Anthropogenese

Kanduze

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Warum ist jedes Gespräch über Rassismus für immer fehl am Platze und aus der Zeit gefallen?

Vor etwa 40 Jahren wurde in der Anthropologie und Psychologie unwiderruflich festgestellt, dass jeder von uns zu einer Art, dem Homo Sapiens Sapiens, gehört. Viele andere Wissenschaften waren daran beteiligt, die Geheimnisse unserer Schöpfung zu enträtseln, indem sie den Handarbeitsprozessen Gottes und/oder der Natur, die an unserer Anthropogenese beteiligt waren, über die Schulter schauten.

Jedes moderne Weltgeschichtsbuch wird bestätigen, dass der Homo Sapiens Sapiens vor etwa 70 000 Jahren aus Afrika auswanderte und sich auf dem Weg zur Eroberung aller Kontinente, außer der Antarktis vor etwa 13 000 Jahren, mit Denisovanern und Neandertalern kreuzte. Diese beiden letzten bekannten Unterarten, die vor etwa 500 000 Jahren aus Afrika nach Eurasien eingewandert waren, starben inzwischen aus, gaben aber viele Gene an uns weiter. Z. Bsp., die hellere Haut, die wir von den Neandertalern geerbt haben, ermöglicht es uns, Vitamin D aufgrund der jährlich schwankenden Sonneneinstrahlung in den Regionen oberhalb und unterhalb des Äquators, auf der Nord- und Südhalbkugel, effizienter zu verarbeiten. Die Denisovaner gaben eine genetische Anpassung an das sauerstoffarme Hochland (Himalaya) an uns den Homo Sapiens Sapiens weiter. Dieses Erbe der Denisovaner ermöglichte es später den aus Asien eingewanderten Peruanern, im Hochland von Südamerika, Landwirtschaft zu betreiben - zum Nutzen von uns allen. Peru ist das Land mit der weltweit größten Artenvielfalt. Wir alle, die wir leben, haben von den Homo-Sapiens-Unterarten Denisovaner und Neandertaler profitiert und tun dies auch heute noch. Wir verdanken ihnen, ihrem gelebten Leben und allen anderen Hominiden, und diesem anthropogenen Prozess zwischen 4 Millionen Jahren und etwa 40000 Jahren, unsere gemeinschaftliche und gesellschaftliches Natur. (Homo Sapiens Sapiens domestizierte Tiere und Pflanzen unabhängig voneinander auf allen Kontinenten, und errichtete mit erhöhter Nahrungsgrundlage und wachsender Bevölkerung damit auch Zivilisationen, die auf diversen Schriftsprachen, Mathematik, Geometrie, Kunst usw. basierten)

Jede Philosophie, Religion oder Weltanschauung, die nicht auf dieser modernen "Schöpfungsgeschichte" basiert, beruht auf veralteten Annahmen und unbegründeten Ideen. Wir sind zuerst Menschen (Homo Sapiens Sapiens), bevor wir Amerikaner usw., Christen usw., oder Mitglieder einer Sprache sind! Dies ist in unserer Zeit und in unserem Raum absolut festgeschrieben, wie die Keplerschen Planetengesetze, die den Beginn der modernen Physik markieren.
 
Schon wieder ein paar Tage her, das Statement. Und niemand hat was dazu sagen mögen?!

Von meiner Seite nur das:

"Wir sind zuerst Menschen (Homo Sapiens Sapiens), bevor wir Amerikaner usw., Christen usw., oder Mitglieder einer Sprache sind."

Sehr schön und sehr gut. Wer wollte da widersprechen!

Nun kommt das große ABER: Der Homo, der gegenwärtig die Welt bevölkert, ist so sapiens nicht. Er ist nach den genetisch-historischen Allgemeindingen vor allem eins: intern sehr, sehr unterschiedlich: groß ... klein, dick ... dünn, klug ... dumm, schön ... hässlich (ja klar, normabhängig; aber die Vougue weiß, wen sie auf den Titel setzt), an Macht nicht interessiert ... machtgierig, usw. Jeweils mit einer großen Bandbreite zwischen den Extremen. Manche climben free senkrechte Felswände hoch und anderen wird schon auf einer Stehleiter schwindelig. Manche sind sehr gute Menschen, andere sehr, sehr böse. Ja, es gibt Verbrecher, Serienmörder. Und politische Massenmörder, die über Anweisungen agieren und nie einen Menschen persönlich töten, sondern Millionen töten lassen. Und in dieser Gemengelage gibt es nicht-rassistische und schwer-rassistische Menschen. Wobei, wie bei allen äußeren Bedingungen, das rassistische Denken halt einfach und darum für schlichte Gemüter anziehend ist: "Jemand sieht nicht aus wie Meinesgleichen, ist schwarz oder hat Schlitzaugen? Dann gehört er nicht nach Deutschland und zu den Deutschen!" (Das gibt es analog übrigens auch in anderen Ländern, und, ja, es gibt einen japanischen, koreanischen, ..., schwarzafrikanischen Rassismus! Ich weiß es von Freunden. Europäern, die in den jeweiligen Ländern gelebt haben oder noch leben.)

Die entscheidende Frage ist wieder: "Was tun?" Ausbuchstabiert: Wie bringt man Rassisten dazu, keine Rassisten mehr zu sein? Wer die Lösung hat und wem schon einige Bekehrungsversuche gelungen sind, er melde sich bitte und beschreibe, wie er das angestellt hat!

Oder ist es anthropologisch gesehen sogar vollkommen nachvollziehbar, dass der Homo sapiens nicht-so-sapiens ein unterschiedlich Maß an Rassismus in sich trägt? Einfach weil er im Lauf seiner Geschichte immer entlang äußerer Merkmale in den Kategorien Wir und die anderen gedacht hat. Denken musste! Weil die anderen den Mitgliedern seiner Gruppe immer mal wieder die Schädel eingeschlagen haben. Wobei natürlich klar ist, dass es für das Schädel-einschlagen u. ä. auch vollkommen andere Gründe gab und gibt. Dass die anderen Protestanten waren, die wir aber Katholiken. Und vice versa. Nur ein Beispiel.
 
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Schon wieder ein paar Tage her, das Statement. Und niemand hat was dazu sagen mögen?!
...von einer Verpflichtung, auf Beiträge reagieren zu müssen, ist mir hier nichts bekannt.

#1 ist sehr allgemein gehalten, dabei in der Sache ok.

Aus #2 werde ich nicht schlau: soll da provokativ ein Hintertürchen geöffnet werden, weil angeblich "schon immer"? Wie dem auch sei: Der Wissensstand pflegt sich über die Jahrhunderte zu ändern, oftmals dabei sich erweiternd. Einen guten Grund, als inkorrekt erwiesenes früheres Wissen zu reanimieren, gibt es nicht.
 
