Konfession, Antisemitismus und NS

Das bedeutet, dass die enormen Stimmengewinne der Nazis im Jahr 1932 von Wählern kamen, die früher andere Parteien gewählt haben und sich nun ideologisch bei den Nazis besser aufgehoben fühlten.
Die "Schlussfolgerung" im letzten Halbsatz kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich gehöre seit jeher zur Gruppe der sogenannten Wechselwähler und wähle eigentlich fast immer Parteien, bei denen ich mich ideologisch in keiner Weise "aufgehoben" fühle. Meine Wahlentscheidung hängt davon ab, welchen Parteien/Kandidaten ich am ehesten zutraue, die jeweils aktuellen Probleme auf der jeweiligen politischen Ebene in meinem Sinne anzugehen.

Von welchen Parteien kamen die NSDAP-Wähler vom Juli 1932? Diese Frage beantwortet Falter, S. 159 wie folgt:

40% hatten bereits 1930 NSDAP gewählt.
18% kamen von den diversen Splitterparteien,
12% von den bisherigen Nichtwählern,
10% von der SPD,
8% von den liberalen Parteien,
6% von der DNVP,
4% von Zentrum/BVP,
2% von der KPD.
 
Dazu gibt es eine eigene Untersuchung:

Jürgen W. Falter und Hartmut Bömermann: Die unterschiedlichen Wahlerfolge der NSDAP in Baden und Württemberg, in: Dieter Oberndörfer und Karl Schmitt (Hrsg.), Parteien und regionale politische Traditionen in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1991

Wikipedia liefert eine Zusammenfassung:

Das relativ schwächere Abschneiden der NSDAP in Württemberg erklärte die Wahlforschung durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren: [...]
Da muss ich mich korrigieren, die Wiki-Formulierung "die Wahlforschung" hatte ich automatisch mit dem dort ebenfalls als Quelle angegebenen Falter-Bömermann-Artikel assoziiert. Die sind aber in ihren Schlussfolgerungen äußerst vorsichtig.
Tatsächlich stammen die Angaben aus Reinhold Weber, Politische Kultur, Parteiensystem und Wählertraditionen im deutschen Südwesten, in: Reinhold Weber und Hans-Georg Wehling (Hrsg.), Baden-Württemberg – Gesellschaft, Geschichte, Politik, Stuttgart 2006.

Weitere Informationen finden sich bei Thomas Schnabel (Hrsg.), Die Machtergreifung in Südwestdeutschland, Stuttgart 1982, darin u. a. die Aufsätze Die NSDAP in Württemberg 1928-1933. - Die Schwäche einer regionalen Parteiorganiation (Thomas Schnabel) und Das Wählervotum und die "Machtergreifung" im deutschen Südwesten (Eberhard Schanbacher).

Schanbacher schreibt u. a.:

"Im Hinblick auf die Konfessionszugehörigkeit ergeben sich die klarsten Korrelationen mit den Wahlergebnissen der Nationalsozialisten. Es bestand ein enger Zusammenhang zwischen überwiegend protestantischer Bevölkerung und hohen NSDAP-Erfolgen einerseits und hohem katholischen Bevölkerungsanteil und sehr schlechten Wahlergebnissen für die Nationalsozialisten andererseits. Mit Hilfe der beiden Karten auf den Seiten 316 und 317, welche die Konfessionsgliederung und die NSDAP-Ergebnisse der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 wiedergeben, läßt sich dies auch im deutschen Südwesten veranschaulichen. In keinem der überwiegend katholischen Oberämter, Amtsbezirke oder Kreise in Württemberg, Baden oder Hohenzollern erreichte die NSDAP mehr als 45%, während die Hochburgen des Nationalsozialismus mit über 50% in wenigen Fällen in gemischtkonfessionellen Verwaltungsbezirken, zumeist jedoch in Wahlbezirken mit hohem Protestantenanteil lagen. Besonders deutlich wird die besondere Disposition der Protestanten für den Nationalsozialismus und das Festhalten der Katholiken am Zentrum bei einem Vergleich von Wahlbezirken, die sich lediglich hinsichtlich der Konfessionszugehörigkeit unterscheiden, ansonsten aber eine ähnliche Sozialstruktur aufweisen. Als typische Beispiele lassen sich die benachbarten und von der Landwirtschaft bestimmten Oberämter Gerabronn, Crailsheim, Schwäbisch Hall und Gaildorf einerseits und andererseits Ellwangen und Neresheim heranziehen. Erstere sind überwiegend protestantisch und lagen im Stimmenanteil für die NSDAP sämtlich über 46%, letztere sind überwiegend katholisch und die Nationalsozialisten kamen lediglich auf 14,1% bzw. 17,3%. Als weiteres Beispiel sei auf die Amtsbezirke Kehl und Offenburg verwiesen. Kehl besaß einen Protestantenanteil von 84%, die NSDAP errang 59,2% der Stimmen. Offenburg hatte einen katholischen Bevölkerungsanteil von 87% und die Nationalsozialisten kamen lediglich auf 34,7%. Allerdings lagen in Kehl insofern besondere Verhältnisse vor, als es bis zum 30. Juni 1930 zum besetzten Rheinland gehörte.
[...]
Von 1930 bis 1932 verstärkte sich der dominierende Einfluß des protestantischen Bekenntnisses für die Hinwendung zum Nationalsozialismus und verdeutlichte sich die Bremswirkung des Katholizismus. Erst in den Märzwahlen 1933 konnten die Nationalsozialisten auch in katholischen Landkreisen höhere Gewinne erzielen."​

Der Grenzlage zum "Erbfeind" Frankreich schreibt Weber einen mobilisierenden Einfluss auf das badische Wählerverhalten zu.

Oben wurde das Oberamt Gerabronn genannt, das war die Nazi-Hochburg im Südwesten mit 64% NSDAP-Stimmenanteil im Juli 1932. Dennoch wählte man dort auf kommunaler Ebene ziemlich "unpolitisch"; bei den Gemeinderatswahlen im Dezember 1931 gab es nicht einmal eine Liste der Nationalsozialisten und im ganzen Oberamt keinen NSDAP-Gemeinderat. "Die keineswegs zentrale Bedeutung des Antisemitismus für viele Wähler der NSDAP belegte auch die Wahl eines Juden mit der höchsten Stimmenzahl auf der Liste des landwirtschaftlichen Orts- und Gewerbevereins in Gerabronn." (Schnabel, S. 64)
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Grenzlage zum "Erbfeind" Frankreich schreibt Weber einen mobilisierenden Einfluss auf das badische Wählerverhalten zu.

