40 Jahre DDR Existenz

C

c'est moi

Gast
Moin Leute :)
Und zwar haben wir in Geschichte (Kursstufe) das Thema DDR behandelt (inkl. Allttag, Mauerbau/-fall,...). Nachdem wir dort zum Ende gekommen sind, würde mich einfach mal interessieren, wie die DDR überhaupt ca. 40 Jahre lang existieren konnte(?), denn eigl. wurden ja schon beim Arbeiteraufstand 1953 gewisse Freiheitsbestrebungen deutlich. Wie konnte sich das Regime denn dann noch so lange halten?
Natürlich weiß ich, dass es eine Gleichschaltung in allen Lebensbereichen gab, wodurch politisches Kontradenken eigl. schon im frühen Kindesalter unterbunden wurde. Des Weiteren sorgte die DDR-Regierung bzw. die Stasi (unterstützt von der SU) auch für eine exzessive Unterdrückung jeglicher Opposition, aber reicht das wirklich, um als Staat existent zu bleiben?

MfG
 
Nee, man muss dann auch noch eine Mauer bauen.

Ganz im Ernst: Natürlich gab es auch Leute, die auch nach 1953 noch an diesen Staat geglaubt haben (manche tun das sogar bis heute) und nicht jeder ist so gestrickt, dass er, weil ihm sein Staat nicht gefällt, Haus und Hof, Freunde und Familie stehen und liegen lässt und sein Glück woanders sucht. Die DDR war, trotz aller Einschränkungen, Unfreiheiten und Ungerechtigkeiten, nicht einfach ein großes Gefängnis.
 
Einen netten Einblick bietet folgendes Buch:

Die rtselhafte Stabilitt der DDR | bpb

Es handelt sich hierbei um die Dissertation des Autors. Ich habe das Buch gelesen und finde den Ansatz jenseits von Stasi und Unterdrückung sehr gelungen. Das Original erschien 2007 bei der Cambridge University Press unter dem Titel "Conflict and Stability in the German Democratic Republic". Die Studie, an der sich das vorliegende Buch orientiert, ist zwar lokal begrenzt, kann aber zu einem Großteil auch auf die Damalige DDR bezogen werden.
Die Übersetzung ist zudem sehr gelungen und liest sich locker weg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der zweite Kardinalfehler ist, die DDR auf die Merkmale eines Terrorregimes reduzieren zu wollen.

Ähnlich wie bei ElQ ist excideuil zuzustimmen, dass eine eindimensionale Sicht am Wesen und am Leben in der DR vorbeiging. Deshalb ist der Hinweis auf das Buch sehr hilfreich für das Verständnis der Existenz der DDR. Es gab viele Formen der Anpassung und ebensoviele Formen des Widerstands gegen das Regime, offen oder subversiv.

Die rtselhafte Stabilitt der DDR | bpb
und finde den Ansatz jenseits von Stasi und Unterdrückung sehr gelungen.

Dieser Gedankengang findet sich auch bei Galeotto und beschreibt die "Normalität" der DDR für viele Bürger. Jenseits der vorhandenen Repression durch das politische Regime der SED.

Sich in vorhandenen Gegebenheiten einzurichten bedeutet nicht zwangsläufig die Identifikation mit einem System. 90 Prozent aller Menschen haben nicht das "Helden-Gen" ,sich für Andere aufzuopfern sondern denken in erster Linie an sich selbst und ihre Angehörigen. Man muss sich auch nicht mit der Bundesrepublik identifizieren und kann trotzdem in ihr ein vollkommen normales Leben führen. Fast alle schimpfen ständig über die Politiker ohne selbst etwas gegen Missstände zu tun oder sich selbst einzubringen, obwohl das heute gar nicht gefährlich wäre. Das war in der DDR nicht anders, mit dem Unterschied, dass Handeln auch schwere Konsequenzen für das eigene Weiterleben hatte.
 
Moin Leute :)
denn eigl. wurden ja schon beim Arbeiteraufstand 1953 gewisse Freiheitsbestrebungen deutlich. Wie konnte sich das Regime denn dann noch so lange halten?
Dieser Aufstand hatte vor Augen geführt, dass gegen die überwältigende russische Militärmacht nichts auszurichten war. Um sich damit anzulegen bedarf es mehr als mangelnde Freiheit und geringer Auswahl in den Geschäften. Eine existenzbedrohende Hungersnot hätte vielleicht zu weiteren Revolten geführt. Die gab es aber ab den sechziger Jahren nicht mehr. Die ausreichende Ernährung war(wenn auch ohne Südfrüchte) immer gegeben. Auch in Ländern wie Ungarn und der CSSR gab es nach Niederschlagung durch die Armee der Sowjetunion keine nennenswerten Aufstände mehr. Es ist ein Unterschied ob man sich ausschließlich gegen das eigene Regime erhebt oder sich mit einer Supermacht anlegt.
Die 89-er Revolution war nur erfolgreich, weil keine sowjetischen Panzer eingriffen. Hätte es ,wie 1953 Todesopfer gegeben wären die Unruhen wahrscheinlich wieder sehr schnell zusammengebrochen. Um das Leben zu riskieren ging es der DDR-Bevölkerung nicht schlecht genug.
 
