Anti-Desertations-Eid vor der Schlacht von Monte Cassino?

Bellissima

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In Monte Cassino mussten Soldaten unterschrieben, nicht zu desertieren, da andernfalls Repressalien gegenüber den Familienmitgliedern drohten. Der Historiker weiß davon nichts und zieht es daher in Zweifel. Wem soll man eher glauben? [...] Viele Dinge wurden an der Front unter der Hand geregelt, um Bürokratie zu vermeiden. Wie will ein Historiker hier objektiv urteilen, wenn er sich ausschließlich auf Dokumente beruft?
 
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. In Monte Cassino mussten Soldaten unterschrieben, nicht zu desertieren, da andernfalls Repressalien gegenüber den Familienmitgliedern drohten.
Woher weißt du das so genau?

Der alter Herr, den ich kannte, der leider vor 4 Jahren verstorben ist, war in Monte Cassino und hat nichts unterschreiben müssen. (Fallschirmjäger)
 
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In Monte Cassino mussten Soldaten unterschreiben, nicht zu desertieren, da andernfalls Repressalien gegenüber den Familienmitgliedern drohten. Der Historiker weiß davon nichts und zieht es daher in Zweifel. Wem soll man eher glauben?
Der Historiker würde das zunächst in Zweifel ziehen, weil dass kein übliches Prozedere war, er könnte sich aber durchaus mal anschauen, welche Kader in dem Gebiet eingesetzt waren.
Denn ein Prozedere, das bei den normalen regulären Verbänden der Wehrmacht nicht üblich war, könnte natürlich durchaus bei Einheiten der Waffen-SS eingesetzt worden sein und/oder im Besonderen dann, wenn nicht im engeren Sinne deutsche Kader unter die deutschen Fahnen gepresst wurden, denen man eine erhöhte Neigung unterstellen konnte, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu desertieren.

Bei Monte Cassino kämpften, wenn ich recht informiert bin, auch neu unter deutscher Führung aufgestellte italienische Verbände die offiziell zum deutschen Marionettenregime der RSI gehörten und an deren Loyalität natürlich Zweifel sein konnte, weil die Deutschen de facto ihr Land besetzt hatten und man auch unterstellen konnte, dass diese italienischen Kader, wenn sie sich freiwillig gemeldet hatten, dies vor allem getan haben könnten, um Deportation und Zwangsarbeit in Deutschland zu entgehen und entsprechend bei erster Gelegenheit zu den Alliierten und ihren Landsleuten auf der anderen Seite überlaufen würden.

So gesehen, ist es vollkommen plausibel, dass entsprechendes von Teilen der beteiligten Soldaten verlangt worden sein könnte, aber nicht von allen und dass man das in den Berichten der deutschen Kader, auf die sich die meisten deutschen Historiker zunächst gestützt haben werden, eben eher nicht fand, oder nur vereinzelt fand, in den Berichten der italienischen Veteranen aber ggf. in wesentlich größerem Maße.

Der Historiker würde, selbst wenn er das nicht von sich aus nicht findet, sehr gute Gründe haben, dass trotzdem jedenfalls für plausibel zu halten und sich auch dementsprechend zu äußern, dahingehend eben dass es Hinweise gibt, dass es durchaus so gewesen sein könnte, aber eben keine letztendlichen Beweise.
 
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@Mittelalterlager Mein Großvater war Fallschirmjäger. Von wem der Befehl ausging, weiß ich nicht. Ich kenne die Strukturen in der Luftwaffe nicht, denke aber, dass in diesen Einheiten vieles informell erledigt wurde. Das waren Truppenbestandteile an vorderster Front, die sich mit Bürokratie nur bedingt beschäftigen konnten. Man hat einfach provisorische Maßnahmen ergriffen. Der Historiker wird sehr vieles nicht mehr rekonstruieren oder z.T. sogar zu falschen Schlüssen kommen müssen, z.B. wenn Informationen und Zahlen gefälscht bzw. verfälscht wurden.

