Ergebnis kein so großes Wunder, wie es in der nationalen Mythenbildung mitunter betrachtet worden ist, zumal wenn man sich vergegenwärtigt, dass auch auf der anderen Seite Maria Theresia ihre Probleme hatte, insofern der Habsburgische Teerritorialverband eben noch kein durchorganisirtes absolutistisches Staatswesen war.
Maria-Theresia konnte relativ gut auf die Ressourcen alten Habsburgischen Erblande im Territorium des heutigen Österreichs und Sloweniens zurückgreifen, bereits in den Böhmischen Ländern stieß das aber an Grenzen.
Es gelang zwar im Zuge der Auseinandersetzung mit Preußen die böhmischen Stände dazu zu bewegen der gemeinsamen Verwaltung der böhmischen Angelegenheiten mit denen der österreichischen Länder mehr oder weniger zuzustimmen, aber bis das Früchte trug dauerte es seine Zeit und wirkte sich auf den Siebenjährigen Krieg kaum noch aus.
Die anderen habsburgischen Territorien, sprich die Österreichischen Niederlande (Luxemburg und Belgien ohne das Bistum Lüttich), das Herzogtum Mailand und das Königigreich Ungarn wurden zwar von Maria Theresia in Personalunion regiert, bildeten aber keine Realunion mit den anderen Territorien und was diese Gebiete an Geldmitteln und Soldaten zu stellen bereit waren, musste mit den jeweiligen Ständen/Magnaten immer wieder mühsam neu ausverhandelt werden und die wiederrum waren am Ende selten daran interessiert, dass ihre Ressourcen für Krieg in relativ weit entfernten Gegenden Europas aufgewendet wurden, statt für die eigene Sicherheit und die Entwicklung der eigenen Territorien, insofern konnte man sicherlich auch voraussetzen, dass die Motivation der Mailänder und der Oberschichten in den österreichischen Niederlanden, dauernd neue Truppen für einen Krieg um Schlesien zu finanzieren, das sie überhaupt nicht interessierte, eher gering sein und mit längerer Dauer und steigenden Kosten womöglich ausfallen würde.

Insofern, wie gesagt, standen des Fritzens Chancen nicht so schlecht, wie ein Blick auf die Landkarte das vielleicht weißmachen würde, dennoch war es am Ende ein hohes Risiko und es war aus Sicht Friedrich II. viel Glück dabei, dass es sich so entwickelte.
Allein es war kein Wundern, dass einen entsprechnden Kult rechtfertigen würde.
 
Allein es war kein Wundern, dass einen entsprechnden Kult rechtfertigen würde.

Eben wegen diesem "Wunder" wär er ja nicht beeindruckend. Da es kein herausreagendes Wunder gab sind Friedrichs Errungenschaften doch schon ziemlich beeindruckend. Denn er hat Können gezeigt anstatt Glück, was ich für viel besser halte. Klar, man muss ihn auch weiter kritisch sehen.

Interessant, dass bei den Reformen immer wieder die Annekdote mit der Kartoffen auftaucht

Ist mir auch aufgefallen. Aber wenn man so drüber nachdenkt ist es einfach ne tolle Geschichte. Haben sie sogar in der Kinderserie "Löwenzahn" erzählt, die leider auch nur diese Geschichte über "den alten Fritz" erzählte.
 
Da es kein herausreagendes Wunder gab sind Friedrichs Errungenschaften doch schon ziemlich beeindruckend. Denn er hat Können gezeigt anstatt Glück, was ich für viel besser halte.
Das mit dem Können ist so eine Sache. Friedrich II. hat sicherlich bewiesen, dass er ein durchaus versierter Feldherr war, möglicherweise hätte er sich und seiner Bevölkerung den Siebenjährigen Krieg allerdings ersparen können, wenn er ein versierterer Außenpolitiker gewesen wäre.

Bis zum Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges, könnte man sagen, dass er sich außenpolitisch einigermaßen geschickt verhalten hatte, insofern es ihm gelungen war mit relativ wenigen militärischen Anstrengungen Schlesien zu erbeuten und zu behalten und sich gleichzeitig durch Bünsnisse mit Frankreich und Schweden auf dem europäischen Kontinent sowohl gegen Habsburg, als auch gegen Russland ganz vernünftig abzusichern.

Und dann beging er eben den folgenschweren außenpolitischen Fehler sich mit der "Konvention von Westminster" in eine Allianz mit Großbritannien einzulassen und dadurch den französischen König so sehr zu verärgern, dass dass französisch-preußische Bündnis darüber in die Brüche ging und Frankreich neuer Bündnispartner Österreichs wurde.

