1492: Infektionskrankheiten, eine Einbahnstrasse?

Zitat aus dem von @El Quijote verlinkten Artikel:

Mehr als zwei Drittel aller Virenerkrankungen des Menschen haben ihren Ursprung in den Tieren.
(…)
"Wir haben beobachtet, dass bei einem speziellen Vogelvirus nur ein einzelnes Gensegment ausgetauscht werden muss, und schon kann es sich in anderen Tieren und im Menschen vermehren", sagt Pleschka.


Da die Kreuzung von Viren zufällig und ohne Regeln erfolgt, sei es jedoch unwahrscheinlich, dass genau dieses Segment ausgetauscht wird. Das Risiko einer Antigenshift ist jedoch vor allem dann sehr hoch, wenn Tiere und Menschen auf engem Raum leben. Das erleichtert es den Viren, sich zu verbreiten und untereinander zu vermischen.

In Gegensatz zu den Ureinwohnern Nordamerikas, lebten Europäer hauptsächlich von der Landwirtschaft und Viehzucht. Und das auf engem Raum.

Noch im 20. Jahrhundert lebten in Europa Bauern vielfach Tür an Tür mit ihren Tieren: Von der Küche in den Stall. Knechte schliefen sogar im Stall – meist im Heu über den Rindern –, weil es dort durch die Tiere immer warm war. Hier ein Grundriss eines solchen Hauses: MZA 251 Bauernhaus und Bauernhof im märkischen Sauerland | marsLWL

Solche Bauernhäuser gab es auch anderswo – z.B. auch in Bayern (Museum Amerang).
 
Sogar Malaria und Gelbfieber gelangten erst nach 1492 nach Amerika. Beide Infektionen werden ausschließlich durch Insektenstiche übetragen. Es wird vermutet, dass beide Erkrankungen bereits im 16. Jahrhundert durch den Sklavenhandel eingeschleppt wurden.
Selbst die Zika-Fieber-Epidemie in Südamerika von 2015/2016 ist auf ein Virus aus Afrika oder Asien zurückzuführen.

Es scheint fast so, als die amerikanischen Mosikitos in präcolumbianischer Zeit beinahe steril gewesen.

Ich habe bis jetzt von keiner einzigen gefährlichen Infektionskrankheit gelesen, die ursprünglich aus Amerika stammt. Dass die Syphilis aus Südamerika stammt, scheint verworfen zu sein.

Gerade das tropische Afrika spielt als Herkunftsgebiet von Infektionskrankheiten eine enorm große Rolle. Ein Grund könnte die große Vielfalt an Säugetieren in Afrika sein. Das könnte sich auch auf die Keimbelastung bei den Blutsauger auswirken, aber das ist nur meine Vermutung. Gerade in Südamerika gibt es kaum einheimische große Säugetiere.

In Gegensatz zu den Ureinwohnern Nordamerikas, lebten Europäer hauptsächlich von der Landwirtschaft und Viehzucht. Und das auf engem Raum.
Gerade die traditionelle Haltung der Meerschweinchen in Südamerika ist nich ohne. Die Tiere laufen wie schon zur Zeit der Inkas lose in der Küche herum.
 
In Gegensatz zu den Ureinwohnern Nordamerikas, lebten Europäer hauptsächlich von der Landwirtschaft und Viehzucht. Und das auf engem Raum.
Vorsicht, Landwirtschaft (Agri- und Hortikultur) wurde praktisch im gesamten Osten der heutigen USA betrieben, ebenso an der Westlüste und im Südwesten der USA; die Plainskulturen die unser Indianerbild so prägen, sind ein Resultat der Kolonisierung, nämlich dass die Indianer plötzlich Pferde zur Verfügung hatten und vertrieben wurden (Push-Faktor, Migrationsdruck).
 
Krankheiten können sich relativ schnell entwickeln und brauchen keine Jahrtausende. Die Masern, die schätzungsweise für 25% der Opfer unter den Amerikanern verantwortlich war, war in der Antike wohl unbekannt und taucht erst um 800/900 auf.

So genau weiß man das nicht, seit wann es Masern gibt. Sie sind auch ein (Außenseiter-) Kandidat für den Erreger der Antoninischen Pest. Bei historischen Berichten über Krankheiten ist es oft sehr schwer sicher festzustellen, um welche Krankheit es sich tatsächlich gehandelt hat. Genetische Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Masern im 6. Jahrhundert v. Chr. entstanden sein könnten.

Die Pocken sind vermutlich etwa 12.000 Jahre alt.

