Alltagsleben in der Neuzeit

Kreator

Neues Mitglied
Hey,

da ich nach dem Nutzen der Suchfunktion keine adäquaten Informationen zum Thema "Alltagsleben in der Neuzeit" gefunden, dafür aber beim Überfliegen der Threads die unerschöpfliche Fachkenntnis der Boarduser bemerkt habe, möchte ich nun diese Frage an Euch stellen:

Wie sah das Alltagsleben der Menschen (Augenmerk liegt auf Europa) während der Neuzeit aus unter Betrachtung von
  • Nahrung,
  • Kleidung,
  • Gesundheit,
  • Freizeit,
  • Häusliches Leben
aus?

Ich freue mich sowohl über Links, als auch Buchempfehlungen und konkrete Informationen!

Danke im Voraus!
 
Erstmal definiere den Zeitraum etwas genauer. Neuzeit ist alles von +/- 1500 bis heute, mit besonders signifikanten Veränderungen in den letzten 150 Jahren.
 
Das mit 1500 (bis 1945) ist schon gut getroffen. Es geht natürlich um keine minutiöse Abhandlung sondern um die wirklich großen Veränderungen innerhalb dieses Zeitraumes, wie beispielsweise die Umstellungen: Vom Merkantilismus zur Industrie / von der Monarchie zur Demokratie etc.
MfG
 
Falls jemand weitere Informationen/ Links beisteuern könnte, wäre ich dieser Person sehr verbunden!
 
  • Kleidung,
  • Freizeit,
  • Häusliches Leben
Zur Kleidung könnte ich Dir als Tipp ein paar Literaturtipps geben. Sprichst Du auch Englisch?
Deutsche Publikationen gibt es zwar auch ein paar
Erika Thiel: "Geschichte des Kostüms: Die europäische Mode von den Anfängen bis zur Gegenwart" Henschel, 2004
Ingrid Loschek: "Reclams Mode- und Kostümlexikon" Reclam, Ditzingen, 2005
aber diese sind teilweise etwas antiquiert von den Aussagen. Bei den exellenten englischsprachigen Werken, die mir vorliegen, sind aber alle schon recht spezialisiert.

Zu Freizeit und Häusliches Leben fielen mir auf Anhieb wieder v.a. Bücher ein, die sehr konkret mit dem 17. und 18.Jh. umgehen. Für allgemeine Darstellungen greift man aber ohnehin zumeist zu Aries/Duby: "Geschichte des Privaten Lebens" Fischer, Frankfurt, 1995
Ab Band 2 wird es für Dich interessant.
 
Vielen Dank für die vielen Tipps und Ratschläge, ich habe mich jetzt hinter dieses Werk geklemmt, für die Konsultation weiterer Quellen fehlt mir leider die Zeit (morgen Referat Ges-LK).
 
Falls jemand weitere Informationen/ Links beisteuern könnte, wäre ich dieser Person sehr verbunden!

Das Buch habe ich schon oft genannt und tue es wieder, denn es ist einfach ein Standardwerk nicht nur im Hinblick auf Kriminalität:

Ernst Schubert, "Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts".
 
Vielen Dank für die vielen Tipps und Ratschläge, ich habe mich jetzt hinter dieses Werk geklemmt, für die Konsultation weiterer Quellen fehlt mir leider die Zeit (morgen Referat Ges-LK).

Das Buch habe ich schon oft genannt und tue es wieder, denn es ist einfach ein Standardwerk nicht nur im Hinblick auf Kriminalität:

Ernst Schubert, "Arme Leute, Bettler und Gauner im Franken des 18. Jahrhunderts".
Den Hinweis von Kreator hast Du scheinbar überlesen, Scorpio.:winke:
 
Eine viele Dekaden verschollen gewesene Chronik aus der kleinen Rheinzollstadt Zons (zwischen Neuss und Köln) am Niederrhein gibt tiefe Einblicke in den Alltag der Frühen Neuzeit. Die Aufzeichnungen haben Bedeutung für die Geschichtsschreibung weit über das Rheinland hinaus; aus diesem Grunde stelle ich das Werk hier im GESCHICHTSFORUM vor.