Wäre Friedrich II. einfach Bündnispartner Frankreichs geblieben, so dass man von Habsburger Seite damit hätte rechnen müssen im Falle eines Versuchs Schlesien zurück zu erobern auch gegen Frankreich Krieg führen zu müssen, was immer auch mit der Gefahr verbunden gewesen wäre die österreichischen Niederlande oder Mailand möglicherweise an Frankreich zu verlieren, hätte man sich in Wien wahrscheinlich dreimal überlegt ob ein Versuch Schlesien zurück zu gewinnen das wert gewesen wäre und möglicherweise hätte man das vollständig unterlassen.
Ohne Frankreich als Dritten im Bunde wäre auch für Russland die Aussicht möglicherweise mit einer relativ kleinen Kriegsbeteiligung schnell Beute machen zu können, deutlich geringer gewesen, was möglicherweise auch St. Petersburg zurückhaltender gestimmt hätte.
Außenpolitisch, war das Eintauschen Frankreichs als Bündnispartner gegen Großbritannien wohl ein ziemlich kapitaler Fehler, der Friedrich II. erst in die Lage brachte sich militärisch aus seiner Misere heraushauen zu müssen, was für sein Land ziemlich enormer Kraftanstrengungen, wirtschaftlichen und demographischen Schaden, so wie darauf folgend eine Periode weitgehender Erschöpfung bedeutete.
Hätte sich Friedrich mit einer geschickteren Außenpolitik diese Auseinandersetzung erspart, wäre es seinem Land insgesamt ziemlich sicher um einiges besser gegangen, außerdem hätte er überschüssiges wirtschaftliches und militärisches Potential in andere außenpolitische Projekte investieren können.
Die Hohenzollern hatten seit dem Jülisch-Klevischen Erbfolgestreit immer wieder ein Auge auf die im Westen liegenden Herzogtümer Jülich und Berg geworfen, hier wären, wenn sich Preußen nicht im Krieg mit Habsburg verausgabt hätte, zumal mit einem französischen Bündnispartner, als Absicherung, möglicherweise durchaus Zugewinne möglich gewesen.

Das reiche Schlesien mit seinen Bodenschätzen und seinem Manufakturwesen, stellte auch die preußischen Staatsfinanzen auf eine andere Grundlage, so dass ohne die Erschöpfungen des Siebenjährigen Krieges ggf. auch die Möglichkeit bestanden hätte zu versuchen Schweden aus Pommern vollständig heraus zu kaufen, die vorhandenen Territorien durch das Aufkaufen kleinerer umliegender Herrschaften zu arrondieren, den Landesausbau oder die Stärkung z.B. des Schulwesens in stärkerem Maße voran zu treiben, zu versuchen durch Vergrößerung der Krondomänen vom eigenen Landadel unabhängiger zu werden oder einen erneuten Versuch zu unternehmen, Brandenburg-Preußen als Kolonialmacht zu etablieren.

Ich denke Friedrich hat sich militärisch zwar gut geschlagen, außenpolitisch wäre aber durchaus mehr drinn gewesen.
In Sachen territorialer Erweiterungen, profitierte Friedrich vor allem von größeren außenpolitischen Ereignissen, die das Gefüge des politischen Europa veränderten.
Schlesien fiel ihm letztendlich dadurch zu, sich als Trittbrettfahrer in den Österreichischen Erbfolgekrieg eingeklinkt zu haben,was nachdem Habsburg bereits mit Frankreich, Sachsen und Bayern im Krieg lag, weder ein besonderes Risiko, noch eine besondere Leistung darstellte, Westpreußen vor allem dadurch, dass am Ende mit Preußen, Russland und Österreich die drei umliegenden Großmächte ein gemeinsames Interesse hatten daran zu profitieren.
Das waren relativ günstige Gelegenheiten, bei denen sich relativ einfach Profit herausschlagen ließ.
Fraglich auch hier, ob sich mit einer anderen Außenpolitik möglicherweise mehr hätte erreichen lassen, z.B. wenn sich Preußen nach der Wegnahme Schlesiens nicht aus dem Österreichischen Erbfolgekrieg zurückgezogen, sondern diesen Konflikt weiter auf die Spitze getrieben hätte, aber die Spekulation ist müßig.

