Akzeptanz der kleindeutschen Lösung

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Hallo,

Ich frage mich, wieso die kleindeutsche Lösung in Deutschland überhaupt Akzeptanz gefunden hat.

Gab es damals keine nennenswerten politischen Kräfte in Deutschland, die den Ausschluss Österreichs als unpatriotisch oder spalterisch kritisierten?

Wurden die Österreicher nicht in gleichem Maße als Deutsche gesehen wie Bayern oder Preußen?

Angenommen Österreich hätte den Deutschen Krieg gegen Preußen gewonnen, wäre dann auch eine kleindeutsche Lösung mit Österreich als Führungsmacht und unter Ausschluß Preußen denkbar gewesen und akzeptiert worden?

Wie sah man es damals in Österreich? Fühlten die Österreicher sind damals weniger "deutsch" als Sachsen oder Bayern oder Württemberger und fanden es deshalb akzeptabel nicht Teil eines geeigneten Deutschen Reiches zu sein? Oder fühlten die Österreicher sich ausgegrenzt von den anderen Deutschen?
 
Es hätten wohl quer durch die Bank alle Strömungen und Parteien 1848 die großdeutsche Lösung bevorzugt. Die entsprach dem damals gängigen liberalen Konzept. Allerdings sah das Konzept Nationalstaaten vor, die mit ihren Nachbarn zwar in Freundschaft verbunden, aber de facto voneinander unabhängig waren. Und das ließ sich mit Österreich-Ungarn nicht durchsetzen. Von daher war die kleindeutsche Lösung am Ende für viele die bessere, auch wenn sie aus der Sicht derselben Leute keine perfekte Lösung war. Deine Frage hätten sie wohl nicht verstanden.
 
Hallo,

Ich frage mich, wieso die kleindeutsche Lösung in Deutschland überhaupt Akzeptanz gefunden hat.

Gab es damals keine nennenswerten politischen Kräfte in Deutschland, die den Ausschluss Österreichs als unpatriotisch oder spalterisch kritisierten?

Wurden die Österreicher nicht in gleichem Maße als Deutsche gesehen wie Bayern oder Preußen?

Angenommen Österreich hätte den Deutschen Krieg gegen Preußen gewonnen, wäre dann auch eine kleindeutsche Lösung mit Österreich als Führungsmacht und unter Ausschluß Preußen denkbar gewesen und akzeptiert worden?

Wie sah man es damals in Österreich? Fühlten die Österreicher sind damals weniger "deutsch" als Sachsen oder Bayern oder Württemberger und fanden es deshalb akzeptabel nicht Teil eines geeigneten Deutschen Reiches zu sein? Oder fühlten die Österreicher sich ausgegrenzt von den anderen Deutschen?

"Ausschluss" ist schon deswegen nicht wirklich passend, weil gerade die Österreicher der Bildung eines deutschen Nationalstaats mindestens was das 19. Jahrhundert angeht, durchaus skeptisch gegenüberstanden, sofern dies bedeutete hätte das alte Kaiserreich aufgeben zu müssen.
Insofern aber eine "großösterreichische" Lösung unter Einschluss auch der außerhalb des deutschen Bundes gelegenen Gebiete Altösterreichs dem Gros der deutschen Nationalbewegung schon 1848/1849 nicht zu vermitteln war, schloss man sich von österreichischer Seite auch ein ganzes Stück weit selbst aus.

Großösterreich – Wikipedia

De facto gab es lediglich eine eine kleine radikalnationalistische Strömung innerhalb Österreichs, die die Aufgabe des Kaiserreichs für einen Anschluss an den deutschen Nationalsaat in Kauf zu nehmen bereit war, sofern es die Zeit vor dem ersten Weltkrieg betrifft.

Georg von Schönerer – Wikipedia

Das war aber nicht mehrheisfähig.

Die österreichische Sozialdemokrtie behielt wohl in Teilen eine großdeutsche Ausrichtung bei, wollte diese aber sicherlich nicht im Rahmen der Bismarck-Verfassung realisiert sehen.
 