Zitat aus einem Artikel des T-Online Nachrichtendienstes:

"Woher kommt diese unglaubliche Bereitschaft zur Gewalt, diese Brutalität?" Diese einleitende Frage von Markus Lanz war der rote Faden seiner Talkshow am Donnerstagabend. Die Sendung bot einen ebenso erhellenden wie erschreckenden Einblick in eine russische Kultur, in der es nur Täter oder Opfer gibt. So hat es jedenfalls der in Moskau geborene und aufgewachsene Schriftsteller Boris Schumatsky erlebt.
(…)
Dass der Westen vor Gräueltaten der russischen Truppen in der Ukraine so erschauert, beweist für den Publizisten, wie lange sich vor allem Deutschland ein falsches Bild von Russland geleistet hat. Es gebe zwar die allseits beschworene "russische Seele". Aber dahinter stecke, "was wirklich zählt: die Gewalt", sagte Schumatsky, der seit den 90er-Jahren in Berlin lebt.


Angesichts dieser Worte hat man den Eindruck, Russen seien anders als wir im Westen. Dabei waren auch wir es vor nicht allzu langer Zeit jene, die „anders“ waren: Wehrmacht und SS wüteten in ganz Europa und verübten Verbrechen, die denen von Russen in Butscha und anderswo nicht nur ähnelten, sondern übertrafen. Oder denken wir an die Amerikaner in Vietnam, an die Franzosen in Algerien oder Italiener in Äthiopien.

Und da kommt einer und sagt: Für Russen zähle nur Gewalt. Dabei beweist gerade die "schlechte" Moral der russischen Truppen, dass sie gar nicht kämpfen, also Gewalt nicht anwenden wollen.

Deswegen ist diese Aussage

„… ist es anthropologisch gesehen sogar vollkommen nachvollziehbar, dass der Homo sapiens nicht-so-sapiens ein unterschiedlich Maß an Rassismus in sich trägt?“

nichts anderes, als der Versuch, Russen wieder einmal als Untermenschen darzustellen - und das sogar mit der gleichen Begründung: Die Gene seien dafür verantwortlich.
 
Oder ist es anthropologisch gesehen sogar vollkommen nachvollziehbar, dass der Homo sapiens nicht-so-sapiens ein unterschiedlich Maß an Rassismus in sich trägt?

Wenn dem so wäre hätte sich Rassismus von Beginn der Menschheitsgeschichte an manifestieren müssen, was aber in dieser Form nicht der Fall ist.

Machen wir es an der Sprache fest. Damit irgendjemand überhaupt auf die Idee kommen konnte, dass wer nicht Deutsch spricht kein Deutscher sein könnte, bedurfte es erst einmal einer einheitlichen, sich einigermaßen scharf abgrenzenden deutschen Sprache und die musste sich erstmal aus einem konglomerat unterschiedlichster Dialekte herausbilden.
Ein Mensch, der vor 500 Jahren lebte, konnte diese Vorstellung gar nicht haben, weil er überhaupt nicht hätte wissen können, was die "deutsche Sprache" jetzt überhaupt sein sollte, weil es sie schlicht nicht gab, zumal Sprachen lebendig sind und sich entwickeln.
Jemand der vor 500 Jahren im Niederdeutschen Sprachraum oder im nördlichen Rheinland lebte, konnte die in den heutigen Niederlanden gesprochenen Dialekte wesentlich besser verstehen, als die Bayerischen und Schwäbischen Dialekte.
Wenn man dieser Person nun erzählt hätte, dass sie deutsch Spricht, die Dialektsprecher in den heutigen Niederlanden aber nicht, die Bayern hingegen schon, weswegen diese Person in eine Gruppe mit den Bayern gehörten zu denen auf Grund ihrer Sprache die Bevölkeerung der Niederlande aber nicht gehörte, dann hätte diese Person die Welt nicht mehr verstanden und das ganze Konzept für großen Humbug gehalten.

Das Gleiche mit pseudobiologischen Unterschieden, dafür braucht man erstmal eine Grundsätzliche Vorstellung von der Vererbung genetischer Merkmale.
Das war aber über den Großteil der Menschheitsgeschichte nirgendwo vorhanden.

Die Fähigkeiten überhaupt im modernen Sinne rassistisch sein zu können, sind menschheitsgeschichtlich eher neuere Erscheinungen, die wenn es um wirklich ausdefinierte Konzepte geht, in der Regel nicht weiter zurückreichen als bis ins 18. jahrhundert.

Insofern ist die Vorstellung dass bestimmte Maße von Rassismus irgendwie natürlich gegeben sein könnten nicht sinnvoll, das setzte nämlich voraus, dass die Modelle an Hand denen der Rassismus sich definiert ebenfalls natürlich gegben wären, aber kein Mensch hat von Geburt an irgenwelche Vorstellungen über Sprache oder Vererbung intus und über Jahrhunderte bis Jahrtausende hatten die Menschen davon keine präzisen Vorstellungen.
Das sind angeeignete Konzepte, keine natürlichen Merkmale.

Selbstredend gab es auch vorher Konflikte zwischn soziale Gruppen und soziale Grenzen, aber die hatten wenig mit rassistischen Konzepten zu tun.
Auseinandersetzungen zwischen religiösen Gruppen, waren de facto häufig nichts anderes als Auseinandersetzungen über Rechtsauffassungen, die das Zusammenleben regelten, Konflikte zwischen Gruppen mit vrschiedenem Rechtsstatus oder verschiedenen materiellen Ressourcen waren ebenfalls immer gegeben aber nicht im Kern rassistisch.
Natürlich gab es in der Geschichte auch immer und überall Fremdenfeindlichkeit, aber Gesellschaften, die weitgehend immobil waren und in denen die Bevölkerung kaum aus der eignen Siedlung heraus kam, hatten von irgendwechen Großgruppen, Abstammungen oder Sprachen überhaupt keine Vorstellungen.
Da musste auch das Aussehen nicht zwangsläufig irgendeine Rolle spielen.

Die Grenze, die in der sozialen Realität der meisten Menschen in der Vergangenheit soziale Gruppen gegeneinander abgrenzte, war nichts anderes als die Dorf- oder Stadtgrenze.
Wer innerhalb lebte gehörte dazu, wer außerhalb lebte nicht.

Deswegen ist diese Aussage

„… ist es anthropologisch gesehen sogar vollkommen nachvollziehbar, dass der Homo sapiens nicht-so-sapiens ein unterschiedlich Maß an Rassismus in sich trägt?“

nichts anderes, als der Versuch, Russen wieder einmal als Untermenschen darzustellen - und das sogar mit der gleichen Begründung: Die Gene seien dafür verantwortlich.

In dem Beitrag auf den du dich beziehst war von Russland oder Russen überhaupt keine Rede, weder explizit noch implizit, diese Unterstellung ist vollkommener Unfug.
 
Der Stammbaum des Menschen ist in den letzten Jahren nach einigen spektakulären genetischen und paläontologischen Entdeckungen zwar deutlich komplizierter geworden, aber nach meinem Eindruck hatte das gar keine gesellschaftspolitischen Folgen.

Ein wirklicher Zusammenhang zwischen rassistischen Stereotypien und realen genetischen, phänotypischen oder kulturellen Eigenschaften wie Sprache und Religion besteht nach meinem Eindruck nicht. Die Gruppeneinteilung in Othering-Prozessen ist völlig losgelöst von objektiven Unterschieden und Gemeinsamkeiten. Deshalb ist Rassismus auch in Bruderkriegen problemlos anwendbar.

