Die Logik finde ich überzeugend. Man nimmt die wesentlichen Weichenstellungen, die zum modernen Europa führten - und dann eine "wesentliche" Schlacht als Symbol. Denn natürlich sind z. B. Granikos und Issos ähnlich wichtig wie Gaugamela - Alexander mußte alle drei gewinnen, sonst wäre er wohl gescheitert.
Selbst für den großen Alexander ist bei einer Begrenzung auf 10 Schlachten nicht mehr als eine drin. Welche war die entscheidende? Gaugamela, weil da das Perserreich geschlagen wurde, in allen weitern Feldzügen stand die Existenz des Reiches von Alexander nicht mehr auf dem Spiel.
Dito ist die Bedeutung von Zama per se eigentlich überschaubar, da war Karthago eigentlich schon geschlagen. Und überhaupt hing die römische Expansion (auch gegenüber Karthago) nie daran, eine Entscheidungsschlacht zu gewinnen - sondern an der römischen Fähigkeit, so lange weiterzukämpfen und auch Niederlagen wegzustecken, bis dann ein Sieg kam. Aber ein Symbol für die militärische Expansion Roms muß natürlich dabei sein, da ist Zama geeignet.
Ich finde Cannae auch "schöner". Aber gesiegt hat letztendlich Rom. Hannibal sollte in der Aufzählung auch auftauchen, da hat sich eben Zama angeboten.
Dann aber muß die Varusschlacht in die Liste. Nicht nur, daß Quijote ein wichtiges Argument geliefert ;-). Sondern die symbolisiert natürlich, daß die Germanen eben nicht wie die Kelten ins römische Reich integriert wurden. Und die weitere Entwicklung Europas wird eben vom Zusammenwirken germanischer und romanischer Völker geprägt.
Ja wäre denn wirklich ganz Germanien unter römischer Herrschaft gefallen? Wohl kaum. Die Auswirkungen der varusschlacht waren nach meiner bescheidenen Ansicht größer im 19. Jahrhundert (Bildung eines deutschen Nationalbewußtseins mit Varusschlacht als Gründungsmythos) als im 1.
Adrianopel dagegen halte ich eher für verzichtbar. Eher würde ich da die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern nehmen. Da verteidigen Germanen und Romanen gemeinsam die Reste des weströmischen Reichs und damit die Möglichkeit, daß sich daraus das "christliche Abendland" entwickelt.
Für Rom habe ich zwei Schlachten reserviert. Die zweite sollte das Ende des Weströmischen Reiches symbolisieren. Und das war schwierig, bei Adrianopel hatte ich auch kein richtig gutes Gefühl. Es kämen auch andere in Frage. Aber richtig gapasst hat mir keine, der Untergang läßt sich hier wohl nicht an einer einzelnen Schlacht festmachen, auch nicht als Symbol.
Tours steht natürlich für die weitere Verteidigung dieses Kerneuropas gegen die nächste Herausforderung. Man könnte auch die Schlacht auf dem Lechfeld dafür nehmen. Eine Entsprechung für die Abwehr der Wikinger ist nicht so leicht zu finden, vielleicht Edington 878.
Sehr schön, an Lechfeld habe ich auch gedacht, aber der Islam war gefährlicher, deshalb Tours. Lechfeld wäre aber sicherlich in der TOP20-Liste gelandet. Nach meiner Ansicht wichtiger als die Varusschlacht, Otto konsolidiert seine Herrschaft, wird zum Kaiser gekrönt, Byzanz erkennt diese Kaiserwürde an, hier wird Deutschland geboren, nicht im Teutoburger Wald.
Der Fall Konstantinopels dagegen halte ich für nicht ganz so wichtig. Obwohl ich die Rolle von Byzanz generell für unterschätzt halte und indirekte Folgen (Renaissance) diskutiert werden können. Aber letztlich gehörte Byzanz nicht wirklich zu der Region, aus der das heutige Europa bestand. Und für seinen Niedergang wäre eher Manzikert repräsentativ.
Konstantinopel war für die Türken das Tor nach Europa. Der Kampf an sich war wohl nicht so beeindruckend, es sollen weniger als 10.000 Mann Konstantinopel verteidigt haben. Aber die Folgen waren doch gewaltig , für die nächsten 250 Jahre hing der türkische Krummsäbel über Europa.
