(Vor)Urteile und populäre Ansichten zum schulischen Geschichtsunterricht

Sepiola

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Mag sein, dass in der Schule jetzt weniger auf Daten, Kriege und Könige etc. eingegangen wird, aber früher war es definitiv so: Kann noch heute z.B. sagen, wann der Peloponnesischer Krieg stattfand oder wann Alexander der Große gestorben ist. :p
Wann wurde(n) Dein(e) Geschichtslehrer ausgebildet? in den 1940er/1950er Jahren? Geschichtsdidaktik, die auf dem Einpauken von Jahreszahlen, Kriegen und Königen basiert, ist doch schon lange passé.
 
Wann wurde(n) Dein(e) Geschichtslehrer ausgebildet? in den 1940er/1950er Jahren? Geschichtsdidaktik, die auf dem Einpauken von Jahreszahlen, Kriegen und Königen basiert, ist doch schon lange passé.
Trotzdem hört man von Schülern immer wieder, Geschichtsunterricht sei ja nur das Einpauken von Jahreszahlen. Fragt sich, ob das Erfahrung ist oder nachgeplappert.
 
Trotzdem hört man von Schülern immer wieder, Geschichtsunterricht sei ja nur das Einpauken von Jahreszahlen. Fragt sich, ob das Erfahrung ist oder nachgeplappert.
Ich kann mich noch erinnern, dass mir vor der ersten Geschichtsstunde graute. Weil ich bis dahin geglaubt hatte, bei Geschichte ging es um das Auswendiglernen von Jahreszahlen. Und ich war dann angenehm überrascht, dass das dann gar nicht der Fall war.
Wann Alexander der Große gestorben ist, weiß ich übrigens bis heute noch nicht auswendig, da müsste ich nachschauen. (Ich kann es immerhin grob abschätzen - dank dem doofen, aber unsterblichen Spruch "3-3-3, bei Issos Keilerei".)
 
Was man ja auch immer wieder hört von Schülern und Schulabgängern ist:
- der Nationalsozialismus wird/wurde in der Schule ad nauseam behandelt
- der Nationalsozialismus wird/wurde in der Schule kaum behandelt

Zumindest die eine Sichtweise (ad nauseam, zu ausgiebig) ist natürlich eine Frage der subjektiven Wertung, wie auch immer diese zustande kommt. Die andere Sichtweise, dass er kaum behandelt würde kann man als subjektiven Wertung aber auch durchaus objektiv wahrgenommen verstehen. Jemand, dem es - aus welchen Gründen auch immer - wichtig ist, den Nationalsozialismus eingehender zu behandeln, würde vielleicht, obwohl er curriculumsgerecht behandelt wurde (im Geschichts-, Deutsch-, Philosophie-, Religions-, Ethik- etc. -unterricht) der Meinung sein, dass er kaum behandelt wurde, obwohl das objektiv nicht richtig ist, das wäre also eine subjektive Wahrnehmung. Ein objektive Wahrnehmung wäre es denn, wenn die NS-Zeit tatsächlich, objektiv messbar, kaum behandelt worden wäre. Interessant wäre es zu sehen, ob die widersprüchlichen Aussagen (ad nauseam vs. kaum) vielleicht sogar von Schülern, die zusammen in die gleichen Klassen und Kurse gegangen sind, getätigt wurden.
 
Wann wurde(n) Dein(e) Geschichtslehrer ausgebildet? in den 1940er/1950er Jahren?
Ja, es gab 2 alte Lehrer, die könnten in der Zeit ausgebildet worden sein. Wir hatten gegen Ende auch eine junge Lehrerin, frisch von der Uni, die wir als 16/17-jährige leider nicht ernst nahmen. Mitunter waren wir echt grausam zu ihr, sie lief x-mal zum Rektor deswegen - da habe ich mir den einzigen Verweis meiner Schulzeit eingehandelt. :(

(Ich kann es immerhin grob abschätzen - dank dem doofen, aber unsterblichen Spruch "3-3-3, bei Issos Keilerei".)
Den kennt wohl jeder.
 
Trotzdem hört man von Schülern immer wieder, Geschichtsunterricht sei ja nur das Einpauken von Jahreszahlen. Fragt sich, ob das Erfahrung ist oder nachgeplappert.

Wahrscheinlich eher nachgeplappert, ich kannn das aus meinen Erfahrungen heraus jedenfalls nicht bestätigen, sondern würde glatt ins andere Extrem verfallen und eher behaupten wollen, dass auf das Lernen von Daten viel zu wenig Wert gelegt wird, was es schwieriger macht Ereignisse im größeren Zusammenhang zu betrachten, weil dem durchschnittlich interessierten Schüler da sicherlich einfach die Vorstellung des zeitlichen Zusammenhangs etwas abhanden kommt.
 