Wenn ich das beurteilen sollte, war der alte Fritz ein durchaus nicht ungeschickter Reformer, mit sehr soliden militärischen Fähigkeiten, außenpolitisch allerdings weniger versiert, so dass er zwei große Gelegenheiten sich Territorien einzuverleiben, die sich aus den Umbrüchen des europäischen Mächtesystems ergaben zwar mitnahm, aber meiner Meinung nach die Möglichkeiten, die Preußen insgesamt hatte, durchaus nicht optiamal ausnutzte, indem er sich einen völlig überflüssigen jahrelangen Krieg auflud, der das Land ohne weiteren Gewinn auszehrte.
 
ist immerhin flötend gemalt worden, was man nicht von allen Herrschern sagen kann https://de.wikipedia.org/wiki/Flötenkonzert_Friedrichs_des_Großen_in_Sanssouci und die von ihm angeordnete https://de.wikipedia.org/wiki/Festung_Silberberg (teils angeblich auch von ihm geplant/projektiert) macht fortifikatorisch in ihrer Zeit eine recht gute Figur :)
bon, das sind keine Gründe, ihn heute zu bewundern und mir scheint, heutzutage gibt es da auch nicht viel Bewunderung oder gar Beweihräucherung - ansonsten wie hier schon gesagt wurde, war er Projektionsfigur für mancherlei Ansichten https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Preußen)#Politischer_Mythos
 
die von ihm angeordnete https://de.wikipedia.org/wiki/Festung_Silberberg (teils angeblich auch von ihm geplant/projektiert) macht fortifikatorisch in ihrer Zeit eine recht gute Figur :)

Ich würde allerdings hinterfragen wollen, ob die Lage dieser Festung so besonders sinnvoll, respektive was man damit eigentlich zu schützen gedachte.
Die exponierte Grafschaft Glatz ließ sich damit nicht schützen und für die Österreicher wäre es im Falle eines Krieges mit Preußen ohnehin sinnvoller gewesen, wenn sie schon durch das Gebirge hätten ziehen wollen das weiter nordwestlich zu tun und in den Raum Görlitz vorzustoßen um Brandenburg von Schlesien zu trennen oder aber unter Vermeidung der Gebirgszüge auf preußischer Seite über Mähren in das einfachere Territorium Oberschlesiens vorzustoßen und dann die Order entlang nach Nordwesten zu ziehen.

Von dem her frage ich mich warum man ausgerechnet an diese Position in eine Festung investierte, zumal sich, wenn ich mir das so anschaue, etwa die Eckpunkte Görlitz, Waldenburg/Schweidnitz und Breslau wunderbar für ein Festungsdreieck geeignet hätten um die Österreicher in dieser Region zu blockieren oder für ein Festungsviereck, wenn man Liegnitz mit einbezogen hätte.
Der Sinn der Festung Silberbeerg isoliert betrachtet erschließt sich mir in dieser Form nicht.
 
Darf ich noch mal was fragen? Ich versteh diesen Hype um Friedrich den Großen nicht, klar ist er interessant, klar hat er viele gute Reformen (Kartoffel!!) etc eingeführt, aber war er in der ersten Linie nicht ein gewaltiger Glückspilz? Wäre Russland vom Feind nicht zum Verbündeten geworden, hätte man ihn wohl kleingehauen. Berlin war ja schonmal besetzt. Hab schon gehört man hatte sein "Glück" doch schon vorausahnen können, aber würde mal gerne eure Meinung hören. Überhaupt scheinen Nationalhelden oft überbewertet.


Als Friedrich nach dem Siebenjährigen Krieg den Kartoffelanbau forcierte, war die Knolle aus Nordamerika in vielen deutschen Ländern schon längst etabliert und ein alter Hut. Ein recht bekanntes Volksfest in Nordhessen nimmt Bezug auf einen Versuch Landgraf Karls 1728 die Kartoffel einzuführen. Es gibt Anekdoten über Friedrichs Kartoffelbefehl. Das meiste gehört in den Bereich der Legende und durchgesetzt hat er ihn nicht wie der hessische Friedrich mit Ideenwettbewerben oder Prämien, und am Ende war es keinem König und auch keinem Landgrafen, Bauern oder Professor, sondern der Großen Hungersnot von 1770/71 zu verdanken, dass sich die Kartoffel flächendeckend durchsetzen konnte.

Friedrich wurde von der Bevölkerung Berlins nach seiner Heimkehr nach dem 2. Schlesischen Krieg erstmals als Friedrich der Große begrüßt. Im 3. Krieg um Schlesien, dem großen globalen Siebenjährigen Krieg gingen einige der glanzvollsten Siege auf ihn zurück. Bei Roßbach und Leuthen ging sein Konzept der schiefen Schlachtordnung wie am Schnürchen auf. Friedrich hatte bei Kolin, bei Hochkirch und Kunersdorf aber maßgeblich auch die größten Niederlagen zu verantworten.

