Afrikanische Beteiligung am transatlantischen Sklavenhandel

Dieses Thema im Forum "Afrika" wurde erstellt von Gegenkaiser, 23. März 2011.

  1. Maglor

    Maglor Aktives Mitglied

    Du hast da schon richtig gelesen, dass ich die Sklaverei in Westafrika bagetellisiere. Die große Grausamkeit des transatlantischen Sklavenhandels liegt vor allem in der Überfahrt über den Atlantik in beeengten Frachtenr. Selbst die üblichen Brandzeichen der Sklaven wurden erst in den Sklavenforts der Europäer in die Haut der Sklaven gebrannt. Das, was in den westafrikanischen Königreichen mit den Sklaven getan wurde, ist natürlich auch grausam, steht aber in keinem Verhältnis zu allem, was den Sklaven danach angetan wurde. Unfreiheit war allgegenwertig in der damaligen Welt. Die Leibeigenen in Europa oder bei den Kontrakthörigen im angloamerikanischen Raum wurden immerhin wie Menschen behandelt, während die afrikanischen Sklaven während der Überfahrt und in den Plantagen schlicht wie Tiere behandelt wurden. Es geht los mit den Brandzeichnen, dann die nackte Verschiffung in Frachträumen, die Versteigerung, das Verfüttern von Mais in Trögen, die Peitsche usw. All das war bei der Sklaverei in der Neuen Welt die Regel, bei Leibeigenen und Kontrakthörigen jedoch nicht.

    Als die Holländer den kühnen Einfall hatten für ihr Kolonialreich in Indonesien eine schwarze Kolonialarmee (Belenda Hitam) bei den Aschanti zu bestellen, hat das Aschanti-Königreich auch nur geliefert. Angeblich wurden die Aschanti nicht als Sklaven rekrutiert. Ein großer Teil der späteren Söldner lebte vorher aber als "Sklaven" im Aschanti-Reich. Die Holländer haben jene ehemaligen Sklaven der Aschanti jedoch nicht zu willenlosen Plantagensklaven gebrochen, sondern zu Soldaten gedrillt. Das ist natürlich auch eine Art von Menschenhandel gewesen, nur hat man diese Aschanti eben wie Fremdlegione behandelt, was immerhin schon deutlich besser ist, als das Leben der Plantagensklaven. (Diese Soldaten dürfen z.B. Schuhe tragen und müssen kein Maisschrot aus dem Trog essen. Peitschenhiebe gab es dann auch nur, wenn man was angestellt hatte und nicht einfach so damit man schnelller arbeitet. Verglichen mit den Leben ihrer Stammesbrüdern auf den Plantagen Amerikas, hatte die Aschanti-Söldner auf Java tatsächlich ein vergleichsweise gutes Leben.)

    Wie die Sklaverei in Westafrika vor Ankunft der Sklavenhändler aussah, bleibt Spekulation.
    Ich muss gestehen, dass ich hier schon wieder beim Spekulieren erwischt wurde. Wie die Sklaverei in Westafrika vor Ankunft der Portugiesen und der anderen Europäer aussah, ist weitgehnd unbekannt bzw. dazu müsste ich erstmal richtig Recherche betreiben.
    Klar ist jedoch, dass die Ankunft der Sklavenhändler Westafrika verändert und die Kolonialmächte die Strukturen in Westafrika direkt und indirekt mitgestaltet haben. Das Königreich Kongo wurde von den Portugiesen in den Ruin getrieben, weil die Könige den Sklavenhandel verbieten wollten. Das die Könige des Kongo katholisch waren, hat die Portugiesen jetzt nicht davon abgehalten gegen sie zu intervenieren. Das Königreich Benin hingegen hat immer brav Sklaven geliefert und konnte fast 500 Jahre vom Sklavenhandel "profitieren". Dass es sich bei König von Benin um eine Art Vodoo-Theokraten handelte, der regelmäßig Menschenopfer vollziehen ließ, stand dem Geschäft nie im Wege.

