Analogie zur Neuzeit

Hältst Du diese Analogie für angemessen?


  • Umfrageteilnehmer
    21
K

Kiffing

Gast
Ich möchte einmal eine Analogie zur Neuzeit setzen. Wenn ich mir das Beziehungsgeflecht und den Charakter der einzelnen Staaten aus der Antike vergegenwärtige, dann erinnert mich Sparta an Rußland/UdSSR, Athen an Westeuropa und Rom an die USA.

Denn unsere abendländischen Wertvorstellungen, unsere Demokratie und unsere Philosophie haben ihre Wurzeln aus dem antiken Athen, und unsere eher rauhen und "männlichen" Errungenschaften wie das Bauwesen, das Rechtswesen und das Militärwesen kamen aus Rom. Heute füllen die USA den kriegerischen Part aus und auch dort wird i. d. R. nicht lange gefackelt.

In Sparta dagegen zählten ebenso wie in der UdSSR individuelle und bürgerliche Rechte nicht viel, es gab in der Bevölkerung einen hohen Kollektivierungsgrad, und der Militarismus überzog sämtliche Lebensbereiche. Ich verweise hier auf die Bürde eines jeden jungen Sowjetbürgers, erst einmal drei Jahre seines jungen Lebens in der Roten Armee zu dienen, was kein Zuckerschlecken war.
Außerdem waren Athen und Sparta ebenso wie "Ost" und "West" Rivalen, die sich bis aufs Messer bekämpften und ebenso nur einmal angesichts des gemeinsamen Feindes, die Perser, zusammenarbeiteten, ähnlich wie sich "Ost" und "West" gegen Hitler zusammenrauften.

Wie seht ihr das Problem?
 
(ich weiss nicht, ob es richtig ist auf eine Umfrage zu antworten - bzw. ob das hier die richtige Stelle ist)

Eine Analogie zwischen zwei historischen Epochen kann durchaus Sinn machen, wenn man den Vergleich auf ein oder velleicht zwei Aspekte reduziert. (Z.B. die sozialistische Wirtschaftsplanung hat Analogien zur Palastwirtschaft auf Kreta). Darüber kann man auch wissenschaftlich Streiten.

Äußerst problematisch sehe ich es, wenn gleich 3 Neuzeit-Antike-Vergleichspaare gebildet werden, gleich mehrere Aspekte durcheinanderverglichen werden und so subjektive und diffuse Begriffe wie "abendländische Wertvorstellungen" genannt werden.

Solche Analogien werden ja immer wieder angestrengt (vor allem an den Stammtischen der Politik) und sie bereiten fast immer Kopfschmerzen. Um auf deine Ausgangsfrage einzugehen rate ich Dir, die Analogie nicht derart weit zu spinnen.
 
Abgesehen davon, dass du die einzelnen Staaten einer sehr einseitigen resp. poientierten Betrachtung unterziehst, stellt sich mir die Frage nach dem Sinn und Zweck dieser "Analogien".
 
aquilifer schrieb:
Abgesehen davon, dass du die einzelnen Staaten einer sehr einseitigen resp. poientierten Betrachtung unterziehst, stellt sich mir die Frage nach dem Sinn und Zweck dieser "Analogien".

Nur wer die Vergangenheit durchschaut, kann die Gegenwart begreifen! :hoch: :winke:
 
Ich denke nicht, dass man etwas durchschaut, indem man komplexe Sachverhalte dermaßen vereinfacht, bis nur noch subjektive Wahrnehmung übrig bleibt. Da stellt sich dann auch die Frage, ob man daraus noch etwas herleiten kann, das auch nur halbwegs Sinn ergibt.
 
pan narrans schrieb:
Ich denke nicht, dass man etwas durchschaut, indem man komplexe Sachverhalte dermaßen vereinfacht, bis nur noch subjektive Wahrnehmung übrig bleibt. Da stellt sich dann auch die Frage, ob man daraus noch etwas herleiten kann, das auch nur halbwegs Sinn ergibt.

Das Faszinierende an der Geschichte ist ja gerade das, daß man dadurch, daß man die Fehler der Vergangenheit durchschaut, in der Lage ist, diese nicht wiederzubegehen. Und da liegt es doch auf der Hand, daß bspw. die SU ein ähnliches Ende nehmen mußte wie das Spartanerreich. Und auch die USA könnte ähnlich wie das Römerreich implodieren und explodieren! Uns Historiker unterscheidet bloß von anderen menschen, daß wir in der Lage sind, die möglichen Entwickllungsstränge zu antizipieren.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Das Faszinierende an der Geschichte ist ja gerade das, daß man dadurch, daß man die Fehler der Vergangenheit durchschaut, in der Lage ist, diese nicht wiederzubegehen.