Ab 1733 notierten die Zonser Küster Johannes Peter und dann Sohn Johannes Hermann Schwieren neun Dekaden lang tagebuchähnliche Eintragungen, die im Jahre 1823 enden. Sie betreffen im Wesentlichen die Geschicke des ehemaligen kurkölnischen Amtes und der Stadt Zons, erstrecken sich über den ungewöhnlich langen Zeitraum von fast einem Jahrhundert und decken die Zeit des ausgehenden Ancien Régime, der anschließenden Franzosen- – für den linken Niederrhein ein prägender Zeitabschnitt – und der preußischen Zeit ab. 1890 waren beide Handschriften ins heutige Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf gelangt – und in Vergessenheit geraten. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts stöberte der Historiker Dr. Thomas Schwabach diese wichtige Quelle wieder auf und legte sie in edierter Form monographisch vor.
Johannes Petrus Schwieren (1704-1775), „pro tempore Custos Zontinensis“, verfasste zwischen 1733 und 1775 seine „Annotatio, was durch das Jahr geschehet und sich zugetragen hatt …“. Seit 1729 als Küster an der katholischen Pfarrkirche St. Martinus in Zons tätig, auch als Schullehrer und Ratsherr engagiert, vererbte er sowohl die Aufgabe des Küsterdienstes als auch die Leidenschaft des Verfassens chronikalischer Texte an seinen Sohn aus zweiter Ehe, Johannes Hermann Schwieren (1753-1826), der die Chronik von 1775 bis 1823 fortführte. Schwabach meint wohl zu Recht, dass der Sohn „nicht an den Intellekt der Vaters“ heranreichte. Schwieren d. Ä. las Zeitung, war ortshistorisch interessiert und recherchierte auch selbst; „sein Blickwinkel ging jedoch kaum über die lokalen Vorgänge hinaus“. Aber er hatte als gewählter Ratsherr ab 1750 bis zu seinem Tode tiefe Einblicke in die Ratsgeschäfte und die städtische Zonser Politik; die hieraus gewonnenen Erkenntnisse flossen intensiv in die Aufzeichnungen ein. Dies ist für die lokale Geschichtsforschung von Bedeutung, da sich Ratsprotokolle der Rheinzollfeste aus dieser Zeit nicht erhalten haben. Intellektuell und streitbar war Schwieren, der „ausgeprägte Vernunftmensch“, als Ratsherr, somit unbequem und „bestrebt … dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen, auch wenn zu berücksichtigen ist, dass sich dieses Urteil einzig auf die Aufzeichnungen aus seiner Feder stützt“. Manchmal verzweifelte der Chronist, wenn er, der engagierte Einzelkämpfer, unterlag; so notierte er 1757: „Wan sie alle Ja sagen, was hilfft mir dan mein Nein-Sagen?“. Umso aufschlussreicher sind seine Notizen zu den Streitigkeiten etwa mit dem Ratsherrn Heinrich Assenmacher oder Johannes Eberle, dem Bürgermeister, Stadtschreiber und Schöffen.
Weitere Themen in den Aufzeichnungen der Schwieren – Bürger des landwirtschaftlich orientierten Zons – sind Beobachtungen zum Wetter (Hagelschlag, Gewitterstürme) und zu Naturereignissen (Rheinhochwasser und –niedrigwasser, Heuschrecken- und Mäuseplagen, Viehseuchen, Erdbeben, Kometenerscheinungen), also teils existentielle Ereignisse. Auch von zahlreichen Brandstiftungen, anderen Delikten und ihren rechtlichen Folgen sowie dem Schützenwesen zeugen die Notizen. Schwere Belastungen hatte die Bevölkerung während des Siebenjährigen Krieges und nach der Französischen Revoluton durch das Militär zu erleiden. Aber auch Kuriositäten finden ihren Niederschlag: „1737, den 3. Aprilis ist des Nachmittagß alhier ein junger Wahlfisch, so allein 5 Dag alt gewesen, dott in einem Schiff gewesen, so über 18 Fuß lang gewesen, welcher gantz schwartz ware“, 16 Jahre später konnte „ein grosses Thier lebendig, so ein Naßhorn genannt, hier gewesen am Rhein“ gegen „2 Stüber“ besichtigt werden und im Juni 1816 fand der englische Dampfer ‚The Defiance’ viel Beachtung, denn das „Schieff“ fuhr „zu Wasser herauffohne Ferdt und ohne Seegellen, sonderen durch zwey Rähder im Wasser, welche durchs Feur getrieben worden“. Und natürlich bilden Notizen rund um das kirchliche Leben in Zons einen bedeutenden inhaltlichen Schwerpunkt der Aufzeichnungen; dies erklärt sich zwanglos aus der beruflichen Tätigkeit des Chronisten. Breiten Raum nehmen auch die Besuche des Landesherrn, des Kölner Kurfürsten, in Zons ein; insbesondere Clemens August war regelmäßig im Frühling vor Ort zur Reiherbeize „in hiesigem Felt und Busch“.