Es hätten wohl quer durch die Bank alle Strömungen und Parteien 1848 die großdeutsche Lösung bevorzugt. Die entsprach dem damals gängigen liberalen Konzept. Allerdings sah das Konzept Nationalstaaten vor, die mit ihren Nachbarn zwar in Freundschaft verbunden, aber de facto voneinander unabhängig waren. Und das ließ sich mit Österreich-Ungarn nicht durchsetzen. Von daher war die kleindeutsche Lösung am Ende für viele die bessere, auch wenn sie aus der Sicht derselben Leute keine perfekte Lösung war. Deine Frage hätten sie wohl nicht verstanden.

Kurzer freundlicher Hinweis: Österreich-Ungarn gab es erst seit 1867; vorher war es das Kaiserreich Österreich.
 
Zumal man aus heutiger Sicht sagen kann, das es spätestens seit Friedrich II, König in Preussen und den Schlesischen Kriegen auf einen Konflikt um die Vormachtstellung im Reich ging. Dann kam verschärfend hinzu das nach 1803, seit dem Wien den Kaiser von Österreich stellte und nicht mehr den Kaiser des HRRdN. Damit war Österreich formal aus dem HRRdN ausgeschieden. Auch wenn das nur eine folge der Koalitionskriege war.
 
Zu diesem Thema passt m.E. das vor einigen Tagen auf ARTE ausgestrahlte „Kaiserspiel in Versailles“ (88 Minuten, die Ausstrahlung auf ARTE war am 14.12.2021.
In der Mediathek wohl noch abrufbar bis 14.12.2026.
Habe ich mir sogar abgespeichert und auch schon 3mal angesehen.

Zwei Daten:
18.01.1871 Gründung des deutschen Kaiserreiches mit Wilhelm I. als deutscher Kaiser. Ausrufung in Versailles/Frankreich.
18.03.1871 (Beginn der Pariser Kommune) - 28.05.1871 (Ende der Pariser Kommune).

Das Ganze ist in einem Erzählrahmen eingebettet und wird erzählt von Eugénie, der Witwe Kaiser Napoleons III. und Luise von Baden, Tochter von Kaiser Wilhelm I.

Vor allem das was da Fürst Otto von Bismarck so von sich gibt finde ich auch für dieses Thema hier interessant (Kleinstaaten Deutschland und Märchenkönig von Bayern)
Märchenkönigs Maximilian Karl Theodor von Holnstein hält zu Ludwig II. eine Rede wegen der Reichsgründung und Ludwig zupft derweil an einer Rose.
 
Ich habe diese Dokumentation auch gesehen. Es wurde beispielsweise in keiner Weise deutlich, das Bismarck diplomatisch reichlich zu tun hatte, um Einmischungen der Großmächte in den Friedensverhandlungen bzw. Friedensbedingungen Einfluss zu nehmen. Das ist ein ganz wichtiger Grund, weshalb Bismarck es so eilig hatte.

Auch wurde Paris wurde schon seit Monaten belagert und der Krieg in der deutschen Heimat, angesichts der steigenden Verlust und auch sonst reichlichen Entbehrungen, nicht unbedingt populärer. Man musste deutscherseits zum Ende kommen und deshalb wollte Bismarck dieses mit einer Beschießung Paris forcieren.

Das wurde mir nicht deutlich genug herausgestellt.
 
Damit war Österreich formal aus dem HRRdN ausgeschieden. Auch wenn das nur eine folge der Koalitionskriege war.

Korrektur zu meinem obigen Post. Kaiser Franz II legte nicht nur die Krone des HRRdN 1806 nieder, sondern löste gleich das ganze Reich auf, ohne den Reichstag zu konsultieren. Die Kaiserkrone Österreichs trug er ja schon seit 1804 und bis 1806 die des HRRdN.
 
Dann kam verschärfend hinzu das nach 1803, seit dem Wien den Kaiser von Österreich stellte und nicht mehr den Kaiser des HRRdN. Damit war Österreich formal aus dem HRRdN ausgeschieden.

