Ad Boias, qui nunc Baioarii vocantur

Dieses Thema im Forum "Völkerwanderung und Germanen" wurde erstellt von Clemens64, 4. Februar 2022.

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  1. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

     
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  2. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    @Sepiola das macht jetzt auf mich nicht den Eindruck, dass die Altbayern sich auf ihrer Dult mit Zaziki und Suflaki gemästet hätten :)
     
  3. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Vielleicht sogar manirierter..
     
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  4. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Jetzt mal ein Vorschlag für ein Forschungsprojekt, das der Spezialist vermutlich aus x Gründen als undurchführbar erkennt: Wie Maglor bemerkte, ist die Herkunft des bairischen Herzogsgeschlechts der Agilolfinger unbekannt. Jörg Jarnut hat in seinen „Agilolfingerstudien“ versucht, plausibel zu machen, dass die Vorfahren dieses Geschlechts zum Teil aus der gallorömischen Oberschicht Aquitaniens stammen. Könnte mithilfe einer aDNA-Analyse diese Hypothese wahrscheinlicher gemacht oder widerlegt werden? Dazu bräuchte es Genmaterial eines Herzogs oder seiner Verwandtschaft. Und da gibt es vielleicht eine kleine Chance: Garibalds Tochter Theodelinde wurde, wie schon früher mal erwähnt, Königin der Langobarden. In der Theodelinde-Kapelle im Dom zu Monza ist ein Sarkophag zu besichtigen, in dem sich der örtlichen Überlieferung nach die sterblichen Überreste Theodelindes, ihres zweiten Mannes Agilulf und ihres Sohns Adaloald befinden sollen (G. Haseloff, Die Funde aus dem Sarkophag der Königin Theodelinda in Monza, in: Germania 1952, 568 ff). Im Jahr 1941 wurde der Sarkophag geöffnet, und neben spärlichen Resten einst prachtvoller Beigaben wurde eine „an organischen Bestandteilen reiche, staubähnliche Masse“ (Haseloff) und der Zahn eines jugendlichen Menschen gefunden. Das müsste einer von Adaloald sein, der wohl mit Mitte 20 starb. Falls dieser Zahn noch greifbar ist, könnte man neben einer Altersbestimmung und anderen Analysen auch versuchen, eine aDNA-Untersuchung durchzuführen. Wenn das gelänge, könnte man schauen, ob die Vorfahren des Zahnträgers wie die der im PNAS-Artikel analysierten Bajuwaren-Männer nur in Nordwesteuropa zu finden sind, oder ob es auch eine mediterrane Beimischung gibt. Die wäre dann mit gewisser Wahrscheinlichkeit auf Garibalds Vorfahren zurückzuführen, denn die restlichen Vorfahren Adaloalds (auch Theodelindes Mutter Walderada) waren sämtlich Langobarden, die selbst noch kaum Kontakt mit mediterranen Gruppen gehabt haben dürften.
     
  5. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das erinnert mich an eine Szene, in der Gulliver von einem Totenbeschwörer in Glubbdubdrib allerlei Gestalten der Vergangenheit herbeizitieren lässt. "Da ich stets einen großen Respekt vor alten, erlauchten Familien gehabt habe, so bat ich den Häuptling, ein paar Dutzend Könige nebst ihren Ahnen heraufzuzitieren. Allein es harrte mein eine unerwartete und schmerzliche Enttäuschung. Denn anstatt einer ehrwürdigen Reihe gekrönter Häupter sah ich in einem Geschlechte zwei Geiger, drei geschniepelte Hofschranzen und einen italienischen Prälaten. Ein anderes bestand aus einem Barbier, einem Abte und zwei Kardinälen. Ich hege eine zu große Verehrung gegen gekrönte Häupter, um einen so delikaten Punkt weiter zu verfolgen..."
     
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  6. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Von der konstruierten gotischen Mission halte ich auch nicht viel, aber wäre nicht das eine schlüssige Erklärung?

    "Um gotisch-bairische Übereinstimmungen wie dulþs/Dult zu erklären, sind weder ‚Ostweg‘ noch ‚Westweg‘ nötig: die colluvies gentium im nachmaligen Bayern (vgl. WOLFRAM 1985, 108) und später dessen Stellung als Vorposten der italischen Präfektur nördlich der Alpen bieten Kontext genug. Die Weitergabe der im militärischen Dienstplan unentbehrlichen Wochentagsnamen kann gut im Völkergemisch der Besatzung provinzialrömischer Garnisonen erfolgt sein."

    “Vestigia Grecitatis: Zur ältesten christlichen Terminologie in den germanischen Sprachen”, in Thorwald Poschenrieder, Hg. (2004), Die Indogermanistik und ihre Anrainer. Dritte Tagung der Vergleichenden Sprachwissenschaftler der Neuen Länder, IBS
     
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  7. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Es sind tatsächlich nur sehr wenige gotische Wörter, die - auf welchen Wegen auch immer - ins Bairische (und teilsweise auch ins Alemannische) gewandert sind. (Dult kommt übrigens nicht aus dem Griechischen.)
    Und das auch noch zu unterschiedlichen Zeiten. Peter Wiesinger (Gotische Lehnwörter im Bairischen, in: Frühmittelalterliche Ethnogenese im Alpenraum, Hrsg. Helmbut Beumann und Werner Schröder, Sigmaringen 1985) weist darauf hin, dass die Wörter auch nicht alle gleichzeitig ins Bairische kommen sein können.

