Allah-Inschrift in textiler Grabbeilage?

silesia

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In den letzten Tagen kursierten zahllose Pressemeldungen über eine entsprechende Inschrift in Textilien.

Die Meldungen basierten auf einem Bericht schwedischer Forscher. Hier die NYT:
‘Allah’ Is Found on Viking Funeral Clothes

Die anfängliche Skepsis brach ein, weitere Plattformen, Agenturen etc. übernahmen die Meldung.

Inzwischen schießen aber etliche Experten dagegen und bieten alternative Interpretationen. Der Blog Gizmodo fasst das zusammen:

[URL='https://gizmodo.com/experts-cast-doubt-on-viking-textile-with-allah-inscr-1819611934']Experts Cast Doubt On Viking Textile With ‘Allah’ Inscription
[/url]
 
Ohne jetzt die Inschrift - kann man bei Textilien wirklich von Inschrift sprechen? - zu kennen, sehe ich zunächst einmal wenig Grund zu Skepsis, die müsste schon am Schriftbild selbst aufgeängt sein. Die Wikinger handelten rege mit dem Sassanidenreich und kamen so an Dirhams mit arabischen Schriftzeichen, sie kamen an Textilien. Sie mögen ein Textil aus arabisch-persischer Hand erhandelt haben oder kopiert haben, so wie sie Dirhams fälschten. Die frühen Kalifen kopierten byzantinische Solidi und entfernten auf den zu Kalifendinaren kopierten Kaisersolidi die Querstange des Kreuzes, de- und resemantisierten die byzantinischen Abbildungen auf ihren eigenen Münzen. Umgekehrt de- und resemantisierte Offa von Mercien abbadidische Denare und kopierte ihre arabische Beschriftung, wohl ohne die Inhalte zu kennen und ließ ein lateinisches OFFA REX zwischen die auf dem Kopf stehenden pseudoarabischen Zahlen prägen. Das hat also alles erst mal nichts zu bedeuten. So, und nach dieser Vorrede schaue ich mir das Textil mal an.
 
Die Stickerei sieht wirklich ein wenig so aus, wie Allāh in Quadratkufi. Womöglich war auch genau das die Vorlage. Aber, so ähnlich wie Offas Münzmeister, wäre die Schrift für den Stickenden unerschlossen gewesen, da er - wenn er Allāh kopiert hätte, das anlautende alif (hier "a") mit einem Lam ("l") verwechselt hätte. Rein Graphisch sind die Buchstaben ähnlich, nur dass das alif nie nach links verbunden werden kann.
الله vs. للله
(leider haut der mir immer die Formatierung für den Gottesnamen rein, obwohl ich nur die Buchstaben selbst schreiben will.)


 

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Ich hätte schwören können, dass es die Sassaniden waren, aber du hast recht, wahrscheinlich waren es dann abbasidische Münzen.
 
Dr. Larson meint, dass derjenige der die Charakter trug, ihren Symbolismus gekannt habe. Nun ja. Früher wurden die als Friesenkannen angesprochene Tatinger Keramik mit Zinnfolie-Applikation als Beleg für die Christianisierung der Skandinavier genommen, heute ist man da vorsichtiger, man hat einfach zu viele dieser sicher vom Hersteller für christliche Belange gedachten Weinkannen in heidnischen Grabkontexten gefunden, offensichtlich wussten auch Heiden diese zu schätzen, egal, ob sie das Zinnfolienkreuz auf dem Hals deuten konnten, oder eben nicht.
 
Zum "Medium":
Es handelt sich um eine Brettchenborte aus Seide und Goldfäden, extrem hochwertig. Dass es sich bei den sogenannten Goldtextilien des Frühmittelalters um Importe handelt, ist extrem wahrscheinlich. Das derartige Gewebe im Frankenreich, hergestellt wurden, wird meistens verneint. Als Herstellung wurde in der Regel das Byzantinische Reich und Italien vermutet.
Ich halte es daher für sehr wahrscheinlich, dass auch bei anderen wikingerzeitlichen Goldtextilien eine orientialische, wenn nicht arabische Herkunft nachgewiesen werden könnte.
Die Erkenntnis, dass derartige Goldtextilien keinen "nordischen" Stil haben, ist eigentlich ziemlich trivial.

Exkurs zum Hakenkreuz
Interessant ist auch, dass die betreffende Brettchenborte aus Birka eine der spärlichen Hinweise auf die Nutzung des Hakenkreuzes durch die "Wikinger" ist. Das Hakenkreuz ist offensichtlich eine sehr quadratische Figur und ist in den geometrischen Kufi-Ornamenten öfters vertreten.

Trendsetter im frühen Mittelalter:
Die Modetrends kamen aus dem Osten. In der Spätantike bestimmten parthische und koptische Trends die byzantinische Mode, die wiederum von den Franken adaptiert wurde. Der Orient setzte die Trends. Zugleich konnten wertvolle Seidentextilien nur von der Ort imporiert werden.
Mit dem Aufstieg der arabischen Kultur wurden auch arabische Trends im Abendland aufgegriffen. Interessanterweise sind auch Nachahmungen und Fälschungen arabischer Kufi-Ornamente bekannt. Der Wikipedia-Artikel Pseudo-Kufic bieten einen schönen Überblick darüber wie die Kufi-Ornamente als Scheininschriften in der abendlichen Kunst nachgeahmt wurden.
Selbst wenn es sich um arabische Buchstaben oder so etwas ähnliches handelt, müssen die Araber die Borte noch längst nicht hergestellt haben. Es könnte sich genauso gut, um ein byzantinisches Immitat handeln.