Insofern ist die Vorstellung dass bestimmte Maße von Rassismus irgendwie natürlich gegeben sein könnten nicht sinnvoll, das setzte nämlich voraus, dass die Modelle an Hand denen der Rassismus sich definiert ebenfalls natürlich gegben wären, aber kein Mensch hat von Geburt an irgenwelche Vorstellungen über Sprache oder Vererbung intus und über Jahrhunderte bis Jahrtausende hatten die Menschen davon keine präzisen Vorstellungen.
Ich bin da noch pessimistischer. Selbst in hochentwickelten Gesellschaften wie der unseren hat nur ein Bruchteil der Bevölkerung eine präzise Vorstellung. Wie viel % der deutschen Abiturienten haben denn wirklich mehr als einen blassen Schimmer von biologischer Genetik, moderner Evolutionstheorie oder Sprachgenetik?
 
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Wie viel % der deutschen Abiturienten haben denn wirklich mehr als einen blassen Schimmer von biologischer Genetik, moderner Evolutionstheorie oder Sprachgenetik?

Solche Kenntnisse sind allerdings nicht im Mindesten nötig für die persönliche Entscheidung, sich rassistisch zu verhalten oder eben nicht. Diese Entscheidung wird nicht durch die Biologie, sondern durch die Soziologie, durch das eigene politische Denken getroffen.
Hier setzen Agitatoren jeglicher Art an, in dem sie Furcht schüren oder irgendeine Art von Gewinn versprechen, wenn im Gegenzug irgendwie definierte Gruppierungen ausgegrenzt werden.
Es bleibt dennoch eine Entscheidung jedes Einzelnen.
 
Selbst in hochentwickelten Gesellschaften wie der unseren hat nur ein Bruchteil der Bevölkerung eine präzise Vorstellung. Wie viel % der deutschen Abiturienten haben denn wirklich mehr als einen blassen Schimmer von biologischer Genetik, moderner Evolutionstheorie oder Sprachgenetik?

Wahrscheinlich die wenigsten, ich selber würde mir da auch eher rudimentäre als umfassende Kenntnisse attestieren.

Die Frage ist, bis zu welchem Grad werden sie benötigt um darauf rassistische Modelle aufbauenn zu können?
Ich denke nicht, dass umfassende Kenntnisse in diesen Bereichen dafür eine Voraussetzung sind, grundsätzliche Vorstellungen davon aber schon.
Den Nichtsprecher oder bestimmte Dialektsprecher einer Sprache aus der Gemeinschaft auszugrenzen kann z.B. erst dann funktionieren, wenn es einen Konsens über die Vorstellung gibt, was zu dieser Sprache gehört und was nicht und wo sie abzugrenzen ist.
Das heißt es benötigt die Vorstellung einer sprachlichen Normalität um Abweichungen von dieser Normalität feststellen zu können.

Die Konstruktion dieser Normalität setzt aber mindestens rudimentäre Untersuchungen der Sprache und Sprachpraxis voraus.
Ähnliches bei pseudo(biologischen) Zusammenhängen.
Die Konstruktion rassistischer Modelle setzt sicherlich gerade kein komplexes Verständnis von Genetik voraus, sehr wohl aber die Vorstellung ererbter Merkmale und die Vorstellung, dass äußere Merkmale in irgendeinem kausalen Zusammenhang mit Charaktereigenschaften etc. stünden.
Einen Rassismus auf pseudobiologischer Basis zu begründen, dürfte vor dem Wirken von Leuten wie Mendel oder de Lamarck schwer gefallen sein, weil es sicherlich aus der Viehzucht herrührend schwammige Vorstellungen von Vererbung gab, aber im Grunde keinen theoretischen Rahmen der sich in bestimmte Richtungen hätte bespielen lassen.

Da würde ich durchaus bei der Auffassung bleiben wollen, um in diesem Sinne überhaupt rassistisch sein zu können, bedurfte es Modellen, die einen Großteil der Menschheitsgeschichte hindurch überhaupt nicht vorhanden waren.

Ausgrenzung auf Grund religiöser und kultureller Merkmale würde ich nicht dezidiert als Rassismus auffassen, einfach weil sie in weit größerem Maße revidierbar sind, als eingebildete oder tatsächliche (Aussehen) biologische Eigenschaften oder sprachliche Gewohnheiten, die Abzulegen und andere neu zu erlernen ein Prozess ist, der einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen kann und daher eine wesentlich größere Hürde darstellt, als eine Konversion zu einem anderen Glauben oder die Aufgabe alter und Aneignung neuer kultureller Attitüden.
 
Angesichts dieser Worte hat man den Eindruck, Russen seien anders als wir im Westen. Dabei waren auch wir es vor nicht allzu langer Zeit jene, die „anders“ waren: Wehrmacht und SS wüteten in ganz Europa und verübten Verbrechen, die denen von Russen in Butscha und anderswo nicht nur ähnelten, sondern übertrafen. Oder denken wir an die Amerikaner in Vietnam, an die Franzosen in Algerien oder Italiener in Äthiopien.
Ich weiß gar nicht, warum Du hier damit anfängst.

Der Artikel bestreitet nicht, dass Russen der Gattung Homo Sapiens angehören und es anthropologisch gesehen Unsinn wäre, zwischen Russen und irgendeiner anderen Ethnie biologische Unterscheidungen zu treffen. Der Artikel behauptet auch nicht, dass Russen die Gewalt sozusagen im Blut oder in den Genen liege, sondern dass sie den Einflüssen einer Kultur unterliegen, die Gewalt hervorbringt.

Und Kulturen sind nun mal wirkmächtig, auch über kurze Zeiträume hinweg. Carl Jung glaubte, dass eine einzige Generation, die nicht im Frieden aufgewachsen ist, alles ist, was zwischen Zivilisation und Barbarei steht. In der Friedensforschung gilt es sogar als gesichert, dass ein Konflikt kaum beendet werden kann, wenn er länger als eine Kindheit dauert, wenn eine Generation also in Feindschaft sozialisiert wird.
Und da kommt einer und sagt: Für Russen zähle nur Gewalt.
Und dieser jemand ist Russe.
Dabei beweist gerade die "schlechte" Moral der russischen Truppen, dass sie gar nicht kämpfen, also Gewalt nicht anwenden wollen.
Das ist, mit Verlaub, völliger Blödsinn. Jeder Mensch hat einen Überlebensinstinkt. Schumatskys These wird nicht dadurch widerlegt, dass zwangsrekrutierte russische Soldaten das Kämpfen einstellen, wenn es aussichtslos ist.
Deswegen ist diese Aussage

„… ist es anthropologisch gesehen sogar vollkommen nachvollziehbar, dass der Homo sapiens nicht-so-sapiens ein unterschiedlich Maß an Rassismus in sich trägt?“

nichts anderes, als der Versuch, Russen wieder einmal als Untermenschen darzustellen - und das sogar mit der gleichen Begründung: Die Gene seien dafür verantwortlich.
Was hat das Eine mit dem Anderen zu tun? Nichts dergleichen wird behauptet, weder in dem T-Online-Artikel, noch auch nur durch den Strangersteller, den Du zitierst.
Die entscheidende Frage ist wieder: "Was tun?" Ausbuchstabiert: Wie bringt man Rassisten dazu, keine Rassisten mehr zu sein? Wer die Lösung hat und wem schon einige Bekehrungsversuche gelungen sind, er melde sich bitte und beschreibe, wie er das angestellt hat!