Schreibt er zu oder kann er nachweisen?

Mir persönlich fällt es etwas schwer mir vorzustellen, dass die Grenzlage zu Frankreich als Einzelfaktor in Baden für die NSDAP massiv mobilisierend wirkte, während das anscheined im Rheinland keine Rolle spielte.

Der Wahlreis Koblenz-Trier etwa verfügte anders als die nördlicheren Teile des Rheinlands nicht über eine besonders starke industrielle Prägung, die man für Abweichungen verantwortlich machen könnte und er hatte gerade annähernd ein Jahrzhent französischer Besatzung hinter sich, die in der Erinnerung er Bevölkerung sicherlich keine besonders erfreuliche Zeit dargestellt hat.
Dennoch hielt sich die Zustimmung für die NSDAP in Grenzen und noch im März 1933 ging dieser Wahlkreis genau wie der benachbarte Wahlkreis Kreis Köln-Aachen nicht an die NSDAP, sondern wurde von der Zentrumspartei gewonnen.
Im Übrigen durchaus noch unter dem Eindruck der bis 1935 andauernden Besatzung des benachbarten Saargebietes.


Das nun in Baden das nicht von einer entsprchenden flächedeckenden Besatzung betroffen war wie das Rheinland und die Pfalz ausgerechnet die Angst vor Frankreich für die NSDAP mobilisiert haben soll, obwohl sie in den tatsächlich betroffenen Gebieten keine Rolle gespielt haben würde, weil die entweder insgesamt unterdurchschnittlich NSDAP wählten (Rheinland) oder es an der Konfession festgemacht wird (Pfalz), erscheint mir jedenfalls fragwürdig.

Im Besonderen auch, da ja mit dem Vertrag von Locarno die Westgrennze noch einmal bestätigt worden war und man Frankreich damit als saturiert ansehen konnte.


Und dann wäre natürlich auch zu hinterfragen, inwiefern die Grenzlage denn auch umgekehrt in den Ostprovinzen berücksichtigt wurde, denn mit Ängsten eventuell irgendwann unter Fremdherrschaft zu kommen wird man im Osten mit nicht weniger großer Plausibilität unterstellen können, insofern die Beziehungen zu Polen ahaltend schlecht blieben (Zollkrieg) es ein "Locarno-Ost" als Minimalkosens nie gegeben hatte und die 100.000-Mann Reichswehr in einem militärischen Konflikt mit Polen die Grenz auch nie vollständig hätte verteidigen können.

Für Hass und Verbitterung hatte die Wilhelminische "Ostamarken-Politik" und die diskriminierende Sprachpolitik des Preußischen Staates im Schulwesen ja bereits gesorgt und anngesichts des strittigen Grenzverlaufs (Interpretation des Oberschlesischen Abstimmungsergebnisses) und der Revisionswünsche gab es ja nun wirklich genügend Organisationen die die nationalistische Stimmungslage anheizten, hinzu kommen die immer wieder kursierenden Darstellungen von Drangsalen, die die polnische Regierung angeblich gegenüber ihrer deutschsprachigen Bevölkerung ausübte.

Da würde mich, wenn Angst/Abneigung gegenüber dem Nachbarn als faktor in Baden so hochgehängt wird, mal interessieren, wie das in den Ostprovinzen beurteilt wird.
 
Schreibt er zu oder kann er nachweisen?
Wie gesagt, er schreibt zu. Ein Nachweis dürfte sich schwierig gestalten; ich habe es nur erwähnt, weil oben von der besonderen Situation in Kehl die Rede war und solche Faktoren - zumindest auf lokaler Ebene - nicht gänzlich auszuschließen sind..
 
Schanbacher schreibt u. a.:

"Im Hinblick auf die Konfessionszugehörigkeit ergeben sich die klarsten Korrelationen mit den Wahlergebnissen der Nationalsozialisten. Es bestand ein enger Zusammenhang zwischen überwiegend protestantischer Bevölkerung und hohen NSDAP-Erfolgen einerseits und hohem katholischen Bevölkerungsanteil und sehr schlechten Wahlergebnissen für die Nationalsozialisten andererseits.
(…)
Besonders deutlich wird die besondere Disposition der Protestanten für den Nationalsozialismus und das Festhalten der Katholiken am Zentrum bei einem Vergleich von Wahlbezirken, die sich lediglich hinsichtlich der Konfessionszugehörigkeit unterscheiden, ansonsten aber eine ähnliche Sozialstruktur aufweisen.
(…)
Damit erübrigen sich Reden mancher hier, die die überdurchschnittlichen Wahlerfolge der Nazis in protestantischen Gegenden mit den unterschiedlichen Sozialstrukturen begründen wollten.
 
Ein Nachweis dürfte sich schwierig gestalten; ich habe es nur erwähnt, weil oben von der besonderen Situation in Kehl die Rede war und solche Faktoren - zumindest auf lokaler Ebene - nicht gänzlich auszuschließen sind..
Naja, auf der lokalen Ebene in Kehl und Umgebung dürfte das sicherlich eine gewisse Rolle gespielt haben, mir geht es nur etwas zu weit davon dann auf das Wahlverhalten in ganz Baden zu schließen, für die Argumentation erscheint mir die Situation in Kehl auch im Vergleich mit dem Rheinland und der Pfalz etwas zu dünn.

Das macht auf mich offen gesagt etwas den Eindruck, eines Versuchs Unstimmigkeiten im Postulat wegerklären zu wollen.

Damit erübrigen sich Reden mancher hier, die die überdurchschnittlichen Wahlerfolge der Nazis in protestantischen Gegenden mit den unterschiedlichen Sozialstrukturen begründen wollten.

Die erübrigen sich nicht, so lange es einmal auch protestantische Gegenden gab, die unterdurchschnittlich NSDAP wählten und/oder in denen die NSDAP schlechtere Wahlergebnisse erzielte, als in Katholischen oder gemischtkonfessionellen Gegenden.

