Adenauer und die Katholiken ?

Multivista

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Adenauer soll gesagt haben:

"Nie hätten es die deutschen Bischöfe gewagt, mit einem Hirtenbrief gegen die Verbrechen Hitlers vorzugehen."

Wie hatte Adenauer das denn verstanden wissen wollen? Was war seine Intention?

Gruss
MultiVista
 
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Die Erklärung ist sehr einfach:
Das obige "Zitat" wird von Hans Küng in seinem neuen Buch, dem zweiten Band der Erinnerungen, der kürzlich unter dem Titel Umstrittene Wahrheit erschienen ist, referiert.
Tages-Anzeiger Online | Bücher | Der Unbestechliche trotzt der Inquisition

Dem liegt eine tatsächliche Äußerung Adenauers von 1946 zugrunde.
Konrad Adenauer über die Bischöfe im Dritten Reich:
Ich glaube, daß, wenn die Bischöfe alle miteinander an einem bestimmten Tage öffentlich von den Kanzeln aus dagegen Stellung genommen hätten, sie vieles hätten verhüten können. Das ist nicht geschehen und dafür gibt es keine Entschuldigung. Wenn die Bischöfe dadurch ins Gefängnis oder in Konzentrationslager gekommen wären, so wäre das kein Schade, im Gegenteil. Alles das ist nicht geschehen und darum schweigt man am besten.
Konrad Adenauer an Pastor Bernhard Custodis (Bonn), 23. Februar 1946. Konrad Adenauer: Briefe 1945-1947 (1983)
Dokumentation Obersalzberg
 
Hier habe ich noch eine Passage aus dem Brief:

„Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk und tragen auch die Bischöfe und der Klerus eine große Schuld an den Vorgängen in den Konzentrationslagern. Richtig ist, daß nachher vielleicht nicht viel mehr zu machen war. Die Schuld liegt früher. Das deutsche Volk, auch Bischöfe und Klerus zum großen Teil, sind auf die nationalsozialistische Agitation eingegangen. Es hat sich fast widerstandslos ja zum Teil mit Begeisterung auf all den [...] gekennzeichneten Gebieten gleichschalten lassen. Darin liegt seine Schuld. Im übrigen hat man aber auch gewußt - wenn man auch die Vorgänge in den Lagern nicht in ihrem ganzen Ausmaße gekannt hat -, daß die persönliche Freiheit, alle Rechtsgrundsätze, mit Füßen getreten wurden, daß in den Konzentrationslagern große Grausamkeiten verübt wurden, daß die Gestapo, unsere SS und zum Teil auch unsere Truppen in Polen und Rußland mit beispiellosen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. Die Judenpogrome von 1933 und 1938 geschahen in aller Öffentlichkeit. Die Geiselmorde in Frankreich wurden von uns offiziell bekannt gegeben. Man kann also wirklich nicht behaupten, daß die Öffentlichkeit nicht gewußt habe, daß die nationalsozialistische Regierung und die Heeresleitung ständig aus Grundsatz gegen das Naturrecht, gegen die Haager Konvention und gegen die einfachsten Gebote der Menschlichkeit verstießen.

Quelle: Norbert Reck: Erinnerung im Land der Täter


Adenauer sieht die Schuld am den Nazi-Verbrechen beim Deutschen Volk und auch den Deutschen Bischöfen, die sich bereitwillig von den Nazis haben einspannen lassen, ohne dagegen etwas zu tun, auch wenn sie es gekonnt hätten. Konkret wirft er den Bischöfen vor, ihre Macht nicht ausreichend eingesetzt zu haben, um die Verbrechen zu verhindern.

Ich stehe dieser Aussage jedoch skeptisch gegenüber, gerade weil sie von Adenauer kommt. Er fordert im Prinzip, dass sich die Bischöfe in Predigten gegen die Nazis hätten aussprechen sollen, auch auf die Gefahr hin, dafür im KZ zu landen. Die Bischöfe hätten als christliche Märtyrer handeln sollen. (zumindest verstehe ich so den Satz: "Wenn die Bischöfe dadurch ins Gefängnis oder in Konzentrationslager gekommen wären, so wäre das kein Schade, im Gegenteil.")

Schaut man sich die Biographie Adenauers an, dann fällt auf, dass Adenauer als katholischer Oberbürgermeister von Köln zwar von den Nazis verfolgt wurde, es jedoch verstand, sich auch durch den Nazis genehme Äußerungen zu retten. Ich will ihm dieses Verhalten nicht ankreiden, da auch er ums Überleben kämpfte.
Mir kommt es nur so vor, als ob Adenauer selbst nicht bereit gewesen war, das zu tun, was er den Bischöfen als Versäumnis vorwirft. Daran stoße ich mich.