Jede Zunft deckt sich zunächst einmal selbst, das ist bei Soldaten, Theologen, Juristen, Ärzten nicht anders als bei Historikern. Die viel gepriesene Objektivität der eigenen Zunft sollten auch Geisteswissenschaftler ruhig kritisch sehen.
 
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Woher weißt du das so genau?

Der alter Herr, den ich kannte, der leider vor 4 Jahren verstorben ist, war in Monte Cassino und hat nichts unterschreiben müssen. (Fallschirmjäger)
Das ist ein gutes Beispiel für die von ElQuijote genannte Schwierigkeiten, die sich aus Zeitzeugenaussagen ergeben können. Man darf wohl davon ausgehen, dass weder Belissimas noch dein Gewährsmann hier bewusst logen. Möglich wäre also, dass einer der beiden sich irrte, oder natürlich, dass nur einzelne Offiziere ihren Männern so etwas abverlangten. Man könnte jetzt prüfen, ob ähnliche Eide auch in anderen Situationen abgelegt oder eingefordert wurden und ob es vielleicht sogar zeitgenössische Quellen darüber gibt. Wenn ein Soldat beispielsweise ins Tagebuch geschrieben hätte, "Heute musste das ganze Regiment antreten und beeiden, dass keiner von uns in der kommenden Schlacht desertieren wird" wäre das ein starkes Indiz.

Da sind wir dann auch wieder bei Geschichte als "Literaturwissenschaft": Eine zeitgenössische Schilderung besonderer Sachverhalte überdauert die Zeit vielleicht eher unverändert als die persönliche Erinnerung von Menschen, die in den 40 oder 50 seither vergangenen Jahren neue Erfahrungen machten und andere Informationen erhielten und diese dann vielleicht unbewusst in ihre eigenen Erinnerungen einbauten.
 
Wobei, mich irritiert hier im Zusammenhang mit dem Eid dass Wort "desertieren", egal in welcher Situation, das war so oder so fast "tödlich".
Ich halte so eine Erklärung bei aktiven Soldaten einer "Eliteeinheit" für ungewöhnlich/unüblich. (d.h. nicht, da sowas unmöglich war/wäre!)
 
Da wären die genauen Umstände interessant. Das es sowas in einer kleinen Gruppe gegeben hat kann ich mir vorstellen, inoffiziell unter der Hand.

Aber das man das von offizieller Stelle gemacht hat - und das wäre ja nötig um im größeren Maßstab die Repressalien durch die Adressen und Namen der Soldaten durchsetzen zu können - nee das glaube ich weniger.

Mein Großvater war am Monte Cassino soweit ich weiß. Division Hermann Göring (leichte Panzer oder Fallschirm-Panzer - die wurde laufend umbenannt) und ursprünglich noch für Afrika vorgesehen was aber dann schon verloren war. Er ist aber auch schon verstorben.

ich muss mal die Bilder durchgucken, vielleicht bringe ich auch was durcheinander. Ich meine nicht das er das Luftwaffenabzeichen auf der Panzeruniform hatte, was er haben müsste wenn er zur Hermann Göring gehört hätte.
Auch war er bis Kriegsende dabei aber nicht an der Ostfront, wohin die Division danach verlegt wurde.
 