Den Beinamen der Große verdiente er sich aber eigentlich vor allem in der Zeit nach der verheerenden Niederlage bei Kunersdorf, als er sich angeschlagen doch zuletzt gegen drei europäische Großmächte behaupten konnte und Preußen zur 5. Großmacht machte. Am Ende waren es Glücksfälle, die Friedrich retteten, es ist aber sicher nicht falsch zu sagen, dass er das Glück des Tüchtigen hatte.

Als Diplomat war er eine Katastrophe, als Politiker hat er sich häufig verzockt. Die Annexion Schlesiens war ein frecher Raub, durch keinerlei Ansprüche Friedrichs gerechtfertigt. Das hat Friedrich so offen zugegeben wie kaum je ein Fürst, so wie er auch eingestand, dass der Wunsch nach Ruhm ihn bewegte. Das war freilich auch ironisch- letztlich war einfach die Gelegenheit zu günstig. Was er politisch vergeigte, machte er immer wieder mit seiner Armee wett. Er war ein Hasardeur, ging hohe Risiken ein. Dabei schonte er sich selbst so wenig wie seine Soldaten, und er war einer der letzten Monarchen, der seine Armeen persönlich führte.

Alexander von Humboldt und zahlreiche Historiker nannten Friedrich genial- ich finde er war eher ein außergewöhnlich begabter Dilettant/Amateur. Seine Kompositionen werden noch heute gespielt, und seine Werke durchaus lesenswert. Als Autor, Historiograph erreichte er nicht das Niveau Voltaires, als Komponist nicht das von Friedemann Bach. Als Kommandeur beging er Fehler, im Belagerungskrieg war er weniger zuhause, er hatte aber letztlich das Glück des Tüchtigen, weil er gegen alle Widerstände-zeitweise alle Vernunft- Beharrlichkeit zeigte, weil er und seine Generale Chancen nutzten und sich seine Gegner auch uneinig waren, wie es mit Preußen weitergehen sollte. Sein Vater hatte ihm eine gefüllte Staatskasse und eine hervorragende Armee hinterlassen. Die preußische Kavallerie war seine Schöpfung wie sein Vater und der Alte Dessauer die preußische Infanterie aufgebaut hatten.

Von Machiavelli hat er herzlich wenig verstanden, und sein Urteil über die deutsche Literatur war ebenso ungerecht wie inkompetent. Dabei wurde sie gerade in seiner letzten Lebenszeit wieder sehr lesenswert. Er verpennte in Berlin die Geburt der bürgerlichen Komödie, und Lessings Minna von Barnhelm wurde in Berlin abgesetzt. Friedrich Schiller kannte er kaum dem Namen nach, und Goethes Götz von Berlichingen fand er furchtbar wie die "schlechten englischen Stücke" - damit konnten eigentlich nur William Shakespeare und Christopher Marlowe gemeint sein. Moses Mendelsohn wurde trotz seiner Verdienste nicht in die Akademie der Wissenschaften aufgenommen.

Trotzdem war Friedrich ein Großer der Geschichte. Die Folter wurde in Preußen nicht völlig abgeschafft: In Fällen von Hochverrat und gegen Räuber konnte sie weiterhin angewandt werden. Dennoch war Preußen damit allen Staaten Europas um Jahrzehnte voraus. Sebastian Haffner nannte das Preußen Friedrichs zutreffend einen "rauhen Vernunftstaat". Im Oderbruch wurde Land urbar gemacht, es wurden Kolonisten ins Land geholt, eine allgemeine Schulpflicht eingeführt.

Er war Verfasser des Anti-Machiavell- Machiavellis Discorsi kannte er überhaupt nicht. Er hat aber wie kaum ein Politiker Machiavellis Grundsätze befolgt und im Alter resignierend geschrieben, dass Machiavelli recht habe. Der hätte ihm vermutlich Beifall gezollt, weil Friedrich genau über die Qualitäten verfügte, über die ein Fürst wie ein Verschwörer verfügen mussten, wenn sie Erfolg haben wollten.
 
Ich würde allerdings hinterfragen wollen, ob die Lage dieser Festung so besonders sinnvoll, respektive was man damit eigentlich zu schützen gedachte.
diese Frage wird hier beantwortet: https://publishup.uni-potsdam.de/op...index/docId/2616/file/MGFN_7_2003_2_pro02.pdf
Mag sein, dass wir heute "strategisch" anders denken und viel mehr wissen als der alte Fritz und seine Militärs, aber seinerzeit schien diese Anlage eine nötige und sinnvolle Maßnahme gewesen sein, wie der verlinkte Text darlegt.
 
Darf ich noch mal was fragen? Ich versteh diesen Hype um Friedrich den Großen nicht, klar ist er interessant, klar hat er viele gute Reformen (Kartoffel!!) etc eingeführt
Welchen Hype um Friedrich II. hast du denn in letzter Zeit wo wahrgenommen? Würde mich mal interessieren?