Für viele Viruserkrankungen wie Gelbfieber, Dengue oder Zika ist die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) der hauptsächliche Überträger. Laut deutscher Wikipedia ist diese Mücke speziell an den Menschen angepasst und bevorzugt diesen als Wirt. Das sind dann natürlich bessere Bedingungen für die Entstehung von Krankheiten, die sich innerhalb der menschlichen Populationen ausbreiten können, als wenn der Mensch nur seltener Wirt einer Mückenart ist. Dann können sich Menschen immer wieder mal mit in Tieren zirkulierenden Krankheiten infizieren, aber die Wahrscheinlichkeit für eigenständige Infektionsketten innerhalb der menschlichen Populationen und damit die Entstehung einer speziell an den Menschen angepassten Krankheit ist deutlich geringer.

Eine vergleichbare an den Menschen angepasste Mücke gab es vermutlich in Amerika bis zur Verbreitung der Gelbfiebermücke nicht, weil die Zeit für die Evolution einer solchen Mücke nicht ausreichte.

Es ist letzten Endes auch eine Sache der Wahrscheinlichkeit. Eine Krankheit wie Masern, Pocken oder Gelbfieber hätte vermutlich auch auf dem amerikanischen Doppelkontinent entstehen können.

Die Wahrscheinlichkeit dafür war aber aufgrund der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit und den anderen genannten Gründen, wie weniger Haustiere, deutlich geringer.

Ein weiterer Punkt ist vielleicht auch noch, dass es in Amerika wohl weniger etablierte überregionale Handelsrouten als in der Alten Welt gab. Dadurch war auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich entstehende Krankheiten überregional ausbreiten, bevor sie (im Menschen) wieder aussterben.
 
Ich habe bis jetzt von keiner einzigen gefährlichen Infektionskrankheit gelesen, die ursprünglich aus Amerika stammt. Dass die Syphilis aus Südamerika stammt, scheint verworfen zu sein.

Ich hatte als Beispiel schon die Chagas-Krankheit genannt. An der sterben je nach Quelle jährlich etwa 10 bis 15.000 Menschen, daher würde ich sie schon als gefährlich bezeichnen.

Auch die Lyme-Borelliose ist wohl in der Neuen Welt entstanden.

Eine sehr gefährliche und oft tödlich verlaufende, aber zum Glück nicht sehr häufige Krankheit, die auf Nordamerika und Teile Südamerikas beschränkt ist, ist das Rocky-Mountain-Fleckfieber, das durch Zecken übertragen wird.

Es gibt auch noch weitere durch Zecken übertragende Krankheiten wie das Pacific Coast tick fever.

Chagas-Krankheit – Wikipedia
Rocky Mountain spotted fever - Wikipedia
Lyme disease - Wikipedia
Pacific Coast tick fever - Wikipedia
 
Ein weiterer Punkt ist vielleicht auch noch, dass es in Amerika wohl weniger etablierte überregionale Handelsrouten als in der Alten Welt gab. Dadurch war auch die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sich entstehende Krankheiten überregional ausbreiten, bevor sie (im Menschen) wieder aussterben.
Es gab natürlich kein Rad, bzw. die nachgewiesenen Räder aus den Amerikas waren Spielzeug o.ä. aber es gibt schon alte Indianerwege und sicher wurde auch über die großen Flusssysteme (Amazonas, Orinoco, Missouri, Mississipi) gehandelt. Die Inka hatten eine riesiges Straßensystem und Lamas als Packtiere, das ist ähnlich einem Maultier, vielleicht ein wenig schwächer.
Das Handel zwischen Mesoamerika und dem Andenraum stattfand, lässt dich daran ermessen, dass ein europäischer Hut in einem Grab gefunden wurde, welches vor der Conquista von Perú datiert ist, sprich, dieser Hut muss zwischen 1492 und 1529 von Indigenen von hüben nach drüben verbracht worden sein.
 
Bereits der jüngsteinzeitliche Alpinist Ötzi war mit Lymne-Borelliose infiziert. Dieser Keim ist also gewiss nicht aus Südamerika eingeschleppt.

Die Chagas-Krankheit stammt tatsächlich aus Mittel- und Südamerika. Dass sich diese Krankheit nach Nordamerika oder Europa ausbreiten könnte, ist bis jetzt allerdings nur eine schreckliche Zukunftsvision.

Der Handel zwischen Mittelamerika und Südamerika sorgte auch dafür, dass die europäischen Seuchen das Inka-Reich noch vor den Conquistadoren erreichten. Dieser europäische Hut im Grab könnte sogar auf die Todesursache des Indios verweisen. Vielleicht hatte er sich beim Hutverkäufer mit einer tödlich verlaufenden Krankheit infiziert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bereits der jüngsteinzeitliche Alpinist Ötzi war mit Lymne-Borelliose infiziert. Dieser Keim ist also gewiss nicht aus Südamerika eingeschleppt.

Das jetzt Ötzi auch schon Borreliose hatte, wusste ich nicht (oder habe es vergessen, falls ich es schon mal gelesen habe), aber es scheint doch etwas komplizierter zu sein. Zum Einen ist wohl nicht wirklich sicher, ob Ötzi wirklich mit Borrelia burgdorferi oder einer anderen Borrelia-Art infiziert war.

