Afrikafeldzug und die Ausgangssituation Italiens - Sept40/Feb41

Dann hätte er es komplett sein lassen sollen. Er hat jedoch Angegriffen und auch in Hinblick auf die gegebenen Konditionen die schlechtesten Ergebnisse erzielt. Nicht zuletzt die absurde Disposition der befestigten Stellungen die er anlegen liess, die so weit voneinander entfernt waren, dass die Briten sie einen nach der anderen Einnahmen, ohne dass diese sich gegenseitig unterstützen konnten.

Die Kritik teile ich ja grundsätzlich.

Wir sind dann bei der Frage, wer eigentlich für das Desaster die Verantwortung trägt. Für den Angriff sollte man das bei Rom und Mussolini verorten, Graziani war da nur der "agent", Mussolini der "principal".

Die operativen Fehler sind Graziani anzulasten, natürlich findet man ohne großes Suchen eine bessere Defensivposition (zB Halfaya). Kollidiert aber mit dem Vorrücken an sich. Dann kommt der "Fog of war" hinzu. Während die Briten durch Luftaufklärungen bestens informiert waren, ist dem guten Graziani beispielsweise die Panzerkonzentration völlig entgangen. Ob er ahnen konnte, dass Churchill trotz Dünkirchen seit Juli mehr als 50% der gesamten restlichen britischen Panzerkapazitäten nach Ägypten auf Reisen geschickt hatte (darunter 7th RTR mit der Hälfte der Matildas, das 2nd RTR und weitere Cruiser-Ausstattungen für die 7th Armoured Division, während die 2nd Armoured Division sogar noch unterwegs war)? Das war eben den Italienern nicht bekannt, während umgekehrt die Briten sogar die italienische Material-Ausstattung von Bardia bis Tripolis recht gut einschätzten.

Die strategische Wahrnehmung in Großbritannien war offenbar die (siehe Butler, Grand Strategy II sowie das Grundlagenwerk Playfair I, zitiert von DRZW 3, was wiederum Turgot angeführt hatte), dass Ägypten eine Schlüsselposition zukommt. Das kapierten die Achsenmächte zunächst nicht (DRZW 3 sowie Baum/Weichold - wobei man beim Weichold vorsichtig sein muss, der ist im Urteil durch für Admiralstätigkeit im Weltkrieg vorbelastet).
 
Komisherweise hatte Graziani, als er selbst noch in Rom saß, Balbo angetrieben "Gas zu geben". Als er selbst in Afrika war, galt das alles nichts mehr.
 
Komisherweise hatte Graziani, als er selbst noch in Rom saß, Balbo angetrieben "Gas zu geben". Als er selbst in Afrika war, galt das alles nichts mehr.

Auf solche Sinneswandlungen war die Bemerkung oben bezogen: am grünen Tisch sieht das alles anders aus. Nicht ohne Grund führte Rommel von vorn (ja, ist auch eine Platitüde und nicht wörtlich zu nehmen, aber meint "am Puls").

Balbos straffe Defensiv-Haltung war auch davon geprägt, dass er noch zwei Fronten (Tunesien/Ägypten) vor Augen hatte. Da werden frühe Offensiv-Ambitionen noch surrealer.

Aber nochmal: der frühe Thoma-Bericht teilt die italienischen Befürchtungen vor Ort, und die geographischen Besonderheiten sowie die logistischen Voraussetzungen.
 
Und worauf hier noch wenig eingegangen wurde: der Luftkrieg Juli/Dezember 1940.

Shores (Autor des alten Werks Fighters over the Desert)/Massimello
A History of the Mediterranean Air War, 1940-1945: Volume One: North Africa, June 1940-January 1942.
Eine day-by-day Darstellung.
 
Und worauf hier noch wenig eingegangen wurde: der Luftkrieg Juli/Dezember 1940.

Shores (Autor des alten Werks Fighters over the Desert)/Massimello
A History of the Mediterranean Air War, 1940-1945: Volume One: North Africa, June 1940-January 1942.
Eine day-by-day Darstellung.