Das ist eine Grundhaltung der Geschichtsforschung, nach der die Beschäftigung mit der Geschichte eine pädagogische Wirkung hat. Ich bin kein Anhänger dieser Idee.

Ich habe gerade ein Buch gelesen, Michael Grant, "Der Untergang des römischen Reichs". Grant könnte man als Vertreter dieser Richtung sehen - er listet die Probleme des spätrömischen Reiches auf, und es findet sich kaum ein Kapitel, das nicht mit einem Bezug zur aktuellen Lage und einer Warnung an die heutige westliche Welt endet. In dem ansonsten soliden Buch wirken gerade diese Abschnitte oft sehr platt, denn vermutlich ahnte auch Grant, dass sich die Vergleiche nicht so ohne weiteres herstellen lassen.

So heißt es einmal: "Einer der Gründe dafür, dass die historische klassische Kultur zerfiel, war, wie Gibbon richtig sagt, die Tatsache das die beiden ehemaligne Hälften des Reichs in ihrem Zusammenwirken kläglich versagt hatten. In unserer Zeit würde ein ähnlich verhängnisvoller Bruch zwischen Amerika und Westeuropa den Untergang des letzteren zur Folge haben, denn auch Westeuropa ist der schwächere Bündnispartner."

Diese Abschnitte im sonst soliden Buch wirken platt und werfen mehr Fragen als Antworten auf: Kann man Amerika und Westeuropa überhaupt als Hälften eines Reichs sehen? Lässt sich die Gesamtheit der nicht näher definierten westeuropäischen Staaten mit dem weströmischen Reich vergleichen? Wo wäre dann z.B. die Schweiz in diesem System einordnen? Ich verlange natürlich keine Antwort auf diese Fragen; es geht mir nur darum aufzuzeigen, wie schnell sich das Unhistorische in solche Vergleiche einschleicht.
 
Kiffing schrieb:
Und da liegt es doch auf der Hand, daß bspw. die SU ein ähnliches Ende nehmen mußte wie das Spartanerreich. Und auch die USA könnte ähnlich wie das Römerreich implodieren und explodieren!

Die SU ist woran untergegangen??

Zur Auswahl stehen u.v.a.:

- Defizitäre Planwirtschaft
- Defizitärer Aussenhandel
- Übermäßige Ressourcenverschwendung
- Umweltverbrauch
- Politische Unterdrückung der eigenen Bevölkerung
- Katastrophales Krisenmanagement (Tschernobyl, Matthias Rust, Afghanistan)
- Zerfall der aussenpolitischen Bündnispartner
- Kollektive Depression

Und welche Analogie ist da zu Sparta zu ziehen??
 
Pope schrieb:
Die SU ist woran untergegangen??

Zur Auswahl stehen u.v.a.:

- Defizitäre Planwirtschaft
- Defizitärer Aussenhandel
- Übermäßige Ressourcenverschwendung
- Umweltverbrauch
- Politische Unterdrückung der eigenen Bevölkerung
- Katastrophales Krisenmanagement (Tschernobyl, Matthias Rust, Afghanistan)
- Zerfall der aussenpolitischen Bündnispartner
- Kollektive Depression

Und welche Analogie ist da zu Sparta zu ziehen??
Ich würde sagen, die der geringen Partizipation der Bürger an den staatlichen Kompetenzen. In beiden Staaten waren die Menschen ja eher Untertanen als Bürger.
 
Kiffing schrieb:
Ich würde sagen, die der geringen Partizipation der Bürger an den staatlichen Kompetenzen. In beiden Staaten waren die Menschen ja eher Untertanen als Bürger.

Was für ziemlich jedes zweite Land auf dieser Welt heute noch gilt ...
 
Naja... Menschen tragen immer den Staat und Menschen lassen sich immer mehr oder weniger offensichtlich von Ideologien und Ideen tragen, ausserdem halte ich es für megasubjektiv die Spartaner eher als Untertanen zu bezeichnen, da wir nicht genau wissen wie sie sich selber sahen, und soweit ich weiß, waren die Spartiaten stolz darauf, also waren sie sich ihrer "Unterdrücken" (Danger: subjektivität) , im heutigen sinne nicht ganz bewußt.

und geringe beteiligung würde ich auch nicht sagen. schließlich haben die frühen Spartaner diese Ordnung erstmal erkämpft und zwar zu einer zeit als der rest von hellas noch vielmehr "unzivilisiert" war....

ich pers. halte solche Vergleiche zwar für interessant, und sicher mag man den einen oder anderen Zusammenhang finden, aber wirklich was bringen tut das meiner Ansicht nach nicht, den Menschen handeln durch die versch. Einflüsse (die ja wohl heute zweifelsfrei anders sind als 480. v. Chr) immer anders und schreiben deswegn auch Geshcichte immer anders.
 