Kahlenberg (oder Lepanto) wäre dann die Abwehr der Türken, auch sehr wichtig.
Kahlenberg wichtiger, da es danach keine türkische Expansion mehr gab. Es ging nur noch zurück für die Türken. Also schön symbolträchtig, von der Größe der streitenden Armeen auch beeindruckend, für mich ein 1A-Kandidat für die TOP10. Da hatte ich keine Zweifel.
Und dann wäre m. E. noch eine Schlacht aus der Reconquista dazu zu nehmen (Quijote: Was wären denn da die Kandidaten?).
Die Reconquista halte ich für ganz zentral für die europäische Geschichte, da wird (letztlich in einer gemeinsamen Anstrengung der christlichen Völker) die islamische Expansion umgekehrt, und der Schwung dieses Erfolgs trägt dann weiter in die Zeit der Entdecker und der Eroberung Amerikas.
In der Tat, wichtige Ereignisse, und die Eroberung von Granada (1492) hätte sich auch angeboten. Doch welche von den anderen lasse ich dafür weg? Habe mit mir gerungen in der Sache.
Das sind jetzt alles Punkte, wo Europa sich gegen außen behauptet.
Dagegen könnte man argumentieren, daß die inner-europäische Machtverteilung zweitrangig ist. Ob nun im 100-jährigen Krieg Engländer oder Franzosen sich durchsetzen, oder bei der Armada Spanien oder Engländer, oder bei Bouvines Staufen oder Welfen, oder im siebenjährigen Krieg Engländer/Preußen oder Franzosen/Österreicher ...
Richtig, von diesem Gedanken habe ich mich leiten lassen, habe auch an den 100-jährigen Krieg gedacht und die Armada. Auch was aus den Religionskriegen hätte ich gern drin gesehen, Wallenstein gegen Gustav Adolf wäre schön. Aber die Behauptung Europas nach außen war für mich dann doch wichtiger.
Um das weiterzuführen: Plassey steht als Symbol dafür, daß Indien von den Europäern erobert wurde. Das war einschneidend für die europäische und die Weltgeschichte. Daß nun aber durch irgendwelche Schlachten Friedrich des Großen letztlich die Briten in Indien herrschten und nicht die Franzosen - das war wohl weniger wichtig.
Nach dieser Logik müßte man Fragezeichen an Leipzig, die Marne und Moskau setzen. Für die Frage der inner-europäischen Machtverteilung waren sie nicht wesentlicher als Crécy, Pavia, Höchstädt, Lützen, Roßbach oder Sedan - um einfach mal einige wichtige Namen zu nennen.
Ja, da war ich dann nicht mehr konsequent. Ob nun Napoleon wirklich mit aufgenommen werden muss, man könnte vielleicht darauf verzichten. Aber nach Napoleon oder wegen Napoleon kam der Wiener Kongress, bis zum 1. Weltkrieg hat sich danach wenig an den Grenzen Europas geändert (außer Sedan und den Folgen, ja, auch so ein Wackelkandidat). Und wenn man zwischen den Schlachten Napoleons wählen muss, dann nehme ich die Schlacht bei Leipzig, da war wohl noch alles offen für die Franzosen. Und auch die Größe der Armeen beeindruckend, Völkerschlacht eben, gehört in die TOP10.
Aber aus den beiden Weltkriegen musste auf jeden Fall mindestens jeweils eine Schlacht rein. Marne, weil dort der Bewegungskrieg erstarrte, außerdem war die Westfront die wichtigste. Danach siegte die materielle Überlegenheit der Alliierten.
Was mich immer ärgert, die Unterschätzung der Bedeutung der Ostfront im zweiten Weltkrieg für den europäischen Kriegsschauplatz. Der Zweite Weltkrieg in Europa war zu 90% der Kampf zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion. Wenn man die Anzahl der beteiligten Soldaten und die Kampdauer multipliziert, dann war die Landung in der Normandie nicht größer als der Warschauer Aufstand 44. Die Operation Begration (Vernichtung der Heeresgruppe Mitte in Weißrussland 1944 war danach größer als alle Unternehmen der übrigen Alliierten in Europa zusammen genommen.