Das Sozialstrukturen grundsätzlich eine nicht unbedeutende Rolle spielten, ergibt sich bereits daraus, dass die NSDAP in den städtisch geprägten Regionen und zwar vollkommen egal, ob diese mehrheitlich katholisch, protestantisch oder gemischtkonfessionell zusammengesetzt waren immer bemerkenswert niedrige Wahlergebnisse einfuhr und es ihr kaum gelang in die Hochburgen der SPD und der KPD einzubrechen.

Dementsprechend gehört zu einer sauberen Analyse selbstrendend sich die Sozialstrukturen anzusehen und in Betracht zu ziehen, dass diese möglicherweise eine größere Rolle spielten, als die Religion, bzw. dieses als gegeben zu akzeptieren, weil es sonst keine protestantischen Gebiete mit unterdurchschnittlichen NSDAP-Ergebnissen gegeben haben dürften, was aber mindestens in den städtischen Regionen durchaus gegeben war.


Das regelmäßige Vorhandensein, von deutlich unterduchschnittlichhen NSDAP Ergebnissen in einigen protestantischen Wahlkreisen wie Berlin, Hamburg und Potsdam II und auch aus vorhanden sein von sehr niedrigren NSDAP-Ergebnissen aus gemischtkonfessionellen Wahlkreisen, wie Westfalen-Süd weisen für sich bereits nach dass die Vostellung "je mehr Protestanten, desto höher das NSDAP-Ergebnis" so nicht funktioniert.

Gleichfalls kann man es offensichtlich auch nicht einfach am Stadt-Land-Gefälle oder dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein organisierter Arbeitermillieus festmachen, sonst hätte es nicht vorkommen dürfen, dass in eher ländlichen Gebieten wie dem Wahlkreis Koblenz-Trier die NSDAP schlechter abschnitt, als in Berlin oder Hamburg.

Die Sache ist offensichtlich komplizierter

Auch der Umstand, das Baden trotz überwiegend katholischer Bevölkerung deutlicher NSDAP wählte, als einige eher gemischtkonfessionelle Gebiete ist nach wie vor nicht vom Tisch.

Genau so wenig der Umstand, dass die Pfalz trotz kofessionell annähernd ausgeglichener Verhältnisse stärker NSDAP wählte, als manche überwiegend protstantische Region, gleiches im Bezug auf Franken und spätestens in Franken, wird man kaum noch von aufgheizter Stimmung wegen sehr großer nähe zu Frankreich ausgehen können, wenn man das Argument icht ohnehin wegen der völlig anderen Entwicklung in der Rheinprovinz als widerlegt ansehen möchte.

Dreht man das das Postulat "Je mehr Protestanten desto mehr NSDAP-Wähler" um und folgert daraus, dass "Je mehr Katholiken, desto weniger NSDAP", wird man sehen, dass dieses Postulat im Rheinland und in Bayern funktioniert, in Baden-Würtemberg, der Pfalz, Franken und teilweise Westfalen (süd) funktionert das in dieser Form aber offensichtlich nicht so gut.
Und im Punkto Bayern wird man dann noch konzedieren müssen, dass dort mit der BVP das politische Koordinatensystem ohnehin etwas anders aussah, als im Rest des Landes.
 
Das macht auf mich offen gesagt etwas den Eindruck, eines Versuchs Unstimmigkeiten im Postulat wegerklären zu wollen.
Was für Unstimmigkeiten?
Badischerseits gibt es keine "Unstimmigkeiten", die jemand "wegerklären" müsste.
Die erklärungsbedürftige Anomalie heißt Württemberg. Da sind die Unterschiede zwischen katholischen und evangelischen Gegenden zwar auch so krass wie anderswo, aber insgesamt blieben die Nazis im deutschlandweiten Vergleich ein paar Prozentpunkte zurück.

Dazu ergänzend noch ein Aufsatztitel von Thomas Schnabel aus dem erwähnten Band:
"Warum geht es in Schwaben besser?" Württemberg in der Weltwirtschaftskrise 1928-1933
 
Die erübrigen sich nicht, so lange es einmal auch protestantische Gegenden gab, die unterdurchschnittlich NSDAP wählten und/oder in denen die NSDAP schlechtere Wahlergebnisse erzielte, als in Katholischen oder gemischtkonfessionellen Gegenden.

Das Sozialstrukturen grundsätzlich eine nicht unbedeutende Rolle spielten, ergibt sich bereits daraus, dass die NSDAP in den städtisch geprägten Regionen und zwar vollkommen egal, ob diese mehrheitlich katholisch, protestantisch oder gemischtkonfessionell zusammengesetzt waren immer bemerkenswert niedrige Wahlergebnisse einfuhr und es ihr kaum gelang in die Hochburgen der SPD und der KPD einzubrechen.

Ich denke, es hat hier wohl niemand behauptet, dass die Konfession der einzige Faktor für den Erfolg der NSDAP war.

Insbesondere, dass sich das Industriearbeitermilieu als relativ widerstandsfähig gegen die Nazis gezeigt hat, war hier im Thread auch schon Thema, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht.

Das regelmäßige Vorhandensein, von deutlich unterduchschnittlichhen NSDAP Ergebnissen in einigen protestantischen Wahlkreisen wie Berlin, Hamburg und Potsdam II und auch aus vorhanden sein von sehr niedrigren NSDAP-Ergebnissen aus gemischtkonfessionellen Wahlkreisen, wie Westfalen-Süd weisen für sich bereits nach dass die Vostellung "je mehr Protestanten, desto höher das NSDAP-Ergebnis" so nicht funktioniert.

Berlin und Hamburg sind halt durch die Industrie geprägt (und Hamburg durch den Hafen mit damals vielen Arbeitern) und entsprechend Hochburgen von SPD und KPD. Beide sind auch in Potsdam II relativ stark vertreten. Daneben fällt hier das gute Abschneiden der DNVP auf. Die DNVP war neben SPD und KPD die einzige protestantisch dominierte oder überkonfessionelle Partei, die einen guten Teil ihrer Anhängerschaft halten konnte.

Bei Westfalen-Süd kommt zusammen, dass es zum Einen in Teilen industriell geprägt (meines Wissens nach gehörten z. B. Dortmund und Gelsenkirchen zu diesem Wahlkreis) ist und zum Anderen einen relativ hohen Anteil an Katholiken aufwies (das Zentrum erreichte immer mindestens 22%). Die Kombination resultierte in geringen Stimmenanteilen für die NSDAP.