Ich meine, dass es eine inoffizielle Maßnahme war. Die Schlacht um Monte Cassino war ein hartes Ringen in einem unzugänglichen Gebiet. Fluchtmöglichkeiten gab es definitiv. Wenn ich mich recht erinnere, ist Großvater auch einmal aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft ausgebüchst, in den Norden geflohen und bei Beschuss über den Po und danach über die Etsch geschwommen. Er sah sehr südländisch aus, was ihm die Flucht sicherlich erleichterte. Von einem Südtiroler verraten, kam er dann wieder in Kriegsgefangenschaft, wo er unter dem Kommando einer wenig freundlichen Lagerleitung auf 35 Kilo abmagerte, um dann relativ rasch entlassen zu werden. Das Lager befand sich, glaube ich, in Modena. Kann aber auch eine andere Stadt gewesen sein. Um das alles zu kontrollieren, müsste ich sämtliche Feldpostbriefe lesen. Glück im Unglück: Das Haus in der Heimat blieb verschont. Damit hatte er nicht gerechnet. Nur irgendeine Brandbombe hatte sich im Dachstuhl verirrt. Theoretisch hätte er vorher die Möglichkeit gehabt, in Rocca di Papa unterzutauchen. Hat er aber wegen der Familie in der Heimat nicht gemacht und wegen des Betriebes.
 
Von einen „Anti-Desertations-Eid“ habe ich auch noch nichts gehört.

Wiki schreibt in diesem Zusammenhang etwas in den Artikel zur Kriegssonderstrafrechtsverordnung (KSSVO) →
Kriegssonderstrafrechtsverordnung – Wikipedia
Und wer sich dafür interessiert, sollte auch diesen Artikel bei Wiki lesen
-> Fahnenflucht – Wikipedia

Entweder habe ich es überlesen, aber von einen solchen Eid, wie den hier genannten, lese ich nichts.

Monte Cassino war ja auch so eine recht gewaltige Schlacht des II. WK.
Entferung Cassino - Rom rund 138 km.
Am Nachmittag des 17. Januar 1944 begannen die Kämpfe um den strategisch wichtigen Ort Cassino. Die Kämpfe dauerten von 17.01.1944 – 18.05.1944.
Soldaten aus 25 Ländern waren daran beteiligt. Vier Schlachten und die Bombardierung des Klosters forderten circa 77.000 Menschenleben.
Die Alliierten traten mit 240.000 Soldaten an und setzten zum Sturm auf die „Gustav-Linie“ an.
Es war ein multinationals Heer bestehend aus: Amerikanern, Briten, Kanadiern, Neuseeländern, Polen und Franzosen auch Kolonialsoldaten aus Indien, Marokko und Algerien.
Die Hitlertruppen hatten dagegen 10 Armeen mit ca. 140.000 Soldaten.
 
Ich meine, dass es eine inoffizielle Maßnahme war. Die Schlacht um Monte Cassino war ein hartes Ringen in einem unzugänglichen Gebiet. Fluchtmöglichkeiten gab es definitiv.
Fluchtmöglichkeiten gab es in prinzipiell fast immer in irgendeiner form.
Wie gesagt, das Abnehmen eines solchen Eids konnte Sinn ergeben, wenn man Kader dabei hatte, deren Loyalität man sich nicht sicher war und würde durchaus Sinn gemacht haben, wenn wiederbewaffnete Italiener unter den Truppen waren, die sich freiwillig gemeldet hatten um der "Internierung" zu entkommen.
Denen konnte man natürlich zutrauen zu versuchen zur anderen Seite überzulaufen und wenig Interesse daran zu haben auf die eigenen Landsleute auf der anderen Seite zu schießen.

Wenn dein Großvater in einem Truppenverband war, zu dem auch wiederbewaffnete italienische Kader gehörten, dann ist es möglicherweise durchaus nicht unplausibel, wenn von einer solchen Maßnahme berichtet wird.

Eine andere Möglichkeit, die einen Anti-Desertions-Eid plausibel machen könnte, wäre, wenn bei den Deutschen Truppen Kader eingegliedert worden waren, die zuvor wegen irgendwelcher Vergehen oder ihren politischen Ansichten in Straf-/Bewährungseinheiten untergebracht waren, oder wenn eine solche Einheit geschlossen dort eingesetzt worden wäre. (müsste man ggf. mal recherchieren).

