Kosovo - Eine "Erfindung" des Osmanischen Reichs?

Wurden die Interessen und Siedlungsgebiete der Völker bei der Verwaltunggliederung berücksichtigt?

NOrmalerweise nicht, aber im 19. Jahrhundert gab es durchaus die Idee der albanischen Nationalbewegung Nahe zu kommen um diese an das Osmanische Reich zu binden.

Auch die Liga von Prizren verlangte nach Autonomie innerhalb des Osmanischen Reichs und nach der Unabhängigkeit Albaniens gab es Aufstände gegen die eigene Unabhängigkeit. Vor allem die Muslime Albaniens wollten gar nicht unabhängig werden, sie wurden mehr oder weniger gezwungen, weil diese sonst zwischen Griechenland und Serbien aufgeteilt worden wären.
 
Interessen der Völker haben vor dem "Selbstbestimmungsrecht der Völker" von Woodrow Wilson wohl kaum jemanden interessiert. Von Interesse war, was man beherrschen konnte, allenfalls noch, was die Privilegien des örtlichen Adels anbelangte. Ggf. hat man historisch überkommene Verwaltungsbezirke übernommen oder sich durch Infrastruktur leiten lassen. Aber häufig genug hat man eine Landkarte genommen und darauf mit dem Lineal Grenzen gezogen. Wenn man sich die Grenzziehung in Afrika oder im Nahen Osten ansieht, dann sind das Grenzen, die von europäischen Mächten im 19. oder frühen 20. Jhdt. festgelegt wurden, als koloniale Einflussphären bzw. Protektorate. Da war es völlig gleichgültig, dass da historische Herrschaften oder ethnische Gruppen geteilt wurden. Da nahm man keine Rücksicht drauf.
Ich weiß nicht, wie das Osmanische Reich seine Verwaltungsgrenzen zog. Aber es wird ähnlich wie die europäischen Mächte im 19. Jhdt. auf dem afrikanischen Kontinent nur bedingt auf regionale Befindlichkeiten Rücksicht genommen haben und Verwaltungsgrenzen nach eigenem Vorteil bestimmt haben.
 
Und selbst dort, wo man sich bemühte, einigermaßen sinnvolle Grenzen zu ziehen, konnte das ganz böse ins Auge gehen. Man muss sich nur die Unabhängigkeit Indiens und Pakistans (mit Bangladesh) 1947 ansehen. Als sich die Unabhängigkeit Indiens von der Britischen Krone abzeichnete, wurde immer deutlicher, dass Muslime und Hindus völlig unterschiedliche Interessen hatten, also bat die Britische Kolonialverwaltung einen englischen Rechtsanwalt, Cyril Radcliffe, eine Grenze zu ziehen. Der, nie in Indien gewesen, schaute sich die Daten an und wie die muslimische und nicht-muslimische Bevölkerung in Indien verteilt war und bemühte sich um eine Grenzziehung , die sowohl der muslimischen wie auch der nicht-muslimischen Bevölkerung gerecht wurde. Er hatte dazu allerdings nur fünf Wochen und das als jemand, der nie in Indien gewesen war. Das Ende vom Lied war, dass 14 Millionen Menschen aus Indien nach Pakistan (einschl. Bangladesh) deportiert wurden, bzw. von dort nach Indien. Eine unbekannte Zahl von Menschen soll darüber hinaus in interreligiösen Gewalttaten ums Leben gekommen sein. Die Schätzungen liegen zwischen 200.000 und 2.000.000 Toten. An der pakistianisch-indischen Grenze ist der Konflikt bis heute ungelöst (Kashmir-Konflikt) - und unter dem indischen Präsidenten Modi ist (zeitweilig?) interreligiöse Gewalt wieder aufgeflammt.
 
Die Liga von Prizren (der Anfang der albanischen Nationalbewegung) war auch eine Veranstaltung die rein muslimisch war und vor allem von den Begs geleitet war.

Noch im 1. Jugoslawien war die von den Muslimen gewählte Partei Džemijet – Wikipedia faktisch eine Interessensvertretung der Großgrundbesitzer.

Im Tausch für Scharia im Privatrecht und dem Abwenden der völligen Enteignung der muslimischen Großgrundbesitzer stimmte man für die zentralistische Vidovdanverfassung.
 