Interessant, dass bei den Reformen immer wieder die Annekdote mit der Kartoffen auftaucht, während ander Dinge, wie etwa die Abschaffung der Leibeigenschaft, mindestens auf dem Krondomänen oder die (weitgehende) Abschaffung der Folter relativ wenig im kollektiven Gedächtnis präsent sind.

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Günther Grass hat mal gesagt, die Einführung der Kartoffel habe eine nachhaltigere Bedeutung gehabt, als der ganze Siebenjährige Krieg mit seinen Schlachten.

Dabei war Preußen in Sachen Kartoffelanbau nicht einmal ein Vorreiter im Heiligen Römischen Reich. Als Friedrich die Kartoffel förderte, war sie in vielen deutschen Landstrichen bereits längst etabliert. In Franken, in Hessen hatte sie sich bereits vor dem Siebenjährigen Krieg etabliert, war sie bereits Volksnahrungsmittel geworden.

Ein recht bekanntes Volksfest in Nordhessen nimmt Bezug auf einen Versuch des Landgrafen Karl, die Landbewohner für den Kartoffelanbau zu gewinnen. Es wird seit 1728 gefeiert.
Es fehlte an Erfahrungen wie die Knolle zubereitet werden musste. Es gab vereinzelte Todesfälle, und zeitgenössische Quellen berichten über Beschwerden. Dass sich die obskure Knolle aus Nordamerika schließlich als Volksnahrungsmittel flächendeckend durchsetzte, das hatte sie am Ende keinem König und keinem Landgrafen und auch nicht einem Professor oder Bauern zu verdanken, sondern der Hungersnot von 1771/72. Vielerorts waren Kartoffeln schon bekannt, sie wurden aber oft noch als Viehfutter oder für die Branntweinherstellung verwertet.

Die Anekdoten berichten, dass Friedrich in Kenntnis der Psychologie seiner Untertanen Kartoffelfelder habe bewachen lassen, worauf den Untertanen dämmerte, dass die Kartoffel etwas kostbares sein müsse.

Soweit sich das eruieren lässt, hat Friedrich sich mit solchem Quatsch erst gar nicht abgegeben und die Reform so durchgesetzt, wie schon immer Reformen in den deutschen Ländern durchgesetzt wurden: Mit harter Hand, von oben herab und unter Drohungen mit Sanktionen.

Damit hatte Friedrich auch Erfolg, ähnlich wie er auch Erfolg hatte mit dem Tabakanbau in Preußen. Da hat er die Hugenotten einfach machen lassen, die sandigen Böden der Mark Brandenburg waren für Kartoffeln wie Tabak gut geeignet. In Brandenburg oder im Warthegau wird heute noch guter Tabak angebaut.
Vor etlichen Jahren, das ist sicher schon über 15 Jahre her, war ich mal in Sanssouci. 1986 wurde Friedrich so wie er es ursprünglich gewollt hatte in Sanssouci bestattet. Auf die Grabplatte hatte jemand ein paar Kartoffeln gelegt.

Anscheinend hatte Friedrich von Preußen mit seinem Kartoffelbefehl auch in Sachen PR Erfolg. Er gilt bis heute als populärer Förderer der Knolle. Dabei war Preußen damit weder besonders innovativ, Kartoffeln waren vielerorts schon lange vor dem Siebenjährigen Krieg bekannt. Die Landgraf Moritz und Wilhelm V. und VI.) ließen bereits im 17. Jahrhundert Kartoffeln in Kassel ziehen.

Wenn man den Legenden Glauben schenken will, setzte Landgraf Karl auf geduldige Überzeugungsarbeit, den Bauern wurde gezeigt, welche Pflanzenteile genießbar sind und wie Kartoffeln zubereitet werden müssen, und er ging mit gutem Beispiel voran. Auch wenn die Bauernschaft 1728 noch sehr skeptisch die Kartoffel aufnahm, so muss sich die Knolle aber schon bald danach etabliert haben auf hessischen Feldern und in hessischen Küchen.
Um den Kartoffelanbau zu fördern gingen mehrere Fürsten moderner vor, als der Preußenkönig, indem sie Prämien für Kartoffelanbau zahlten.

In Punkto Kartoffelanbau war daher Preußen keineswegs ein Vorreiter, in anderen deutschen Ländern war die Kartoffel bereits seit Jahrzehnten bekannt, und andere deutsche Fürsten haben dabei weit emanzipatorische Mittel angewandt, haben die Bevölkerung informiert und aufgeklärt haben Prämien und Belohnungen ausgesetzt und gezahlt, während Friedrich II. von Preußen den Kartoffel-Befehl mit harter Hand und von oben herab durchgesetzt hat.
 