Oder ist es anthropologisch gesehen sogar vollkommen nachvollziehbar, dass der Homo sapiens nicht-so-sapiens ein unterschiedlich Maß an Rassismus in sich trägt? Einfach weil er im Lauf seiner Geschichte immer entlang äußerer Merkmale in den Kategorien Wir und die anderen gedacht hat. Denken musste! Weil die anderen den Mitgliedern seiner Gruppe immer mal wieder die Schädel eingeschlagen haben. Wobei natürlich klar ist, dass es für das Schädel-einschlagen u. ä. auch vollkommen andere Gründe gab und gibt. Dass die anderen Protestanten waren, die wir aber Katholiken. Und vice versa. Nur ein Beispiel.
In meinen Augen ist eine Welt ohne jedweden Rassismus leider illusorisch. Und ist es nicht bezeichnend, dass so mancher Ansatz, den Rassismus zu bekämpfen, von Prämissen ausgeht, die ihrerseits die Definition von Rassismus erfüllen (z.B. der Ausgangspunkt der Implicit Bias-Theorie, dass Weiße von Natur aus Rassisten seien)?

Die Vorstellung, dass Streit und Ausgrenzung menschliche Erfindungen seien, sollte eigentlich spätestens seit der Forschung von Jane Goodall über Schimpansen ad acta gelegt sein. Wir Menschen vergessen gerne, dass wir letztlich nur hoch entwickelte Tiere sind, und dass ein paar tausend Jahre Zivilisation nicht die Prägung ungeschehen machen können, die Homo Sapiens in hunderttausenden Jahren zuvor erhielt.

Der Mensch hat schon in In- und Out-Groups gedacht, bevor er überhaupt die Fähigkeit zum sozialen Zusammenleben erlangte. Gerade die kleineren Hominiden sind in einem ursprünglichen Ökosystem von allen Seiten bedroht, deshalb sind unsere Sinne darauf ausgerichtet, Unterschiede wahrzunehmen. Ein Gesträuch, das sich bewegt? Könnte ein lauerndes Raubtier sein. Eine gelbe statt blaue Beere? Könnte giftig sein. Ein Menschenaffe, der anders riecht? Könnte dich killen und dein Weibchen entführen.

Die gute Nachricht lautet, dass wir die biologische Prägung der Art Homo Sapiens überwinden können, wenn nicht auf der Ebene des Individuums, so doch auf der Ebene der Gesellschaft . Wir sind schon sehr erfolgreich darin gewesen. Jedes Mal, wenn du nicht auf offener Straße auf den Boden kackst; jedes Mal, wenn du einen Streit mit Worten und nicht mit Fäusten austrägst; jedes Mal, wenn du nicht die erstbeste Frau, die dir gefällt, an den Haaren hinter dir her zerrst; ist ein Sieg der Zivilisation.

Aber: Es gibt nun mal leider Menschen – die Schätzungen schwanken je nach Quelle zwischen 1 bis 5% der männlichen und um 0,2% der weiblichen Bevölkerung –, die antisoziale Tendenzen zeigen und gegen die Regeln der Gesellschaft rebellieren. Zumindest diesen antisozialen Kern wird man wohl niemals Versuchen öffnen können, eine post-rassistische Gesellschaft zu etablieren.
 
Der Artikel bestreitet nicht, dass Russen der Gattung Homo Sapiens angehören und es anthropologisch gesehen Unsinn wäre, zwischen Russen und irgendeiner anderen Ethnie biologische Unterscheidungen zu treffen. Der Artikel behauptet auch nicht, dass Russen die Gewalt sozusagen im Blut oder in den Genen liege, sondern dass sie den Einflüssen einer Kultur unterliegen, die Gewalt hervorbringt.
Doch, der Beitrag auf dem ich mich bezog, enthält folgende Passage (darin habe ich 2 Worte fettgeschrieben) :
Oder ist es anthropologisch gesehen sogar vollkommen nachvollziehbar, dass der Homo sapiens nicht-so-sapiens ein unterschiedlich Maß an Rassismus in sich trägt? Einfach weil er im Lauf seiner Geschichte immer entlang äußerer Merkmale in den Kategorien Wir und die anderen gedacht hat. Denken musste!
Nun unterscheiden sich Ukrainer und Russen äußerlich in keiner Weise. Auch die Religion spielt kaum eine Rolle, wenn auch der russische Patriarch die „Antichristen“ in Kiew weghaben will, weil sie „westeuropäische“ Werte (besonders schlimm, weil sie Homosexualität und LBTG+ nicht verurteilen) und Demokratie vertreten.

Also ist der anthropologische Ansatz des Users @BDLB in diesem Fall genauso falsch wie der kulturelle des Russen Boris Schumatsky, der den Russen eine Kultur attestiert, die Gewalt hervorbringt. Aber zwischen den Russen und Ukrainern gibt es kulturell kaum Unterschiede, und wenn doch, dann nur im Westen der Ukraine, wo der polnische und litauische Einfluss in Vergangenheit größer war als in anderen Gebieten, die heute zu Ukraine gehören.

Die Vorstellung, dass Streit und Ausgrenzung menschliche Erfindungen seien, sollte eigentlich spätestens seit der Forschung von Jane Goodall über Schimpansen ad acta gelegt sein. Wir Menschen vergessen gerne, dass wir letztlich nur hoch entwickelte Tiere sind, und dass ein paar tausend Jahre Zivilisation nicht die Prägung ungeschehen machen können, die Homo Sapiens in hunderttausenden Jahren zuvor erhielt.
Du rennst damit bei mir offene Türe ein. Du weißt vielleicht nicht, aber ich bin einer, der das mit der Aggressivität der Schimpansen ernst nimmt, und jedes Mal von @El Quijote gesagt bekommt, die Bonobos seien unseren Verwandten, und die Lösen Probleme mit Sex, statt mit Mord und Totschlag. Das ist alles wahr, dennoch sind wir in unserem Verhalten eher bei Schimpansen als bei Bonobos, obwohl ich das umgekehrt lieber sähe.

Auch verweise ich immer wieder auf die Lehre Eibl-Eibesfeldts, der gesagt hat, die Fremdenfurcht sei dem Menschen angeboren. Aber auch das passt auf den gegenwärtigen russisch-ukrainischen Konflikt nicht. Und davon war ja bei Lanz die Rede.
 