Interessen der Völker haben vor dem "Selbstbestimmungsrecht der Völker" von Woodrow Wilson wohl kaum jemanden interessiert.
Und diese "Interessen der Völker" setzten kaum auf nationale oder religiöse Minderheiten in einigen Regionen. Als Folge des Vertrages von Lausanne wurden 1,2 Millionen Griechisch-Orthodoxe aus der Türkei und 600.000 Muslime aus Griechenland zwangsumgesiedelt. Dabei wurde nicht auf die Muttersprache oder ein "ethnisches Selbstverständnis" der Vertriebenen geachtet. Ausschlaggebend war allein die Religion.

Eine der Schattenseiten von Wilsons "Selbstbestimmungsrecht der Völker" ist, dass dies auch zu einer Homogenisierung der Bevölkerungen führte, dass ein gutes Stück Pluralismus in den Gesellschaften beseitigt wurde und einem eher nationalistischen Weltbild Vorschub geleistet wurde. Der "Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei" ist nur ein Beispiel unter mehreren für diese Tendenz nach dem 1. Weltkrieg.
 
Zur Namensgebung des Vilayets Kosovo 1877 durch die osmanische Verwaltung eine Idee:
"Auf dem Kosovo-Feld wurde die osmanische Präsenz im Balkan erkämpft und angesichts der Bedrohungen, diese Errungenschaft wieder zu verlieren, nennen wir die neue Provinz nach diesem historischen Ort." So oder ähnlich waren vielleicht die Überlegungen der Namensgeber. Der Provinzname als politisches Statement.

Der Bezug zur Geschichte bei der Namensgebung zeige sich auch in den Jahrbüchern der Provinz, die von Anfang an einen Text enthalten, welcher die Wichtigkeit des Kosovos für das Osmanische Reich unterstreiche.
Vielleicht will das jemand in der Ausgabe von 1885 überprüfen: Salname-yi Vilâyet-i Kosova. 1885.

Auch aus einer Meldung vom 5.2.1877 aus Prizren des Konsuls Friedrich Lippich von Lindburg an Andrássy geht das hervor:
Bildung des Vilayets Kosovo aus den Sancaks Prizren, Yenipazar, Üsküb, Niş und Şehirköyü. Prishtina als Regierungssitz ungeeignet. Ernennung Kâmil Paschas zum Vali. Aufteilung mehrheitlich bulgarischer Sancaks auf verschiedene Vilayets. Benennung der Provinz als Erinnerung an den osmanischen Sieg von 1389.
https://austriaca.at/0xc1aa5576 0x003bbdc7.pdf
Ob das nur seine persönliche Einschätzung war oder ob er das aus erster Hand wusste, kann man schwer sagen. Der Name der Provinz Kosovo soll laut türkischen Quellen erstmals im staatlichen Jahrbuch von 1876 erwähnt worden sein.

Ich suche gerade nach Beispielen, in denen Provinzen oder Länder nach historischen Ereignissen benannt wurden.
Vielleicht Département Jemappes – Wikipedia
oder Regional Municipality of Waterloo - Wikipedia in Kanada.
 
Dann müssten die Osmanen den Mythen um das Kosovo Ereignis auf den Leim gegangen sein. Für den Aufstieg des Osmanischen Reichs war die Schlacht von Maritza viel wichtiger. Es war nicht mal ein klarer Sieg, da die Osmanen sich zurückzogen. Tvrtko von Bosnien vermeldete, dass es ein Sieg seiner Vasallen war.

Die Bedeutung hat es wegen dem Mythos und dem Fakt, dass beide Herrscher gefallen sind. In der Schlacht direkt starb nie ein osmanischer Sultan. Das Serbische Reich wurde aber in der Schlacht von Maritza zertrümmert, wenn es nicht selber implodiert wäre.
 
Dann müssten die Osmanen den Mythen um das Kosovo Ereignis auf den Leim gegangen sein.
Die Osmanen hatten durchaus ihre eigenen zeitgenössischen Geschichtsschreiber, wie Aşıkpaşazâde und Yahşi Fakih, entwickelten ihre eigenen Mythen und brauchten niemandem auf den Leim zu gehen.
Sie nannten und nennen auch heute noch (Türkei) die beiden Feldzüge 1371-1389 und 1444-1448 1. und 2. Kosovo-Krieg (Kosova savaşları).
Man kann natürlich darüber diskutieren, ob diese Namensgebung berechtigt ist, doch der Name Kosovo war vermutlich trotzdem fest im osmanischen Geschichtsbewusstsein verankert.
 