Aus dem Heiligen Römischen Reich sind am 12. Juli 1806 folgende Staaten ausgeschieden:

Die Staaten Ihrer Majestäten der Könige von Baiern und Wirtemberg, Ihrer Durchlauchten der Churfürsten Erzkanzler und von Baden, des Herzogs von Berg und Cleve, des Landgrafen von Hessen-Darmstadt, der Fürsten von Nassau-Usingen und Nassau-Weilburg, der Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen, der Fürsten von Salm-Salm und Salm-Kyrburg, des Fürsten von Isenburg-Birstein, des Herzogs von Ahremberg und des Fürsten von Lichtenstein und des Grafen von der Leyen werden für immer vom teutschen Reichsgebiete abgesondert, und unter sich durch eine besondere Conföderation unter dem Namen: rheinische Bundesstaaten vereinigt.
 
Korrektur zu meinem obigen Post. Kaiser Franz II legte nicht nur die Krone des HRRdN 1806 nieder, sondern löste gleich das ganze Reich auf, ohne den Reichstag zu konsultieren.
Überschneidung der Posts:
Die formale Lossagung der Rheinbundstaaten erfolgte am 1. August 1806:
documentArchiv.de - Lossagungs-Urkunde mehrerer Reichsstände vom deutschen Reichsverbande [Austrittserklärung der Rheinbundstaaten] (01.08.1806)
Damit war das Reich politisch tot. Kaiser Franz II. zog die Konsequenz daraus, indem er am 6. August 1806 abdankte.

Wozu hätte er den Reichstag (bzw. das, was von ihm noch übriggeblieben war) konsultieren sollen?
 
Er war zwar bis zu seiner Abdankung das Staatsoberhaupt. Also hätte er formal den Reichstag darüber abstimmen lassen müssen. Ob das Reich aufgelöst wird oder nicht. Auch wenn nicht mehr viel vom Reich übrig war.
 
Österreich-Ungarn gab es erst seit 1867; vorher war es das Kaiserreich Österreich.
Das ist natürlich vom Wording her korrekt. Vor dem österreichisch-ungarischen Ausgleich dürfte das formelle Band jedoch noch enger gewesen sein und somit die Auflösung zu Gunsten einer nationalstaatlichen großdeutschen Lösung im Rahmen der Märzrevolution nicht minder schwierig.
 
Er war zwar bis zu seiner Abdankung das Staatsoberhaupt. Also hätte er formal den Reichstag darüber abstimmen lassen müssen.
Warum den Reichstag? Was hätte der über eine Abdankung zu entscheiden gehabt?
Allenfalls die Kurfürsten hätten hier ein Wörtchen mitzureden gehabt. Von denen waren aber schon vier ausgetreten, einschließlich des Leiters des Kollegiums, Reichserzkanzler Karl Theodor von Dalberg, der inzwischen den Vorsitz des Rheinbunds übernommen hatte.
 
Warum hat man eigentlich nach dem Sieg über Napoleon nicht das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wieder restauriert, sondern stattdessen den "Deutschen Bund" gegründet?
 
Warum hat man eigentlich nach dem Sieg über Napoleon nicht das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wieder restauriert, sondern stattdessen den "Deutschen Bund" gegründet?

Wer ist "man"?

Die politischen Einheiten, die noch am ehesten ein Interesse an einem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehabt hätten, wie etwa die reichsunmittelbaren Städte, Reichsritterschaften, Klöster und Bistümer, die existierten nicht mehr.

Wer hätte ein Interesse daran gehabt, Institutionen (Kaiser? Reichskammergericht?) wiederherstellen, die vorher schon nicht mehr funktioniert hatten?
 
Warum hat man eigentlich nach dem Sieg über Napoleon nicht das Heilige Römische Reich Deutscher Nation wieder restauriert, sondern stattdessen den "Deutschen Bund" gegründet?

Jein, zwar war der Deutsche Bund keine Fortführung des HRR unter neuen Namen, aber neben Diskontinuitäten gab es auch gewisse Kontinuitäten.

Das Territorium umfaßte im wesentlichen den letzten Gebietsstand des alten Reiches kurz vor seiner Auflösung. Die einzige Ausnahme, die mir spontan einfällt, ist das Rheinland, das bereits ab 1797 nicht mehr zum HRR gehörte. Eine Reihe von früheren kleineren und Kleinstterritorien haben die Umgestaltungen im Rahmen der Angliederung an Frankreich und auch die Neuorganisationen der verschiedenen Rheinbundstaaten nicht überlebt. Preußen konnte sein Territorium im Westen erweitern, auch Bayern gewann einiges an Territorium.