Günther Grass hat mal gesagt, die Einführung der Kartoffel habe eine nachhaltigere Bedeutung gehabt, als der ganze Siebenjährige Krieg mit seinen Schlachten.

Das halte ich persönlich für eine ziemlich steile These, zumal wenn man Bedenkt, welche Auswirkungen dieser Krieg außerhalb Europas hatte und das von seinem Ergebnis und den durch den Krieg verursachten Kosten ziemlich direkte Kontinuitätslinien sowohl in Richtung US-Amerikanische Unabhängigkeit, als auch zur Krise des Ancienn Régime in Frankreich führen.
Was den deutschsprachigen Raum angeht würde ich den Siebenjährigen Krieg in der Tat für eine eher wenig bedeutende Episode halten, die zwar den Feldherrenruhm des alten Fritz begründete, am Ende aber vor allem das Ergebnis des Österreichischen Erbfolgekrieges bestätigte.


Im Hinblick darauf, dass Friedrich bei der Kartoffel eben nicht vorreiter war, wäre denn auch zu hinterfragen, ob das in der tat ein so epochaler Schritt war, oder ob sich dieser (was ich für wahrscheinlicher halte), auch ohne des Fritzens zutun in absehbarer Zeit von allein vollzogen hätte, einfach weil die Kartoffen sich bereits andernorts nach anfänglichen Problemen als Erfolg herausstellte.

Mit ein Grund dafür, warum ich mich darüber dass vor allem das von Friedrich II. in Erinerung geblieben ist wundere, während sein Handeln auf anderen Feldern (Abbau der Leibeigennschaft, bestimmter Aspekte des Feudalwesens, weitgehennde Abschaffung der Folter) wo er mindestens was die nähere Umgebung betrifft durchaus so etwas wie ein Vorreiter war, wenn auch seine Schritte natürlich nicht an die umfassenden Leistung der französischen Revolution heranreichten weitgehend vergessen ist und kaum noch gewürdigt wird.
In ähnlichem Maße wundert mich das übrigens auch bei Joseph II. der in der populären Erinnerung zumindest in Deutschland so gut wie überhaupt keine Rolle spielt, obwohl er eigentlich noch deutlich mehr als Friedrich II. den "aufgeklärten Absolutismus" verkörpert und entsprechend gewirkt hat.
 
Das halte ich persönlich für eine ziemlich steile These, zumal wenn man Bedenkt, welche Auswirkungen dieser Krieg außerhalb Europas hatte und das von seinem Ergebnis und den durch den Krieg verursachten Kosten ziemlich direkte Kontinuitätslinien sowohl in Richtung US-Amerikanische Unabhängigkeit, als auch zur Krise des Ancienn Régime in Frankreich führen.
Was den deutschsprachigen Raum angeht würde ich den Siebenjährigen Krieg in der Tat für eine eher wenig bedeutende Episode halten, die zwar den Feldherrenruhm des alten Fritz begründete, am Ende aber vor allem das Ergebnis des Österreichischen Erbfolgekrieges bestätigte.


Im Hinblick darauf, dass Friedrich bei der Kartoffel eben nicht vorreiter war, wäre denn auch zu hinterfragen, ob das in der tat ein so epochaler Schritt war, oder ob sich dieser (was ich für wahrscheinlicher halte), auch ohne des Fritzens zutun in absehbarer Zeit von allein vollzogen hätte, einfach weil die Kartoffen sich bereits andernorts nach anfänglichen Problemen als Erfolg herausstellte.

Mit ein Grund dafür, warum ich mich darüber dass vor allem das von Friedrich II. in Erinerung geblieben ist wundere, während sein Handeln auf anderen Feldern (Abbau der Leibeigennschaft, bestimmter Aspekte des Feudalwesens, weitgehennde Abschaffung der Folter) wo er mindestens was die nähere Umgebung betrifft durchaus so etwas wie ein Vorreiter war, wenn auch seine Schritte natürlich nicht an die umfassenden Leistung der französischen Revolution heranreichten weitgehend vergessen ist und kaum noch gewürdigt wird.
In ähnlichem Maße wundert mich das übrigens auch bei Joseph II. der in der populären Erinnerung zumindest in Deutschland so gut wie überhaupt keine Rolle spielt, obwohl er eigentlich noch deutlich mehr als Friedrich II. den "aufgeklärten Absolutismus" verkörpert und entsprechend gewirkt hat.