Zu den beliebtesten Vorurteilen zählt "wozu soll ich das lernen, das kann ich später, wenn ich wie mein Vati Ingenieur oder Arzt bin, überhaupt nicht brauchen", und dieses betrifft auch das Fach Geschichte. Nett hierbei ist, dass man Mofa und Auto fahren auch lernen muss und das sogar gerne und freiwillig tut, ohne diese Fertigkeiten zwingend später als Ingenieur oder Arzt zu benötigen - ich schließe daraus, dass trotz des Lernen Müssens Schulfächer wie Mofa und Auto weniger mit ablehnenden Vorurteilen behaftet wären... ;)
 
Trotzdem hört man von Schülern immer wieder, Geschichtsunterricht sei ja nur das Einpauken von Jahreszahlen. Fragt sich, ob das Erfahrung ist oder nachgeplappert.

Individueller Bias. Schon die paar Jahreszahlen, die in jedem Geschichtsunterricht auftauchen werden, genügen, um beim uninteressierten durch die wunderbare Schulpflicht motivierten Zuhörer/Leser den entsprechenden Eindruck zu erwecken, va wenn man den Rest ignoriert, weil "langweilig!!1!"... Beim Mathe-Unterricht ist es ähnlich mit Formeln...

dank dem doofen, aber unsterblichen Spruch "3-3-3, bei Issos Keilerei".)

Was vielleicht zeigt, dass der Spruch so doof gar nicht ist... Ich mein, ich bin ja auch kein Fan vom Auswendig lernen (daran scheitert das Lernen von Fremdsprachen; ohne Vokabel auswendig lernen machts halt wenig Sinn...), aber wenn sind Reime und Rhytmus der einfachste, lange erprobte Weg...
 
Trotzdem hört man von Schülern immer wieder, Geschichtsunterricht sei ja nur das Einpauken von Jahreszahlen. Fragt sich, ob das Erfahrung ist oder nachgeplappert.
Bei mir, Baden-Wuerttemberg, Mitte 80er bis Mitte 90er, sehr laendlich, sehr konservativ, (auch) definitiv eigene Schwerpunkterfahrung. Ich hatte selbst genau einen Lehrer, der das ganze generalistischer und so mit Kontext aufgezogen hat - war den meisten anderen auch wieder nicht recht. Es gab noch einen ziemlich guten Reli/Deutsch/Geschi Lehrer, der das wohl auch ohne Jahreszahlenpauken und sehr gut gemacht hat, den hatte ich leider nie in Geschichte.

Zum Inhalt: B-W Geschichte in tres partes divisa war: Roemisches Reich - Franzoesische Revolution - Nationalsozialismus; und wenn wir damit durch waren, fingen wir von vorne wieder an (und das im Schatten der Heuneburg, von der wir im Gymie nichts wussten... :(), Schloss Sigmaringen oder Wilflingen in der Naehe, Erzberger und Elser potentielle erweiterte Lokalgroessen, nichts von all dem...
 
Meine Bewertung, basierend auf meine persönlichen, aber auch auf die meiner Kinder, gemachten Erfahrungen, fällt durchaus nicht einheitlich aus. Häufig, nicht immer, musste ich erleben, dass die Geschichtslehrer fachlich nicht immer auf der Höhe waren. Über zwei Jahre wurde ich von Geschichtsunterricht befreit; ich war dem Lehrer lästig. Ich musste nur zu den Klausuren erscheinen. Toll. Bei einen anderen Lehrer war tatsächlich das Einpauken von Jahreszahlen angesagt. Erst in der Oberstufe hatte ich einen fantastischen Geschichtslehrer, der mit großer Begeisterung sein Stoff vermittelte. Der Unterricht bei ihm hat sehr viel Spaß gebracht.

Mein Sohn hatte beispielsweise eine Lehrerin, die die Römer schon fast verherrlichte und natürlich waren die Karthager die bösen Jungs, die die Punischen Kriege losgetreten haben. Mein Sohn war einigermaßen irritiert, da ich ihm etwas anderes erzählt hatte. Nachdem ich mich mit der Lehrerin unterhalten hatte, gab es Kommando zurück und nun waren auf einmal die Römer die bösen Jungs.:confused:
 
Nun, meiner Erfahrung nach, wird auf Daten zu wenig wert gelegt. Ich meine jetzt nicht Regierungsdaten, sondern einen gewissen Rahmen. Also z.B. Thesenanschlag, Westfälischer Friede und dazwischen noch der Augsburger Religionsfriede. Dazu einige sehr wichtige Daten, etwa die Kaiserkrönung Karls des Großen oder das Mainzer Hoffest. Ohne Rahmen gibt es kein Geschichtsbild. Und mit den zusätzlichen wichtigen Daten wird es einfacher mit dem Einordnen.

Zu meiner Zeit war das jedenfalls noch im Lehrplan vorgesehen und in den Geschichtsbüchern über kurze Listen umgesetzt. Besser wäre es natürlich gewesen, das im Deutschunterricht beim Thema Mnemotechnik zu behandeln, indem die passende Datenliste genommen worden wäre. Aber im Deutschbuch waren natürlich Lebensdaten von Dichtern und so, was nun wirklich Selbstzweck war.

Ein gewisser historischer Datenrahmen hingegen ist notwendig, um ein Geschichtsbild zu entwickeln, was zwar fachlich nicht so wichtig ist, da jedes Problem in seiner Zeit betrachtet wird, aber für die Erziehung zum mündigen Staatsbürger unerlässlich.
 
