Ablauf Prozess vor Gericht in früher Neuzeit?

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Gast

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Suche Infos über den Ablauf von Prozessen vor Gericht während der frühen Neuzeit. Über allgemeine Rechtsfragen finde ich viel Literatur und Infos aus dem Internet. Wie es jedoch konkret während eines Zivil- oder Kriminalprozesses ca. um A.D. 1600 zuging, darüber habe ich leider bisher nichts gefunden.

Für Hilfe wäre dieser Gast hier dankbar.
 
Kennzeichnend für den Prozessverlauf war der Inquisitionsprozess wie er aus der Constitutio Criminalis Carolina hervorging. Die CCC war bis um 1800 die gültige Strafrechtsordnung, bis sie in den französischen Satellitenstaaten durch den Code penal ersetzt wurde. Kennzeichnend für den Prozessverlauf war eine eng umgrenzte Beweisführung. Ein Delinquent konnte nur dann verurteilt werden, wenn er auf frischer tat ertappt wurde oder zwei Zeugen und nicht etwa Komplizen vorhanden waren. Falls das nicht möglich war, konnte ein Delinquent nur durch ein Geständnis überführt werden. Dieses Geständnis konnte durch die Folter erzwungen werden. Verteidiger waren erlaubt, und vermögenslosen Angeklagten wurde ein Pflichtverteidiger gestellt. Der Anwalt konnte allerdings weder eigene Zeugen vernehmen, noch eigene Ermittlungen anstellen. Erst wenn die Anklage vorlag, konnte er tätig werden, und eine Verteidigung war nur in interpretativer Weise möglich, etwa indem Zeugenaussagen die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde.
 
Danke, aber ...

Habe die CCC gar wohl gelesen; jedoch nur wenig darüber erfahren, wie denn nun ein einzelner Prozeß ablief. Gab es z.B. bestimmte Einleitungsformeln am Beginn des Prozesses? Wie stand es um die Zahl der evtl. zugelassenen Zuhörer? Gab es z.B. Regelungen für die Unterbrechung eines Verhandlungsablaufs? Inwieweit waren Gegenstände relevant, wie etwa Tatwerkzeuge? Mußten die Anwälte (Prokuratoren?) bei der Verhandlung stehend reden?

War ein Anwalt immer ein Prokurator?

Und wie war das bei Zivilprozessen, wenn etwa ein Kaufmann einen anderen verklagte?

Kennt jemand eine Quelle in der der Ablauf eines Prozesses genauer
beschrieben wird?

Nochmals vielen Dank für weitere Bemühungen einen juristischen Laien zu informieren.
 
Und wie war das bei Zivilprozessen, wenn etwa ein Kaufmann einen anderen verklagte?
Kennt jemand eine Quelle in der der Ablauf eines Prozesses genauer
beschrieben wird?

Eine Internetquelle zu finden, ist nicht einfach. Gute Stichworte liefert jedenfalls - auszugsweise - dieses Buch:
Rechtsvielfalt vor Gericht ... - Google Buchsuche

Auch das Gerichtswesen bzw. die Gerichtsverfassung (nebst Verfahrensordnung) hat sich über Jahrhunderte entwickelt. Was etwa die Prozesse vor dem Reichskammergericht (als letztem Rechtszug) betrifft, so kann man erkennen, dass das Verfahren durchaus "modern" war, aber häufig sehr, sehr lange dauerte.

Beispiel: Der Zehntstreit um die Zehntpflichtigkeit von Kartoffeln in der Grafschaft Solms-Hohensolms dauerte von 1751 bis 1761 (dieser Fall und 24 andere dargestellt in:Bernhard Diestelkamp, Rechtsfälle aus dem Alten Reich. Denkwürdige Prozesse vor dem Reichskammergericht. München: Beck 1995)
 
Danke, aber ...

Habe die CCC gar wohl gelesen; jedoch nur wenig darüber erfahren, wie denn nun ein einzelner Prozeß ablief. Gab es z.B. bestimmte Einleitungsformeln am Beginn des Prozesses? Wie stand es um die Zahl der evtl. zugelassenen Zuhörer? Gab es z.B. Regelungen für die Unterbrechung eines Verhandlungsablaufs? Inwieweit waren Gegenstände relevant, wie etwa Tatwerkzeuge? Mußten die Anwälte (Prokuratoren?) bei der Verhandlung stehend reden?

War ein Anwalt immer ein Prokurator?

Und wie war das bei Zivilprozessen, wenn etwa ein Kaufmann einen anderen verklagte?

Kennt jemand eine Quelle in der der Ablauf eines Prozesses genauer
beschrieben wird?

Nochmals vielen Dank für weitere Bemühungen einen juristischen Laien zu informieren.


Es gab ja gar keine öffentliche Verhandlung bei der beschriebenen Prozessform. Die Inqirenten waren sozusagen Untersuchungsrichter, die auf das endgültige Urteil nur geringen Einfluss hatten. Den, der in letzter Instanz über ihn urteilte, bekam ein Inquisit niemals zu Gesicht. Ursprünglich war der Inquisitionsprozess in eine General- und eine Spezial- Untersuchung getrennt. Während der Generalinquisition wurden Aussagen, Gerüchte und Motive gesammelt und Verdächtige ermittelt. Ergaben sich genügend Verdachtsmomente, wurde die Spezialinquisition eingeleitet. Bei Ortsfremden, Juden, Vaganten und Gaunern wurde sogleich die Spezialinquisition eingeleitet. Altüberlieferte Rechtsmittel wie Leumundszeugen oder Reinigungseid wurden im 18. Jahrhundert bedeutungslos. Erst wenn die Untersuchung abgeschlossen war, durfte ein Verteidiger tätig werden und eine Defensionsschrift einreichen. Verteidigung war nur in interpretativer Hinsicht möglich. Die Verteidigungsmöglichkeiten hingen vor allem von der nervenstärke und Belastbarkeit des Angeklagten ab. Ein Indizienurteil war nicht möglich, und ohne Geständnis konnte ein Angeklagter nicht verurteilt werden, so viele Indizien auch gegen ihn sprachen.

Eine öffentliche Verhandlung fand nicht statt, und die Untersuchungen konnten jahrelang dauern. Mancher Angeklagte verstarb unterdessen unter den unmenschlichen Haftbedingungen, ohne verurteilt werden zu können.
 
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