Vielleicht liegt das daran, dass die Errungenschaften des aufgeklärten Absolutismus überall sehr sparsam ausfielen. Die Verhältnisse in Preußen waren sehr unterschiedlich. In Ostfriesland gab es relativ wohlhabende freie Bauern, während Friedrich selbst zugab, dass die Lage der schlesischen Bauern mit Ausnahme der Krondomänen eine sehr bedrückte war.

Die Reform der Leibeigenschaft wurde vielfach konterkariert durch die Förderung der Junker unter Friedrich Wilhelm und Friedrich. Das Offizierskorps blieb in Preußen fast reine Adelsdomäne. Die "Tapferkeits-Offiziere" aus dem Bürgertum, die während der schlesischen Kriege in Offizierskorps aufstiegen wurden vielfach ausgemustert.

Wo Preußen zweifellos ein Vorreiter war, das war die Abschaffung der Folter. Sie wurde zwar nicht völlig abgeschafft. Im Fall von Mord oder gegen Mitglieder von Räuberbanden konnte nach wie vor Folter angewendet werden.
In der Kriminalistik setzten sich aber subtilere Methoden der Wahrheitsfindung durch. Zahlreiche Quellen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts betonten, dass Ermittler wie Anton Keil, Carl Emil von Hanstein, Rebmann und andere bei der Befragung von Banditen weit mehr erreichten durch subtile Methoden. Auch dort, wo sie Anfang des 19. Jahrhunderts noch legal war, wurde sie seltener angewandt und konnte abgebrühte Delinquenten ohnehin kaum noch schrecken. Die barbarischen Militästrafen zählten überhaupt nie als Folter.
Mit der Abschaffung der Tortur war Preußen dennoch anderen Staaten oft um Jahre und Jahrzehnte voraus. In Hessen-Kassel wurde die Folter unter Friedrich II. kaum noch angewendet, formell abgeschafft hat sie erst Wilhelm IX. 1785 bei seinem Regierungsantritt. In Österreich dauerte die Abschaffung der Folter bis nach dem Tod Maria Theresias, und in zahlreichen deutschen Staaten blieb die Folter legales Mittel der Wahrheitsfindung bis zu den Juszizreformen in napoleonischer Zeit.

Auf diesem Gebiet wird man Preußen durchaus eine Vorreiterrolle zubilligen müssen.

Weiß zufällig jemand wie die Kartoffel nach Russland kam? Ich weiß nur, dass sie im Russischen den deutschen Namen behielt. Haben Elisabeth I. oder Katherina II. den Kartoffelanbau gefördert?

Wie gesagt: Der Kartoffelanbau wurde teilweise staatlich gefördert, und in Mitteldeutschland wurde die Kartoffel recht bald Volksnahrungsmittel. Auffallend ist, dass es in Süddeutschland weit weniger Kartoffelrezepte gibt, in der schwäbischen oder bayrischen Küche ist die Kartoffel weit weniger präsent, als im Norden.
 
In ähnlichem Maße wundert mich das übrigens auch bei Joseph II. der in der populären Erinnerung zumindest in Deutschland so gut wie überhaupt keine Rolle spielt, obwohl er eigentlich noch deutlich mehr als Friedrich II. den "aufgeklärten Absolutismus" verkörpert und entsprechend gewirkt hat.

Joseph II. ist bei manchen seiner Reformen weitaus weiter gegangen, als Friedrich II. von Preußen. Er ist dabei oft überstürzt vorgegangen, und eine Reihe seiner Reformen mussten zurückgenommen werden. Zu Lebzeiten war Joseph II. daher auch sehr unbeliebt. Die Rezeption Joseph II. änderte sich erst unter der stockkonservativen Regentschaft seines Neffen Franz II., und Joseph II. wurde zu einer liberalen Lichtgestalt stilisiert.
 
Das halte ich persönlich für eine ziemlich steile These, zumal wenn man Bedenkt, welche Auswirkungen dieser Krieg außerhalb Europas hatte und das von seinem Ergebnis und den durch den Krieg verursachten Kosten ziemlich direkte Kontinuitätslinien sowohl in Richtung US-Amerikanische Unabhängigkeit, als auch zur Krise des Ancienn Régime in Frankreich führen.
Was den deutschsprachigen Raum angeht würde ich den Siebenjährigen Krieg in der Tat für eine eher wenig bedeutende Episode halten, die zwar den Feldherrenruhm des alten Fritz begründete, am Ende aber vor allem das Ergebnis des Österreichischen Erbfolgekrieges bestätigte.
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Ich halte das auch für eine steile These- aus den gleichen Gründen wie du: Nordamerika wurde sehr stark durch den Franzosen- und Indianerkrieg verändert. Die modernen USA und das moderne Kanada wären undenkbar ohne den Siebenjährigen Krieg, und der Krieg war durchaus auch so etwas wie ein Katalysator für die Amerikanische Revolution.