Du rennst damit bei mir offene Türe ein. Du weißt vielleicht nicht, aber ich bin einer, der das mit der Aggressivität der Schimpansen ernst nimmt, und jedes Mal von @El Quijote gesagt bekommt, die Bonobos seien unseren Verwandten, und die Lösen Probleme mit Sex, statt mit Mord und Totschlag. Das ist alles wahr, dennoch sind wir in unserem Verhalten eher bei Schimpansen als bei Bonobos, obwohl ich das umgekehrt lieber sähe.
Es wäre nett, wenn du mich korrekt wiedergäbest.
Du argumentierst populistisch-schlicht: Seht die Schimpansen an, die üben Gewalt zum Teil zum Spaß aus. Das stimmt unbestritten. Daraus schließt du, dass der Mensch von Natur aus gewalttätig ist.
Meine Antwort darauf ist: es ist zu einfach, von der Verhaltensbiologie der Schimpansen auf uns zu schließen, alle Menachenaffenarten haben eine unterschiedliche Verhaltensbiologie. Selbst einander so nah verwandte Arten wie Schimpansen und Bonobos. Die sind einander viel näher als Schimpanse und Mensch.
 
es ist zu einfach, von der Verhaltensbiologie der Schimpansen auf uns zu schließen
Ich habe geschrieben: Wir sind in unserem Verhalten den Schimpansen näher als den Bonobos. Wäre es umgekehrt, hätten wir die Parole "make love not war" schon längst in die Wirklichkeit umgesetzt.
 
Ich habe geschrieben: Wir sind in unserem Verhalten den Schimpansen näher als den Bonobos. Wäre es umgekehrt, hätten wir die Parole "make love not war" schon längst in die Wirklichkeit umgesetzt.
Tja, da stellt sich die Frage, ob diese Wahrnehmung nicht Resultat einer kulturpessimistischen Bias ist. Es ist nämlich sehr viel einfacher zu zerstören als aufzubauen. Du musst ein Kind mehrere Jahre pflegen, um es zu befähigen selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, kannst aber einen Menschen innert Sekunden töten. Es dauert länger ein Haus zu bauen, als es in Brand zu setzen. Du musst ein Feld bestellen, Monate warten, bis das Korn reift und es ernten, aber du kannst mit einigen Pferden leicht das halbreife Korn niederreiten oder die Scheune mit der Ernte zerstören. Du brauchst Jahre, um eine Viehherde aufzubauen, aber kannst eine Viehherde in kürzester Zeit töten.
Da die Menschheit es bis hierher geschafft hat, ist die Frage, ob wirklich das kriegerische und destruktive Element stärker in uns verankert ist, als das kooperative und konstruktive. Wir sind die einzige Spezies, die bewusst mit einer unüberschaubaren Anzahl an Individuen komplexe Aufgaben erledigen kann. Bei Tieren funktioniert das nur persönlich mit bekannten Individuen.
 
Wir kennen den Narrativ von der Reconquista, der achthundertjährigen „Wiedereroberung Spaniens“ von den Muslimen/Mauren durch die Christen, ein Narrativ, der von Faschisten heute gerne aufgegriffen wird, sei es durch die Identitäre Bewegung, Victor Orban oder die rechte Konkurrenz des Rassemblement National, Reconquête.
Übersehen wird dabei, dass ein mehrhundertjähriger Kampf wohl kaum als legitime Rückeroberung bezeichnet werden kann und dass der Narrativ von den Christen auf der einen und den Muslimen auf der anderen Seite weder gesellschaftlich noch militärisch korrekt ist. Es kam durchaus vor, dass ein muslimischer Architekt in einer christlichen Stadt eine jüdische Synagoge baute.
 
Wenn man dieser Person nun erzählt hätte, dass sie deutsch Spricht, die Dialektsprecher in den heutigen Niederlanden aber nicht, die Bayern hingegen schon, weswegen diese Person in eine Gruppe mit den Bayern gehörten zu denen auf Grund ihrer Sprache die Bevölkeerung der Niederlande aber nicht gehörte, dann hätte diese Person die Welt nicht mehr verstanden und das ganze Konzept für großen Humbug gehalten.
Das ist eine Frage der gesellschaftlichen Stellung. Dem Leibeigenen im Odenwald waren solche Gedanken sicherlich nicht wichtig. Andes bei gebildeten Schichten. Schon nach 1500 finden wir mit Ulrich von Hutten ein Person, die zwischen deutsch und nichtdeutsch unterscheidet. Zu dieser Zeit gab es noch keine eigenständige Niederlande. Daher wurde diese Region als zu Deutschland zugehörig betrachtet. Ob man dann niederdeutsch oder oberdeutsch sprach, war da nicht entscheidend. Man grenzte sich von "welschen" oder türkischen Menschen ab.

Die Fähigkeiten überhaupt im modernen Sinne rassistisch sein zu können, sind menschheitsgeschichtlich eher neuere Erscheinungen, die wenn es um wirklich ausdefinierte Konzepte geht, in der Regel nicht weiter zurückreichen als bis ins 18. jahrhundert.
Auch das bezweifle ich.
Der Barbarenbegriff der griechischen Welt beweist schon, dass man Menschen in kultiviert und unkultiviert einsortierte. Da man dies an Menschen aus einer Region festmachte, die anders aussahen als man selbst, würde ich das schon als Rassismus betrachten.

Noch weiter zurück zeigt die Ausbreitung der Jamnaja Kultur, dass Menschen zu furchtbaren Massaker fähig sind. Wenn die Weitervererbung männlichen Erbgutes ganzer Bevölkerungen abbricht, aber das Erbgut derer Frauen weiter vererbt wird, ist meines Erachtens vermutlich Rassismus im Spiel.
Einwanderung brutal – vor 4500 Jahren wurde jeder Mann in Spanien getötet

Im heutigen England dürfte nach Ankunft der Angelsachsen ebenfalls ein Völkermord passiert sein. Das Erbgut der keltischen Briten im heutigen England wird nicht mehr im bedeutenden Maße weitervererbt, die heutigen "Bio-Engländer" sind Nachfahren der Angelsachsen und zu einem kleineren Teil der Normannen. Die eigentlich dort angestammte Bevölkerung hat man im Frühmittelalter durch verschiedene Maßnahmen ausgerottet.

Das könnte man jetzt mit ungezählten Beispielen fortsetzen. Rassismus begleitet die Menschheitsgeschichte schon seit der Vorzeit.
 
Doch, der Beitrag auf dem ich mich bezog, enthält folgende Passage (darin habe ich 2 Worte fettgeschrieben) : Nun unterscheiden sich Ukrainer und Russen äußerlich in keiner Weise.
Ich hatte @BDLB so verstanden, dass es ihm um äußere Merkmale im Sinne einer rein subjektiven Unterscheidung gehe. Falls ich ihn falsch verstanden habe, muss ich mich bei Dir entschuldigen.
Also ist der anthropologische Ansatz des Users @BDLB in diesem Fall genauso falsch wie der kulturelle des Russen Boris Schumatsky, der den Russen eine Kultur attestiert, die Gewalt hervorbringt. Aber zwischen den Russen und Ukrainern gibt es kulturell kaum Unterschiede, und wenn doch, dann nur im Westen der Ukraine, wo der polnische und litauische Einfluss in Vergangenheit größer war als in anderen Gebieten, die heute zu Ukraine gehören.
Hier unterliegst Du einem Irrtum, würde ich meinen. Es bestehen durchaus kulturelle Unterschiede zwischen Ukrainern und Russen, dementsprechend versucht Moskau auch seit Jahrhunderten, die kulturelle Eigenständigkeit der Ukraine durch Gewalt, Verbote und Assimilation zu negieren.