Auch hier war das Potential für Desertionen natürlich grundsätzlich gegeben.
So scheint es etwa im Frühjahr 1943 bei in Griechenland eingesetzten Teilverbänden der "Strafdivision 999" zu massenhafter Desertion gekommen zu sein:

"Die Divisionskommandeure der Afrika-Brigade 999 waren der Meinung, „daß die ehemaligen Wehrunwürdigen sich […] hervorragend geschlagen haben.“[33] Diese Sichtweise änderte sich, als sich im weiteren Verlaufe des Krieges herausstellte, dass insbesondere die „politischen“ 999er als unzuverlässig angesehen werden mussten. Die 3. Abteilung der 999 kam im Februar 1943 in Griechenland zur Partisanenbekämpfung zum Einsatz, was insbesondere die Politischen zu Massendesertationen nutzten. Die Abteilung wurde deshalb am 18. Juni 1943 zur Sicherung der Insel nach Rhodos verlegt, wo sie am 9. Mai 1945 geschlossen in britische Kriegsgefangenschaft ging."

Sollten bei Monte Cassiono in größerem Stil Leute dabei gewesen sein, die man in irgendeiner Form aus einer Haftanstalt (welcher Art auch immer), oder einer der Straf/Bewährungsformationen zur Frontbewegung geschickt worden waren, könnten die Erfahrungen aus Griechenland bei den Kommandeuren zu der Überzeugung geführt haben, auf diese ein ganz besonderes Auge zu haben und ihnen in besonderem Maß Loyalität einschärfen zu müssen.
 
Das ist mir alles zu theoretisch. Deutschland hat im WKII ca. 30.000 Todesurteile wegen Wehrkraftzersetzung und Fahenflucht verhängt, von denen ca. 20.0000 umgesetzt wurden (die letzten von deutschen Soldaten Bruno Dorfer und Rainer Beck unter kanadischer Beachung am 13. Mai 1945!), die meisten davon ab 1943, man vergleiche das mit den Amerikanern: die hatten ca. 2500 Deserteure von denen einige auch zm Tode verurteilt wurden, aber nur ein einziges Todesurteil wurde im WKII an einem amerikanischen Soldaten (Eddie Slovik) wegen Desertion vollstreckt. Was sollte da ein Eid? Wer sich von den hohen Vollstreckungen von standrechtlichen Erschießungen nicht hindern ließ, zu desertieren, der hat sich doch nicht von einem Eid oder einer Unterschrift aufhalten lassen.
 
Wer sich von den hohen Vollstreckungen von standrechtlichen Erschießungen nicht hindern ließ, zu desertieren, der hat sich doch nicht von einem Eid oder einer Unterschrift aufhalten lassen.
Aber vielleicht von einer Drohung gegen die Familie. Sippenhaft wär ja nun nichts neues im NS, ob sie auch gegen Deserteure exekutiert wurde weiß ich aber nicht.
 
Aber vielleicht von einer Drohung gegen die Familie. Sippenhaft wär ja nun nichts neues im NS
Zumal, wenn man unterstellt, dass da wiederbewaffnete italienische Kader unter den Truppen waren, die bisher nicht im NS-System gelebt und mit der deutschen Praxis, was das angeht nicht vertraut waren.
Aus Deutschland kommenden Kadern musste man vielleicht nicht explizit mit Sippenhaft drohen, weil die wahrscheinlich wussten, dass sowas vorkam oder vorkommen konnte.

Ich weiß allerdings nicht, ob es solche Praktiken auch unter dem Mussolini-Regime vor 1943 gegeben hatte und wenn ja wie ausgeprägt das war.
Sollte das in Italien bis dahin eher unüblich gewesen sein, könnte es natürlich sein, dass die deutschen Offiziere es für angezeigt hielten wiederbewaffnete italienische Kader explizit darauf hinzuweisen.
 