Aber ansonsten war der Deutsche Bund genau wie das Heilige Römische Reich mehr ein Verein mit mehr oder weniger unverbindlichen Regelungen. Die eigentliche Musik spielte nicht in Frankfurt als Sitz des Deutschen Bundes sondern in den Hauptstädten der Mitgliedsstaaten wie Berlin, Wien oder München.
 
Zum einen gab es ja den Österreichischen Aussenminister, Fürst von Metternich. Der wollte keine Republik, sondern wieder so wie es vorher war. Deshalb heißt die Epoche nach dem Wiener Kongreß ja auch Restauration.
Auf der anderen Seite Bayern als Gewinner. Franken ist Bayern unter Napoleon zugeschlagen worden. Auf das wollten sie auf keinen Fall verzichten.
Die Nebenlinie Pfalz-Neuburg des Hauses Wittelsbach hatte Jülich-Berg geerbt. Später war Karl-Theodor, Kurfürst von Jülich-Berg, auch Herzog von Bayern. Man kann also sagen das spätere Großherzogtum Berg, welches aus den Napoleonischen wirren hervor gegangen ist wurde an Preussen verschachert für Franken.
Preussen hatte dadurch starke Gebietsgewinne gemacht, Bayern mindestens den Status Quo gehalten. Und Österreich konnte nicht zurück in die Zeit von vor 1789.
 
Bayern mindestens den Status Quo gehalten.

"Aus den territorialen Veränderungen, die Bayern während der Napoleonischen Epoche erfuhr, kann man eine Erfolgsbilanz ziehen: es war ein geschlossenes bayerisches Staatsgebiet entstanden. Während die Landgewinne in Franken und Schwaben gehalten werden konnten, gingen die habsburgischen Gebiete weitgehend wieder verloren. Bayerns Territorium wuchs von 61 000 km² auf 75 000 km² und blieb bis 1920, als Coburg zum Freistaat kam, weitgehend unverändert.

Die Bevölkerung Bayerns verdoppelte sich zwischen 1799 und 1816 nahezu: Sie wuchs von ca. 1,9 Millionen auf ungefähr 3,7 Millionen Einwohner."

Haus der Bayerischen Geschichte - Königreich - Karte: Bayern ab August 1819
 
Zunächst einmal, das war ja nicht ganz unwichtig, waren sich die europäischen Großmächte dahingehend einig, das die einzelnen deutschen Staaten nicht unverbunden bleiben sollten.

Der preußische Staatsmann Freiherr von Stein hatte den Gedanken Deutschland entlang der Mainlinie zu teilen. Der nördliche Teil sollte von Preußen .domminiert werden, der südliche von Österreich. Das war keine so neue Idee, die hatte ihren Ursprung im18. Jahrhundert.

Humboldt, einer der Vertreter Preußens auf dem Wiener Kongress schwebte die Idee eines Staatenverein vor. Die äußere Sicherheit des Vereins sollte dabei von Österreich und Preußen und einer europäischen Sicherheitsgarantie gewährleistet werden.

Der erste Bevollmächtigte Preußens Hardenberg hatte eine andere Idee. Deutschland sollte in 9 Kreise eingeteilt werden, die jeweils einen Kreisobersten unterstanden. Von den 12 Stimmen im Rat der Obersten hätten Preußen und Österreich je 3 Stimmen.

Der österreichische Staatskanzler Metternich bevorzugte eine lockere deutsche Förderation.

Im Oktober 1814 hatten sich Hannover, Preußen und Österreich im wesentlich auf Hardenberg sein Plan geeinigt. Nur kam dann es zu Spannungen zwischen Preußen und Österreich wegen des sächsisch-polnischen Territorialkonflikt auf und die Verhandlungen ruhten erst einmal. Nach dem Ende des Konflikts hatte Metternich eine Haltung geändert. Ihm lag sehr am europäischen Gleichgewicht und er wollte keine straffe Organisation.

Der Gedanke zur Wiederherstellung des alten Reichs spielte weder in Wien noch Berlin eine Rolle.
 
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