Das stimmt sicher, aber die Bedeutung die dieser Schlacht beiwohnt ist nicht dem Ereignis, sondern dem Mythos geschuldet.
 
Vor allem die Muslime Albaniens wollten gar nicht unabhängig werden, sie wurden mehr oder weniger gezwungen, weil diese sonst zwischen Griechenland und Serbien aufgeteilt worden wären.


Das stimmt nicht ganz.

Weil:

Wikipedia Londoner Vertrag (1913) schrieb:
Österreich-Ungarn und Italien unterstützten vehement die albanische Unabhängigkeit. Die Donaumonarchie wollte damit verhindern, dass Serbien einen Zugang zur Adria bekäme; die Italiener hofften, den schwachen neuen Staat auf der anderen Seite der Adria ihrem Willen unterwerfen zu können.
 
Das weitläufige Vilayet benannten die Osmanen nach der kleinen Landschaft Kosovo polje bzw. Fusha e Kosovës - bekannte deutsche Lehnübersetzung basierend auf fragwürdiger Volksetymologie: Amselfeld. Pristina liegt in dieser Landschaft.


Das stimmt sicher, aber die Bedeutung die dieser Schlacht beiwohnt ist nicht dem Ereignis, sondern dem Mythos geschuldet.


Über den Ursprung des Kosovo-Mythos:

DER SPIEGEL schrieb:
Der chauvinistische Amselfeld-Mythos entstand im 19. Jahrhundert nach Gründung des serbischen Staats.

»Die Serben kommen als Rächer wieder«
 

Der Kosovo Mythos wurde im 19. Jahrhundert aufgeschrieben, erhielt dort seine letzte Bearbeitung. Die frühesten Versionen sind aber paar Jahrzehnte später entstanden. Viele Dinge sind in diesen Versionen noch nicht drinnen. Milos Obilic/Kobilic kommt schon vor, der Verrat von Vuk Brankovic ist noch nicht drinnen e.t.c. Der Kosovo Mythos oder die Kosovo Mythen sind relativ zeitnah entstanden.

Rugova hatte übrigens gelinde gesagt keine Ahnung von der Schlacht oder erzählt nicht ganz die Wahrheit.

Historischer Wert Nahe Null.

1389 war das Kosovo nicht albanisch besiedelt zum Beispiel.

Auch sonst wenig neues, Rankovic als Ultraserbe habe ich sowieso nie verstanden. Rankovic war für einen zentralisierteres Jugoslawien, mehr nicht. Wenn in der KPJ wirklich ein serbischer Nationalist war, war das Mojse Pijade. Der gute Mojse hat als gebürtiger Jude natürlich Idiotenfreiheit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jeder hat seine Experten. Stell uns deine vor, zitiere, verlinke sie, dann kann man sie miteinander vergleichen.

Dafür brauch ich aber länger und vor allem wir müssen uns ausmachen wann wir den miteinander diskutieren, auf deine Antwort ein Monat zu warten hab ich echt keine Lust.

Experten werden es nicht sein, es gibt türkische Dokumente kurz nach der Eroberung vom Kosovo, dort tauchen albanische Namen faktisch nur im Süden und vereinzelt vor.

Das an der Kosovoschlacht massenhaft Kosovoalbaner gekämpft hätten, ist gelinde gesagt abenteuerlich.
 
Als sich die Unabhängigkeit Indiens von der Britischen Krone abzeichnete, wurde immer deutlicher, dass Muslime und Hindus völlig unterschiedliche Interessen hatten, also bat die Britische Kolonialverwaltung einen englischen Rechtsanwalt, Cyril Radcliffe, eine Grenze zu ziehen.

Bei der Bildung der Interessen von Menschen ist die Volksangehörigkeit mindestens genau so wichtig wie die Religionsangehörigkeit.

Beispiel:

albanische Muslime haben andere Interessen als serbische Muslime.
 
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