Das ist doch eine Kopfgeburt! Bellissima hat davon geschrieben, dass nach Aussage ihres Großvaters "Soldaten" bei Monte Cassino hätten unterschreiben müssen, nicht zu desertieren. Von Italienern ist in keinem ihrer Beiträge die Rede. Damit bist du gekommen, shinigami. Und aus einer puren Mutmaßung, um aus dieser vagen, unplausiblen, vielleicht falsch verstandenen oder erinnerten Geschichte irgendetwas zu machen. Jetzt wird beiträgelang über irgendwelche Italiener gemutmaßt, von denen aber Bellissima nie gesprochen hat. So entstehen Faktoide.
 
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Von Italienern ist in keinem ihrer Beiträge die Rede. Damit bist du gekommen, shinigami.
Das ist mir durchaus bewusst.

Und aus einer puren Mutmaßung, um aus dieser vagen, unplausiblen, vielleicht falsch verstandenen oder erinnerten Geschichte irgendetwas zu machen. Und jetzt wird beiträgelang über irgendwelche Italiener gemutmaßt, von denen aber Bellissima nie gesprochen hat. So entstehen Faktoide.
Moment, Moment, Moment.

ich habe das nirgendwo als Fakt behandelt oder darsgestellt, nur als mir grundsätzlich plausibel erscheinende Möglichkeit (neben anderen Möglichkeiten).
Dabei ging es mir von Anfang an nicht darum, aus der Geschichte irgendwas zu machen, was möglicherweise nie gewesen ist.

Mir ging es darum das @Bellissima in ihrer Beschreibung dessen, wie der Historiker auf solche Zeitzeugenberichte idealtypisch reagiert, ein Bisschen zu kurz gedacht ist, oder jedenfalls zu kurz gedacht sein sollte.

Natürlich muss der Historiker, wenn etwas in den Quellen, die er gesichtet hat so nicht vorkommt, dies darlegen und gegebenenfalls einem Zeitzeugen, der bestimmte Dinge erzählt widersprechen.
Der Historiker der seine Sache gewissenhaft macht, müsste sich aber auch die Frage stellen, ob er Dinge aus seinen Quellen nicht kennt, weil sie nicht vorhanden sind, oder ob er vielleicht in der falschen Ecke gesucht hat.
D.H. er müsste sich überlegen, ob es möglicherweise Sonderfälle außerhalb seines durchgearbeiteten Quellenbestands geben könnte, er müsste sich überlegen, wo die liegen könnten und dann den Zeitzeugen mal gezielt danach befragen, ob gegebenenfalls gesonderte Umstände vorgelegenhaben könnten, die dem Zeitzeugen selbst vielleicht nie als solche aufgefallen sind oder die in seinen Erzählungen nicht hinreichend verständlich als solche benannt wurden und sich, falls das der Fall sein sollte, vielleicht nochmal andere Quellen ansehen.

Darum ging es eigentlich.


Das die Soldaten unterschreiben mussten, nicht am Monte Cassino zu reservieren, halte ich in der Tat auch für unplausibel, dass war sicherlich kein besonders attraktives Urlaubsziel und in die erste Reihe des Geschehens wollte da sicherlich auch niemand freiwillig ;)
 
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@Shingiami Völlig richtig. Justiz war im 3. Reich in Wirklichkeit reine Willkür, auch im so genannten Zivilleben. Turmspringen für Nichtschwimmer während der Fallschirmausbildung musste schon drin sein und wenn einer dabei krepierte, wurde es als Unfall deklariert. Aus den Papieren wird man nicht herauslesen, dass der Ausbilder ein Sadist war, der seine Jungs auf Olympianiveau trimmen wollte. Entscheidend dürfte doch nicht gewesen sein, dass ein rechtliches Verfahren korrekt eingehalten wurde, sondern dass der Befehl von oben wirkungsvoll ausgeführt wurde. Der "Führer" wollte Elitesoldaten. Koste es was es wolle. Darum kein Gerichtsprozess.

