18. Jahrhundert, größte Unterschiede zu heute?

J

Jahrhundertzeit

Gast
Die Frage mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber:
Wenn ihr heute einer Person aus dem 18. Jahrhundert die Gegenwart erklären müsstet, abgesehen von der Technik und politischen Details, welche Unterschiede würdet ihr als erstes erwähnen?

Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.
 
Die Frage mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber:
Wenn ihr heute einer Person aus dem 18. Jahrhundert die Gegenwart erklären müsstet, abgesehen von der Technik und politischen Details, welche Unterschiede würdet ihr als erstes erwähnen?

Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.
Na, ja, so wirklich sehe ich da keine Unterschiede.
Es hinge sicher vom Gesprächspartner aus dem 18. Jahrhundert ab. Mal von den revolutionären technischen Entwicklungen abgesehen fühlte sich sicherlich ein Talleyrand von seinen Vorstellungen zu einer konstitutionellen Monarchie nach britischem Modell bestätigt, ein Ouvrard würde über moderne Spekulationsmöglichkeiten feuchte Augen bekommen ...

Grüße
excideuil
 
Die Frage mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber:
Wenn ihr heute einer Person aus dem 18. Jahrhundert die Gegenwart erklären müsstet, abgesehen von der Technik und politischen Details, welche Unterschiede würdet ihr als erstes erwähnen?

Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.

Die Ächtung der Sklaverei und der Gedanke der gleichberechtigten Frau sind schon mal zwei wesentliche Neuerungen.
Beachtlich ist auch die Tatsache, dass wesentliche Teile Europas mittlerweilen areligös sind.
Der Übergang vom Mythos zum Logos findet seine erfolgreiche Fortsetzung mit nicht absehbarem Ende.
 
Die Frage mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber:
Wenn ihr heute einer Person aus dem 18. Jahrhundert die Gegenwart erklären müsstet, abgesehen von der Technik und politischen Details, welche Unterschiede würdet ihr als erstes erwähnen?

Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.
Mir würde als erstes das Standesdenken einfallen, dann aber auch vieles was mit Religion zu tun hat, auch wenn das Standesdenken ein bisschen mit dem Aspekt der Religion verknüpft ist. Der Umgang mit dem Tod hat sich bspw. komplett geändert. Ebenso aber auch Taufen, Geburten etc.. Im 18.Jh. nahm, wenn man der Kritik an dem Punkt aus der Zeit glauben mag, die Zelebrierung des Wochenbetts (z.B. in Hollbergs Theaterstück zu dem Thema) überhand. D.h., dass die "Wochenbetterin" laufend Besuche erhielt, die für ihre kleinen Aufmerksamkeiten ihrerseits beschenkt werden wollten. Immer wieder taucht in den zeitgen. Satiren auf, dass sich die Ammen oder Verwandten, welche der jungen Mutter eigentlich beistehen sollten, sinnlos betranken.
Vieles, was früher Brauchtum war, ist heute verschwunden oder auf kleine Regionen in Dtl. begrenzt worden. Man denke an die vielen Hochzeitsbräuche, das damals übliche tagelange Feiern von Hochzeiten, aber auch Taufen und Beerdigungen. Dies betraf nicht nur den Hof, sondern gerade auch die Mittelschicht und die Bauern.

Im 18.Jh. existierten noch viele religiöse Traditionen, die erst mit der Spätaufklärung und teilweise erst im frühen 19.Jh. verschwanden. Es gab in kath. Ländern deutlich mehr Prozessionen und Feiertage, die dann erst mit der Zeit abgeschafft wurden.

Wichtig wäre vielleicht auch die Kluft, was die Bildung anbelangte. Man hätte im 18.Jh. noch sehr viel mehr Analphabeten gekannt. Auch wenn man dies einschränken muss. Es gab da regional enorme Unterschiede von Regionen, wo quasi nahezu jedes Kind zur Schule ging und die Lehrer relativ gut gebildet waren und anderen, wo zwar wohl schon die Schulpflicht existierte, aber die Schulen keine ausreichende finanzielle Ausstattung bekamen und entsprechend auch kein Fortschritt erzielt wurde.