Sowjetische Militärpräsenz, Staatssicherheit, Diktatur.

Die Existenz der DDR ist ohne den Hintergrund des Kalten Krieges wohl kaum zu verstehen. Die beiden Supermächte hatten ihre Einflusszonen abgezirkelt und die DDR gehörte zur Sowjetischen.

Die DDR-Regierung begriff 1989, dass die sowjetische Führung, anders als 1953 in der DDR, in Ungarn 1956 und der CSSR 1968, die gewaltsame Niederschlagung der Protestbewegung nicht unterstützen würde, und fügte sich ins damit Unvermeidliche.
 
Ich glaube, Köbi, der Einwurf war nicht so ganz ernst gemeint! ;)

Ich finde s traurig, wie sich entweder über einige Ereignisse zur DDR Geschichte lustig gemacht wird, oder durch die Erklärung der Normalität des Lebens der DDR Bürger dieses menschenverachtende System immer wieder relativiert wird.

Was sollen die Jungen Leute denken, wenn Sie das Unrechtssystem hinterfragen und immer wieder lesen, daß die Repressalien oder das Einmauern / Einsperren der Bevölkerung im Land, daß nehmen jeder Persönlichkeit und Freiheit, daß Foltern nach Nazimanier, daß Verurteilen ganzer Familien als Strafe eines derer Angehörigen, daß zur Zwangsadoption freigeben von Kinder politischer Häftlinge und nicht zuletzt, daß Ermorden der eigenen Bevölkerung an der innerdeutschen Grenze usw., ... ja was sollen Die denken, wenn Sie immer wieder lesen, ach, eigentlich war das Leben der Bevölkerung in der DDR normal ... so normal, wie das der Deutschen unter Naziherrschaft?

Das ist nicht förderlich zu einer Aufarbeitung zu der Problematik des DDR Regimes.
Und liege ich mit meiner Falsch?
 
was sollen Die denken, wenn Sie immer wieder lesen, ach, eigentlich war das Leben der Bevölkerung in der DDR normal ... so normal, wie das der Deutschen unter Naziherrschaft?

Das ist nicht förderlich zu einer Aufarbeitung zu der Problematik des DDR Regimes.
Und liege ich mit meiner Falsch?
Ich finde man sollte keine der beiden Seiten betrachten. Wie soll sich die Jugend das Leben in der DDR vorstellen, wenn sie ausschließlich von ihrer repressiven Seite dargestellt wird ? Als der reine Horror ? Das war es für einen Teil der Menschen und das darf auch nicht verschwiegen werden. Der größte Teil der Bevölkerung lebten aber nicht in ständiger Angst und zitterte auch nicht den ganzen Tag vor der Stasi. Das gehört auch zu einer ausgewogenen Betrachtung der Lebensumstände.
 
Ich finde man sollte keine der beiden Seiten betrachten. Wie soll sich die Jugend das Leben in der DDR vorstellen, wenn sie ausschließlich von ihrer repressiven Seite dargestellt wird ? Als der reine Horror ? Das war es für einen Teil der Menschen und das darf auch nicht verschwiegen werden. Der größte Teil der Bevölkerung lebten aber nicht in ständiger Angst und zitterte auch nicht den ganzen Tag vor der Stasi. Das gehört auch zu einer ausgewogenen Betrachtung der Lebensumstände.


Da gebe ich Dir Recht, aber was wiegt in der Erfahrung der Geschichte stärker, die Bevölkerung, die sich arrangiert hat, die sich der Gleichgültigkeit hingegeben hat oder jeder zu unrecht Ermordete DDR Bürger?
Hinzukommt noch, daß immer in der deutschen Geschichte, die Bevölkerung nun leider immer als arme und normale Bevölkerung dargestellt wird, doch hat diese mit der Passivität, die Macht des Unrechts gestärkt. Oder?
 
Hinzukommt noch, daß immer in der deutschen Geschichte, die Bevölkerung nun leider immer als arme und normale Bevölkerung dargestellt wird, doch hat diese mit der Passivität, die Macht des Unrechts gestärkt. Oder?
Der Fragesteller wollte wissen, weshalb die DDR-Bevölkerung nicht revoltierte. Einer der Gründe ist, dass in jedem Staat der Welt die Menschen sich ihren Gegebenheiten einrichten und versuchen aus dem Vorhanden das beste zu machen. Echte große Aufstände brauchen irgendeinen Anlass, der das Leben unerträglich macht. 89 war das die Öffnung der Grenzen in Ungarn und das sture weiter-wie bisher der Staatsführung der DDR. Ohne Ungarn und der Hoffnung auf Reformen nach gorbatschowscher Art wäre es nicht zu einer derartigen Bewegung gekommen. Die Wahlfälschung war es nicht, daran war man gewöhnt. Diese Wahlen haben kaum jemanden wirklich interessiert. Die waren so abgelaufen wie immer und die Ergebnisse waren auch wie immer.

