20. Juli 1944

Carolus Magnus

Neues Mitglied
Guten Abend allerseits,
ich bin relativ neu in diesem Forum und bitte um Entschuldigung, wenn ich ein Thema anfasse, das u.U. bis zum Erbrechen diskutiert wurde. Über entsprechende Fundstellen wäre ich dann dankbar.
Mir geht es um eine kritische Diskussion über die Attentate bzw Attentatsversuche auf Adolf Hitler. Die gängige Literatur überbietet sich über den edlen Geist und der edlen Gesinnung der Attentäter. Mir fehlt da etwas das Verständnis.
Ich formuliere es mal ketzerisch:
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen, und bei den Siegesfeiern der Meinung waren "Jetzt könnte Deutschland niemand mehr aufhalten" (Staufenberg) entdecken plötzlich ihr Gewissen, als das Kriegsglück sich wendete und die Rote Armee ihre Güter in Schlesien und jenseits der Elbe bedrohten.
Mir fehlt so recht der Glaube an der ganzen "Historie", lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Carolus Magnus
 
Es ist ja keineswegs so dass das Stauffenberg der erste oder gar einzige Versuch war, Hitler zu stürzen oder zu töten.
Ich erinnere an Hans Oster und Harro Schulze-Boysen. Diese waren im Widerstand tätig, als es noch nicht 5 vor 12 war.
Außerdem, nicht zu vergessen, der Kreisauer Kreis, die Scholl-Geschwister und der Widerstand durch Kommunisten und Sozialdemokraten.
 
Guten Abend allerseits,
ich bin relativ neu in diesem Forum und bitte um Entschuldigung, wenn ich ein Thema anfasse, das u.U. bis zum Erbrechen diskutiert wurde. Über entsprechende Fundstellen wäre ich dann dankbar.
Mir geht es um eine kritische Diskussion über die Attentate bzw Attentatsversuche auf Adolf Hitler. Die gängige Literatur überbietet sich über den edlen Geist und der edlen Gesinnung der Attentäter. Mir fehlt da etwas das Verständnis.
Ich formuliere es mal ketzerisch:
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen, und bei den Siegesfeiern der Meinung waren "Jetzt könnte Deutschland niemand mehr aufhalten" (Staufenberg) entdecken plötzlich ihr Gewissen, als das Kriegsglück sich wendete und die Rote Armee ihre Güter in Schlesien und jenseits der Elbe bedrohten.
Mir fehlt so recht der Glaube an der ganzen "Historie", lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Carolus Magnus

Von der Motivationslage wird man nicht alle Angehörige des 20. Juli über einen Kamm scheren können.

Zur Literatur findet man einiges im folgenden Thread:
http://www.geschichtsforum.de/f66/recherche-widerstand-der-offiziere-34970/
 
Es ist ja keineswegs so dass das Stauffenberg der erste oder gar einzige Versuch war, Hitler zu stürzen oder zu töten.
Ich erinnere an Hans Oster und Harro Schulze-Boysen. Diese waren im Widerstand tätig, als es noch nicht 5 vor 12 war.
Außerdem, nicht zu vergessen, der Kreisauer Kreis, die Scholl-Geschwister und der Widerstand durch Kommunisten und Sozialdemokraten.

Georg Elser ist hier unbedingt zu nennen.

Bei Harro Schulz-Boysen sollte man alle der Roten Kapelle erwähnen. Also Arvid Harnack und seine Frau, Greta Kuckhoff etc.

Gedenkstätte Deutscher Widerstand - Thema 'Die Rote Kapelle'

Die waren schon 1933 gegen Hitler sowie auch Adam von Trott zu Solz der während der ganzen 12 Jahre (bis zu seiner Verhaftung) Verbindung zu den Amerikanern und Briten hatte.

Dann gab es jüdischen Widerstand in Berlin, wie zum Beispiel der Freundeskreis um Herbert Baum. Diese Gruppe wurde 1942 verhaftet und die Mitglieder hingerichtet und zwar im Juni 1942, genau zu dieser Zeit wo die Weisse Rose um die Scholl-Geschwister gegründet wurde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die gängige Literatur überbietet sich über den edlen Geist und der edlen Gesinnung der Attentäter. Mir fehlt da etwas das Verständnis.

Was für Literatur hast du denn bereits darüber gelesen?


Ich formuliere es mal ketzerisch:
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen, und bei den Siegesfeiern der Meinung waren "Jetzt könnte Deutschland niemand mehr aufhalten" (Staufenberg) entdecken plötzlich ihr Gewissen, als das Kriegsglück sich wendete und die Rote Armee ihre Güter in Schlesien und jenseits der Elbe bedrohten.
Mir fehlt so recht der Glaube an der ganzen "Historie", lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Carolus Magnus


Das ist nicht ketzerisch, solche Literatur gibt es schon, die die Beweggründe der Verschwörer herausarbeiten.

Es kommt halt darauf an was du bereits gelesen hast.