    Dass die Region keinen Zugang zum Welthandel hatte und weitgehend isoliert war, ist jedoch gewiss. Es gab keinen Handel. Zu den wenigen frühen Nachrichten gehört die Pilgerfahrt des König von Mali nach Mekka im späten Mittelalter. König Mansa Musa führte große Mengen Gold mit sich, das er unterwegs ausgab oder verschenkte. Die riesige Goldmenge, die er in Ägypten unters Volk streute, führte dort zu einer Inflation. Zuvor war diese große Menge Gold tatsächlich in Mali gehortet worden. Mali fand über den Transahara-Handel wirtschaftlichen Zugang zu den Märkten Nordafrikas und lieferte bald auch Sklaven nach Nordafrika. Zugang zum europäischen Markt erreichten sie aber nicht bzw. erst durch die europäische Eroberung im 19. Jahrhundert.
    Auch Elfenbein wurde in West- und Zentralafrika lange Zeit nur gehortet. Als die Portugiesen den Handel mit Elfenbein begannen, wurde der europäischen Markt mit billigen Elfenbein überschwemmt, sodass sich die Jagd auf Walrosse zur Elfenbeinproduktion kaum noch lohnte. Dies führte unter anderem zur Aufgabe der nordischen Siedlungen auf Grönland, die sich vor allem durch den Handel mit Walrosselfenbein finanzierten.
    So ähnlich wie beim Gold und beim Elfenbein wird es auch bei den Sklaven gewesen sein. Der Unterschied ist natürlich, dass man Menschen nicht so einfach horten kann wie Gold oder Elfenbein, sondern auch ernähren muss. Ständige Sklavenjagden ergeben jedenfalls keinen Sinn, wenn es keine Abnehmer für Sklaven gibt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 30. September 2022
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  2. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Ist das denn belegbar, dass vor der Verschiffung den Sklaven ein Brandzeichen eingebrannt wurde? Das dürfte die Überlebenswahrscheinlichkeit für die grausame Überfahrt nicht gerade erhöht haben. Ziel der Sklavenschiffe war es jedoch, möglichst viele Sklaven lebend nach Amerika zu bringen, um so einen höheren Gewinn zu erzielen.
    Ich habe von Brandzeichen bei einzelnen Sklaven in Amerika gelesen, die dort als "Disziplinierungsmaßnahme" eingesetzt wurden, also als eine Strafe um den Willen der Versklavten zu brechen, z.B. nach einem Fluchtversuch oder wegen "Ungehorsamkeit".
     
  3. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    https://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_in_Westafrika

    bzgl. bagatellisieren: wenn ich mir das hier https://de.wikipedia.org/wiki/Ostafrikanischer_Sklavenhandel durchlese, halte ich bagatellisieren bzw. verharmlosen nicht für angebracht.
     
  4. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied

    Es fehlen leider schriftliche Quellen für die Zeit vor Ankunft der Europäer.

    Sklaverei gab es natürlich auch in Afrika. Sklave wurde man üblicherweise 1. durch Kriegsgefangenschaft, 2. Durch eine Art Schuldknechtschaft, 3. Durch "Selbstverkauf" und 4. (die wohl häufigste Variante) durch Raubzüge, Sklavenrazzien.

    "Die Schwarzafrikaner" gab und gibt es höchstens in der Vorstellung der "Weißen". Die sehen keine Aschanti, Haussa, Mandinghe, Fulbe, Dinka, Schilluk, die sehen Menschen, die sie nicht kennen- das vordergründige offensichtliche ist "die sind alle schwarz.

    Die Gesellschaft der meisten Stämme war relativ durchlässig. Es gab Fälle, dass Sklaven freigelassen und adoptiert wurden. Sklaven konnten sich freikaufen. Es kam auch vor, dass Menschen wegen Schulden ihre Arbeitskraft für einige Jahre dem Schuldner zur Verfügung stellten. Das jemand wie, es in den Amerikas die Regel war, ein Lebenlang Sklave blieb, war in vielen Ethnien eher ungewöhnlich.

    Die geschilderten Methoden konnten aber nur für einen begrenzten Bestand an Sklaven sorgen.

    Die 4. Methode war effektiver, Raubzüge, Plünderungen, Sklavenrazzien bringen aber Chaos und Anarchie, und die versuchten Könige und Häuptlinge im eigenen Land durchaus zu unterbinden. Alex Haleys "Roots" ist Literatur, die Biographie von Kunta Kinte sicher stellenweise spekulativ, und es gab Plagiatsvorwürfe. Haley hat aber schon sich ethnologisches Wissen angeeignet. Im Roman versucht Omoru Kinte im Auftrag des Königs gegen Stammesgenossen vorzugehen, die Sklaven schmuggelten und an die Engländer verkaufen. So geraten auch Kunta Kinte und seine Leidensgenossen in die Sklaverei. Sie fragen sich, was mit ihnen geschieht- es gibt Gerüchte, dass die Briten Sklaven an Kannibalen verkaufen.