    Dult muss vor der Lautverschiebung ins Bairische gekommen sein (got. dulþs > ahd. tuld), die unverschobene Maut (got. mōta) muss dagegen jüngeren Datums sein, hier käme nach Wiesinger sogar der Umweg über das Slawische in Betracht.


     
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  8. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    (war mir bekannt; Wolfram witzelt darüber in seinem Gotenbuch)
    meine Witzelei bezog sich auf griech.-bayr. Wörter
     
  9. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Das ist ein Zitat von Anna-Helene Feulner. An anderer Stelle (Feulner 2005: Gotisch-Bairisches.. in U Kanz, A. Wildfeuer (Hg),Kreuther Kräuterbuschen) schreibt sie dazu:
    "Dass gerade hier [in Baiern] Vokabular gotischer Provenienz bzw. Vermittlung erscheint, lässt sich durch gotische Beteiligung an der bairischen Ethnogenese und den Einfluss von Theoderichs Ostgotenreich speziell auf dieses Gebiet plausibel erklären."
     
  10. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Welche Gruppierung, die in der Völkerwanderungszeit unterwegs war, war eigentlich nicht in irgend einer Weise "an der bairischen Ethnogenese" beteiligt?
     
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  11. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Die Jüten?
     
  12. Stilicho

    Stilicho Aktives Mitglied

    Wahrscheinlich ist doch für besagte Zeit schon die Fragestellung falsch. Diese ewige Suche nach "Urvölkern", Vorfahren, Abstammungen.
    Nachdem sich die römische Elite vom Acker gemacht hatte, hingen in dem Gebiet nun einmal noch so ein paar Typen rum, meist Trümmer der römischen Armee, einige Zugereiste, auch ein paar Römer, und wem's da sonst noch so gefiel.
    Die Warlords dort wollten sich weder Ravenna noch den Franken unterwerfen. Irgendwann bürgerte sich ein, sie Bajuwaren zu nennen. Warum auch immer, der Name blieb erhalten.
     
  13. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Wenn man so allgemein wird, liegt man wahrscheinlich auch nicht ganz falsch.
     
  14. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Ich weiß schon, warum ich die Anführungszeichen gesetzt und die "Ethnogenese" in weitestem Sinne verstanden haben wollte.

    Jedenfalls wird nach der Gründung des Dukats eine Ethnogenese im eigentlichen Sinne eingesetzt haben, der möglicherweise anfangs nur ad hoc gebildete Name entwickelte sich zum Ethnonym.

    Der Name Baiovarii und seine typologische Nachbarschaft
     
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  15. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Auch den Jüten ist alles zuzutrauen.

    Krimgoten – Wikipedia
     
  16. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Barbarische Personenverbände dürften sich damals im Allgemeinen, auch wenn sie ad hoc entstanden, sofort eine Abstammungs-Identität zugelegt haben, ob die nun frei erfunden war oder für einen Teil des Verbands wirklich zutraf. Wo der Dukat dann eine Rolle gespielt hat, ist bei der Ausdehnung des Namens der ziemlich kleinen Gruppe, auf die sich der Herzog zunächst nur stützte, auf alle Bewohner des herzoglichen Machtbereichs.
     
  17. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Das glaube ich nicht. Bei einem ad hoc entstandenen Personenverband wussten ja die einzelnen Personen, von wem sie jeweils abstammten. Die sagten sich nicht: "Jetzt wollen wir uns mal eine verrückte Geschichte ausdenken, z. B. dass wir alle von den Armeniern abstammen, und die erzählen wir uns gegenseitig so lange, bis wir sie am Ende selber glauben."
    Solche Dinge kamen oft erst auf, als das Wissen über die recht inhomogene Abstammung verlorengegangen war und man sich fragte: Ja, von wem stammen wir denn nun eigentlich ab? Vielleicht von den Trojanern, von den Normannen oder von den Kriegern Alexanders des Großen?


    Da in der kleinen Gruppe um den Herzog auffällig viele Träger romanischer Personennamen erscheinen, besteht die Möglichkeit, dass diese Gruppe zunächst noch zweisprachig war.
     
  18. Clemens64

    Clemens64 Aktives Mitglied

    Deshalb ist es ja plausibel, dass es eine Kerngruppe gibt, die von ihrer Abstammung überzeugt waren - nicht von den Armeniern, sondern von den Boiern (oder von den Leuten aus Baia).
    Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr wiederholen, was wir bisher glaub ich ganz gut vermieden haben.
    Welche kleine Gruppe um den Herzog mit romanischen Namen?
     
  19. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    Weiß man denn sicher, ob der Name eine Eigen- oder eine Fremdbezeichnung ist?
     
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  20. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    Der Frage schließe ich mich an.
     

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