Dr. Larson meint, dass derjenige der die Charakter trug, ihren Symbolismus gekannt habe.
Reichlich spekulativ. Ich halte es schon für zweifelhaft, ob die frühmittelalterlichen Schweden überhaupt den Buchstabencharakter der Quadrat-Kufi erkannten. Die Grenzen zwischen dieser Form von Kalligrafie und abstrakter Ornamentik sind jedenfalls für sehr vage. Ich selbst erkenne die Buchstaben nicht als solche, sondern wundere mich eher wie sehr sich Quadrat-Kufi von herkömmlichen arabischen Buchstaben unterscheiden.
Der Gebrauch von Pseudo-Kufi in der europäischen Kunst spricht eigentlich dafür, dass die europäischen Künstler den Symbol- und Schriftcharakter der Ornamente nicht durchschauten. (Trotzdem gehe ich davon, dass auch Pseudo-Kufi auch im Abendland eine Symbolik hat. Sie steht dann eber für eklusiven Geschmack, vielleicht auch für die Exotik des Orients. Insofern stimme ich mit Stephennie Mulder überein.)

Ist das jetzt nicht schon eine Frühform des Orientalismus im Sinne von Edward Said?

Die Besuche arabischer und maurischer Reisender in Nordeuropa sind durch deren Reiseberichte überliefert. Hätte es im frühmittelalterlichen Nordeuropa bekennende Muslime gegeben, wir hätten davon durch sie wahrscheinlich erfahren.

Der verlinke Blog offenbart jedenfalls, dass Larson eigentlich keine Ahnung hat.
“First I thought they were copied by someone who didn’t understand the message. But the patterns in the ribbons are like a puzzle or a rebus to read. I have spoken to Muslims that tell me that even today sometimes you don’t want to say/write/depict...God’s name [clearly], so then you can make it like a puzzle, and even mirror it. I think that is what [the Vikings] have done on these ribbons.”

DNA analysis is being done on the human skeletons found in these graves in hopes of finding more clues as to what the beguiling symbols are all about. Larsson says the whole meaning of research is to open new questions as a way to get new answers.
Sie bespricht, die ganze Sache mit Muslimen. Nicht, nicht mit Experten für Geschichte des Islams, den Handel im Frühmittelalter, arabische Kunst etc. pp., sondern mit den Muslimen aus der Nachbarschaft. Deren Erklärung über die heutige Glaubenspraxis nimmt sie dankbar an und sie wird zur Grundlage für die Erklärung der 1000 Jahre alten Goldtextilie. Das ist eine unwissenschaftliche Herangehensweise!

Der nächste Schritt ist die DNS-Analyse. Was soll der Quatsch eigentlich? Warum keine Auseinandersetzung mit den Handelsbeziehungen von Wikingern und Arabern oder der Bedeutung der Quadrat-Kufi und ihrer Fälschungen in der abendländischen Kunst?
 
Zuletzt bearbeitet:
Reichlich spekulativ. Ich halte es schon für zweifelhaft, ob die frühmittelalterlichen Schweden überhaupt den Buchstabencharakter der Quadrat-Kufi erkannten.
Ich denke schon, dass sie den Buchstabencharakter erkannten. Denn einerseits wiederholen sich die Muster, andererseits sind sie aber ungeometrisch. Wir sollten die frrühmittelalterlichen Skandinavier nicht für dumm halten. Mit dir konform gehe ich in der Ablehnung von Annika Larsons Behauptung, dass der Träger den Symbolgehalt kannte. Bzw.: Es ist im Grunde völlig egal, ob der Träger den Symbolgehalt kannte, wenn dieser für ihn keine Rolle spielte.

Der verlinke Blog offenbart jedenfalls, dass Larson eigentlich keine Ahnung hat.

Sie bespricht, die ganze Sache mit Muslimen. Nicht, nicht mit Experten für Geschichte des Islams, den Handel im Frühmittelalters, arabische Kunst etc. pp., sondern mit den Muslimen aus der Nachbarschaft. Deren Erklärung über die heutige Glaubenspraxis nimmt sie dankbar an. Das ist eine unwissenschaftliche Herangehensweise!
Das finde ich jetzt nicht so megadramatisch. Mich wundert eher die getätigte Aussage

...that even today sometimes you don’t want to say/write/depict...God’s name [clearly], so then you can make it like a puzzle, and even mirror it...​

Eigentlich beginnt jeder Muslim eine Tätigkeit mit einem bismi'llâh (im Namen Allâhs), verabredet sich mit einem in sha'a 'llâh (so Allâh will) und unterstreicht seine Ausführungen mit einem wa'llâh (bei Gott). Umstritten ist, ob es in sha'a'llâh oder law sha'a'allâh ist, aus dem sich das spanische ojala ('hoffentlich') entwickelt hat, aus wa'llâh wurde jedenfalls olé. Eigentlich kurios, wenn man bedenkt, dass die meist rechtsgerichteten und islamfeindlichen Hools ständig einen aus dem arabischen entlehnten Ausruf verwenden, ich sag nur olé, olé. :D
 
Der Deutung des Musters als arabische Buchstaben steht offenbar ein chronologisches Problem entgegen. Die Quadrat-Kufi gab es in der Wikingerzeit noch gar nicht.
http://www.independent.co.uk/news/w...woven-myth-islam-uppsala-sweden-a8003881.html
Stephennie Mulder, a professor from the University of Texas in Austin, said the error stems from a "serious problem of dating".

She claims Kufic script did not occur until 500 years after the Viking age.

"It’s a style called square Kufic, and it’s common in Iran, C. Asia on architecture after 15th century,"
 
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