Ich bitte um Gegenargumente und weitere Quellen.
 
Schaut man sich die Biographie Adenauers an, dann fällt auf, dass Adenauer als katholischer Oberbürgermeister von Köln zwar von den Nazis verfolgt wurde, es jedoch verstand, sich auch durch den Nazis genehme Äußerungen zu retten. Ich will ihm dieses Verhalten nicht ankreiden, da auch er ums Überleben kämpfte.
Mir kommt es nur so vor, als ob Adenauer selbst nicht bereit gewesen war, das zu tun, was er den Bischöfen als Versäumnis vorwirft. Daran stoße ich mich.

Ich bitte um Gegenargumente und weitere Quellen.

Dann wäre ich dir für die Herkunft deiner Quellen für Adenauers den Nazis genehme Äußerungen dankbar.
Ist mir zu pauschal.
 
Ich beziehe mich auf diese Äußerungen. Sie sind mit Quellenangabe versehen.

Klar, Adenauer sieht sich gezwungen, seinen eigenen Kopf zu retten. Das hätten wohl die meisten Menschen so gemacht.
Wie gesagt, dieses Verhalten werfe ich ihm nicht vor. Ich frage mich jetzt aber schon, wie sein Brief an Custodis zu verstehen ist: Als Angklage der Bischöfe wegen ihrer Untätigkeit, oder als Versuch das geschehene zu erklären?
 
Ich beziehe mich auf diese Äußerungen. Sie sind mit Quellenangabe versehen.
Wikipedia schrieb:
Um den Druck zu mindern, verwies Adenauer in einem elfseitigen Brief vom 10. August 1934 an den NS-Innenminister in Berlin auf seine Verdienste für die NS-Bewegung: Er habe die NSDAP "immer durchaus korrekt behandelt" und beispielsweise "jahrelang entgegen der damaligen Verfügung des preußischen Innenministers der NSDAP die städtischen Sportplätze zur Verfügung gestellt und ihr bei ihren Veranstaltungen auf diesen das Hissen ihrer Hakenkreuzfahnen an den städtischen Flaggenmasten gestattet." Weiterhin habe er sich einer Anordnung des preußischen Staatsministeriums widersetzt, nationalsozialistische Beamte „zwecks Disziplinierung“ namhaft zu machen, „da ich sie für unberechtigt und für ungerecht hielt“. Er behauptete in diesem elfseitigen Brief auch, öffentlich im Winter 1932/33 erklärt zu haben, „daß nach meiner Meinung eine so große Partei wie die NSDAP unbedingt führend in der Regierung vertreten sein müsse.“[2]
[2] Zitiert nach[sic!] Peter Koch: Adenauer. Reinbek 1985

Merkwürdige Quelle.

Zur Qualifikation dieses Autors:
1983: "Stern"-Chefredakteur Peter Koch: "An der Echtheit der [Hitler]Tagebücher kann nicht gezweifelt werden..."
Kalenderblatt - DW-World

Die seriöse Adenauer-Literatur kennt diesen ominösen Brief nicht.
Merkwürdig auch, daß dieser scheinbar skandalöse Brief Adenauers im Internet nicht zu recherchieren ist.
 
Schaut man sich die Biographie Adenauers an, dann fällt auf, dass Adenauer als katholischer Oberbürgermeister von Köln zwar von den Nazis verfolgt wurde, es jedoch verstand, sich auch durch den Nazis genehme Äußerungen zu retten. Ich will ihm dieses Verhalten nicht ankreiden, da auch er ums Überleben kämpfte.
Mir kommt es nur so vor, als ob Adenauer selbst nicht bereit gewesen war, das zu tun, was er den Bischöfen als Versäumnis vorwirft. Daran stoße ich mich.

Ich bitte um Gegenargumente und weitere Quellen.

Vielleicht ist Adenauers Rolle bei der Aulösung des Preußischen Landtags hilfreich, seine Handlungen im Februar 1933 bis zur März-Wahl.

Dazu der Leitartikel des (nationalsozialistischen) Westdeutschen Beobachters vom 21.2.1933, der auf Adenauers Handlungen eingeht:

"Adenauer und der Nationalsozialismus
Es ist gut, dass sich die Geister scheiden ...
In diesen Tagen der Erhebung des deutschen Volkes gegen Marxismus und Judentum und internationale Sklaverei entlarven sich auch jene, die in der hinter uns liegenden Zeit ... den Anschein zu geben vermochten, sie hätten doch etwas von Größe an sich. Zu diesen zählt zweifellos Herr Dr. h.c. Adenauer, Präsident des Preußischen Staatsrates. Er muss schon eine abgrundtiefe Abneigung gegen das junge nationalsozialistische Deutschland haben. Anders ist sein Verhalten in diesen Tagen ... nicht zu erklären.
Sein Widerspruch im Drei-Männer-Kollegium gegen die Auflösung eines unmöglichen Landtages zeigt seine innere Verbundenheit mit dem Marxismus... Die Ablehnung der Rheinbeleuchtung gelegentlich der Anwesenheit des Reichskanzlers Adolf Hitler, die er mit dem angeblich parteipolitischen Charakter der Veranstaltung begründete, bewies, dass Adenauer ein Mann des Parteienstaates und der Klassen- und Konfessionsgegensätze geblieben ist. ...
Derselbe Herr Adenauer ordnete persönlich (!) die Entfernung der Hakenkreuzfahnen von den Masten der Hängebrücke an. Die Entfernung der Fahnen war möglich, weil die Bevölkerung zur gleichen Zeit in anderen Stadtteien dem Aufmarsch der braunen Bataillone zusah.
Herr Adenauer mag wissen, dass solche Herausforderungen sich in Zukunft rächen werden! ... Das neue Deutschland ist ohne und gegen Herrn Adenauer entstanden und wird deshalb auch mit Herrn Adenauer fertig werden!"

Weitere Beispiele im Umfeld der Machtergreifung:
Adenauer bat am 7.2.1933 schriftlich und nur aus taktischen Gründen (nur wegen der Gespräche im Staatsrat), nicht die Klage gegen die Auflösung des Preußischen Landtags durch Braun mit zu unterzeichnen. Er hatte sich aber intern für die Klage ausgesprochen. Adenauer sollte bei Hindenburg gegen Görings Schießerlasse vortragen, was nach Papens intervention nicht erfolgte.

Am 10.3.1933 mußte er aus Köln flüchten. Göring persönlich "beurlaubte" Adenauer am 13.3.1933 durch einen Polizeifunkspruch (zusammen genannt mit Dr. Landmann/Frankfurt, Ernst Reuter/Magdeburg, Brauer/Altona). Landmann flüchtete 1939 in die Niederlande und starb 1945 im Versteck an Unterernährung, Reuter landete zunächst im KZ Lichtenburg, Brauer konnte sich der Verhaftung durch Flucht in die USA entziehen.

Adenauers Brief vom 10.8.1934 sollte man in den Kontext stellen, dass er wohl um sein Leben zu fürchten hatte, was aus den Abläufen nach der Machtergreifung klar wird:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_Adenauer
 
Adenauer ist für mich eine Antifigur. Er liebte sein Köln und hätte es gern an die Franzosen verscherbelt, Für Ostdeutschland hatte er nur Verachtung übrig, jenseits von Braunschweig begann für ihn die asiatische Steppe.
 
Da gibst Du Parteipropaganda und Wahlkampf der 50er und 60er Jahre wieder.
Allen diesen Vorwürfen fehlt jede Grundlage.

Meiner politischen Linie steht er mehr als fern. Seine Versuche die bundeswehr atomar zu bewaffnen, die Nichtbeachtung der Stalinvorschläge. Das waren alles mal Riesenpunkte. Die BRD hat sich unter seiner Führung zu einer Republik der Großväter entwickelt. Der Religions-Proporz... Zum kotzen alles

Aber das von Dir genannte kann man ihm nun gar nicht vorwerfen.


Die Wiedervereinigung!
Die ist exakt nach dem von ihm genannten Muster abgelaufen. Nur in den Jahrzehnten hat er sich verschätzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
jenseits von Braunschweig begann für ihn die asiatische Steppe.


Dieser Ausspruch wird in zahlreichen Varianten überliefert, aber ist da wohl die richtige darunter?

Bekanntlich begann auch für Adenauer östlich von Berlin die asiatische Steppe.
taz, die tageszeitung

... Adenauer, der einmal sagte: „Östlich der Elbe beginnt die asiatische Steppe. ...
Biografie: Konrad Adenauer, Deutsche und Polen (rbb) Geschichte, Biografien, Zeitzeugen, Orte, Karten

Hat nicht Konrad Adenauer einst gesagt, bei Magdeburg beginne die asiatische Steppe.
Newsdetail- Deutsch Russischer Austausch e.V.

Von Adenauer ist der Spruch überliefert, bei Braunschweig beginne für ihn die asiatische Steppe
Ave Maria

Wie hat es Adenauer noch ausgedrückt: "Hinter Han[n]over beginnt die asiatische Steppe".
Bundestag setzt letzte Frist für Schloss-Kalkulation

... und sieht schon kurz hinter dem bergischen Land die asiatische Steppe beginnen...
Hans-Peter Schwarz (Historiker - Wikipedia)
 
Naja, es wird ja auch behauptet, dass es ihm diebisches Vergnügen bereitete, bei Fahrten nach Berlin aus dem Zugabteil in die Elbe zu spucken...
 
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