Wenn die Gemeinsamkeit zwischen UDSSR und Sparta allein in der Oligarchie liegen soll, lässt sich genauso gut behaupten, die Marktwirtschaft der USA wäre ebenso eine Oligarchie und dieser Staat geht ebenso unter. Sorry, aber das bleibt mir alles viel zu grob und vereinfacht.

Die Theorie, dass sich die Fehler der Vergangenheit einfach vermeiden ließen, indem man die Geschichte vergangener Reiche betrachtet, halte ich für eine graue. An dem Ausspruch "nachher ist man immer schlauer" mag ja etwas dran sein, nur fällt mir einfach kein Beispiel ein, wo dies ein Staat praktiziert hätte.
 
Kiffing schrieb:
Ich würde sagen, die der geringen Partizipation der Bürger an den staatlichen Kompetenzen. In beiden Staaten waren die Menschen ja eher Untertanen als Bürger.

Da solltest Du Dich bezüglich Sparta und den BÜRGERN dort aber noch einmal informieren ...
 
Ein Vergleich USA und Rom ist zwar ganz interessant (insbesondere bei der Außenpolitik). Und Zugegeben, es mögen zwischen SU und Sparta schon einige Ähnlichkeiten (Einfluss des Staates in vielen privaten Gebieten) und auch im Umgang mit den randrepubliken bzw. Messenien existieren. Der militärische Charakter der Spartiaten fehlt der UdSSr jedoch.
Aber dieser generelle Weltvergleich wirkt etwas blauäugig. Bedenke auch die zeitlichen Relation. Als Rom wirklich groß wurde, waren Sparta und Athen Makedonien untergeordnet.
 
Kiffing schrieb:
Das Faszinierende an der Geschichte ist ja gerade das, daß man dadurch, daß man die Fehler der Vergangenheit durchschaut, in der Lage ist, diese nicht wiederzubegehen. Und da liegt es doch auf der Hand, daß bspw. die SU ein ähnliches Ende nehmen mußte wie das Spartanerreich. Und auch die USA könnte ähnlich wie das Römerreich implodieren und explodieren! Uns Historiker unterscheidet bloß von anderen menschen, daß wir in der Lage sind, die möglichen Entwickllungsstränge zu antizipieren.

Verzeiht, wenn ich als Nichthistoriker anderer Meinung bin.

Sicher ist für mich, dass aus der Geschichte gelernt werden kann, so dass Fehler oder unschöne Erfahrungen der Gechichte vermieden werden können.

Einen Vergleich verschiedener Staaten oder Staatengebilde vorzunehmen und aus deren Konzeption heraus zu behaupten diese würden ein gleiches Ende nehmen, halte ich jedoch für verfehlt.

Die Voraussetzungen sind meines Erachtens schlicht nicht die gleichen.

Infrastruktur, Informationsmanagment, Wirtschaft, Militär, das alles hat sich hat sich so sehr gewandelt, dass sich einfache Schlussfolgerungen in dieser Hinsicht doch verbieten sollten.

Als Hannibal gen Rom maschierte brauchten diese einige Zeit, um sich auf diese militärische Konfrontation einstellen zu können.
Heutzutage würde Hannibal mit seiner Armee nicht einmal mehr seine Küste verlassen können.

Historische Bündnisse waren oft kein gegenseitiges Geben und nehmen, sie zielten oft vielmehr darauf ab die schwächere Seite klein zu halten und jede Seite hatte erhebliche Aufwände die jeweils andere Seite zu kontrollieren.
In der heutigen Zeit sind (zumindest die westlichen) Bündisse weitestgehend geprägt von einem Miteinander, was ihren Bestand erheblich verlänger dürfte.

Natürlich, je größer eine Nation ist, desto schwieriger ist es diese wirtschaftlich am Leben zu erhalten. Insofern können grundlegende Parallelen durchaus gezogen werden, aber wie schon erwähnt, ein pauschaliertes Betrachten bzw. ein direkter Vergleich dürfte sich verbieten.
 