Reichstagswahlen 1919-1933 - Westfalen-Süd (wahlen-in-deutschland.de)

Gleichfalls kann man es offensichtlich auch nicht einfach am Stadt-Land-Gefälle oder dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein organisierter Arbeitermillieus festmachen, sonst hätte es nicht vorkommen dürfen, dass in eher ländlichen Gebieten wie dem Wahlkreis Koblenz-Trier die NSDAP schlechter abschnitt, als in Berlin oder Hamburg.

Das schlechte Abschneiden der NSDAP in Koblenz-Trier lag natürlich daran, dass der Wahlkreis stark katholisch geprägt ist. Das Zentrum holte hier mehrfach deutlich über 50% und auch im November 1932 holtes es noch 45,8%, erst bei der Wahl im März 1933 sank der Stimmenanteil auf 40,9%.

Reichstagswahlen 1919-1933 - Koblenz-Trier (wahlen-in-deutschland.de)

Insgesamt ergibt sich folgendes Bild, wenn man sich die Ergebnisse der Parteien bei den Reichstagwahlen ansieht:

Es gibt insgesamt drei Milieus, die sich als relativ widerstandsfähig gegen die Nazis erwiesen haben:

1. Das katholische Milieu, das durch das Zentrum vertreten wurde.

2. Das sozialistische Milieu, das durch SPD und KPD vertreten wurde. Hier gab er vor allem Verschiebungen innerhalb des Milieus. Die KPD gewann im Laufe der Zeit Stimmen auf Kosten der SPD. Dadurch kamen diese Stimmen zwar nicht der NSDAP zu gute, waren aber trotzdem für die Republik verloren.

3. Das konservativ bis reaktionäre Milieu, das, sofern nicht katholisch, von der DNVP vertreten wurde. Die DNVP war am Ende der Weimarer Republik außer der NSDAP die einzige verbliebene politische Partei von einiger Bedeutung, die weder sozialistisch noch katholisch geprägt war. Da die DNVP die Republik mal mehr, mal weniger entschieden ablehnte und am Ende ein Bündnis mit der NSDAP einging, waren die Stimmen für die DNVP letzten Endes ebenfalls für die Republik verloren.

Alle drei Milieus haben auch an Stimmen verloren, hielten sich aber wesentlich besser als das verbliebende protestantisch-liberale Milieu.

Im Gegensatz zu den drei vorgenannten Milieus liefen die vormals linksliberal (DDP bzw. DStP) oder nationalliberal (DVP) Wählenden nahezu geschlossen zur NSDAP über. DStP und DVP waren gegen Ende der Weimarer Republik nur noch Splitterparteien. Beide zusammen holten im Juli 1932 nur 2,2% im November 1932 2,9%.

Die SPD war gegen Ende der Weimarer Republik die einzige nicht-katholische politische Partei von Bedeutung, die noch zur Republik stand. Das protestantische Bürgertum hatte sich ganz überwiegend von der Republik abgewendet.

Das ist sicher für viele eine bittere Wahrheit, aber es bleibt eben die Wahrheit und lässt sich nicht wegdiskutieren.
 
Die erklärungsbedürftige Anomalie heißt Württemberg. Da sind die Unterschiede zwischen katholischen und evangelischen Gegenden zwar auch so krass wie anderswo, aber insgesamt blieben die Nazis im deutschlandweiten Vergleich ein paar Prozentpunkte zurück.

In Württemberg gab es als Besonderheit den Württembergischen Bauern- und Weingärtnerbund (WBWB), der im November 1932 immerhin noch auf etwa 8% kam:

Reichstagswahlen 1919-1933 - Württemberg (wahlen-in-deutschland.de)
(hier in der Liste unter "Bauern", siehe die Anmerkungen).

Wikipedia schreib zu diesem Bund:

"Der Bauernbund war wie die Bürgerpartei nicht frei von republikfeindlichem und völkischem Gedankengut und pflegte einen Antisemitismus im Geiste des evangelischen Vordenkers Adolf Stoecker. Allerdings betonte der Bauernbund in Württemberg stets einen entschiedenen Gegensatz zum Nationalsozialismus und konnte seinen Wählerstamm halten, was dazu beitrug, dass die Wahlergebnisse der NSDAP in Württemberg bis 1932 deutlich hinter dem Gesamtergebnis im Reich zurückblieben."

Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund – Wikipedia
 
Die KPD gewann im Laufe der Zeit Stimmen auf Kosten der SPD. Dadurch kamen diese Stimmen zwar nicht der NSDAP zu gute, waren aber trotzdem für die Republik verloren.
Die Stimmen der KPD waren für die Republik nicht verloren, denn die KPD war sowohl im Jahr 1932 als auch 1933 die drittstärkste Partei im Parlament. Dass die gewählten KPD-Abgeordneten aufgrund der Reichstagsbrandverordnung des Reichspräsidenten und der Willkür der Hitler-Regierung nicht im Parlament erscheinen konnten, steht auf einem anderen Blatt.

Die SPD war gegen Ende der Weimarer Republik die einzige nicht-katholische politische Partei von Bedeutung, die noch zur Republik stand. Das protestantische Bürgertum hatte sich ganz überwiegend von der Republik abgewendet.

Das ist sicher für viele eine bittere Wahrheit, aber es bleibt eben die Wahrheit und lässt sich nicht wegdiskutieren.
Doch, @Nikias, hier gibt’s User, die in diesem Zusammenhang immer wieder die Rolle der Religion kleinzureden versuchen und deswegen einen Satz wie deinen über das protestantische Bürgertum nicht werden gelten lassen.
 
Die Stimmen der KPD waren für die Republik nicht verloren
Doch, die KPD lehnte die Weimarer Republik ab und stand in Gegnerschaft zu den demokratischen Parteien. Ihren Hauptgegner sah sie noch kurz vor dem Untergang der Republik in der SPD, nicht in der NSDAP.