    Lokale Gewalten versuchten schon, den illegalen Sklavenhandel und Schmuggel zu bekämpfen. Die Europäer aber brachten eine absolut überlegene Militärtechnologie mit. Mit ein paar Musketen eingetauscht gegen Sklaven, konnten kleine Sklavenschmuggler innerhalb kurzer Zeit zu Warlords, kleinen Königen werden.

    Das was die Aschanti und Dahomey praktizierten war schon krass. Das war pures Kidnapping, da ging schon mal ein Dorf bei drauf. Die Aschanti führten Kriege und Raubzüge gegen ihre Nachbarn nicht als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern als Mittel zur Sklavenbeschaffung. Hier war es tatsächlich so, dass die Könige den Sklavenhandel organisierten. Meist aber waren die schwarzen Sklavenhändler aber eben nicht Häuplinge oder Könige, sondern Banditen. Mit den Europäern trat aber eine Macht auf den Plan- die nicht ignoriert werden konnte.
    Man muss sich mal vor Augen führen, welche Gewinne, welche Macht und welche Aufstiegsmöglichkeiten mit dem Sklavenhandel verbunden waren. Auch welche Versuchung das gewesen sein muss.. Natürlich gab es da "Schwarzafrikaner" die mitmachten. seien wir doch mal ehrlich-eigentlich wäre es ein Wunder gewesen, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Es lag doch in der menschlichen Natur begründet, dass bei so etwas immer Leute mitmachen.


    Im Grunde gab es nur zwei oder drei Alternativen: 1. sich mit den Europäern irgendwie arrangieren, 2. Sich mit den Europäern verbünden, 3. von Verbündeten der Europäer fangen und von den Europäern versklaven oder vernichteten lassen. Ich weiß nicht, Freiwilligkeit sieht doch etwas anders aus.


    Da wo lokale Autoritäten vorhanden waren, haben sie schon versucht gegen Sklavenhandel, Sklavenschmuggel vorzugehen. In der Regel war es auch nicht so, wie es sich viele vorstellen, dass die Europäer losschippern, an einer Faktorei anhielten und ein paar Hundert Sklaven einluden und dann nach Amerika segelten. Nur wenige Schiffe segelten die volle Dreieckroute. Sie gingen vielmehr bei einem Fort an Land tauschten einige Sklaven ein, segelten weiter die afrikanische Küste entlang und klapperten mehre Stationen ab, bis sie eine Ladung zusammen hatten. Das konnte Wochen und Monate dauern. Das wird auch an dem Begriff Dreieckhandel kritisiert, weil der innerafrikanische Handel dabei ausgeblendet wird.

    Es gab Stützpunkte wo man Sklaven einige Zeit "lagern" konnte.
    Die Europäer gingen in der Regel nicht selbst auf Sklavenfang. Dass sie eher hier 20, dort 15 und auch mal 50 Sklaven aufkauften, sich monatelang an der afrikanischen Küste aufhielten, spricht eher dafür, dass es sich eher um Sklavenschmuggel und illegalen Sklavenhandel von Banditen, Warlords handelte, da die afrikanischen Sklavenhändler durchaus mit Widerstand lokaler Autoritäten rechnen mussten und diese in der Regel keineswegs so unangefochten vorgehen konnten wie im ostafrikanischen Sklavenhandel, wo Leute wie Tibbu Tib ganze Dörfer überfielen und Massen von Sklaven erbeuteten.

    Die Könige der Aschanti und von Dahomey gingen in der Regel auch nicht im eigenen Land auf Sklavenfang, sondern überfielen ihre Nachbarn. Hier war es durchaus so, dass die Initiative von lokalen Autoritäten ausging. Die Aschanti waren ein Partner, der durchaus auf Augenhöhe zuerst mit den Holländern später mit den Briten verhandelte. Die Kriege und Sklavenrazzien der Aschanti waren sehr grausam. Die Aschanti kontrollierten das Hinterland und sicherten sich mit dem Sklavenhandel eine Art Hegemonie. Diese Politik war zweifellos grausam und skrupellos, verheerend für die Opfer.