General Kesselring wollte Disziplin in der Truppe. Wirkungsvolle Maßnahme: Drohung mit Sippenhaft. Dienstvorschriften? Makulatur. Ein wirklich geregeltes Gerichtsverfahren ist in einem solchen System nicht zu erwarten. Das ergibt sich schon aus der Doppelstruktur des dritten Reiches, die ja eigentlich keine Rechtssicherheit zuließ.
Mal zählte das Urteil regulärer Gerichte, mal der reguläre Dienstweg, mal der irreguläre Dienstweg, mal der Führerbefehl, mal die Partei, mal das Militär, manchmal sogar eine individuelle Entscheidung vor Ort. Äußerte sich ein Parteimitglied kritisch, kam das vor das Parteigericht. Wünschte der Gauleiter die Abordnung der Person zu einem Strafbattallion, konnte dies unterbunden werden, in dem der Nazibürgermeister vor Ort intervenierte und darauf hinwies, dass die Person für einen Rüstungsbetrieb relevant sei. Folge: Das Parteimitglied wurde verwarnt und musste eine Geldstrafe zahlen. Der Staat konnte gegen seine eigenen Prinzipien verstoßen, wenn es dem Führerwillen entsprach. Negative Toleranz. Auch die Einhaltung des vom dritten Reich vorgeschriebenen Rechtsweges zum "Verbrechen" werden, wenn es den Machthabern nicht ins Konzept passte.

Das dritte Reich war ein Rechtsstaat und Unrechtsstaat in Personalunion. Wurde die juristische Unschuld einer Person einwandfrei fesgestellt, konnte aus heiterem Himmel der Befehl kommen, die Person hinzurichten. Die ermittelnde/urteilende Person hatte dann mit "Anschiss" oder Schlimmerem zu rechnen. Der schöne Schein des geregelten Rechts darf nicht täuschen. Die ständige Rechtsunsicherheit wirkte an sich schon wie eine Drohung, so dass gerade inoffizielle Drohungen ernst genommen wurden. Ich kann mir auch schwer vorstellen, dass eine ausgesprochene Elitetruppe wie die Fallschirmjäger - man ja dazu ausgebildet hinter der feindlichen Front zu agieren - für offiziellen Papierkram viel übrig hatte. Es ging mehr um die Geste als um die korrekte Einhaltung eines Verwaltungsweges. Wen interessiert der reguläre Administrationsweg schon, wenn tausende fallen? Ein wirklicher Desertationsgrund dürften die sehr hohen Verlustquoten gewesen sein. Jeder Kontrollgang war praktisch ein Todesurteil. Ich nehme an, dass die Miltärjustiz einfach improvisiert hat.

Historiker müssen die Hintergrundverhältnisse kennen, damit sie die Quellen richtig bewerten können.
 
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Die Militärjustiz, die für "Dienstvergehen" zuständig war, hat sich recht lange ihre Unabhängigkeit von SS, SD und Gestapo erhalten. Wollten die intervenieren, so gab es nur von höchster Stelle eine Möglichkeit Einfluß zu nehmen. Niedere und mittlere Dienststellen der drei genannten "Institutionen" hatten hier kaum Zugriffsmöglichkeiten.
 
Das ist mir alles zu theoretisch. Deutschland hat im WKII ca. 30.000 Todesurteile wegen Wehrkraftzersetzung und Fahenflucht verhängt, von denen ca. 20.0000 umgesetzt wurden (die letzten von deutschen Soldaten Bruno Dorfer und Rainer Beck unter kanadischer Beachung am 13. Mai 1945!), die meisten davon ab 1943, man vergleiche das mit den Amerikanern: die hatten ca. 2500 Deserteure von denen einige auch zm Tode verurteilt wurden, aber nur ein einziges Todesurteil wurde im WKII an einem amerikanischen Soldaten (Eddie Slovik) wegen Desertion vollstreckt. Was sollte da ein Eid? Wer sich von den hohen Vollstreckungen von standrechtlichen Erschießungen nicht hindern ließ, zu desertieren, der hat sich doch nicht von einem Eid oder einer Unterschrift aufhalten lassen.