Ich hatte es Dir schon einmal geschrieben, anscheinend ist es nicht angekommen:

Zweifellos. Zum Beispiel sah die KPD aufgrund der Sozialfaschismus-These den Hauptgegner in der SPD. Ernst Thälmann im Dezember 1931:

"Und doch gab es solche Stimmungen, die vor den nationalsozialistischen Bäumen den sozialdemokratischen Wald nicht sehen wollten. Weil die Nationalsozialisten auch in Hamburg einen beträchtlichen Wahlerfolg erzielen konnten, unterschätzten diese Genossen die Bedeutung unseres Kampfes gegen den Sozialfaschismus, die Bedeutung unseres Erfolges gegenüber der SPD. Darin drückten sich unzweifelhaft Merkmale eines Abweichens von der politischen Linie aus, die uns verpflichtet, den Hauptstoß gegen die SPD zu richten.

Diesen falschen Einstellungen gegenüber müssen wir mit aller Schärfe feststellen: die Faschisten können überhaupt nur geschlagen werden, wenn man die SPD, ihr Bündnis mit dem Faschismus, ihren Dienst für den Klassenfeind vor den Massen der Arbeiter enthüllt und diese von den SPD-Führern loslöst.

[...]

In der Frage des Hauptstoßes gegen die SPD steckt das Kernproblem der kommunistischen Politik in Deutschland. Wir haben bereits an Hand der politischen Analyse nachgewiesen, weshalb auf Grund der Politik der Bourgeoisie, der Brüning-Severing-Regierungen, unser Kampf gegen die SPD das zentrale Problem unserer revolutionären Massenarbeit darstellt."
Ernst Thälmann: Einige Fehler in unserer theoretischen und praktischen Arbeit - Dezember 1931
 
Doch, die KPD lehnte die Weimarer Republik ab und stand in Gegnerschaft zu den demokratischen Parteien. Ihren Hauptgegner sah sie noch kurz vor dem Untergang der Republik in der SPD, nicht in der NSDAP.
Das ist korrekt - mit meinem Einwurf wollte ich aber sagen: Wenn die KPD-Abgeordneten im Parlament wären, hätten die Nazis ihr Ermächtigungsgesetz nicht durchbringen können - und die Weimarer Republik wäre gerettet.
 
Was für Unstimmigkeiten?
Badischerseits gibt es keine "Unstimmigkeiten", die jemand "wegerklären" müsste.

Da bin ich anderer Meinung, das NSDAP-Ergebnis in Baden war gemessen am Katholiken-Anteil definitiv zu hoch, wenn man alles an der Konfession festmachen wollte, wie Dion es gern möchte.

Sofern man das nicht möchte und Konfession lediglich als einen Faktor unter vielen betrachtet gebe ich dir natürlich recht, ist Baden ein weniger interessannter Wahlkreis.

Ich denke, es hat hier wohl niemand behauptet, dass die Konfession der einzige Faktor für den Erfolg der NSDAP war.
Kollege Dion behauptet mehr oder weniger genau das in einer Tour seit diser Faden offen ist und nur dagegen richtet sich meine Argumentation.

Insbesondere, dass sich das Industriearbeitermilieu als relativ widerstandsfähig gegen die Nazis gezeigt hat, war hier im Thread auch schon Thema, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht.
Natürlich war es das, nur scheinen dass eben nicht alle Diskutanten zu akzeptieren.

Das schlechte Abschneiden der NSDAP in Koblenz-Trier lag natürlich daran, dass der Wahlkreis stark katholisch geprägt ist. Das Zentrum holte hier mehrfach deutlich über 50% und auch im November 1932 holtes es noch 45,8%, erst bei der Wahl im März 1933 sank der Stimmenanteil auf 40,9%.
Und das ist genau die Art von Argumentation, die ich meine.

Man kann Koblenz-Trier nicht monokausal mit der katholischen Bevölkerung begründen und dann im Bezug auf andere Provinzen, wo ein überdurchschnittlich hoher Katholikenanteil zu deutlich höheren NSDAP-Ergebnissen führte, wie etwa in Baden oder der Pfalz einfach ausblenden, damit macht man es sich entschieden zu einfach.

Es gibt insgesamt drei Milieus, die sich als relativ widerstandsfähig gegen die Nazis erwiesen haben:

Im Hinblick auf das Konservativ-Reaktionäre Millieu nicht einverstanden. Die DNVP war am Ende der Weimarer Zeit zwar noch verhanden hatte aber bis zu zwei Drittel der Wähler, die sie in ihrer Hochphase in den 1920er Jahren hatte binden können, an die NSDAP verloren.
Wenn einem Millieu 2/3 seiner Wählerschaft von der Fahne gehen, kann man das in meinen Augen nicht mehr als resistent bezeichnen.

Die SPD war gegen Ende der Weimarer Republik die einzige nicht-katholische politische Partei von Bedeutung, die noch zur Republik stand.

Die SPD war die einzige noch vorhandene Partei, die überhaupt geschlossen zur republik stand, denn ein guter Teil des rechten Flügels der Zentrumspartei um Figuren wie Kaas war einer beegrenzten Zusammenarbeit mit den demokratiefeindlichen Kräften von rechts ja durchaus zugetan.
 
Hier war ich im Wald und habe Mist geschrieben.

Im Hinblick auf die KPD-Mandate hat Dion nicht ganz unrecht, was die formale Annahme des Ermächtigungsgeseztes betrifft.
Allerdings unrecht hat er mit der Annahme, dass das die Republik geretteet hätte, denn die war de facto bereits mit der Reichstagsbrandverordnung untergegangen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist korrekt - mit meinem Einwurf wollte ich aber sagen: Wenn die KPD-Abgeordneten im Parlament wären, hätten die Nazis ihr Ermächtigungsgesetz nicht durchbringen können - und die Weimarer Republik wäre gerettet.

Dann hast Du von der Diskussion über das Ermächtigungsgesetz nichts in Erinnerung behalten. Die Nazis waren bereits an der Macht, und sie übten diese, ausgestattet mit allen dafür benötigten "Notverordnungen", bereits willkürlich und diktatorisch aus. Nicht nur die KPD-Abgeordneten, auch etliche SPD-Parlamentarier befanden sich bereits in Haft oder waren auf der Flucht. Am 24. März 1933 gab es nichts mehr zu "retten", das sagte Hitler den Abgeordneten auch ganz unverhohlen ins Gesicht:
"... appellieren wir in dieser Stunde an den Deutschen Reichstag, uns zu genehmigen, was wir auch ohnedem hätten nehmen können."
https://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt2_w8_bsb00000141_00040.html


Das ist nicht richtig, denn die KPD-Abgeordneten konnten zwar nicht teilnehmen, allerdings wurden in der Betrachtung des Ergebnisses die KPD-Mandate 1:1 als Nein-Stimmen gegen das Ermächtigungsgesetz gewertet.