    Die Aschanti schafften es aber auch, den europäischen Einfluss im eigenen Territorium zurückzudrängen. Erst mit dem Scramble for Africa wurden sie endgültig von den Briten unterworfen. Sie schafften es auch, die eigene Bevölkerung vor Sklaverei zu bewahren. Sie wurden Komplizen der Europäer im Sklavenhandel, die dabei ein hohes Maß an Eigeninitiative zu sichern wussten. So paradox es auch klingt, mit dem Sklavenhandel sicherte das Aschantireich sich aber auch die Unabhängigkeit von den Europäern, erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde es britische Kolonie, und die Könige der Aschanti schützten mit dieser Politik durchaus die Freiheit und Sicherheit der eigenen Bevölkerung.

    "Panafrikanische" Gefühle waren "den Schwarzafrikanern" fremd. In der afrikanischen Perspektive waren es Aschanti, Fulbe, Mandinghe, Wolof, Haussa u. v. a.


    Die afrikanische Beteiligung beim transatlantischen Sklavenhandel wurde und wird keineswegs unterschlagen. Man kann durchaus von einer Mitverantwortung afrikanischer Warlords, sprechen, von mir aus auch von einer Mitschuld. Der Einfluss der Europäer beschränkte sich auf den Küstensaum. Der Fang wurde von Afrikanern durchgeführt.

    Im Falle der Aschanti und des Reichs Dahomey war es tatsächlich so, dass lokale Eliten den Sklavenhandel in großem Stil unterstützten und den Sklavenhandel als Instrumentarium der Politik benutzten, um sich eine Hegemonie zu sichern, aber auch, um im eigenen Land Autonomie zu haben und den Einfluss der Europäer zu minimieren.
    Im Großen und Ganzen haben afrikanische Häuptlinge und Könige durchaus versucht, Sklavenrazzien im eigenen Land zu bekämpfen. Nicht aus humanitären, oder gar abolitionistischen Erwägungen heraus, sondern schlicht und einfach, weil so etwas die Wirtschaft und Infrastruktur kaputt macht, weil der Handel zum Erliegen kommt, wenn keiner sich mehr traut zu reisen, wenn Felder nicht mehr bebaut werden, wenn die leistungsfähigsten Leute entführt werden.

    Es gab Sklaverei natürlich auch in Afrika, es gab in Städten wie Timbuktu Sklavenmärkte. Mit dem Sklavenhandel der Europäer erreichte das Ganze aber eine nie zuvor gekannte Dimension. Kriege, Raubzüge als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, das gab es auch zuvor. Dass der Sklavenhandel aber sozusagen zum "Vater aller Dinge" wurde, dass Razzien in großem Stil durchgeführt wurden, aus dem einzigen Motiv des Sklavenfangs-das kam erst durch den enormen Bedarf an billigen Arbeitskräften im Zuge des Zucker, Reis, Tabakbooms im 16.-18.Jahrhundert.

    Die verbesserten Feuerwaffen verliehen den Europäern einen gewaltigen Vorteil, und mit ein paar Musketen und ein paar "Tough Guys" konnte ein kleiner Schmuggler echt schnell zu einem ganz ansehnlichen Warlord werden, mit dem dann lokale Eliten nicht mehr so ohne Weiteres fertig wurden.

    Gleichzeitig war das natürlich auch eine enorme Versuchung für lokale Eliten, sich selbst daran zu beteiligen. Der Sklavenhandel war für Afrika eine einzige Katastrophe, die überwältigende Mehrheit hat daran nicht profitiert-im Gegenteil. Die Gewinnspannen und damit auch die Versuchung, sich aus den unterschiedlichsten Motiven daran zu beteiligen- waren enorm. Und natürlich gibt es bei so etwas immer Mittäter, Kollaborateure, Komplizen.

    Dass es sie gab, ist nun wirklich nicht erstaunlich aus den genannten Gründen- Wie gesagt, es wäre ein Wunder gewesen- hätte es keine gegeben. Es ist auch keine Sensation, die nur auf die politisch Rechte gewartet hätte, um enthüllt zu werden.
    In der wissenschaftlichen Diskussion haben Kräfte wie die AfD nichts beigetragen, sie glänzt lediglich durch Polemik und Populismus.
     
