Alliierte Landungspläne in den Niederlanden

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Gast
Hallo,

ich habe gerade eine Biographie zu einem niederländischen Beamten aus der NS-Zeit am Wickel. Er gibt an, der habe im Sommer 1942 mitgewirkt am Abtransport der Juden aus bestimmten Gegenden der Niederlande, namentlich vor allem an der Nordseeküste. Sein Argument: er ist kein Antisemit, er hatte militärische Gründe, nämlich im Falle einer alliierten Landung an der niederländischen Nordseeküste den Landungstruppen die Unterstützung durch die Juden zu nehmen.

Mal davon abgesehen, dass die niederländischen Juden den Alliierten wohl genauso geholfen hätten wie der Rest der Niederländer - ich gehe mal davon aus, dass er als typischer Beamter, der den Besatzern gegenüber loyal war, die Niederländer für einigermaßen loyal hielt.

So, dann bliebe die Gefahr einer alliierten Landung an der niederländischen Nordseeküste. Gab es tatsächlich Sommer 1942 schon derartige Pläne? Oder vielehr glaubten die Deutschen in den Niederlanden, dass es diese Pläne gibt? Denn wenn das nicht so war, muss man wohl von einer Schutzbehauptung der Beamten ausgehen, oder?

Ich freue mich über jede Antwort - Danke!
 
...Biographie zu einem niederländischen Beamten aus der NS-Zeit... Er gibt an,

Zu oder von?

Denn wenn das nicht so war, muss man wohl von einer Schutzbehauptung der Beamten ausgehen, oder?
Macht da die Planung einer alliierten Landung tatsächlich einen Unterschied? Schon alleine die Unterstellung, dass das Verhalten der Juden gegenüber den Alliierten anders sei als das der Restbevölkerung offenbart doch entgegen der Selbstaussage er sei kein Antisemit die Verhaftung in antisemitischen Verschwörungstheorien.
 
Zu oder von?


Macht da die Planung einer alliierten Landung tatsächlich einen Unterschied? Schon alleine die Unterstellung, dass das Verhalten der Juden gegenüber den Alliierten anders sei als das der Restbevölkerung offenbart doch entgegen der Selbstaussage er sei kein Antisemit die Verhaftung in antisemitischen Verschwörungstheorien.

Die Biographie zu einem Beamten, sonst wäre es ja eine Autobiographie von einem Beamten *g* - darin zitiert die Aussage des Beamten ...

Ich interpretiere die Aussage so, dass der Beamte aus seiner Überzeugung heraus davon ausging, dass die Bevölkerung loyal gegenüber den Besatzer sei. Und die Juden dies nicht seien. Das per se sehe ich nicht als antisemitisch, eher als recht naiv ...
 
Ich interpretiere die Aussage so, dass der Beamte aus seiner Überzeugung heraus davon ausging, dass die Bevölkerung loyal gegenüber den Besatzer sei. Und die Juden dies nicht seien.

Warum hätte sich die jüdische Bevölkerung da anders verhalten sollen als die nichtjüdische Bevölkerung, wenn sie nicht Repressionen ausgesetzt gewesen wäre, an denen der fragliche Beamte beteiligt war? Die Aussage zäumt doch das Pferd von hinten auf. Sie unterstellt den Juden a priori eine Haltung, die sie erst durch die Repressionen (eigentlich ja ein verharmlosender Ausdruck, den ich da wähle, angesichts der historischen Ereignisse), ihre Andersbehandlung durch die Besatzer, überhaupt hätten einnehmen müssen.
 
So, dann bliebe die Gefahr einer alliierten Landung an der niederländischen Nordseeküste. Gab es tatsächlich Sommer 1942 schon derartige Pläne? Oder vielehr glaubten die Deutschen in den Niederlanden, dass es diese Pläne gibt?

Die niederländische Küste war Teil des Atlantikwalls. Ein paar Infos findest du hier: Niederlande

Die deutsche Seite schloss also eine Landung hier mindestens nicht aus.

PS: jüdischen Niederländern per se mangelnde Loyalität zu unterstellen ist selbstverständlich Antisemitismus. Noch mehr die seltsame Unterscheidung zwischen "Bevölkerung" und jüdischen Holländern. Aber die stammt wohl von dir? Der Beamte redet ja noch von Juden und Restbevökerung!?
 
Zuletzt bearbeitet:
Warum hätte sich die jüdische Bevölkerung da anders verhalten sollen als die nichtjüdische Bevölkerung, wenn sie nicht Repressionen ausgesetzt gewesen wäre, an denen der fragliche Beamte beteiligt war? Die Aussage zäumt doch das Pferd von hinten auf. Sie unterstellt den Juden a priori eine Haltung, die sie erst durch die Repressionen (eigentlich ja ein verharmlosender Ausdruck, den ich da wähle, angesichts der historischen Ereignisse), ihre Andersbehandlung durch die Besatzer, überhaupt hätten einnehmen müssen.