Sehe ich genauso! Die Militärjustiz in der Wehrmacht war gnadenlos, und die deutsche Militärjustiz hat mehr als zehnmal so viele Soldaten zum Tode verurteilt als alle (westlichen) Alliierten zusammen. Lothar Günther Buchheim betonte U-Bootfahrer hätten vor sich den Feind (und The gruel Sea) und hinter sich die Militärjustiz gehabt. Es gab U-Boot Kommandanten, die von ihren eigenen Offizieren der Feigheit vor dem feind bezichtigt wurden, wenn sie nicht genug "Halsschmerzen" hatten, wenn sie allzu riskante Angriffe unterließen.

Was sollte denn auch überhaupt eine solche Verpflichtung für einen Sinn haben? Nicht zu desertieren, dazu verpflichtet sich jeder Soldat automatisch durch seinen Fahneneid. Eine Armee die es nötig hat, Desertionen per Unterschriftenaktion verhindern zu wollen, die macht sich ja total lächerlich.

Eine Unterschriftenaktion zu veranstalten- das wäre eine Vorgehensweise, die man von einer Verteidigungsministerin wie von der Leyen erwarten könnte.

Aber mal ganz ehrlich, allein ein solches Szenario sich vorzustellen ist grotesk, wenn man sich vergegenwärtigt wie so etwas in der Wehrmacht oder in der Roten Armee erledigt worden wäre.

Statt mit einer Unterschriftenaktion, die Landser zu überreden, doch bitte, bitte nicht zu desertieren, da postiert man ein paar "Kettenhunde", installiert Standgerichte im Hinterland, die jeden Soldaten der sich unerlaubt von der Truppe entfernt aufhängen. Kriegsgerichtsverfahren, Sippenhaft, Strafbataillon das war viel effektiver als eine Unterschriftenaktion.

In der Roten Armee wurden NKWD Divisionen im Hinterland aufgestellt, da kam es sogar vor, dass Soldaten mit MG-Feuer in den Kampf und in die HKL getrieben wurden.

Allein, sich ein solches Szenario vorzustellen ist völlig unrealistisch und verkennt völlig den Charakter von diktatorischen Staaten wie Nazi-Deutschland oder der SU, die mit purem Terror ihre Soldaten in den Kampf zwangen.

In seiner Posener Rede lobt Heinrich Himmler die russischen Kommissare. Diese allein hätten mit Terror die Soldaten der Roten Armee in die Front gezwungen und den Zusammenbruch der Roten Armee verhindert. Auch wenn Himmler die Umsetzung solcher Terrormethoden in seiner SS nicht haben wollte, hat man durchaus ähnliche Methoden auch auf deutscher Seite angewendet. Mit den NSFO (Nationalsozialistische Führungsoffiziere) wurde ab 1943/44 ein Pendant zu den Kommissaren eingeführt.

Noch einmal: Die deutsche Militärjustiz war knallhart, und Unterschriftenaktion das entsprach so gar nicht der Vorgehensweise in der Wehrmacht oder in der Roten Armee, und wenn man von realen Praktiken und Scheußlichkeiten weiß und mit welchen Methoden Desertionen im 2. Weltkrieg unterbunden wurden, man kann da an die "Karpat(h)entaktik" an NKWD-Divisionen, Strafeinheiten, "Bewährungs-Bataillone" denken, da wirkt die Vorstellung, mit Unterschriftenaktionen an die Truppe zu appellieren, um Desertionen zu verhindern fast schon grotesk angesichts der tatsächlichen Maßregeln im 2. Weltkrieg- so etwas entsprach überhaupt nicht dem Charakter von Regimen wie NS-Deutschland und der SU.
 
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