Und nach Hoen, Fish et al. soll es Borrelia burgdorferi vermutlich schon seit vielen tausend Jahren in Nordamerika gegeben haben:

"Estimates of the time scale of divergence of northeastern and midwestern populations suggest that B. burgdorferi was present in these regions of North America many thousands of years before European settlements. We conclude that B. burgdorferi populations have recently reemerged independently out of separate relict foci, where they have persisted since precolonial times."

Phylogeography of Borrelia burgdorferi in the eastern United States reflects multiple independent Lyme disease emergence events - PMC (nih.gov)


Die Chagas-Krankheit stammt tatsächlich aus Mittel- und Südamerika. Dass sich diese Krankheit nach Nordamerika oder Europa ausbreiten könnte, ist bis jetzt allerdings nur eine schreckliche Zukunftsvision.

Zumindest wenn man Mexiko zu Nordamerika zählt, ist die Chagas-Krankheit auch dort endemisch. Die meisten Erkrankten in den USA sind Einwanderer, aber auch dort soll es gelegentlich zu Übertragungen kommen.

In Spanien sollen immerhin etwa 50-70.000 an Chagas Erkrankte leben. Außerhalb Amerikas gibt es allerdings wohl nur Übertragungen von der Mutter auf ihre Kinder über die Plazenta oder Muttermilch oder sehr selten durch Bluttransfusionen.
 
Es gab natürlich kein Rad, bzw. die nachgewiesenen Räder aus den Amerikas waren Spielzeug o.ä. aber es gibt schon alte Indianerwege und sicher wurde auch über die großen Flusssysteme (Amazonas, Orinoco, Missouri, Mississipi) gehandelt. Die Inka hatten eine riesiges Straßensystem und Lamas als Packtiere, das ist ähnlich einem Maultier, vielleicht ein wenig schwächer.
Das Handel zwischen Mesoamerika und dem Andenraum stattfand, lässt dich daran ermessen, dass ein europäischer Hut in einem Grab gefunden wurde, welches vor der Conquista von Perú datiert ist, sprich, dieser Hut muss zwischen 1492 und 1529 von Indigenen von hüben nach drüben verbracht worden sein.

Ich denke, es ist da wohl ähnlich, wie mit den meisten anderen Dingen, die die Entstehung von Krankheiten oder ihre Verbreitung begünstigen. Es gibt sie auch in Amerika, aber in geringerem Umfang als in der Alten Welt. Beim Reisen muss man vielleicht noch berücksichtigen, dass es durch das Fehlen von Zug- und Reittieren für Leute, die schon krank waren, besonders schwer war zu reisen.
 
Beim Reisen muss man vielleicht noch berücksichtigen, dass es durch das Fehlen von Zug- und Reittieren für Leute, die schon krank waren, besonders schwer war zu reisen.

Eigentlich sind die Erkrankten für die Verbreitung von Infektionskrankheiten nicht "gefährlich", sondern die, die trotz Ansteckung nicht erkrankt sind. Haben wir ja grade auch alle erlebt.
 
Bereits der jüngsteinzeitliche Alpinist Ötzi war mit Lymne-Borelliose
ist wohl nicht wirklich sicher, ob Ötzi wirklich mit Borrelia burgdorferi oder einer anderen Borrelia-Art infiziert war.
Da wären jeweils Quellen hilfreich.
Denke aber, dass der Befund umstritten ist, wie Nikias sagt.
Der Mann aus dem Eis - Die Pathologie
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Wenn ich den Jared Diamond richtig wiedergebe, den ich vor vielen Jahren las, dann war es insbesondere beim Nordamerikanischen Kontinent so, dass entlaufene Schweine als stark invasive Spezies Nordamerika noch vor den menschlichen Europäern eroberten.
(Das gilt auch für Pferde, die in Amerika nicht vorhanden waren.)
Damit kamen auch die eurasischen Krankheiten vor den menschlichen Eroberern an und bewirkten ein Verheeren weit größer als die Pest im 14. Jahrhundert in Europa. Liegt beim letztgenannten Ereignis die Sterberate bei ca. 40%, so liegt diese in Nordamerika bei 90%+.
Eine Bevölkerung, die sich der Eroberer erwehren muss, wird von Wellen entsetzlicher Seuchen heimgesucht, gegen die der Aggressor weitgehend immun ist.

Eigentlich sind die Erkrankten für die Verbreitung von Infektionskrankheiten nicht "gefährlich", sondern die, die trotz Ansteckung nicht erkrankt sind.
Das stimmt nur bedingt und gilt nicht für besonders aggressive Formen.
(Es würde mich interessieren was @Pardela_cenicienta dazu sagen kann.)
 
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