So als Tipp:

Stephan Malinowski
Vom König zum Führer: Deutscher Adel und Nationalsozialismus
Fischer Verlag
2004, 672 Seiten
 
Zuletzt bearbeitet:
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen, und bei den Siegesfeiern der Meinung waren "Jetzt könnte Deutschland niemand mehr aufhalten" (Staufenberg) entdecken plötzlich ihr Gewissen, als das Kriegsglück sich wendete und die Rote Armee ihre Güter in Schlesien und jenseits der Elbe bedrohten.
Da sprichst Du in der Tat einen wunden Punkt an. Ich selbst bin seit langem auch der Ansicht, dass die Attentäter des 20. Juli 1944 in ihren Motivationen überbewertet wurden und werden, denn in der Tat gaben sie ihren zum Teil nicht unmassgeblichen Beitrag zum anfänglichen Gelingen des Krieges (was hier im Forum auch schon mal als Unsinn abgetan wurde) - zumindest bis Stalingrad: hier (aus diesem Thread) und hier (aus diesem Thread).

Link: Chronik aller Attentate auf Hitler mit Literaturhinweise ...



Saludos!
 
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen,

Da das ein rein militärisches Vorfeld anspricht:

- wenn man es auf den "20. Juli" bezieht, haben sie Beiträge zur Kriegsführung geleistet.
- die meisten standen in Führungspositionen

Als maßgeblich - im Sinne von messbar-markanten Eingriffen in den Kriegsverlauf und militärhistorisch vermerkbar - würde ich das inkl. Witzleben (Armee) und Tresckow (Dunstkreis Manstein und Ia von v.Bock) nicht ansehen.

Übrigens ist dem "20. Juli" wie auch der Widerstand um Oster und Canaris - dem militärischen Widerstand - immanent, dass es sich um Führungspersonen handeln mußte. Wie sollte das sonst denkbar sein?
 
Da sprichst Du in der Tat einen wunden Punkt an. Ich selbst bin seit langem auch der Ansicht, dass die Attentäter des 20. Juli 1944 in ihren Motivationen überbewertet wurden und werden, denn in der Tat gaben sie ihren zum Teil nicht unmassgeblichen Beitrag zum anfänglichen Gelingen des Krieges (was hier im Forum auch schon mal als Unsinn abgetan wurde) - zumindest bis Stalingrad: hier (aus diesem Thread) und hier (aus diesem Thread).


Diese Überbewertung fand vor allem in der BRD statt. Hier wurde das sog. militärische Gewissen aufgebaut. Nach 1990 wurde dies geändert. Was aber nicht heisst, dass diese Überbewertung immer noch da ist.

Dennoch ist es ein Sinnbild der Wahrnehmung eines andern Deutschlands.

Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 27 2004, 28.06.2004 - Die geschichtspolitische Verortung des 20. Juli 1944

Auf dem Weg zum 20. Juli 1944 - Verfolgung und Widerstand

http://www.bpb.de/publikationen/M0UTKK,0,0,60_Jahre_20_Juli_1944.html

Gerd R. Ueberschär
Der deutsche Widerstand gegen Hitler
Wahrnehmung und Wertung in Europa und den USA

Gerd R. Ueberschär
NS-Verbrechen und der militärische Widerstand gegen Hitler

Peter Steinbach
Widerstand im Widerstreit



Die Literaturhinweise sind aber nicht vollständig oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
In Ergänzung zu silesia #7, es waren auch außgesprochene Kriegsverbrecher darunter, wie Arthur Nebe, Leiter Amt V (Reichskriminalpolizeiamt) des RSHA, Leiter einer Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD (Einsatzgruppe B).

Mal ganz verkürzt, was ist Geschichte (?), die "gronnenen" und manifestierten Handlungen von Personen (bzw. deren Denken =>Theoriegeschichte). Die Motivationslage der am 20. Juli Beteiligen war natürlich unterschiedlich, aber sie hatten sich im Vorfeld, ausgesprochen oder duldend, auf ein Ziel geeinigt, das Attatent auf Hitler und dann eine militärische Machtübernahme mit den bekannten Minimalzielen (meine Mitdiskutanten haben Dich entsprechend verlinkt).

Ein soches Vorhaben konnte nur Offiziere in führenden Stellungen planen und versuchen in die Tat umzusetzen. Klar war es "5 vor 12" und manch einer fürchtete, wie dieser Nebe, bestimmt auch die "Rache" der Sieger - da er nur zu genau wußte was er getan hat- zu recht, wie ich meine.

M.
 
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen, und bei den Siegesfeiern der Meinung waren "Jetzt könnte Deutschland niemand mehr aufhalten" (Staufenberg) entdecken plötzlich ihr Gewissen, als das Kriegsglück sich wendete und die Rote Armee ihre Güter in Schlesien und jenseits der Elbe bedrohten.
Wie edel muss man denn Deiner Meinung nach gesinnt sein um an einen Staatsstreich teilnehmen zu dürfen ? Dann sind sicherlich die Geschwister Scholl ganz nach Deinem Geschmack, die reinen Geistes aber ansonsten völlig wirkungslos waren.
 