Kiffing schrieb:
Das Faszinierende an der Geschichte ist ja gerade das, daß man dadurch, daß man die Fehler der Vergangenheit durchschaut, in der Lage ist, diese nicht wiederzubegehen. Und da liegt es doch auf der Hand, daß bspw. die SU ein ähnliches Ende nehmen mußte wie das Spartanerreich. Und auch die USA könnte ähnlich wie das Römerreich implodieren und explodieren! Uns Historiker unterscheidet bloß von anderen menschen, daß wir in der Lage sind, die möglichen Entwickllungsstränge zu antizipieren.

Ich kann da meinem Vorschreiber nur zustimmen.

Ich finde es überheblich sich bereits als Historiker zu bezeichnen, wenn man noch im Studium ist. Und auch ein anderer Mensch, um es mit deinen Worten zu sagen, kann die Entwicklungsstränge genau so gut antizipieren.
 
Das Thema ist sicher wirklich schwierig, aber ich denke auch solche kühnen Vergleiche sollten mal gewagt werden dürfen und wenn allein schon deshalb, um eine kontroverse Diskussion anzuregen. Und für sowas bin ich ja immer zu haben.

Ich möchte auch denen widersprechen wollen, die die geschichte von "pädagogischen Schlussfolgerungen" frei halten wollen. Darum geht es doch ausschließlich im Leben, ums Lernen und Anwenden. Wer geschichte zum Selbstzweck erklärt beraubt diese Disziplin der allerwichtigsten Aufgabe, auch wenn uns dabei immer wieder Fehleinschätzungen und Missdeutungen unterlaufen.

Also greif ich mal die kühne These auf und will gleich mal weiter spinnen, denn die UdSSR ist ja selbst quasi Geschichte und die politisch besonders brisanten Reibungspunkte finden sich inzwischen woanders.

Wie erklärt sich aus der Antiken Welt heraus Israel, der Iran, der Irak oder der Nahe Osten sowie auch der ferne Osten (China, Japan, Pakistan, Indien, Korea. Da fallen natürlich spontan die Perserkriege ein - zumindest als Analogie für die Probleme im Nahen Osten. Doch was wäre hieraus zu lernen??
 
alenga schrieb:
Wie erklärt sich aus der Antiken Welt heraus Israel, der Iran, der Irak oder der Nahe Osten sowie auch der ferne Osten
Ich wüßte schon ein paar interessante Parallelen zwischen der römischen und der chinesischen Antike.
Das Han-Reich zwischem dem 3. vorchristlichen und dem 3. nachchristlichen Jahrhundert war über Jahrhunderte ein ziemlich stabiles und bürokratisch durchorganisiertes Weltreich, das den größten Teil der (nach damaligen Maßstäben) bekannten zivilisierten Welt umfaßte. Vor Barbareneinfällen insbesondere aus dem Norden war es durch Grenzmauern geschützt. Allerdings führten die Entwicklungen im Inneren des Reichs dazu, daß Generäle und Soldatenkaiser sich die "Barbaren" als Söldner und Hilfstruppen ins Land holten, wo sie immer mehr ein Eigenleben führten und schließlich ihre eigenen (meist kurzlebigen) Reiche auf dem Boden des alten Imperiums gründeten.
Doch auch die schönste Analogie findet irgendwann ihr Ende: Während das chinesische Imperium Jahrhunderte später in seinen alten Grenzen "wiedervereinigt" wurde, wurde das Gebiet des alten römischen Reichs nach einiger Zeit dauerhaft in zwei Kulturkreise aufgeteilt.

Und was lernen wir daraus?

Erstens kommt es anders, als man zweitens denkt.
 
alenga schrieb:
Da fallen natürlich spontan die Perserkriege ein - zumindest als Analogie für die Probleme im Nahen Osten. Doch was wäre hieraus zu lernen??
Nach der bisherigen Analogie würde das bedeuten, Westeuropa und die UdSSR sich gegen den NO verbündeten und die USA nicht beteiligt waren.:grübel: :S
 
Immer wenn ich was über Sparta lese, muss ich weniger an die UDSSR als an Faschismus denken. Blos nichts fremdes, Militarismus hoch 10, kaum Kunst und Kultur, nur der Gesunde und Starke darf leben.

Und am Ende bleibt nichts mehr übrig. Wogegen Athen immer noch steht.

Nichts gegen die Spartaner, aber gewisse parallelen zu diversen formen des Faschismus sehe ich schon.
 
Zurück
Oben