Hm, ich würde wohl auch zumindest für Deutschland die Gesetzgebung erwähnen. Da hat sich viel getan. An vielen Höfen unterstanden bspw. die Höflinge einer gesonderten Rechtsprechung. Auch wurden Adlige und andere Standespersonen oftmals ungleich zum einfachen Untertan behandelt. Sie genossen Privilegien. Man müsste erwähnen, dass die vielen besonderen Gebiete wo eigene Rechtsnormen herrschten - man denke an das Palais Royale in Paris, wo die Polizei keinen Zutritt hatte und es daher teilw. hoch her ging:scheinheilig: - verschwunden sind.

Oh, also ich denke, dass sich der Mensch aus dem 18.Jh. sehr verwundern würde. Was ich zuerst erwähnen würde, hinge wohl auch stark davon ab, welcher sozialen Schicht der Mensch des 18.Jh. entsprossen wäre.
 
auch wenn es eigentlich explizit bei der Fragestellung nicht um Technik gehen soll, für mich wäre es trotzdem ein Aufhänger.

Hier mal eine (eventuell unvollständige) Liste von Erfindungen:
ERFINDUNGEN

ich würden medizinische Fortschritte am meisten interessieren
 
Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.
U.A. dass heute viele jünger wirken wollen und sich die Haare dunkel färben, sobald sie grau oder weiß werden. Im 18. Jh. wollte man offenbar durch weiße Perücken älter wirken;).

Im Bereich der Hygiene wäre der barocke Mensch wohl über das häufige Baden und Duschen unserer Zeit entsetzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hätte wohl einige Schwierigkeiten, einem Menschen des 18. Jahrhunderts unsere Gegenwart zu erklären, ohne auf Technik und Politik einzugehen.

Wenn ich erwähnte, dass in diesem Land niemand mehr verhungern muss und die Gleichheit in Sinne von Gleichwertigkeit aller Menschen unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe oder Religion gesetzlich festgeschrieben ist, empfände er dies wohl je nach eigener Herkunft als Erfüllung eines Menschheitstraumes oder ungeheuerlichen Frevel an einer vermeintlich göttlichen Ordnung.

Mentalitätsgeschichtlich ist der Bedeutungsverlust der Religion wohl kaum zu überschätzen. Die Antwort auf die Frage, ober der Mensch ein Geschöpf in Gottes Ebenbild mit unsterblicher Seele oder ein Säugetier mit großem Gehirn sei, hat recht einschneidende Konsequenzen auf das Selbst- und Weltbild.
 
Auch die Einstellung zum Krieg hat sich - zumindest in Europa - geändert: Heute werden in Europa keine Kabinettskriege mehr geführt. Auch Kriege mit begrenztem Einsatz und begrenzten Zielsetzungen gelten (zumindest für den Raum Europa; dass manche europäische Staaten noch bereit sind, solche Kriege außerhalb Europas zu führen, steht auf einem anderen Blatt) nicht mehr als akzeptabel.
 
Informationen über andere Teile der Welt sind heute allgemein zugänglich, Reisen (zumindest hierzulande) für weite Teile der Bevölkerung normal. Im 18. Jh. brauchten Nachrichten etc. noch wesentlich länger, um sich zu verbreiten, und entsprechende Medien waren nur wenigen zugänglich.
 
Die Frage mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber:
Wenn ihr heute einer Person aus dem 18. Jahrhundert die Gegenwart erklären müsstet, abgesehen von der Technik und politischen Details, welche Unterschiede würdet ihr als erstes erwähnen?

Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.