Außerdem können sich Kulturen wandeln – und das sehr schnell, dem Himmel sei Dank, andernfalls hätte Deutschland nicht nach Hitler binnen weniger Jahre den Weg zurück in die Zivilisation gefunden; und ich wage behaupten, ein deutlicher Wandel hat in der Ukraine in den letzten Jahren stattgefunden.

In der Ukraine herrscht ein größeres Maß an Redefreiheit als in Russland, die politischen Partizipationsmöglichkeiten sind größer, und ein großer Teil der Bevölkerung lebt(e) und arbeitet(e) zumindest zeitweise in westlichen Nachbarstaaten, um von dort neue Wünsche und Forderungen an den eigenen Staat zurückzubringen. Eine solche Durchmischung hat in Russland nicht stattgefunden.

Dieses markante Auseinanderdriften beider Staaten hat wiederum im Weltbild des Kremls und russischer Nationalisten Niederschlag gefunden, die für sich in Anspruch nehmen, sie hätten die Ukraine im Jahr 2022 angreifen "müssen", weil die kulturelle Divergenz sonst zu groß geworden wäre, als dass Russland und Ukraine jemals wieder hätten miteinander vereint werden können.
Du rennst damit bei mir offene Türe ein. Du weißt vielleicht nicht, aber ich bin einer, der das mit der Aggressivität der Schimpansen ernst nimmt, und jedes Mal von @El Quijote gesagt bekommt, die Bonobos seien unseren Verwandten, und die Lösen Probleme mit Sex, statt mit Mord und Totschlag. Das ist alles wahr, dennoch sind wir in unserem Verhalten eher bei Schimpansen als bei Bonobos, obwohl ich das umgekehrt lieber sähe.

Auch verweise ich immer wieder auf die Lehre Eibl-Eibesfeldts, der gesagt hat, die Fremdenfurcht sei dem Menschen angeboren.
Es wäre nett, wenn du mich korrekt wiedergäbest.
Du argumentierst populistisch-schlicht: Seht die Schimpansen an, die üben Gewalt zum Teil zum Spaß aus. Das stimmt unbestritten. Daraus schließt du, dass der Mensch von Natur aus gewalttätig ist.
Meine Antwort darauf ist: es ist zu einfach, von der Verhaltensbiologie der Schimpansen auf uns zu schließen, alle Menachenaffenarten haben eine unterschiedliche Verhaltensbiologie. Selbst einander so nah verwandte Arten wie Schimpansen und Bonobos. Die sind einander viel näher als Schimpanse und Mensch.
Streng genommen beweisen Beobachtungen wie die Goodalls nicht, dass der Mensch von Natur aus zu Gewalt und Tribalismus neigt; umgekehrt beweisen die Konfliktlösungsstrategien der Bonobos nicht das Gegenteil, zumal der Mensch (wenn auch geringfügig) näher mit Schimpansen als mit Bonobos verwandt ist und seine sozialen Organisationsformen denen des Schimpansen näherkommen.

Was durch Episoden wie die Schimpansenkriege freilich gezeigt wird: Gewalt und Ausgrenzung kommen bei hochentwickelten sozialen Tieren natürlich vor, demnach können Krieg und Rassismus nicht bloße Erfindungen der Menschheit (oder gar einer bestimmten menschlichen Kultur) sein.
Aber auch das passt auf den gegenwärtigen russisch-ukrainischen Konflikt nicht. Und davon war ja bei Lanz die Rede.
Da wäre ich mir nicht so sicher. Der russische Staat führt diesen Krieg nicht zuletzt aus Xenophobie: die christliche "Russki Mir" gegen die gottlosen "Angelsachsen" und ihre Vasallen. Russland ist ein zutiefst fremdenfeindliches Land. Man rühmt sich zwar einer Nation aus zahlreichen Ethnien und Religionen. Das geht so weit, dass man daraus eine eigene rassische Überlegenheit ableitet (welch Ironie, dass sich dieser Mann zum Vorkämpfer wider den Faschismus stilisiert!):
Das russische Volk ist den anderen überlegen, betonte Präsident Wladimir Putin zuletzt bei seiner Fernseh-Fragestunde vor wenigen Tagen. Russland habe wie ein Staubsauger verschiedenste Ethnien und Nationalitäten aufgesogen und so sei nicht nur ein besonderer kultureller, sondern auch genetischer Code entstanden: "Dieser genetische Code ist einer unserer Konkurrenzvorteile in der modernen Welt. Er ist sehr zäh und widerstandsfähig." Russen, so meint Putin, verfolgten höhere moralische Werte als die Bürger des Westens: "Ein Russe oder Angehöriger der russischen Welt denkt vor allem daran, dass es eine höhere moralische Vorbestimmung eines Menschen gibt. Während im Westen vor allem der individuelle Erfolg des Einzelnen zählt, denken wird auch an die Gesellschaft. Unsere Seele ist großzügiger." (Quelle)
Aber davon abgesehen ist von diesem vorgeblichen Ethnopluralismus in der russischen Realität recht wenig zu merken, diese Realität ist weiß und christlich-orthodox. Andere Ethnien und Religionen werden marginalisiert, diskriminiert und bevorzugt zur Ader gelassen. Im Kampf gegen Nazi-Deutschland sind weit mehr Ukrainer als Russen ums Leben gekommen. Und auch in diesem Krieg sind es vor allem die Baschkiren, Dagestaner, Tataren und Tschetschen, die das Sterben übernehmen dürfen.
Wir kennen den Narrativ von der Reconquista, der achthundertjährigen „Wiedereroberung Spaniens“ von den Muslimen/Mauren durch die Christen, ein Narrativ, der von Faschisten heute gerne aufgegriffen wird, sei es durch die Identitäre Bewegung, Victor Orban oder die rechte Konkurrenz des Rassemblement National, Reconquête.
Übersehen wird dabei, dass ein mehrhundertjähriger Kampf wohl kaum als legitime Rückeroberung bezeichnet werden kann und dass der Narrativ von den Christen auf der einen und den Muslimen auf der anderen Seite weder gesellschaftlich noch militärisch korrekt ist. Es kam durchaus vor, dass ein muslimischer Architekt in einer christlichen Stadt eine jüdische Synagoge baute.
Vielleicht stehe ich ja auf dem Schlauch, aber ist dieser Beitrag im richtigen Faden gelandet?
 
Streng genommen beweisen Beobachtungen wie die Goodalls nicht, dass der Mensch von Natur aus zu Gewalt und Tribalismus neigt; umgekehrt beweisen die Konfliktlösungsstrategien der Bonobos nicht das Gegenteil, zumal der Mensch (wenn auch geringfügig) näher mit Schimpansen als mit Bonobos verwandt ist und seine sozialen Organisationsformen denen des Schimpansen näherkommen.
Ich benutze die Bonobos nicht als Gegenmodell zu den Gemeinen Schimpansen, weil ich meine, dass ihr Verhalten dem der Menschen eher ähnele, sondern um zu zeigen, dass Menschenaffen ganz unterschiedliche verhaltensbiologische Muster zeigen.
 