Von wem den bitte "gewertet"? Die gewählten KPD-Abgeordneten wurden einfach nicht gezählt.

"Die gesetzliche Mitgliederzahl des Hauses beträgt 566. Davon sind zwei Drittel 378, davon wiederum zwei Drittel 252", gab Reichstagspräsident Göring zu Protokoll:
Verhandlungen des Deutschen Reichstags

(Bei der Behauptung von der "gesetzlichen Mitgliederzahl" handelt es sich möglicherweise um Rechtsbeugung; ich hatte in der Diskussion Irene Strenge zitiert, welche schreibt:

"Gemäß § 4 GORt hätte ein Wahlprüfungsgericht, – das natürlich nicht eingesetzt wurde, – über die KPD-Mandate entscheiden müssen. Von dieser Entscheidung hätte abgehangen, ob die KPD-Abgeordneten einzuladen seien oder nicht. Denn die Frage, ob ein Gewählter einzuladen ist, ist eine Frage des Abgeordnetenstatus.")

Artikel 76 der Weimarer Verfassung bestimmt folgendes:

"Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung geändert werden. Jedoch kommen Beschlüsse des Reichstags auf Abänderung der Verfassung nur zustande, wenn zwei Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl anwesend sind und wenigstens zwei Drittel der Anwesenden zustimmen. Auch Beschlüsse des Reichsrats auf Abänderung der Verfassung bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Soll auf Volksbegehren durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich."​

Einschließlich der KPD-Abgeordeten wäre die korrekte Mitgliederzahl 647 gewesen, von denen mussten mindestens 432 anwesend sein, und von den Anwesenden hätten zwei Drittel (also mindestens 288) für das Gesetz stimmen müssen.

Die NSDAP verfügte über 288 Mandate,
 
Und das ist genau die Art von Argumentation, die ich meine.

Man kann Koblenz-Trier nicht monokausal mit der katholischen Bevölkerung begründen und dann im Bezug auf andere Provinzen, wo ein überdurchschnittlich hoher Katholikenanteil zu deutlich höheren NSDAP-Ergebnissen führte, wie etwa in Baden oder der Pfalz einfach ausblenden, damit macht man es sich entschieden zu einfach.

Bitte hier den Kontext berücksichtigen. Du hattest geschrieben:

Gleichfalls kann man es offensichtlich auch nicht einfach am Stadt-Land-Gefälle oder dem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein organisierter Arbeitermillieus festmachen, sonst hätte es nicht vorkommen dürfen, dass in eher ländlichen Gebieten wie dem Wahlkreis Koblenz-Trier die NSDAP schlechter abschnitt, als in Berlin oder Hamburg.

Du vergleichst hier also katholisch geprägte ländliche Gebiete mit protestantisch geprägten Großstädten und stellst fest, dass in dem ländlich geprägten Wahlkreis die NSDAP schlechter abschneidet und scheinst jetzt daraus zu schließen, dass man das (relativ) schlechte Abschneiden der NSDAP im Hamburg und Berlin nicht mit einem Stadt-Land-Gefälle erklären kann, weil die NSDAP im ländlichen Wahlkreis Koblenz-Trier eben noch schlechter abschneidet. Bitte korrigiere mich, falls ich Deine Argumentation da missverstanden habe.

Und diese Argumentation funktioniert so eben nicht, denn genauso wenig wie die Konfession das Abschneiden der NSDAP monokausal erklärt, erklärt das Stadt-Land-Gefälle dieses Abschneiden monokausal.

Im Falle von Koblenz-Trier ist völlig klar, dass das schlechte Abschneiden der NSDAP an den sehr guten Ergebnissen des Zentrums liegen, die wiederum daran liegen, dass der Wahlkreis katholisch geprägt ist.

Um den Einfluss des Stadt-Land-Gefälles zu untersuchen, müsstest Du Hamburg und Berlin schon mit ländlich geprägten protestantischen Wahlkreisen vergleichen. Wie z. B. Schleswig-Holstein.

Im Hinblick auf das Konservativ-Reaktionäre Millieu nicht einverstanden. Die DNVP war am Ende der Weimarer Zeit zwar noch verhanden hatte aber bis zu zwei Drittel der Wähler, die sie in ihrer Hochphase in den 1920er Jahren hatte binden können, an die NSDAP verloren.
Wenn einem Millieu 2/3 seiner Wählerschaft von der Fahne gehen, kann man das in meinen Augen nicht mehr als resistent bezeichnen.

Man kann sicher darüber diskutieren, wie sinnvoll es ist, einfach den höchsten Wert, den die DNVP erreichte, als Ausgangspunkt für die Betrachtung zu nehmen. Die DNVP erhielt im November 1932 noch fast so viele Stimmen wie 1919 (8,3 vs. 10,3). Die zwischenzeitlich höheren Werte für die DNVP könnten auch das sein, was wir heute Proteststimmen nennen würden.

Aber gut, wenn wir die Methode, vom jeweils höchsten erzielten Ergebnis auszugehen, akzeptieren und dann die Ergebnisse der DNVP im November 1932 mit denen von DDP/DStP und DVP nach derselben Methode vergleichen, erhalten wir folgendes Ergebnis:

Die DNVP erhielt im November 1932 noch 40,5% ihres höchsten Stimmenanteils (8,3*100/20,5).

Die DStP erhielt noch 5,4% ihres besten Ergebnisses (1*100/18,6).

Die DVP erhielt 13,57% ihres besten Ergebnisses (1,9*100/14,0).

Die DNVP hat ihren Stimmenanteil also wesentlich besser gehalten als die DVP und insbesondere die DStP/DDP.

Wenn man die Rechnung mit den Ergebnissen der Wahl im Juli 1932 durchführt, sieht es für die DNVP noch schlechter aus, aber die DVP verschlechtert sich noch mehr. Für die DStP ändert sich nichts.
 
Von wem den bitte "gewertet"? Die gewählten KPD-Abgeordneten wurden einfach nicht gezählt.