Der Unterschied zwischen dem Sein innerhalb der Gesellschaft, erklärt am Leben der Menschen, die im 18. Jahrhundert nur Leben um der Gesellschaft zu dienen, während heute der Mensch nicht mehr nur deshalb in der Gesellschaft lebt ... Unterschied im Bereich Freizeit!
 
Wenn ich mir einen "Durchschnitts-Menschen" des 18. Jhs. vorstelle, dann wäre für ihn vielleicht auch die Sparte "Freizeitgestaltung, Hobbys, persönliche Interessen, Urlaub" interessant, wofür wir Heutigen im Durchschnitt bestimmt viel mehr unseres verdienten Geldes ausgeben (können) und wofür wir uns tendenziell bestimmt auch mehr Zeit nehmen (können), als jener "Durchschnitts-Mensch" des 18. Jhs. Hängt vielleicht auch irgendwie mit Mentalität zusammen.

Edit: Hat sich mit Köbis' Beitrag überschnitten. Aber doppelt hält ja besser.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auch die Einstellung zum Krieg hat sich - zumindest in Europa - geändert: Heute werden in Europa keine Kabinettskriege mehr geführt. Auch Kriege mit begrenztem Einsatz und begrenzten Zielsetzungen gelten (zumindest für den Raum Europa; dass manche europäische Staaten noch bereit sind, solche Kriege außerhalb Europas zu führen, steht auf einem anderen Blatt) nicht mehr als akzeptabel.
Da würde mir auch sowas einfallen wie eine Art Ehrenkodex. Wenn man den anderen überfiel, so erklärte man dem Gegenüber den Krieg. Eine Praxis, die heute völlig verschwunden ist und dadurch ersetzt wurde, dass man sozusagen die andere Seite nicht anerkennt. Zum anderen setzt man sich dadurch, dass man die Kriegserklärung weglässt, nicht der Blöße aus, einen Krieg begonnen zu haben. Freilich gab es auch damals schon Mächte, die diesen Ehrenkodex missachteten und wie Preußen im Siebenjährigen Krieg nach Sachsen einfach einfielen und dann erst das Räderwerk der Kriegserklärungen ablaufen ließen. Während heute bisweilen die Kriegsführung konkret auf die Ausschaltung des gegnerischen Staatschefs angelegt ist, wurde dergleichen damals regelrecht vermieden. Es gibt immer wieder Abmachungen in der FNZ, worin geregelt wurde, dass auf den feindlichen Souverän oder sogar auf den Heerführer nicht geschossen werden sollte, damit alles weiterhin seinen "geregelten Gang" auch auf der Gegenseite gehen konnte. Dies heißt allerdings nicht, dass deswegen die Adligen/Offiziere weniger Verluste hinnehmen mussten. Viele bedeutende Feldherren wurden im Kampf getötet - bspw. General Keith bei Hochkirch (1758), Schwerin bei Prag (1757), Berwick in Philippsburg (1734) ... - oder starben in Folge einer Verwundung (Prinz Moritz von Anhalt-Dessau nach Hochkirch).

Die meisten Menschen von damals würden wohl unsere politische Partizipation aller sozialen Schichten nicht verstehen können. Damit meine ich nichtmal das Einwirken auf Entscheidungsprozesse wie durch Wahlen, Bürgerentscheide und ähnlichem, sondern schon allein das Recht über die Politik diskutieren zu dürfen. Damals verboten in vielen deutschen Staaten immer wieder Erlässe den Untertanen, egal welchen Standes, über die Staatsgeschäfte zu "raisonieren", also darüber nachzudenken und sich deswegen auszutauschen. Denn diese Domäne schien einzig und allein der Regierung vorbehalten: in erster Linie dem Herrscher bzw. in Oligarchien den Herrschenden und maximal noch dem von demselben eingesetzten Beamten- oder Beraterstab (Räte, Amtleute etc.).
 