  5. Carolus

    Carolus Aktives Mitglied

    Ich habe noch etwas gefunden zur Beteiligung der Afrikaner am Sklavenhandel (also dem Verkauf an Europäer in Afrika): Digital History

    (Ich habe keine Ahnung, wie fundiert dieser Artikel ist. Fußnoten und Verweise auf Literatur sind nicht vorhanden.)
     
  6. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Erwähnt wird dort Gomes Eannes de (A)Zurara, der als Kronzeuge für einen portugiesischen Sklavenraubzug in Westafrika dient. Seine Beschreibungen der portugiesischen Fahrten entlang der westafrikanischen Küste unter Heinrich, dem Seefahrer, scheinen interessant zu sein, haben aber nichts mit dem transatlantischen Sklavenhandel zu tun. De Azurara starb bereits etwa 1474, also bevor Amerika entdeckt wurde.
     
  7. Maglor

    Maglor Aktives Mitglied

    Die englische Handelsgesellschaft Royal African Company versah ihre mit dem Brandzeichen auf der Brust. RAC stand schlicht die die Royal African Company und DY stand für James Duke of York als Gouverneur des Unternehmen. (Später bekannt als King James II.)
    Es handete sich um eine Qualitätssiegel und einen Herkunftsnachweis ähnlich wie Brandzeichnen bei Pferden oder Punzen auf Goldbarren. Ich bin mir sicher, dass hier nicht an irgendeine afrikanische Tradition angeknüpft wurde.
    Im wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang ist auch erkennbar, dass die Gesundheit und das Überleben der Sklaven an Bord nicht unbedingt das Hauptinteresse der Sklavenhändler war. Die Sklaven wurden in Afrika zu Ramschpreisen gekauft und die Preise unterlagen saisonaler Schwankungen. Am teuersten waren sie zur Erntezeit von Zucker und Baumwolle im Amerika. Es ging schlicht um Gewinnmaximierung. Sklaven, die bei der Überfahrt starben, konnten als Versicherungsschaden geltend gemacht werden. Es war dann manchmal ertragreicher die Ware über Bord zu werfen. Derartige Praktiken wurden zu Skandale, die langfristig zum Verbot der transatlantischen Sklavenhandels führten.
    Wenn man Sklaven mit einem hoheitlichen Brandzeichen in Amerika teurer verkaufen konnte, hat sich das wahrscheinlich schon gelohnt.

    Stammesnarben im Gesicht galten hingegen im Sklavenhandel als Makel. Sklaven mit entsprechenden Stigma waren nicht für den Export geeignet oder erzielten nur niedrige Preise. Diese Formen der Körpermodifikation warne in vielen Regionen in West- und Ostafrikas verbreitet und sollten jene Personen als Angehörige dauerhaft als Mitglieder der eigenen Gruppe markieren. Extreme Körpermodifikationen treten anscheinend unabhängig voneinander in ganz verschieden Regionen Afrikas auf, die besonders stark vom Sklavenhandel betroffen waren. Angehörige der Oberschicht in Afrika markierte jedoch nicht ihre Sklaven, sondern die eigenen Kinder. Im Falle einer Verschleppung durch Sklavenjäger konnte man so die eigenen Verwandten auch noch Jahrzehnte später identifizieren und befreien. Der Sinn dahinter ist also genau umgekehrt wie bei den Brandzeichen europäischer Sklavenhändler. Es wird vermutet, dass die Entstehung dieser extremen Formen der Körpermodifikation mit der jahrhundertelangen Bedrohung durch Sklavenhändler im Zusammenhang stehen. Die ständige Bedrohung durch Sklavenjagden hat jene Gesellschaften über Jahrhunderte geprägt. Der Narben werden aber auch andere magische Funktionen zugeschrieben oder mit dem speziellen Schönheitsempfinden in Verbindung gebracht.
     