Beide Seiten noch weitgehend mit Doppeldeckern ausgestattet, Fiat CR 42 gegen Gloster Gladiator. Da haben sich die italienischen Piloten noch recht gut geschlagen.

Was mich an Graziani irritiert, ist nicht nur seine Unfähigkeit. Als er Lybien "befriedete" oder in Äthiopien den Vizekönig spielte, ging er extrem brutal und rücksichtslos vor. Für einen fehlgeschlagenen Anschlag auf ihn liess er als Vergeltung tausende Menschen ermorden, darunter fast die ganze gebildete Bevölkerung von Addis Abeba. Als er dann jedoch gegen Truppen kämpfen musste die den seinen ebenbürtig oder gar überlegen waren, rutschte ihm das Herz in die Hose.
 
Beide Seiten noch weitgehend mit Doppeldeckern ausgestattet, Fiat CR 42 gegen Gloster Gladiator. Da haben sich die italienischen Piloten noch recht gut geschlagen.

Das gilt nur für die ersten Wochen.

Mit Beginn der britischen Offensive waren alle drei Fighter-Sqd - die 33 (hier ehemals Gloster Gladiator), 73, 274 - der Western Desert mit überlegenen Hurricanes ausgestattet.

Die bis Dezember 1940 errungene Luftherrschaft ist ein wesentlicher Faktor der folgenden italienischen Niederlage. Nachgeführt wurden von den Briten zwischen September und Dezember 87 Hurricanes, 85 Blenheim IVs und 41 Wellingtons.

Die kleine, aber qualitativ überlegene Streitmacht kontrollierte die Aufklärung, bombardierte die Nachschubwege, flog Störangriffe gegen die rückwärtigen Häfen und fegte die italienische Luftwaffe über der Front weg.

Dass Graziani ein Kriegsverbrecher war, ist bekannt, führt aber bei der Erklärung der militärischen Niederlage nicht weiter.
 
Das gilt nur für die ersten Wochen.

Mit Beginn der britischen Offensive waren alle drei Fighter-Sqd - die 33 (hier ehemals Gloster Gladiator), 73, 274 - der Western Desert mit überlegenen Hurricanes ausgestattet.

Die bis Dezember 1940 errungene Luftherrschaft ist ein wesentlicher Faktor der folgenden italienischen Niederlage. Nachgeführt wurden von den Briten zwischen September und Dezember 87 Hurricanes, 85 Blenheim IVs und 41 Wellingtons.

Die kleine, aber qualitativ überlegene Streitmacht kontrollierte die Aufklärung, bombardierte die Nachschubwege, flog Störangriffe gegen die rückwärtigen Häfen und fegte die italienische Luftwaffe über der Front weg.

"Gut geschlagen" heist ja nicht, dass sie siegten. In Nordafrika, so wie auch in Ostafrika, befanden sich gut ausgebildete italienische Piloten, zum größten Teil Veteranen aus den Spanien Krieg, die mit den Fiat CR 42 sogar Luftsiege gegen deutlich überlegene Flugzeuge wie den Hurricane oder sogar vereinzelt gegen Spitfires erzielten. Am Ende wurden sie durch die technische und numerische Überlegenheit der Briten besiegt, lieferten jedoch einen zähen Kampf und verursachten dabei empfindliche Verluste. In Lybien wurden sie auch nie komplett vom Himmel gefegt, wie es am Ende in Ostafrika geschah, wo sogar der größte Italienische Experte Visintini fiel.

In Griechenland flogen dagegen zeitgleich jüngere unerfahrene Piloten die wesentlich schlechter abschnitten.

Dass Graziani ein Kriegsverbrecher war, ist bekannt, führt aber bei der Erklärung der militärischen Niederlage nicht weiter.

Für dich vielleicht, hier lesen aber auch Nichthistoriker mit.

Ist aber als Nebeninformation nicht uninteressant, vor allem wenn das Bild, dass der Allgemeinheit inzwischen von der italienischen Kriegsbeteiligung verkauft wird, darin besteht, dass sie in den besetzten Ländern die Mandoline spielten und den Mädchen schöne Augen machten.

Graziani hatte auch lange Erfahrung vor Ort, eigentlich hätte er diese besser ausnutzen können.
 
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