Informationen über andere Teile der Welt sind heute allgemein zugänglich, Reisen (zumindest hierzulande) für weite Teile der Bevölkerung normal. Im 18. Jh. brauchten Nachrichten etc. noch wesentlich länger, um sich zu verbreiten, und entsprechende Medien waren nur wenigen zugänglich.
Da kommt es vor allem m.E. auf das Jahr an, aus welchem die Person stammt, der wir das erklären sollen. Die Versorgung mit Informationen über "Gott und die Welt" war in der zweiten Jahrhunderthälfte und insbesondere im letzten Viertel erheblich größer als früher. In den 1780ern kann man zumindest für die Bürgerschaft eine relativ gute Information über das Weltgeschehen vorraussetzen. Natürlich war die Perspektive auf europäische Interessen beschränkt. Aber das hat sich ja zu heute kaum geändert. Doch im letzten Viertel des 18.Jh. gab es schon selbst in kleineren Orten und nicht nur in den medialen und ökonomischen Zentren (Augsburg, Wien, Berlin, Leipzig, Köln, Frankfurt u. ä.) ein Aufblühen des Zeitungs(un)wesens und eine erstaunliche Verbreitung von Druckmedien. Die Vernetzung in Deutschland nahm rasant zu. Eines der besten Beispiele ist wohl das "Journal des Luxus und der Moden", welches Abonenten deutschlandweit hatte und wie andere Journale der Zeit auch bereits beachtliche Auflagen erreichte.
 
Man lebt und stirbt heute länger, als im 18. Jahrhundert. Als Mann kann man von einer natürlichen Lebenserwartung von 70-75 Jahren ausgehen, 80 Jahre alt zu werden, ist durchaus keine Seltenheit mehr. Frauen halten sogar noch etwas länger, haben dafür aber auch oft das Pech, 5-10 Jahre zu Tode gepflegt zu werden.
 
Man lebt und stirbt heute länger, als im 18. Jahrhundert. Als Mann kann man von einer natürlichen Lebenserwartung von 70-75 Jahren ausgehen, 80 Jahre alt zu werden, ist durchaus keine Seltenheit mehr. Frauen halten sogar noch etwas länger, haben dafür aber auch oft das Pech, 5-10 Jahre zu Tode gepflegt zu werden.
Und natürlich die Mobilität im Alter. Früher war nunmal ein Fürst, der reisen wollte, auf die wenig gefederten Kutschen oder gar aufs Pferd angewiesen. Ein Landesherr oder Beamter, der aus Staatsgeschäften oder auch nur zum Plaisir, noch unterwegs war, wurde in den Quellen oftmals extra betont. In "Rente gehen" war andererseits auch ziemlich unbekannt. Mir ist mal ein Bürgermeister untergekommen, der dann aus Altersgründen mit um die 80 von seinen Ämtern zurück trat. Aber dies scheint eine Ausnahme gewesen zu sein. Selbst ranghohe Militärs, deren Tätigkeit noch weitaus mehr physische Fitness erforderte, blieben oftmals bis ins für damalige Verhältnisse höchste Alter im Dienst - nicht selten zum Missvergnügen derjenigen, die auf ihre Stelle spekulierten. So hat der Duc de Croy die Verwegenheit besessen, sich vom Kriegsminister eine Position versichern zu lassen, dass er sie einnehmen könne, sobald diese durch das Ausscheiden (hieß wahrscheinlich Sterben) des Inhabers frei würde. Aber sowas empfand man, folgt man den Tagebucheinträgen des Herzogs, schon damals als Frechheit.
 
Die Frage mutet vielleicht ein bisschen komisch an, aber:
Wenn ihr heute einer Person aus dem 18. Jahrhundert die Gegenwart erklären müsstet, abgesehen von der Technik und politischen Details, welche Unterschiede würdet ihr als erstes erwähnen?

Wo liegt der größte Unterschied zur Mentalität des 18. Jahrhunderts.

Briso hat oben ja schon eine Reihe kluger Gedanken zu diesem Thema geäußert, denen ich voll und ganz zustimmen kann. Ergänzend möchte ich hinzufügen.