Die Zonser Schwieren-Chroniken (1733-1823) decken fast den gesamten Zeitraum der bekannten und Chronik von Johann Peter Delhoven (H. Cardauns/R. Müller, Die rheinische Dorfchronik des Joan Peter Delhoven aus Dormagen [1783-1823]. Dormagen 19672) aus dem benachbarten Dormagen ab. Dies bietet der Forschung die Möglichkeit, die parallelen Aufzeichnungen zu vergleichen und gegeneinander zu prüfen. Ein Beispiel: J. P. Delhoven geht in zahlreichen Eintragungen auf den Schmuggel zur Franzosenzeit ein. Diese hat jüngst Volker Jarren in „Schmuggel um Dormagen und Zons. Beobachtungen aus der Sicht des Dorfchronisten Joan Peter Delhoven“ (Jahrbuch für den Kreis Neuss 2001, 78-93) zusammengestellt und ausgewertet. Schwieren d. J. erwähnt eine weitere Schmuggelaktion, die dem Dormagener Chronisten scheinbar nicht bekannt war.
Im September 1803 versuchten drei Männer aus dem zum Amt gehörenden Stürzelberg, mit Hilfe eines Nachen Agrargüter auf die rechte Rheinseite zu schmuggeln, wurden dabei jedoch von gleich neun „Duwanen“ (Zollbeamte), ebenfalls in einem Boot, gestellt „und mit Schlägen tractirt“, woraufhin zwei der Schmuggler ins Wasser sprangen; einer von ihnen ertrank bei diesem Fluchtversuch. In diesem Fall ergänzen sich die beiden Autographen und bilden gemeinsam ein dichtes Bild bestimmter historischer Vorgänge. Im April 1814 wurde den Menschen ein „Friedensschluss“ im Vorfeld des Ersten Pariser Frieden bekannt. Beide Chronisten berichten recht ausführlich von Gebeten und Umzügen der Bevölkerung anlässlich dieser „Feyerlichkeit“. Hier decken sich die Notizen. Beide Chroniken – sowohl J. P. und J. H. Schwieren als auch J. P. und später Sohn J. J. Delhoven schrieben explizit für die Nachwelt – bilden gemeinsam ein eingängiges und dichtes Bild des ländlichen Lebens im Kölner Norden aus der Sicht der Zeitgenossen des 18. und 19. Jahrhunderts. Natürlich muss der Leser wissen, dass die Chronisten deutlich selektiv berichten. Zwar erwähnen sie beispielsweise gelegentlich und marginal die beiden Blutgerichtstätten des Amtes Zons, gehen aber auf keine einzelne der Hinrichtungen ein, die an diesen Lokalitäten wohl regelmäßig stattgefunden haben dürften. Für das Jülicher Gericht und ein vergleichbares Zeitfenster ist beispielsweise belegt, dass „im statistischen Jahresdurchschnitt wenigstens eine Hinrichtung erfolgte“ (G. Bers, In der Stadt Jülich im Verlauf des 18. Jahrhunderts Hingerichtete. Neue Beiträge zur Jülicher Geschichte 16, 2004, S. 27-44 hier 33).