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen, und bei den Siegesfeiern der Meinung waren "Jetzt könnte Deutschland niemand mehr aufhalten" (Staufenberg) entdecken plötzlich ihr Gewissen, als das Kriegsglück sich wendete und die Rote Armee ihre Güter in Schlesien und jenseits der Elbe bedrohten.
Mir fehlt so recht der Glaube an der ganzen "Historie", lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Carolus Magnus

na ja, es ist doch entscheidend, DASS etwas unternommen wurde. Meiner Meinung nach waren die Pläne der Leute um den 20.Juli erfolgversprechender als andere, WEIL sie Hintergrundwissen hatten. Und das hatten nun mal nur Leute in Hitlers oberer Hierarchie.

Dabei will ich andere Umsturzpläne nicht schmälern oder aus den Leuten des 20.Juli reinste Gutmenschen machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich kann mich noch daran erinnern, dass in den 1960er und telweise auch noch 1970er Jahren die öffentliche Wahrnehmung zu Stauffenberg und seinen militärischen Mitverschwörern äußerst geteilt war.

Offiziell waren es die untadeligen Helden, inoffiziell (und nicht nur am Stammtisch) waren es Verräter, die ihren Fahneneid gebrochen haben.

Es gehörte zum langen Weg der Aufarbeitung des 3. Reiches, dass man den Widerstand gegen Hitler differenzierter wahrnahm.

Und nicht zu vegessen: Aus ideologischen Gründen war es jahrelang nicht opportun, den kommunistischen Widerstand gegen das NS-Regime anzuerkennen.
Und Elser wurde ohnehin als g'spinnerter Einzelgänger abqualifiziert.
 
Ich kann mich noch daran erinnern, dass in den 1960er und telweise auch noch 1970er Jahren die öffentliche Wahrnehmung zu Stauffenberg und seinen militärischen Mitverschwörern äußerst geteilt war.

Ganz richtig.

Wobei da gerade zur Zeit kräftig gestritten wird, siehe den Schlagabtausch von Gillessen und Hürter in VfZ 3/2010, hier einleitend:

Gillessen:
"Warum endet sie nicht, die Debatte über den militärischen Widerstand? Weil
neue Dokumente und neue Thesen alte Gewissheiten in Frage gestellt haben; weil Wissenschaft stets ein dialektischer Prozess ist; und weil es sich in diesem Fall nicht gerade um ein Nebenthema der Zeitgeschichte handelt. Johannes Hürter (VfZ 52, Heft 3/Juli 2004) hat die Debatte eröffnet, wurde von Gerhard Ringshausen (VfZ 53, Heft 1/Januar 2005) kritisiert und von Felix Römer (VfZ 53, Heft 3/Juli 2005) unterstützt. Dann folgten die Beiträge von Hermann Graml (VfZ 54, Heft 1/Januar 2006) und nochmals von Johannes Hürter und Felix Römer (VfZ 54, Heft 2/April 2006). Doch gibt es in dieser Sache noch mehr Argumente?"

Hürter:
"Die „Nachschau“ von Günther Gillessen zur Kontroverse um die (spätere) Militäropposition bei der Heeresgruppe Mitte und ihre Haltung zum Holocaust kann weder mit neuen Dokumenten noch mit neuen Erkenntnissen aufwarten. Statt dessen flüchtet sich der Autor in eine Kette von Spekulationen, ..."

dort S. 365ff. (Gillessen) sowie S. 387 ff. (Hürter)
 
Offiziere, die im Vorfeld der Feldzüge planerisch tätig waren, in den Feldzügen an führender Stelle standen, und bei den Siegesfeiern der Meinung waren "Jetzt könnte Deutschland niemand mehr aufhalten" (Staufenberg) entdecken plötzlich ihr Gewissen, als das Kriegsglück sich wendete und die Rote Armee ihre Güter in Schlesien und jenseits der Elbe bedrohten.
Mir fehlt so recht der Glaube an der ganzen "Historie", lasse mich aber gerne eines besseren belehren.

Carolus Magnus

noch ein Nachsatz: es ist nicht so, dass das Attentat von jetzt auf sofort erfolgte. Die Planungen setzten schon früh ein, bei manchen schon ab 1938.

Und Stauffenberg hatte erst ab 01.Juli 1944 als neu ernannter „Chef des Stabes beim Befehlshaber des Ersatzheeres“ regelmäßigen Zugang zu den Lagebesprechungen Hitlers.

Stauffenberg selbst war Berufssoldat, von daher hatte er auch eine andere Einstellung zu Schlachten und auch zum Thema Befehlsgehorsam. Dennoch ist er das Wagnis des Attentats eingegangen, im vollen Bewußtsein, was es für ihn und auch sein gesamtes Umfeld bedeuten würde.

(übrigens: Stauffenberg hatte keine Güter jenseits der Elbe)
 
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