Das 18. Jahrhundert ist das Zeitalter des Absolutismus, aber auch das der beginnenden Aufklärung. Demzufolge gab es zwei sehr verschiedene Strömungen, von denen die eine, nämlich der Absolutismus, in sein glanzvolles Endstadium eintrat; die andere Strömung, nämlich die Aufklärung, war geistig der Zukunft zugewandt und brachte ein Jahrhundert später die bürgerliche Gesellschaft hervor, wie wir sie kennen. Diese bürgerliche Gesellschaft trug schließlich den Sieg über die adlige Gesellschaftsform davon.

Wer im 18. Jahrhundert Untertan eines absolutistischen Königs, Herzogs oder Fürstbischofs war, hatte untertänige Verhaltensweisen zu beachten, bearbeitete als höriger Bauer das Land eines Grundherrn oder lebte als leibeigener Landarbeiter unter größter Abhängigkeit auf einem Rittergut. Lediglich die Bürger der Reichsstädte waren dem absolutistischen Zugriff der Herrscher nicht so stark ausgesetzt wie die restliche Bevölkerung.

Das Sachsen des 18. Jhs. gibt hier ein gutes Beispiel ab. Es gab kurfürstliche Hofbedienstete, Leibeigene auf Gütern, hörige Bauern, daneben Arbeiter, die in den zahlreichen Manufakturen arbeiteten, an denen sich Bürgerliche, der Adel und der Staat beteiligt hatten. Sie stellten Gewehre, Tuche, Messing, Glas, Spiegel, Porzellan, Tapeten und Seidenwaren her. Damit befriedigten sie die Bedürfnisse des Staates und des Hofes, aber auch in steigendem Maße den "Massenkonsum". Andere arbeiteten in den so genannten "Bergfabriken", welche die Produkte des Bergbaus verabeiteten.

Es konnte allerdings auch sein, dass ein Mensch des 18. Jh. einen völlig anderen Lebenslauf hatte. Obwohl Sachsen zu den wohlhabenderen Ländern zählte, lebten viele in bitterer Armut. Kriege, Seuchen und Hungersnöte sorgten für Verelendung und Entwurzelung, sodss große Menschenmassen umherzogen, die sich durch Bettelei und Diebereien am Leben hielten. Viele davon waren obdachlos und hausten in Wäldern oder Erdgruben. Solche Zustände gelten für alle Länder des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation und wer diesem Schicksal ausgesetzt war, dem drohte ein frühes Ende in bitterstem Elend.

Eine andere Seite dieses Jahrhunderts ist die Aufklärung. Philosophen wie Immanuel Kant ermutigten die Menschen zu einer eigenständigen Denkweise, Jean-Jacques Rousseau vertrat die Meinung, dass der Staat ein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen sei, wobei Regierende und Regierte durch einen symbolischen Vertrag miteinander verbunden seien. Ein Herrscher, der seine Pflichten verletzt, würde den Vertrag brechen, sodass ihm die Untertanen weder Treue noch Gehorsam schuldeten. Letztlich konnte es nicht aubleiben, dass die Aufklärer den herrschenden Absolutismus verurteilten und fragten, ob die Fürsten alle Gewalt im Staat zu Recht besäßen. Vor allem aber bezweifelten aufgeklärte Menschen die Behauptung der Monarchen, sie seien von Gott eingesetzt und würden daher über den Gesetzen stehen.

Infrage gestellt wurden chließlich auch die Glaubenslehren der Kirche und einige bezweifelten, dass es einen Gott gebe, weil dessen Existenz geglaubt, nicht aber bewiesen werden könne. Für solche Gedanken wäre man früher als Ketzer verbrannt oder gehenkt worden.