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  8. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    man verwendet heutzutage ja die Aufteilung in westafrikanischen und ostafrikanischen Sklavenhandel. Zu letzterem scheint es aber nicht nur Quellen, sondern auch einige Literatur zu geben (woher wüsste man sonst vom https://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_der_Zandsch und später von der "Umschlagzentrale" Sansibar https://de.wikipedia.org/wiki/Ostafrikanischer_Sklavenhandel#Sultanat_Sansibar )

    Ich bin mir nicht sicher, was die Diskussion in diesem Faden betrifft: täuscht mich mein Eindruck, dass der portugiesische Sklavenhandel en gros als "besonders böse" gewertet, hingegen der "traditionelle" innerafrikanische Sklavenhandel sowie der Sklavenhandel muslimischer Herrschaftsgebiete eher verharmlost bzw. als "nicht so total böse wie die argen Portugiesen" betrachtet wird? -- nach meiner laienhaften Auffassung sind sie allesamt gleichermaßen inhuman, setzen dieselben Mittel (Gewalt) ein und haben dieselben Motive (Gewinn)
     
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  9. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied

    Es lassen sich verschiedene Systeme schwer vergleichen. Die Sklavenhaltergesellschaft der Araber war durchlässiger, als die Plantagensklaverei in der Karibik, in den amerikanischen Kolonien/den USA oder in Brasilien. Freilassung, Selbstfreikauf kam relativ häufig vor, Die Njamwesi, oder Wanjamwesi wörtlich die Leute vom Mond bildeten auf der Insel Sansibar eine Schicht freigelassener Kleinhändler und Kleinbauern, aus denen Afrikaforscher wie Speke, Grant, Livingstone und Stanley vornehmlich Träger und Askari rekrutierten. Zwischen Arabern aus Oman und einheimischen Frauen gab es zahlreiche Verbindungen.

    Die Razzien arabischer Sklavenhändler waren aber äußerst brutal und rücksichtslos, Tibbu Tib hatte bereits so etwas wie das Herz der Finsternis errichtet, bis König Leopold ihn ablöste.
     
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  10. Maglor

    Maglor Aktives Mitglied

    Es geht hier um den Sklavenhandel von Afrika nach Amerika über den Antlantik. Dieser transatlantische Sklavenhandel erfolgte fast ausschließlich von Westafrika aus. Nur ein kleinerer Teil der Sklaven in Amerika stammte aus Madagaskar und Südostafrika.
    Zwischen dem Sklavenhandel durch die Sahara der Tuareg, Berber u.a. dem Sklavenhandel im Indischen Ozean der Araber und Suaheli in Indischen Ozean und dem Sklavenhandel der Europäer an der westafrikanischen Küste gibt es fast keine Verbindungen. Die Unterscheidung ist der Handelswege ist keineswegs künstlich und ergibt sehr viel Sinn.
    Diese Karte aus Wikipedia verdeutlicht wie die neuzeitlichen Sklavenhandelsrouten verliefen und wie stark sie getrennt waren.

    Schau doch mal in die Überschrift! Es geht hier eigentlich um den Sklavenhandel über den Atlantik.
    Portugal ist hier vor allem in der Quantität die führende Nation im transantlantischen Sklavenhandel, auch weil sie als erste anfingen mit afrikanischen Sklaven über den Atlantik zu handeln und auch am längsten daran festhielten. Ich sehe keine Grund zu der Annahme, dass die Portugiesen grausamer vorgingen als die Holländer, Dänen, Bradenburger u.a. Es scheint mir aber so, dass durch die Finanzspekulation und kapitalistische Rationalisierung im angloamerikanischen Sklavenhandel noch eine neue Qualität besonders grausamer und menschenverachtender Praktiken ergab, die vorher völlig unbekannt waren.

    Die muslimischen Sklavenhändler hatten zu diesem Geschäft mit Amerika schlicht keinen Beitrag geleistet. Sie hatten mit dem transatlantischen Sklavenhandel nichts zu tun, sofern sie nicht selbst als Sklaven gefangen und Richtung Amerika verschleppt wurden. Man kann es auch so sehen, dass die Sklaventransporte der Araber im Indischen Ozean weniger grausam waren, weil die Überfahrt schlicht nicht so lange andauerte und die Gefahr von Wasser- und Nahrungsmangel oder Seuchen geringer war, weil die Überseefahrten im Indischen Ozean schlicht viel kürzer damit ungefährlicher waren.

    Zum Thema traditioneller "innerafrikanischer Sklavenhandel":
    Was soll das sein? Es ist bleibt ein Phantom. Gab es vor Ankunft der Europäer überhaupt eine Tradition des Handels?
    Wie oft wechselten die Sklaven ihrer Besitzer, bevor sie in den Forts der Kolonialmächte in das Eigentum der Handelsgesellschaften übergingen?
     