Siehe:


Hier war ich im Wald und habe Mist geschrieben.

Im Hinblick auf die KPD-Mandate hat Dion nicht ganz unrecht, was die formale Annahme des Ermächtigungsgeseztes betrifft.
Allerdings unrecht hat er mit der Annahme, dass das die Republik geretteet hätte, denn die war de facto bereits mit der Reichstagsbrandverordnung untergegangen.

Das hatte ich tatsächlich falsch im Kopf, hatte es inzwischen aber nachgeschlagen und den Irrtum festgestellt, weitere Erläuterung nicht nötig.
 
Du vergleichst hier also katholisch geprägte ländliche Gebiete mit protestantisch geprägten Großstädten

Ich hatte ein ländliches Gebiet unbeachtlich der Konfession mit den Großstädten Berlin und Hamburg vergleichen.

Ich hätte hier ohne weiteres auch das konfessionell gemischte aber doch überwiegend protestantische Würtemberg anführen können, dass im November 1932 ebenfalls schwächer NSDAP wählte, als Hamburg, wo man es aber eben nicht so eindeutig an der Konfession festmachen kann.

Auch der Wahlkreis Potsam II der zwar noch Teile von einen Teil der Bezirke von Berlin mitumfasste insgesamt aber weniger städtisch geprägt war, als die Wahlkreise Berlin und Hamburg, die sich ausschließlich über das jeweilige Stadtgebiet erstreckten, wählte zwar stärker NSDAP als Berlin, aber weniger stark als Hamburg und auch das wird man nicht an der Konfession festmachen können.

Insofern als also mindestens zwei überwiegend protestantische Wahlkreise gab, die insgesamt ländlicher geprägt waren als Hamburg, aber weniger stark NSDAP wählten, wird man aus dem Umstand dass das Stadt-Land-Gefälle nicht überall als Erklärungsmodell greift nicht nicht den Rückschluss ziehen können, dass es an der Religion festzumachen wäre.

Ein weiteres Problem über das man im Hinblick auf Konfession und Verstädterung sprechen müsste, wäre der dritte sehr stark urban geprägte Wahlkreis in der Weimarer Zeit, nämlich der Wahlkreis Düsseldorf-Ost (Düsseldorf Stadt, Düsseldorf Landkreis, Essen, Barmen, Elberfeld (heutiges Wuppertal) , Solingen, Remscheid, Lennep und Mettmann.

Der Wahlkreis umfasste also einen Teil des Ruhrgebiets und des nördlichen Abschnittss der Rheinschiene
Eine Besonderheit des Wahlkreises ist, dass es sich um eine KPD-Hochburg handelte.

Interessant an diesem Wahlkeis ist, dass nicht nur sehr stark städtisch geprägt war, sondern auch einen großen Katholikenanteil, wenn nicht eine katholische Mehrheit gehabt haben dürfte.
Die NSDAP-Ergebisse der Wahlen 1932 und 1933 lauteten:

1932 (1) 31,6 %
1932 (2) 27,0%
1933 37,4 %

(Das Zentrum kam in den 3 Wahlen auf 20,6%, 20,5% und 19,6%)

Vergleicht man das mit den Berliner Wahlergebnissen (24,6%, 22,5% und 31,2% für die NSDAP), dann fällt auf dass wir es hier mit einer urbanen Region mit relativ vielen Katholiken zu tun haben (in Essen dürften protestantische Binnenmigrantenn aus Ostelbien eine Rolle gespielt haben, der Rest ist aber eigentlich urkatholisches Rheinland), die deutlich stärker NSDAP wählte, als das protestantische Berlin (wo das Zentrum jeweils an die 5% erreichte)

Der Wahlkreis Düsseldorf-Ost wählte damit stärker NSDAP als der beachbarte Kreis Westfalen-Süd (weitgehend mit dem heutigen Regierungsbezirk Arnsberg identisch), obwohl letzterer insgesamt ländlicher geprägt war, obwohl in Westfalen und im Besonderen im Märkischen der Protestantismus stärker ausgeprägt sein dürfte und obwohl zu Westfalen-Süd mit Siegen-Wittgenstein im Süden eine Region gehörte, die schon im Kaiserreich zu den Zentren des politischen Antisemitismus gehört hatte.

Auch hier würde ich sagen funktioniert das so nicht ganz.


Und diese Argumentation funktioniert so eben nicht, denn genauso wenig wie die Konfession das Abschneiden der NSDAP monokausal erklärt, erklärt das Stadt-Land-Gefälle dieses Abschneiden monokausal.

Richtig.

Im Falle von Koblenz-Trier ist völlig klar, dass das schlechte Abschneiden der NSDAP an den sehr guten Ergebnissen des Zentrums liegen, die wiederum daran liegen, dass der Wahlkreis katholisch geprägt ist.

Nein, nur weil der Wahlkreis katholisch geprägt war, bedeutete das nicht automatisch ein besonders starkes Abschneiden der Zentrumspartei.
Auch Düsseldorf-Ost war katholisch geprägt, aber hier landete die Zentrumspartei in 1932 und 1933 jeweils hinter NSDAP und KPD auf dem 3. Platz.

Um den Einfluss des Stadt-Land-Gefälles zu untersuchen, müsstest Du Hamburg und Berlin schon mit ländlich geprägten protestantischen Wahlkreisen vergleichen. Wie z. B. Schleswig-Holstein.

Naja, wie gesagt, die meisten ländlicheren Wahlkreise mit protestantischer Mehrheit wählten stärker NSDAP, Würtemberg und Potsdam II allerdings nicht.

Gehen wir mal von den Wahlkreisen weg, die einzelne Städte betrafen.

Unter den unumstritten protstantischen Wahlkreisen dürfte der Wahlkreis Breslau mit Mittelschlesien und den größeren Städten Breslau, Brieg und Schweidnitz zu den durchaus stärker urbanisierten Wahlkreisen gehört haben.
Breslau selbst hatte 1933 wohl an die 620.000 Einwohner und dürfte sich damit durchaus noch in der Top-10 der bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands befunden haben.