Das 18. Jahrhundert ist daher auch die Epoche, in der sich das gesellschaftliche Leben allmählich wandelte, denn neben der höfischen Kultur des Adels trat nun die bürgerliche Kultur immer stärker hervor. Ein neues Selbstbewusstsein erfasste alle Schichten des Bürgertums, das sich in einer zunehmend kritischen Haltung gegenüber der "Obrigkeit" äußerte. In Lesegesellschaften, Akademien und Salons diskutierten gebildete Menschen die neuen Ideen vom Staat, der Gesellschaft und der Religion, unterhielten sich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und erörterten ihre Auswirkungen.

Die Menschen des 18. Jahrhunderts hatten ernste Lebenssituationen zu bewältigen, von denen wir uns heute kaum eine Vorstellung machen. Es fehlten sämtliche sozialen staatlichen Schutzschirme und ein Leben in Abhängigkeit und Armut war vielen vorgezeichnet. Allerdings gab es auch erste Ansätze einer bürgerlichen Gesellschaft, die sowohl humanere als auch rationalere und aufgeklärtere Züge trug.
 
Bis auf den Engländern wird den meisten Europäern auch die Industrie und die heute weitaus geringere ökonomische Bedeutung der Landwirtschaft ziemlich unbekannt gewesen sein. Selbst noch im späten 18.Jh. ließen sich aufgeklärte Fürsten wie Karl Friedrich von Baden von den Physiokraten zu einer stark von der Betonung der Landwirtschaft geprägten Auffassung von Ökonomie verleiten.

Gerade bei den Aspekten, die Dieter anspricht, Unfreiheit/persönliche Freiheit, sind die Unterschiede während des 18.Jh. enorm. In der 2. Hälfte des 18.Jh. setzte sich in großen Teilen Deutschlands eine Tendenz hin zur Aufhebung der Leibeigenschaft durch. Im Großen waren Österreich (1781) und Baden (1783) Vorreiter. Um 1750 wurde sie bereits auf dem Territorium der Reichsstadt Hall in Schwaben abgeschafft.
Auch die Gesetzgebung sollte zusehends einerseits verhältnismäßig gleiche Bedingungen verschaffen, was durch Reformen in Preußen (Allgemeines Landrecht) und anderen Staaten bewirkt werden sollte. Andererseits wurde es aber auch schwieriger, sich gegen Fürstenwillkür in Dtl. zu behaupten, weil vor allem die großen Fürsten immer erfolgreicher dagegen vorgingen, dass die Untertanen an den Reichsgerichten Revision einlegen konnten. Denn die Reichsgerichte galten zu Recht als verhältnismäßig neutral und waren deswegen auch von obrigkeitlicher Seite bisweilen beinahe gefürchtet. Auch schützten sie kleinere Staaten vor willkürlicher Repression durch größere Nachbarn.
Ganz beachtlich fand ich neulich, als ich eine Schrift Karl Friedrichs von Baden über die Freiheit las. Natürlich sah ein Markgraf von Baden Freiheit als etwas anderes als wir heutige oder vielleicht noch fortschrittlichere Aufklärer, aber der Gedanke an den Aspekt überhaupt, ist schon erstaunlich. Hervorgerufen wurde die Veröffentlichung dieser Ansichten Karl Friedrichs an seine Untertanen durch die vielen Freudenbekundungen in Baden über die Aufhebung der Leibeigenschaft. Allerdings war Karl Friedrich an Beliebtheit unter seinen Untertanen auch sicherlich in Dtl. eine extreme Ausnahmeerscheinung.

Zu Dieters Ausführungen über die entwurzelten Personen ist mir noch etwas eingefallen. Mir sind schon viele Steckbriefe aus der Zeit begegnet. Offensichtlich waren nicht wenige der Räuber, "Sackgreiferinnen" und ähnlichen gesuchten Personen eben aus diesem Milieu. Immer wieder werden Deserteure erwähnt, die als eine Landplage galten. Folgt man dem angegebenem Alter der Gesuchten, so wurde kaum einer über 50 und wohl fast niemand über 60. Kein Wunder bei den Lebensbedingungen der herumziehenden Verbrecher, mussten doch nicht wenige regelmäßig unter freiem Himmel schlafen oder notdürftige Unterkünfte suchen.