Schon nach 1500 finden wir mit Ulrich von Hutten ein Person, die zwischen deutsch und nichtdeutsch unterscheidet.

Ja, aber hatte Ulrich von Hutten ein Modell, dass eine wirklich trennschafe Abgrenzung ermöglichte?

Die sprachliche Abgrenzung gegen "Welsche" war ja im Hinblick auf die relativ scharfen Sprachgrenzen zwischen dem deutschsprachigen und dem romanischen Sprachraum einigermaßen einfach hinzu bekommen, wie sieht es aber im Osten aus, wo sich die deutschen und die slawischen und auch das altprussische Sprachgebiet weitgehend überlappten, mit entsprechenden Folgen für den jeweiligen Wortschatz der entsprechenden Regionen?

Ein Bewohner Ostpreußens, der sich in seinem Alltagsleben womöglich eines Gemischs aus niederdeutschen, polnischen oder litauischen oder altprussischen Ausdrücken bediente um sich verständigen zu, wäre der in den Augen Ulrichs von Hutten ein Deutscher gewesen, ein "Wende" oder gar ein Balte?

Sprachlich setzte sich im Großteil der beiden Preußen im Verlauf der frühen Neuzeit die niederdeutschen Dialekte endgültig durch, gleichwohl war es Konsens, dass diese Gebiete nicht zum Reich gehörten und damit auch nicht unbedingt zum Raum einer werdenden deutschen Identität auf Basis und innerhalb dieses Reiches.

Die Niderlande gab es zur Zeit Ulrich von Huttens noch nicht, dass ist richtig, sehr wohl gab es aber Dänemark, dessen Sprache den niederdeutschen Dialekten ja durchaus nicht unverwandt ist.

Hätte Ulrich von Hutten mit Bestimmtheit den nordfriesischen Dialekt dem deutschen oder dem dänischen Zuordnen und somit entscheiden können, ob seine Sprecher nun Deutsche oder Dänen seien?
Ich denke nicht.

Ich will nicht bestreiten, dass in der frühen Neuzeit protonationale Ideen anfingen an Form zu gewinnen, aber dezidiert rassistische Modelle setzen für mich voraus, dass sie geeignet sind relativ scharfe grenzen zu ziehen, an denen Menschen gemessen und nach denen sie einer Gruppe zugeordnet werden. Außerdem müssten diese Grenzen schwer bis überhaupt nicht überwindbar sein, sonst würden sie das Kriterium einer wirklich dauerhaften Ausgrenzung nicht erfüllen
Und ich denke dass, konnten auch die Intellektuellen der frühen Neuzeit nicht unbedingt leisten.

Der Barbarenbegriff der griechischen Welt beweist schon, dass man Menschen in kultiviert und unkultiviert einsortierte.

Kultiviert und nicht kultiviert ist aber ein Abstellen auf Sitten und die sind relativ leicht veränderlich, taugen also kaum als dauerhafte, nicht überschreitbare Grenzen.

Da man dies an Menschen aus einer Region festmachte, die anders aussahen als man selbst, würde ich das schon als Rassismus betrachten.

Wie genau war denn das Aussehen des Normalgriechen, dass in ganz Griechenland, Thrakien, der kleinasiatischen Küste, den Ägäischen Inseln, Unteritalien, den Schwarzmeerkolonien und in den Kolonien im westlichen Mittelmeerraum Gültigkeit hatte und wie genau unterschied es sich von dem Aussehen der Bevölkerung in den direkt angrenzenden Regionen?
Wenn du mich fragst, viel zu schwammig, um da eine hinreichend trennscharfe Unterscheidung machen zu können.

Zumal man gerade den Griechen, angesichts, dass bereits Zugezogene aus anderen Stadtstaaten (so weit mir bekannt) einen minderen Rechtsstatus genossen, kaum ein inklusives Gesellschaftsmodell wird bescheinigen können, dass von der Einigkeit und Zusammengehörigkeit von allem, was irgendwie "griechisch" gewesen wäre ausgegangen wäre.

Noch weiter zurück zeigt die Ausbreitung der Jamnaja Kultur, dass Menschen zu furchtbaren Massaker fähig sind. Wenn die Weitervererbung männlichen Erbgutes ganzer Bevölkerungen abbricht, aber das Erbgut derer Frauen weiter vererbt wird, ist meines Erachtens vermutlich Rassismus im Spiel.

Würde ich ebenfalls nicht zustimmen. Ein Massaker an der männlichen Bevölkerung weist für mich darauf hin, dass da jemand einem besiegten Feind die Fähigkeit nehem wollte sich in absehbarer Zeit wieder zu erheben.
Das ist zweifelsohne verbrecherisch, aber kein Nachweis dafür, dass dieser Feind in irgendeiner Form rassistisch definiert worden wäre.

Im heutigen England dürfte nach Ankunft der Angelsachsen ebenfalls ein Völkermord passiert sein.

Reicht es um die vorausgesetzte "Verichtungsabsicht" für einen "Völkermord" zu erfüllen, wenn zwar ein Massenmord angestrebt und in Kauf genommen wird, dass die Opfer möglicherweise der gleichen Gruppe angehören, dies aber nicht entscheidend für die Motivation des Vorhabens ist?

Halte ich für diskutierbar, aber wenn dann wird man anerkennen müssen, das Völkermord und Rassismus nicht zwangsläufig etwas miteinander zu tun haben müssen.
Natürlich hat es in der Antike und im frühen Mittelalter diverse Ereignisse gegeben, bei denen die Bevölkerung von Ortschaften/Landstrichen ausgelöscht oder vertrieben wurde.
Nur wird es den Tätern in der Regel vollkommen egal gewesen sein, wer diese Menschen waren, oder zu welchen Gruppen sie möglicherweise gehörten, weil eigentliche Motivation in Beute/"Landnahme" etc. waren und es den Akteuren herzlich egal gewesen sein dürfte auf wessen Kosten sie da profitierten und wem sie das antaten, was sie verbrachen.

Wenn man das dennoch "Völkermord" nennen möchte, ist ein verwirklichter Völkermord in meinen Augen kein Nachweis für zwingendes Vorhandensein von Rassismus.
(Wäre auf Grund der Einbeezihung religiöser Gruppen in den Völkermordbegriff, die sich in der Regel nicht über unveränderliche Merkmale definieren, mMn ohnehin zu diskutieren).
 