    Zuletzt bearbeitet: 8. Oktober 2022
  11. dekumatland

    dekumatland Aktives Mitglied

    aus https://de.wikipedia.org/wiki/Ostafrikanischer_Sklavenhandel#Sultanat_Sansibar

    https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantischer_Sklavenhandel#Geschichte :
    Furchtbar waren dann allerdings die Bedingungen auf den Schiffen der europäischen Sklavenhändler (kann man im Wikipedia Link atlantischer Sklavenhandel nachlesen)

    Das kollidiert inhaltlich mit der Darstellung in https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantischer_Sklavenhandel#Geschichte :
     
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 8. Oktober 2022
  12. Maglor

    Maglor Aktives Mitglied

    Dieser Wikipedia-Artikel ist alles andere als fundiert, insbesondere der von dir wörtlich zitierte Absatz.
    Fußnote 1 verweist auf Gudrun Kramers sehr lesenwertes Buch "Geschichte des Islam". Das Buch hat jedoch ein ganz anderes Thema.
    Das Thema atlantische Sklavenhandel wird in Kramers Buch gar nicht im Detail behandelt. Kramer vergleicht die Versklavung der Zanj in der frühmittelalterliche Plantagenwirtschaft am Euphrat mit der amerikanischen Plantagenwirtschaft. Dieser Vergleich ergibt durchaus Sinn, weil man dadurch besser das Ausmaß der Sklaverei am Euphrat versteht, aber kann nicht Grundlage zur Erklärung des atlantischen Sklavenhandels sein.

    Zu den Fakten gehört, dass es in der westafrikanischen Küstenregion, d.h. der Sklavenküste keine Araber gab. Muslime tauchten gelegentlich unter den Sklaven in Amerika auf und waren wahrscheinlich eher die Ausnahme. Zu den muslimischen Sklaven in Nordamerika habe ich vor ein paar Jahren hier im Forum ein bisschen was zusammengetragen.
    Besonders interessant ist meines Erachtens Ayuba Suleiman Diallo. Da er schreiben konnte, schrieb er auch auf, wie er in die Sklaverei geraten ist. Eigentlich wollte der afrikanische Gelehrte aus dem Königreich Bondu im heutigen Senegal in Gambia bei den Europäern Papier kaufen. Er geriet aber in die Gefangenschaft der Mandinka, die ihn an britschen Captain Pike verkauft bzw. gegen eine Pistole eingetauscht. Pike verfrachte Diallo nach Amerika. Auf der Plantage in Georgia konnte kein anderer Sklave seine Sprache sprechen, stattdessen schrieb er auf arabisch, was auch erstmal keiner lesen konnte.

    Eine Besonderheit gab jedoch in Portugiesisch-Mozambik. Hier überschnitten sich ostafrikanische und transatlanische Sklavenhandelsrouten und hier agierten gleichzeitig afrikanische Muslime und christliche Europäer. Die Küstenregion war schon früh durch die muslimischen Suaheli geprägt und bereits Ende des 15. Jahrhunderts geriet die Küste unter portugiesischen Einfluss. Aufgrund der weiten Entfernung spielte Mozambik anfangs im atlantischen Sklavenhandel kaum eine Rolle. Stattdessen verkauften die Portugiesen Sklaven aus Mozambik über den indischen Ozean, etwa nach Maurtius, wo ebenfalls einen Plantangenwirtschaft mit Skaverei aufgebaut wurde, ins südliche Afrika, nach Indien usw. im kleineren Maßstab jedoch auch nach Amerika. Die Bedeutung Mozambik im transatlantischen Sklavenhandel stieg, als die Briten den Sklavenhandel an der westafrikanischen Küste gewaltsam beendeten, während die Portugiesen bis 1870 weiter im Geschäft blieben.
     
  13. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied

    Im Vergleich zu The Woman King ist Braveheart schon fast ein Ausbund politischer und historischer Korrektheit. Nun ja, die Schotten trugen keine blaue Gesichtsbemalung mehr und noch keine Kilts. Der Film geht mit historischen Fakten sehr freizügig um, und die Freund-Feind, die Guten und die Bösen folgt einem sehr schlichten, manichäischen Weltbild. Braveheart und Mel Gibson kann man durchaus vorwerfen, dass er einen gewissen Geschichtsrevisionismus bedient und durchaus auf Geschichtsklitterung zurückgreift. Er erzählt eine Geschichte- und das macht er durchaus gut, mit starken Bildern. Immerhin aber bewegt sich Mel Gibson nicht im Kontra-Faktischen. Das tut aber The Woman King. Ich habe den Film nicht gesehen, kenne den Inhalt nur aus Kritiken, Rezensionen- aus dem, was man in 10 Minuten googeln kann.