Die hier anzuzeigende Neuerscheinung bietet die Zonser Chronik(en) im ungekürzten Originalwortlaut, obwohl die Sprache der damaligen Zeit heute teilweise befremdlich anmutet. Die Entscheidung einer solchen Präsentation ist die konsequente und richtige Folgerung aus der erstmals 1926 erfolgten Drucklegung der Delhoven-Chronik, bei der u. a. aus wirtschaftlichen Gründen recht willkürlich ausgewählte Teile des Textes entfallen sind. Der Edition ist eine ausführliche Einleitung vorangestellt. Diese geht auf andere neuzeitliche Chroniken aus dem Rheinland ein, beleuchtet die Überlieferungsgeschichte der beiden Zonser Handschriften, widmet sich sowohl detailliert den beiden Autographen als auch den Chronistenpersönlichkeiten und ihrer Profession. Erklärende Worte findet der Autor auch zur Chronologie und Chorologie um diese Küsternotizen. Schwerpunkt des Prologes sind aber die Anmerkungen zum Inhalt und erste behutsame Wertungen dieser Verzeichnungen. Die Edition der Texte – wie oben bereits gesagt, „ohne jegliche Auslassung, um den Gesamtcharakter dieser Überlieferung nicht zu verfälschen“ – durch Th. Schwabach erfolgte äußerst penibel und gewissenhaft. Sie orientiert sich an den ‚Empfehlungen zur Edition frühneuzeitlicher Texte’ der Arbeitsgemeinschaft außeruniversitär historischer Forschungseinrichtungen von 1980; die Editionsprinzipien werden dem Leser erläutert. In Anmerkungen zu den Autographen gibt Schwabach Literaturhinweise und für das Verständnis des Textes weiterhelfende Hinweise, verweist auf zugehörige Einträge in den ebenfalls von den beiden Küstern geführten Kirchenbüchern von Zons (die im Anhang 2 ebenfalls ediert sind) und den Delhoven-Autographen usw.; dieser Kernteil des Werkes umfasst 155 Seiten. Buchmittig zwischen den Seiten 202 und 203 finden sich auf sieben römisch gezählten Tafeln teils farbige Abbildungen und historische Topographien; einige dieser Werke (z. B. Taf. XI oben) waren bisher nicht bekannt. Anhand der Karten X und XII lassen sich leicht die in den Chroniken genannten Lokalitäten genau verorten. Es folgen auf 22 Seiten, die sich innerhalb des Buchkörpers durch den Druck auf gelbem Papier optisch klar absetzen, ausgewählte Einträge der Chroniken in Kurzform und in hochdeutscher Übertragung. Dieser Teil geht auf den Wunsch des Herausgebers zurück und richtet sich an den Laien; diesem Ansinnen kam der Autor offenbar mit einem gewissen Unbehagen nach, wie der Rezensent zwischen den Zeilen zu lesen glaubt. Eine Konkordanzliste zur Chronologie der Einträge der Schwieren-Chroniken und der Kirchenbücher erleichtern die Datensuche. Notizen auf den Heftumschlägen der Autographen werden in einem ersten Anhang wiedergegeben, entsprechende Notizen aus den von den Küstern ebenfalls geführten Matrikeln finden sich im zweiten Anhang. Es schließt sich eine Liste wichtiger Zonser Amts- und Funktionsträger zwischen 1730-1825 an, anhand derer sich in den Chroniken genannte Personen genauer verorten lassen. Ein umfangreiches und kommentiertes Glossar mit Erläuterungen von Begriffen und Redewendungen, eine Auflistung der im Kölner Raum üblichen Münzen, Maße und Gewichte, das Literaturverzeichnis, das Herkunftsverzeichnis (Archive) der benutzten Quellen sowie ein Personen- und Ortsregister schließen sich an.
Kleinere Fehler, die offensichtlich auch der Schriftleitung und Redaktion nicht aufgefallen sind, bilden Randerscheinungen; dennoch soll kurz auf sie hingewiesen werden. Zum Todesdatum von Johannes P. Schwieren gibt der Autor aus unerfindlichen Gründen verschiedene Jahresangaben an. Auch der Name des ersten Raddampfers auf dem Rheinstrom lautet widersprüchlich. Dem älteren der beiden Chronisten unterstellt er, dass seine „Rechenkünste … wenig ausgeprägt“ waren; das dieser Wertung zugrunde gelegte Zahlenspiel greift jedoch nicht.

Die Zonser Schwieren-Chroniken betreffen primär das ehemalige kurkölnische Amt und die Stadt Zons, notieren aber auch über diesen Raum deutlich hinausgehende und bisher unbekannte Ereignisse zur weiteren Umgebung und bieten so ein für das gesamte Rheinland typisches Zeitbild; nicht zuletzt dies macht den bleibenden Wert dieser Quellen aus. Bereits vorliegende historische Studien können aufgrund dieser Quellen korrigiert, andere – als Beispiel sei das Itinerar von Clemens August (Max Braubach, Clemens August - Versuch eines Itinerars. In: Kurfürst Clemens August. Landesherr und Mäzen des 18. Jahrhunderts. Köln 1961, 64-75) herangezogen – ergänzt werden. Nicht zuletzt kommen auch Familienforscher dank der zahlreichen Namensnennungen, die – wie bereits gesagt – auch in einem Register zusammengestellt sind, zum Zuge. Historiker Schwabach erweist sich mit der liebevollen Aufbereitung dieser Chroniken als profunder Kenner der niederrheinischen Regionalgeschichte. Seinem Fleiß verdankt die rheinische Geschichtsforschung die Wiederentdeckung und mit dieser Edition auch den komfortablen Zugriff auf diese bedeutsamen Quellen mit über 1200 Notizen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zurück
Oben