Der große Teil der Bevölkerung verhält sich immer passiv.
 
Der Fragesteller wollte wissen, weshalb die DDR-Bevölkerung nicht revoltierte. Einer der Gründe ist, dass in jedem Staat der Welt die Menschen sich ihren Gegebenheiten einrichten und versuchen aus dem Vorhanden das beste zu machen. Echte große Aufstände brauchen irgendeinen Anlass, der das Leben unerträglich macht. 89 war das die Öffnung der Grenzen in Ungarn und das sture weiter-wie bisher der Staatsführung der DDR. Ohne Ungarn und der Hoffnung auf Reformen nach gorbatschowscher Art wäre es nicht zu einer derartigen Bewegung gekommen. Die Wahlfälschung war es nicht, daran war man gewöhnt. Diese Wahlen haben kaum jemanden wirklich interessiert. Die waren so abgelaufen wie immer und die Ergebnisse waren auch wie immer.

Der große Teil der Bevölkerung verhält sich immer passiv.
Ohne eine Untergrundvorarbeit einer Opposition in der DDR, auch schon weit vor dem Jahr 1989, wäre hier der normale DDR Bürger wohl kaum bereit gewesen, sich aus seinen normalen Leben zu erheben ... das sollte nicht vergessen werden.
 
Ohne eine Untergrundvorarbeit einer Opposition in der DDR, auch schon weit vor dem Jahr 1989, wäre hier der normale DDR Bürger wohl kaum bereit gewesen, sich aus seinen normalen Leben zu erheben ... das sollte nicht vergessen werden.
Das sollte es keinesfalls aber Du schreibst ja selbst, dass der Normalbürger nicht von sich aus zum Umsturz bereit gewesen wäre.
1953 war neben der Normerhöhung auch noch eine Lebensmittelknappheit ein Grund für den Aufstand. Die meisten Revolutionen in der Geschichte haben ihren Ursprung in Armut und Hunger. Nach den fünfziger Jahren kam es aber nicht mehr in der DDR zum Lebensmittelmangel. Die Auswahl war zwar klein aber Unterernährung war kein Thema.
 
Interessant an diesem Thread ist für mich allein die Fragestellung.
Ausgehend von der aktuellen Geschichtsvermittlung in der Schule? über die DDR fragt sich der Threadersteller, warum die DDR denn 40 Jahre (über)dauern konnte. Da frage ich mich, was wird denn vermittelt, dass sich eben diese Frage ergibt?

Grüße
excideuil
 
Um das Leben zu riskieren ging es der DDR-Bevölkerung nicht schlecht genug.
Das kann ich nur unterstreichen. Hungern und frieren musste man nicht (Sollte man dafür einem Staat dankbar sein?). Ich selbst empfand die DDR als geistige und seelische Ödnis. Es war ein Zustand, wie in einem Traum, in welchem man läuft, aber nicht vorwärts kommt. Es fehlte jede Perspektive.
Ich sehe mich noch, mit keinen 18 Jahren, als Lehrling auf der Werft in der Frühstückspause auf meiner Werkbank sitzen und an meinem Brod kauen, als ich dachte: So, das war's jetzt eigentlich, zumindest im Großen und Ganzen.
 
Das kann ich nur unterstreichen. Hungern und frieren musste man nicht (Sollte man dafür einem Staat dankbar sein?)
Das wollte ich damit gar nicht ausdrücken. Es ging mir nur darum, dass für Aufstände, in denen man sein Leben einsetzt und sich gegen Russenpanzer stellt das Element des Elends fehlte. Die DDR-Bevölkerung war nicht wohlhabend aber auch nicht bettelarm.
 
Ich zitiere einmal aus einem Leserbrief aus der Superillo 13/ 2014, Seite 35:

"Als der Mauerfall die Familie in Frankfurt/Oder wieder näher zusammenführte, erklärte eine Verwandte aus dem Westen: "Ihr werdet neben den guten Dingen auch negative erleben. Arbeitslosigkeit, Armut, Reichtum, Kriminalität." Und weiter sagte sie über die DDR: "Wir haben euch immer beneidet. Vor allem wegen eures Zusammenhaltens mit Freunden und in den Familien. Wegen eures gemeinsamen Feierns mit Eltern, Kindern, Geschwistern, eurer Solidarität. Ihr schient uns glücklicher zu sein als wir."

Sicherlich eine Einzelmeinung, dennoch interessant, wie DDR-Bürger (auch) wahrgenommen wurden.

Grüße
excideuil
 
Zurück
Oben