    Das Königreich Dahomey und seine-tatsächlich existierende Amazonen-Garde war nun freilich eher so etwas wie das Herz der Finsternis-Die Könige Dahomeys profitierten über Generationen vom Sklavenhandel. Der Sklavenhandel war die Basis der Ökonomie des Königreichs. Dahomeys verdankte seinen "Erfolg" und seine Expansion gegen die Nachbarn seinen Kontakten mit den Europäern. Über den Sklavenhandel hatte sich Dahomey die Feuerwaffen besorgt, die es ihm ermöglichten, Kriegszüge und Sklavenrazzien zu organisieren. Ojo und Dahomey waren Konkurrenten im Sklavenhandel. Nichts ist falscher, als Dahomey sozusagen abolitionistische, emanzipatorische Absichten zu unterstellen.

    Diese Frauengarde hat nun freilich tatsächlich lange existiert. Es ist nicht ganz klar, wie es dazu kam, das man Frauen rekrutierte. Vermutlich lag es daran, dass durch Kriegszüge und Razzien männliche "Fachkräfte" so rar wurden, dass man Frauen rekrutierte. Diese Frauenregimenter existierten tatsächlich über mehrere Generationen, und sie schienen durchaus, was Kampfkraft betrifft, den Erwartungen entsprochen zu haben. Die Frauen verhielten sich wie Männer, waren verpflichtet, zolibatär zu leben.

    Die Amazonen von Dahomey waren berüchtigt für Kopfjagd. Bei Festen kam es zu massenhaften Tötungen von Gefangenen, auch zu Amputationen von Köpfen und Geschlechtsteilen.

    Da war wirklich nichts mit emanzipatorischen, abolitionistischen, philanthropischen oder liberalen Idealen und genau solche nachträglich zu unterstellen- ist schon eine arge Geschichtsklitterung, eher schon Geschichtsverfälschung. Eine schlechte Kritik ist aber immer noch besser, als gar keine und wütende Reaktionen oder auch schon mal ein Shitstorm sorgen zumindest für viel Publicity und Clicks.
     
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  14. Maglor

    Maglor Aktives Mitglied

    Bei der Bundeszentrale für politische Bildung gibt es eine interessanten Text zur Geschichte der Sklaverei.

    Michael Zeuske (2015): Globale Sklavereien: Geschichte und Gegenwart

    Zeuske skizziert unter anderem auch die komplexe Entstehungsgeschichte des transatlanischen Sklavenhandels und auch die Beteiligung der Afrikaner.
    Im 15. Jahrhundert führten die Portugiesen noch selbst Sklavenrazzien in Afrika durch und fingen die Sklaven selbst ein - allerdings waren sie hierbei nicht besonders erfolgreich.
    Später boten die Portugiesen der afrikanischen Elite Militärhilfe an und erhielten so Sklaven gegen Söldnerdienste.
    Im Einverständnis mit den afrikanischen Eliten erichteten die Portugiesen ihre Stützpunkte an der Küste - vor allem aber auf unbewohnten Insel.
    Als Wendepunkt in der Geschichte der Sklaverei markiert Zeuske das Jahr 1520. Nach der weitgehenden Ausrottung der karabischen Ureinwohner unter den Bedingungen der spanischen Sklaverei und dem Aufbau von portugieschen Stützpunkten in Westafrika beginnt die Zeit des atlantischen Sklavenhandel.
    Von diesem Sklavenhandel hätten vor allem die afrikanischen Eliten profitiert, die Zeuske hier leider nicht näher beschreibt. Damit sind sicherlich die Eliten von afrikanischen Reichen wie die von Wolof, Benin, Dahomey oder Kongo gemeint.
    Als weitere Gruppe der Profiteure des Sklavenhandels benennt Zeuske die atlantischen Kreolen, eine einflussreiche Mischbevölkerung von Portugiesen und Afrikanern.
    Die europäischen Kapitäne bezeichnet Zeuske als "Junior-Partner" der afrikanischen Sklavenhandelseliten.
     
    Zuletzt bearbeitet: 25. Januar 2023
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