Gehen wir einen Moment mal davon aus, dass der Beamte zwar von den Repressionen wusste, dafür aber nicht verantwortlich war. Dann könnte man immer noch argumentieren, dass die Juden aus dem Küstenstreifen verschwinden müssten, um die Sicherheit im Falle einer alliierten Landung garantieren zu können. Die NL-Bevölkerung sei loyal, da er es selber ja auch ist. Die Juden seien es nicht, da sie Repressionen ausgesetzt waren. So, die Juden müssen also weg, da sie die öffentliche Ordnung gefährden. So könnte man aus Sicht des Beamten recht logisch argumentieren, oder?

Zusammenfallen würde die Arguementation erst dann, wenn es zu dem Zeitpunkt gar keine derartige Gefahrenlage aus Sicht der Besatzer gegeben hätte und der Beamte das erst später erfunden hatte...

Wo ist mein Denkfehler? Oder hab ich recht ;-)
 
Gehen wir einen Moment mal davon aus, dass der Beamte zwar von den Repressionen wusste, dafür aber nicht verantwortlich war. Dann könnte man immer noch argumentieren, dass die Juden aus dem Küstenstreifen verschwinden müssten, um die Sicherheit im Falle einer alliierten Landung garantieren zu können. Die NL-Bevölkerung sei loyal, da er es selber ja auch ist. Die Juden seien es nicht, da sie Repressionen ausgesetzt waren. So, die Juden müssen also weg, da sie die öffentliche Ordnung gefährden. So könnte man aus Sicht des Beamten recht logisch argumentieren, oder?

Zusammenfallen würde die Argumentation erst dann, wenn es zu dem Zeitpunkt gar keine derartige Gefahrenlage aus Sicht der Besatzer gegeben hätte und der Beamte das erst später erfunden hatte...

Wo ist mein Denkfehler? Oder hab ich recht ;-)

Dein Denkfehler ist, dass a) die tatsächliche Gefahr einer alliierten Invasion für die Frage eigentlich Blendwerk und tatsächlich unerheblich ist und b) - ich schrieb es bereits - das Pferd mit der Argumentation von hinten aufgezäumt wird. c) hätte der Beamte wissen müssen, was mit den Juden geschah und somit schließt sich der Kreis zu deinem ersten Beitrag:

muss man wohl von einer Schutzbehauptung der Beamten ausgehen, oder?
 
Ganz ehrlich, im Falle einer ernstgemeinten alliierten Landung ( keine Probe wie Dieppe) hätte die Wehrmacht ganz andere Probleme gehabt als eine Handvoll saboteure im Hinterland.

Einfach nur selbst belogen der Herr, mehr nicht.

Auf die Einbindung der niederländischen Küste in den Atlantikwall wurde schon hingewiesen... Wobei 1942 da noch nicht viel mit los war. Für eine Landung ungeeignet ist das ganze, da sich ein mögliches Invasionsgebiet durch einfaches fluten der Polder abriegeln lies.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist schon herausgestellt worden, dass hier eine Schutzbehauptung aufgestellt wird. Die Deportation der Juden in den Niederlanden hatte aus deutscher Sicht nichts mit irgendwelchen Invasionsbefürchtungen zu tun, sondern folgte wie auch in den anderen europäischen Ländern den nationalsozialistischen Zielvorgaben der "Endlösung der Judenfrage".

Die Deportationen waren sogar kontraproduktiv zum den gleichzeitig laufenden Programmen der vollen Kriegsmobilisierung der niederländischen Wirtschaft für die NS-Interessen, und zwar sowohl wegen dadurch sich verstärkender Widerstände als auch wegen des Entzugs an Arbeitskräften. Beides spielte in den NS-Plänen keine Rolle.
Jennifer Forray: Visions of Empire in the Nazi-Occupied Netherlands, 2012

Die "Wirksamkeit" der Schutzbehauptung wird hier außerdem, sozusagen als "Halbwahrheit", mit der militärischen Entwicklung in den Niederlanden verknüpft.