Mein Sohn hatte beispielsweise eine Lehrerin, die die Römer schon fast verherrlichte und natürlich waren die Karthager die bösen Jungs, die die Punischen Kriege losgetreten haben.
Das war auch bei mir der Fall: Römer hätten alles richtig gemacht und vor allem menschenopferndes Karthago vernichtet. Nur Hannibal kam gut weg, weil er so ein hervorragender Kriegsstratege war.
 
die letzten Beiträge erzählen davon, was vor mehr oder weniger langer Zeit bei einzelnen Teilnehmern im schulischen Geschichtsunterricht behandelt wurde - Pardon, so interessant das sein mag, vermisse ich die (Vor)urteile & populären Ansichten.

Ich erinnere mich an nur sehr weniges aus meinem Geschichtsunterricht... ich hatte mich, als es losging mit dem Fach Geschichte, eigentlich darauf gefreut, weil mich (wie wohl auch viele Knaben in diesem Alter) Ritter, Römer, Germanen, Wikinger, Kreuzzüge, Burgen, Kastelle interessiert hatten, aber das Schulfach fand ich dann eher enttäuschend, weil meine Interessen da nicht im Vordergrund waren. Mein "Vorurteil" war, dass das Fach Geschichte Burgenbau, Kettenhemden, Schwerter, Topfhelme usw ausführlich behandeln müsse, was dann nicht im von mir gewünschten Ausmaß stattfand ;):D stattdessen griechische Polis, Demokratie, 333 (was juckten mich die attischen Loser, die doch sowieso später von den viel interessanteren römischen Legionen besiegt wurden), statt Burgen und Schwertern irgendwelche Feinheiten bzgl Investiturstreit und Päpsten...
 
Als ich in die Schule ging (Gymnasium) war Geschichte ein Nebenfach. Wir bekamen jedes Jahr einen anderen Lehrer. Der fing immer in der Epoche, die an der Reihe war, vorn an, bis er zu dem Punkt kam, der ihm besonders wichtig war. Der wurde dann bis zum Ende des Schuljahrs behandelt. Mit dem neuen Lehrer entstand ein Loch. So hatte ich ein Loch zwischen Konstantin und Karl dem Großen, Friedrich II und Kolumbus, Ende des 30jährigen Krieges und der französischen Revolutiom.
Das dritte Reich und der Nationalsozialismus wurden jedes Jahr in irgendeinem Fach behandelt, ich bin sogar bei einer Sitzung des Auschwitz-Prozesses mit meiner Klasse dabeigewesen.
Zahlen sollte man zwar lernen, es gab dazu sogar ein von den Lehrern der Schule zusammengestelltes Heftchen, welche bis zur Untersekunda gekonnt werden müssten, aber überprüft hat das am Ende niemand.
Erinnern kann ich mich vor allem an einen Lehrer, der zu Beginn jeder Stunde zum Spiegel über dem Waschbecken ging, und seine Kravatte richtete. Den hatten wir auch abwechselnd in Erdkunde.
 
die letzten Beiträge erzählen davon, was vor mehr oder weniger langer Zeit bei einzelnen Teilnehmern im schulischen Geschichtsunterricht behandelt wurde
Ursprünglich standen die Beiträge im Thema "Sind TV-Dokumentationen historisch korrekt?" Davon hat sie ein fleißiger Moderator abgetrennt. Und nun arbeiten wir dran, den Moderator auf Trab zu halten.

Also wohlan, jetzt bin ich mal dran, zu erzählen, was mir vor schon längerer Zeit im Geschichtsunterricht erzählt wurde. Mein erster Geschichtslehrer (er ist schon längst pensioniert) hat mir das Gegenteil von dem erzählt, was anscheinend Dion und Turgots Tochter gehört haben:
Das war auch bei mir der Fall: Römer hätten alles richtig gemacht und vor allem menschenopferndes Karthago vernichtet.

Von den wirklich wenigen Dingen, die ich noch in lebhafter Erinnerung habe, ist, dass uns der Geschichtslehrer davor gewarnt hat, den römischen Geschichtsschreibern auf den Leim zu gehen, wenn sie den Eindruck erwecken, es seien immer die bösen Nachbarn gewesen, die das friedliebende Rom in schlimme Konflikte verwickelt hätten.
 
Zu den beliebtesten Vorurteilen zählt "wozu soll ich das lernen, das kann ich später, wenn ich wie mein Vati Ingenieur oder Arzt bin, überhaupt nicht brauchen", und dieses betrifft auch das Fach Geschichte. Nett hierbei ist, dass man Mofa und Auto fahren auch lernen muss und das sogar gerne und freiwillig tut, ohne diese Fertigkeiten zwingend später als Ingenieur oder Arzt zu benötigen - ich schließe daraus, dass trotz des Lernen Müssens Schulfächer wie Mofa und Auto weniger mit ablehnenden Vorurteilen behaftet wären... ;)

na, vielleicht wirst Du Landarzt, dann brauchst Du eventuell das Auto durchaus ;)
 
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