Der Wahlkreis wählte allerdings im November 1932 deutlich stärker NSDAP, als das deutlich ländlichere Mecklenburg und das ebenfalls recht ländliche Thüringen, vergleichbar stark dem wie Ostpreußen, wo es außer Königsberg (allerdings mit lediglich 315.000 Einwohnern 1933) im Grunde überhaupt keine größeren Städte gab (allenfalls Elbing als Mittelstadt (1933 etwa 72.000 Einwohner) könnte man noch verhandeln, der Rest hatte allefalls kleinstädtischen Charakter).

Es ist, weil kein Stadtstaat vielleicht nicht so anschaulich wie Berlin oder Hamburg, aber wenn man den Wahlkreis Breslau mit Mecklenburg, Thüringen oder Ostpreußen vergleicht, geht auch da im Vergleich der protestantischen Gebiete untereinander der Satz "Je städtischer, desto weniger NSDAP" nicht unbedingt auf.

Man kann sicher darüber diskutieren, wie sinnvoll es ist, einfach den höchsten Wert, den die DNVP erreichte, als Ausgangspunkt für die Betrachtung zu nehmen.

Müssen wir gar nicht.

Wahlergebnisse der DNVP von 1920-1930

1920 15,1%
1924 (1) 19,4%
1924 (2) 20,5%
1928 14,2%

Das macht doch durchaus deutlich dass zwichen 1920 und 1930 die DNVP eine Stammklientel hatte, die durchaus irgednwas zwischen um den 15% und 20% der Gesamtwählerschaft umfasste.
Das war bevor die NSDAP über die Bedeutung einer reinen Splitterpartei hinaus wuchs.

Hierzu ist noch zu sagen, dass die DNVP diese Ergebnisse erzielte, obwol damals die DVP als ebenfalls eher protestantische Partei mit zumindest einem nationalkonservativen Flügel,die in der Spätzeit der Weimarer Republik keine Rolle mehr spielte, noch ganz gut im Rennen war.

Wie geht es dann weiter? Wahlergebisse der DNVP ab 1930:

1930 7,0%
1932 (1) 5,9%
1932 (2) 8,3%
1933 8,0% (hier allerdings schon nicht mehr als DNVP, sondern als rechtes Wahlbündnis "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" im Verein mit Stahlhelm und Landbund.

Selbst wenn wir als Kernklientel der DNVP vor dem Auftreten der Nazis nicht 20% sondern um die 15-16% annehmen, hat die DNVP ihr Wahlergebnis seit dem Aufstieg der Hitler-Partei sauber halbiert und das teilweise (1932 (1)) noch deutlich unterschritten.

Zählt man neben der DNVP nocch den rechten DVP-Flügel ins konservativ-protestantische Millieu, was man sicherlich mit einer gewissen Berechtigung tun kann, verliert dieses Millieu 2/3 seiner Klientel an die Nazis.

Gemessen damit nimmt sich der Schwund im katholischen Millieu mehr oder weniger verschwindend aus und auch bei den Arbeiterparteien ist das bei weitem nicht so dramatisch.

Die SPD war zwischen 1924 und 1930 zwar beliebter als danach mit den beide Ergebnissen von 1932 (21,6% und 20,4% ) erreichte sie allerdings immernoch Werte, die denen bei den Wahlen von 1920 und 1924 (1) vergleichbar waren (21,6% und 20,5%).
Die KPD wurde wurde in den 3 Wahlen von 1930 und 1932 nicht schwächer sondern kontinuierlich stärker.

1928 bevor die Nazis begannen eine Rolle zu spielen, erreichten die beiden Arbeiterparteien zusammen 40,4%, dabei entfielen 29,8% auf die SPD und 10,6% auf die KPD.

Im November 1932 erreichten beide Parteien zusammen immerhin noch 37,3% wobei sich die Gewichte zwischen beiden zu Gunsten der KPD verschoben und die SPD noch 20,4% erreichte und die KPD 16,9%.

Damit hatte die beiden Arbeiterparteien zusammen bis Ende 1932 weniger als 10% ihrer Zustimmung von vor 1930 verloren, deutlichere Verluste brachte dann die repressierte Wahl vom März 1933 mit sich, die man allerdings kaum mehr als frei bezeichnen kann.

Wenn ein Millieu wie das katholische überhaupt nichts an die Nazis verlor oder wie das Arbeitermillieu bis Ende 1932 wenniger als 10% seiner Wähler gegenüber dem Stand vor 1928 und damit sowohl vor den Nazis, als auch vor der Wirtschaftskrise einbüßte, dann kann man diese Millieus als stabil und in gewissem Maße resistent bezeichnen.

Wenn ein Millieu wie das protestantisch-Konservative zwischen der Hälfte und zwei Dritteln seiner Wählerschaft (je nachdem, wie man die DVP einordnet) an die Nazis verlor, kann man das kaum als vergleichbar stabil bezeichnen.
 
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Da bin ich anderer Meinung, das NSDAP-Ergebnis in Baden war gemessen am Katholiken-Anteil definitiv zu hoch, wenn man alles an der Konfession festmachen wollte, wie Dion es gern möchte.

Doch, @Nikias, hier gibt’s User, die in diesem Zusammenhang immer wieder die Rolle der Religion kleinzureden versuchen und deswegen einen Satz wie deinen über das protestantische Bürgertum nicht werden gelten lassen.

Diskutiert das doch bitte untereinander aus, dann müssen @Nikias und ich nicht immer als Strohmänner für Meinungen herhalten, die wir gar nicht geäußert haben.


Zur "Anomalie" Württemberg; das Stichwort hatte ich von Weber übernommen; es gibt aber auch bei Falter/Bömermann eine interessante Statistik, die für das Zentrum in Württemberg tatsächlich eine nachweisbare Anomalie belegt: Die Ausschöpfungsquote des Zentrums, d. h. der Anteil an Katholiken, die das Zentrum wählten, war in Württemberg deutlich höher als im Reichsdurchschnitt. In Baden pendelte er um den Reichsdurchschnitt. Ich nenne die Zahlen ab 1930:

1930:
Reich: 35,4%
Baden: 39,1%
Württemberg: 50,9%

Juli 1932:
Reich: 41,3%
Baden: 39,8%
Württemberg: 50,9%

November 1932:
Reich: 37,8%
Baden: 35,7%
Württemberg: 44,5%

März 1933:
Reich: 38,6%
Baden: 37,4%
Württemberg: 46,0%
 
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