Durch die vielen Neuerungen, die Ideen der Physiokraten, die Fortschritte in der Gesetzgebung, zumindest eingeschränkt zunehmenden humaneren Vorgehensweisen der Obrigkeit (Abschaffung der Tortur bspw. 1767 in Baden-Durlach, größere Freizügigkeit) darf man sich aber nicht zu dem Urteil verleiten lassen, dass damit automatisch die Lebensbedingungen besser wurden. Gerade die Arbeitsbedingungen auf dem Land blieben oftmals gleich schlecht, auch wenn es bahnbrechende Erfindungen gab, welche die Arbeit vereinfacht hätten. Moderne landwirtschaftliche Geräte waren zwar den Theoretikern bekannt, wurden aber dennoch nicht eingeführt. Negativ kam hinzu, dass die Zahl der Menschen auf dem Land, die von ihren Erzeugnissen wirklich leben konnten, immer weiter zurück ging. So nahm meines Wissens in Schwaben der Anteil an Vollbauern im Vergleich zu armen Köttnern/Gärtnern, die nicht mehr von ihrem Grund und Boden leben konnten, immer stärker ab. Grund dafür war bezeichnenderweise die Aufklärung selbst. Aufklärerische Theoretiker empfahlen die Auflösung der Almenden und stattdessen die Ansiedlung von Kleinbauern, die für wenig Lohn ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen mussten.
 
Informationen über andere Teile der Welt sind heute allgemein zugänglich, Reisen (zumindest hierzulande) für weite Teile der Bevölkerung normal. Im 18. Jh. brauchten Nachrichten etc. noch wesentlich länger, um sich zu verbreiten, und entsprechende Medien waren nur wenigen zugänglich.

Information ist ein gutes Stichwort.
Überspitzt gesagt: Das Problem der damaligen Menschen war ein Mangel an Information. Das Problem der Heutigen ist das Zuviel.
 
Information ist ein gutes Stichwort.
Überspitzt gesagt: Das Problem der damaligen Menschen war ein Mangel an Information. Das Problem der Heutigen ist das Zuviel.
Wobei man damals für "unser" Problem, dass man unter zuviel Wissensquellen auswählen muss, Verständnis gehabt hätte. Schon damals wurde die Ablenkung durch die Medien wie Romane oder Zeitungen von der eigentlichen Arbeit bemängelt. Im "politischen Kanngießer" von Hollberg wurde der Handwerker seiner Säumigkeit wegen gescholten, weil er statt die Aufträge auszuführen, lieber politisierte, Zeitungen und politische Traktate las. Den empfindsamen Damen/Fräulein wurde vorgeworfen, sich zu sehr in die Romane zu stürzen und daraus ihre Weltanschauung zu beziehen. Nur waren damals die "neuen Medien" andere. Wenn man aber anschaut, wieviel Arbeit vonnöten war und welches Pensum ein tüchtiger Bauer hinlegen musste, dann versteht man vielleicht, warum selbst die Lektüre von nur 4 Seiten - denn nur wenige Zeitungen hatten mehr und auch dann nur 2 Seiten Beilage bspw. - als Zeitverschwendung angeklagt wurde, insbesondere freilich für einen, dessen Hauptaugenmerk eh nicht auf dem Weltenlauf liegen sollte.
 
Information ist ein gutes Stichwort.
Überspitzt gesagt: Das Problem der damaligen Menschen war ein Mangel an Information. Das Problem der Heutigen ist das Zuviel.

Ich hab nur den Unterschied herausgestellt. Beim Begriff "Problem" würde ich sagen, das liegt heute wie damals darin, dass den Großteil der Menschen die wichtigen Informationen, die sie haben könnten, nicht interessieren, Menge hin oder her... Äh, Zynismus off...
;)
 
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