Tatsächlich gab es im 2. Halbjahr 1942 (Deportationen ab Juni 1942) eine verstärkte militärische deutsche Präsenz in den Niederlanden. Die "Auffrischungsräume" mehrere Divisionen (darunter auch SS- und Panzerdivisionen) wurden hier gewählt, weil Hitler nach dem Muster von Dieppe kleinere Landungs- und Kommandooperationen an der Kanal- und Atlantikküste erwartete (wobei die Niederlande eher als gesicherter Raum erschienen, während Küstenabschnitte in Belgien und NW-Frankreich eher gefährdet erschienen). Im Übrigen sind diese Erwartungen bzw. Invasionsphobien 1942 aufgrund fehlender alliierter Möglichkeiten nicht mit der Dimension der "Invasion" - nach dem Muster 1944 - vergleichbar.

Diese "Beobachtung" wird hier offensichtlich für die Schutzbehauptung ausgenutzt. Die Deportationen stehen dazu in keinem Zusammenhang. Dieser wird hier nur konstruiert. Für die militärischen Dienststellen war der Widerstand in Bezug auf "Landungsabwehr" in den Niederlanden irrelevant.
 
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Was von den Ausführungen des Beamten zu halten ist, wurde ja ausreichend dargelegt.
Aus vielerlei Gründen waren die Niederlande für die alliierte Hauptlandung besonders ungeeignet: die Nähe wichtiger Flottenstützpunkte in Deutschland, die Möglichkeit, gegebenfalls große Flächen durch Einreißen von Dämmen etc. zu fluten, die ohnehin gewaltigen Festungen in der Schelde-Mündung, die relativ lange Nachschublinie der Alliierten im Vergleich zu einer kurzen der Deutschen usw.

Das wußten die Alliierten wie die Deutschen.
 
Die ganze Argumentation kommt mir krude vor. Hätte ich als Staatsanwalt oder Richter die Aussage zu bewerten, täte ich das wie folgt:
Wenn der Mann ein niederländischer Beamter war ,dann hätte seine Loyaliät der Königin und dem Königreich der Niederlande gelten müssen, nicht aber irgendwelchen Besatzern. Wenn seine Loyalität aber den Besatzern gegolten hat,dann war er entweder ein Kollaborateur oder aber von der Besatzungsmacht eingesetzt und damit möglicherweise ein Beamter des dritten Reiches aber jedenfalls kein Beamter des Königreichs der Niederlande.
Und wenn er aus den subjektiven Beweggründen gehandelt hätte, aus denen er vorgibt gehandelt zu haben, so hätte er seinem Eid und Status als Beamter des Königreichs der Niederlande zuwider gehandelt.
Das ganze ist also selbst nur unter diesem Aspekt nichts als eine Schutzbehauptung
.
 
Die ganze Argumentation kommt mir krude vor.
Soweit richtig.

Hätte ich als Staatsanwalt oder Richter die Aussage zu bewerten, täte ich das wie folgt:
Wenn der Mann ein niederländischer Beamter war, dann hätte seine Loyaliät der Königin und dem Königreich der Niederlande gelten müssen, nicht aber irgendwelchen Besatzern. Wenn seine Loyalität aber den Besatzern gegolten hat, dann war er entweder ein Kollaborateur oder aber von der Besatzungsmacht eingesetzt und damit möglicherweise ein Beamter des Dritten Reiches aber jedenfalls kein Beamter des Königreichs der Niederlande.
Dieser Argumentation würde ich nun nicht folgen. Denn sie würde ausnahmslos alle, die während der deutschen Besatzung der Niederlande im Staatsdienst verblieben sind, zu Kollaborateuren machen. Also auch diejenigen, welche das zivile Leben aufrecht erhalten haben... Die niederländischen Behörden bildeten ja während der Besatzung keinen Schattenstaat sondern funktionierten weiter. Zum Problem wird das erst dann, wenn niederländische Beamte in Amtsausübung sich an nationalsozialistischen Verbrechen beteiligten. Oder niederländische Zivilisten, die Angehörige gefährdeter Gruppen denunzierten.

Und wenn er aus den subjektiven Beweggründen gehandelt hätte, aus denen er vorgibt gehandelt zu haben, so hätte er seinem Eid und Status als Beamter des Königreichs der Niederlande zuwider gehandelt.
Hier wiederum bin ich mit dir einer Meinung. Es kann nicht die Aufgabe eines Beamten des besetzten Landes sein, dabei zu helfen die Besatzung zu verlängern. Das wäre tatsächlich ein höchst seltsames Verständnis von Loyalität.
 
Die niederländischen Behörden bildeten ja während der Besatzung keinen Schattenstaat sondern funktionierten weiter.
Nein,da hast Du was falsch interpretiert.Natürlich waren die Beamten,die lediglich Funktionen des Gemeinwesens durch Ausübung allgemeiner Verwaltungsaufgaben aufrecht erhielten, wie sie dies auch vor der Besatzung getan haben keine Kollaborateure.Aber wenn ihre Loyalität den Besatzern gegolten hat, dann schon.
 
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