Zuletzt bearbeitet:
Es bestehen durchaus kulturelle Unterschiede zwischen Ukrainern und Russen, dementsprechend versucht Moskau auch seit Jahrhunderten, die kulturelle Eigenständigkeit der Ukraine durch Gewalt, Verbote und Assimilation zu negieren.
Das traf nur auf die ukrainische Sprache zu, nicht aber auf sonstige Gewohnheiten und Sitten des Volkes. Diese unterscheiden sich zu ukrainischen, weißrussischen und russischen Gebieten nur marginal und sind wesentlich auf die unterschiedlichen geografischen Gegebenheiten zurückzuführen: Die Natur prägt die Menschen mehr als die Abstammung – siehe z.B. die 5 Alpenländer, die alle mehr oder minder ähnliche Kultur entwickelten, obwohl sie zum Teil unterschiedlichen Sprachgruppen angehören.

Außerdem können sich Kulturen wandeln – und das sehr schnell, dem Himmel sei Dank, andernfalls hätte Deutschland nicht nach Hitler binnen weniger Jahre den Weg zurück in die Zivilisation gefunden; und ich wage behaupten, ein deutlicher Wandel hat in der Ukraine in den letzten Jahren stattgefunden.
Kultur ist ein weiter Begriff – was Du meinst, ist wohl die politische Kultur, bei der in der Tat ein paar Jahrzehnte genügen, sich in die eine oder andere Richtung zu verändern. Und was die Ukraine betrifft, geschah diese Veränderung ohnehin nur oberflächlich, was man am besten an der unveränderten Korruption im Lande erkennt: In diesem Punkt steht Ukraine Russland und Belorussland im Nichts nach.

In der Ukraine herrscht ein größeres Maß an Redefreiheit als in Russland, die politischen Partizipationsmöglichkeiten sind größer, und ein großer Teil der Bevölkerung lebt(e) und arbeitet(e) zumindest zeitweise in westlichen Nachbarstaaten, um von dort neue Wünsche und Forderungen an den eigenen Staat zurückzubringen. Eine solche Durchmischung hat in Russland nicht stattgefunden.
Ja, das ist der Effekt der Wandlung durch Annäherung, was in Ukraine durch die Nähe an den Westen funktionierte und Belorussland auch auf dem Weg dahin war, wenn es Lukaschenko nicht durch russische Hilfe gelungen wäre, die Opposition im eigenen Land niederzuringen, die in dem Wandel in der Ukraine ein Beispiel für sich gesehen hatte. Ich glaube auch, dass dieser Konflikt in Belorussland wesentlich zum Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine beigetragen hat: Russland fürchtete die demokratische Entwicklung an seinen Grenzen, was, nach dem Beispiel Belorussland, auch auf Russland überspringen könnte. In diesem Punkt stimmen wir beide überein.

Gewalt und Ausgrenzung kommen bei hochentwickelten sozialen Tieren natürlich vor, demnach können Krieg und Rassismus nicht bloße Erfindungen der Menschheit (oder gar einer bestimmten menschlichen Kultur) sein.
Auch hier sind wir einer Meinung.

Der russische Staat führt diesen Krieg nicht zuletzt aus Xenophobie: die christliche "Russki Mir" gegen die gottlosen "Angelsachsen" und ihre Vasallen.
Nein, das ist nicht Xenophobie, sondern der Neid auf den erfolgreichen Westen. Seit Peter dem Großen versucht Russland Anschluss an den Westen zu finden, aber es scheitert daran seit Jahrhunderten. Diese Selbsterkenntnis führt dazu, dass auch den Brüdernationen (Belorussland, Ukraine) ein besseres Leben nicht zugestanden wird, weil dieses ein ständiges „Ärgernis“ vor der eigenen Tür wäre – das Volk würde sich fragen: Warum können die das und wir nicht?

Aber die „Angelsachsen und ihre Vasallen“ sind weit weg und dazwischen gibt es noch Sprachbarrieren, die ein besseres Verständnis des Lebens in diesen Ländern erschweren. So lernt das russische Volk, dass sich zu mehr als 70 % durch das staatliche Fernsehen informiert, nur eine einseitig ausgewählte und verzerrte Sicht der Dinge, zumal auch die russisch-orthodoxe Kirche ins gleiche Horn bläst.

Im Kampf gegen Nazi-Deutschland sind weit mehr Ukrainer als Russen ums Leben gekommen.
Das lag auch daran, dass dieser Kampf mehr in der Ukraine stattfand als im Russland selbst.
 
Die Niderlande gab es zur Zeit Ulrich von Huttens noch nicht, dass ist richtig, sehr wohl gab es aber Dänemark, dessen Sprache den niederdeutschen Dialekten ja durchaus nicht unverwandt ist.

Dem ist nicht so. Das Niederdeutsche gehört zu den westgermanischen Sprachen bzw. Dialekten, genauso wie das Hochdeutsche, das Niederländische und das Englische. Das Dänische gehört dagegen zu den nordgermanischen Sprachen. Diese unterscheiden sich doch erheblich von westgermanischen Sprachen. Es gibt und gab auch historisch in Schleswig kein Dialektkontinuum, sondern eher eine Zone, in der sich die Sprachen überlappten und ein Teil der Einwohner Deutsch sprach und ein anderer Dänisch und viele auch zweisprachig waren.

Gewisse Ähnlichkeiten zwischen Niederdeutsch und Dänisch ergeben sich nur dadurch, das beide natürlich die Hochdeutsche Lautverschiebung nicht mitgemacht haben und dass es im Dänischen einen relativ großen Anteil an Niederdeutschen, aber z. T. auch hochdeutschen Lehnwörtern gibt. Das ändert nicht daran, dass Niederdeutsch und Dänisch weiter voneinander entfernt sind als Niederdeutsch und Hochdeutsch.

Die mehr oder weniger harte Sprachgrenze hat eventuell auch damit zu tun, dass die eigentliche Heimat der Dänen ja vor allem im heutigen Schweden und z. T. auf den Inseln lag. Nach Jütland sind sie erst eingewandert, als sich die west- und nordgermanischen Dialekte bereits deutlich unterschieden.

Hätte Ulrich von Hutten mit Bestimmtheit den nordfriesischen Dialekt dem deutschen oder dem dänischen Zuordnen und somit entscheiden können, ob seine Sprecher nun Deutsche oder Dänen seien?
Ich denke nicht.

Friesisch ist eine eigene Sprache, kein deutscher oder dänischer Dialekt, die selbst mehrere Dialekte aufweist, daher war ein Sprecher eines nordfriesischen Dialektes weder Deutscher noch Däne, sondern eben Friese.

Das Friesische ist aber ebenso wie das Deutsche und Niederländische eine westgermanische Sprache.

Mit einem Sprecher eines nordfriesischen Dialekts oder einem Sprecher des Niederdeutschen hätte von Hutten sich wahrscheinlich mit einigen Schwierigkeiten verständigen können, mit einem Sprecher des Dänischen eher nicht (ohne jeweilige Kenntnisse der Sprache bzw. Dialekts des jeweils anderen) .

Bei Wikipedia gibt es eine Liste friesischer Wörter mit unterschiedlichen Dialekten, die diese Wörter auch auf Holländisch, Niederdeutsch, Hochdeutsch und Dänisch auflistet. Da bekommt man einen gewissen Eindruck davon, wie sich der Wortschatz jeweils ähnelt oder unterscheidet:

Liste friesischer Wörter – Wikipedia
 
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