In diesem Zusammenhang erwähne ich eine Doku des kanadischen Fernsehens, die sich dieser Bedeutung widmet:

The War that made America.
 
Weiß zufällig jemand wie die Kartoffel nach Russland kam? Ich weiß nur, dass sie im Russischen den deutschen Namen behielt. Haben Elisabeth I. oder Katherina II. den Kartoffelanbau gefördert?

Anscheinend ist das unter Katharina II. auf Initiative dieses Herrn hier eingeführt/gefördert worden:

Jacob Johann Sievers – Wikipedia

Siehe Abschnitt "Gouverneur von Nowgorod", wobei der russische Wiki-Artikel zum Thema Kartoffel behauptet, dass bereits Peter I. Kartoffeln am Ende des 17. Jahrhunderts aus den Niederlanden nach Russland geschickt habe, weswegen wohl Häufig bereits Peter mit der kartoffel in Verbindung gebracht wird, woraus sich allerdings keine nachhaltige Kultivierung ergeben habe.
Weiterhin spricht der russische Artikel davon, dass in Russland der Durchbruch der Kartoffel als Nahrungsmittel für die breite Masse, sich allerdings im 18. Jahrhundert noch nicht durchsetzte und erst im 19. Jahrhundert ihren Durchbruch erlebte.
 
---- nur nebenbei:
Auffallend ist, dass es in Süddeutschland weit weniger Kartoffelrezepte gibt, in der schwäbischen oder bayrischen Küche ist die Kartoffel weit weniger präsent, als im Norden.
das erstaunt mich, da mir "Brägele" (Bratkartoffeln) und "Herdäpfelsalat" aus dem Schwarzwald bzw aus dem alemannischen geläufig sind (z.B. Wurstsalat mit Brägele), sowie urschwyzzer Rösti
Aber seit wann das im Süden beliebt ist und ob es da nur wenig Kartoffelrezepte gibt, weiß ich nicht ----
 
Vielleicht liegt das daran, dass die Errungenschaften des aufgeklärten Absolutismus überall sehr sparsam ausfielen.

Ist mir durchaus klar, ebenso wie der Umstand, Friedrichs Agieren in Sachen Leibeigenschaft im Grunde nicht über die eigenen Bauern auf den Krondomänen hinausreichte, dennoch kann man es, wenn man die Emanzipation der Bauern als einen Schritt betrachtet, der im Grunde genommen erst 1848 abgeschlossen wird (in Russland erst in den 1860er Jahren) doch durchaus als einen wichtigen Anstoß betrachten?
 
---- nur nebenbei:
das erstaunt mich, da mir "Brägele" (Bratkartoffeln) und "Herdäpfelsalat" aus dem Schwarzwald bzw aus dem alemannischen geläufig sind (z.B. Wurstsalat mit Brägele), sowie urschwyzzer Rösti
Aber seit wann das im Süden beliebt ist und ob es da nur wenig Kartoffelrezepte gibt, weiß ich nicht ----

Bratkartoffeln und Kartoffelsalat kennt bereits Die Nürnbergische wohlunterwiesene Koechin (1779)

'Die Nürnbergische wohl unterwiesene Koechin welche so wohl an Fleisch- als Fast-Tägen, zu geschickter Bereitung wohlschmeckender Speisen deutliche Anweisung giebt. 1' - Digitalisat | MDZ

'Die Nürnbergische wohl unterwiesene Koechin welche so wohl an Fleisch- als Fast-Tägen, zu geschickter Bereitung wohlschmeckender Speisen deutliche Anweisung giebt. 1' - Digitalisat | MDZ

Ab wann Schupfnudeln aus Kartoffelteig hergestellt wurden, weiß ich nicht. Das Schupfnudelrezept, das in Linzer und Wiener Kochbüchern des 18. Jahrhunderts zu finden ist, kommt noch ohne Kartoffeln aus:

Cover
Wienerisches bewährtes Kochbuch in sechs Absätzen
 
Was den deutschsprachigen Raum angeht würde ich den Siebenjährigen Krieg in der Tat für eine eher wenig bedeutende Episode halten, die zwar den Feldherrenruhm des alten Fritz begründete, am Ende aber vor allem das Ergebnis des Österreichischen Erbfolgekrieges bestätigte.
Der Ausgang des Siebenjährigen Krieges machte Preußen zu einer der fünf europäischen Großmächte, wenn auch zur kleinsten unter diesen. Der Siebenjährige Krieg: eine wenig bedeutende Episode, mit freilich bedeutenden Konsequenzen.
 
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