Anti-islamische obzöne Skulpturen an roman. Kirchen als Bildpropaganda f. d. Massen?

Hans Peter Duerr, Der Mythos vom Zivilisationsprozeß Band 3, Obszönität und Gewalt, 2. Auflage Frankfurt/Main 1995, S. 82-90 (Die Vulva als Schreckmittel)
Danke für den Hinweis – da konnte ich gezielt suchen und: finden. :)

Für die genannte Feinde-Abschreck-Technik ist die Beleglage allerdings etwas dünn, sie scheint auch nur zu wirken, wenn sich eine Armee von Frauen einem einzelnen Kämpfer in den Weg stellt:
Das stimmt nicht ganz, denn in dem Abschnitt steht noch mehr – Zitat aus dem oben erwähnten Buch:

Wird hier Cú Chulain von einer Vielzahl von Frauen außer Gefecht gesetzt, so schwinden in derselben Saga den Kriegern beim Anblick der halbentblößten Königin Medb zwei Drittel ihrer Kraft.
(…)
Man vermutet, dass die mittelalterliche Sheila-na-gigs, die an den Kirchen ihre Schamlippen auseinanderziehen, um die Dämonen zu verscheuchen, auf Gestalten wie die Medb zurückgehen, aber auch auf hexenartigen Wesen wie jene Frau im Togail Bruidne Da Derg, einer wohl im 8. Jahrhundert niedergeschriebene Saga, die ihre grauenhafte Vulva mit bis zu Knien herabhängenden Schamlippen vor dem legendären König Conaire Mor entblößte.
(…)
An die Episode von Cú Chulain erinnert wiederum eine Geschichte, die Plutarch überliefert und von der er sagt, sie klinge wie ein Mythos, doch spreche vieles für ihre Wahrheit.
(…)
„Die Männer flehten Bellerophon an, ihm Einhalt zu gebieten, doch als sie sich ihm gegenüber keine Geltung verschaffen konnten, traten die Frauen, ihre Gewänder hochraffend, ihm entgegen; und als er sich, vor Scham, wieder zum Meer zurückzog, ging die Woge, so heißt es, ebenfalls zurück.“ *
(…)
… gilt es als wahrscheinlich, dass die griechischen Krieger auf ihren Schildern Abbildungen der Vulva oder zumindest Vulvasymbole trugen, um den Feind zu verwirren und zu beschämen.
(…)
Vor allem die Chinesen haben die weiblichen Genitalien in kriegerischen Auseinandersetzungen immer wieder als Waffe eingesetzt.


* in der Anmerkung dazu schreibt Duerr – Zitat: Wenn früher in Friesland eine Strumflut drohte, gingen die Frauen ans Meeresufer und hoben die Röcke, (Cf. I. Eibl-Eibesfeldt, 1991, S. 280).

Das ist jedoch nur eine von mehreren ähnlichen Episoden, über die u.a H. F. Feilberg, R. M. Packard, Plinius (Naturgeschichte), L. Accati und W. -E. Peuckert berichteten.

das verstauen oder entsorgen dieser unsäglich sexistischen Vorväter-Mären im Giftschrank, statt sie als Mythologie, Quelle und Heldenepik zu beweihräuchern, wäre ein heutzutage dringend gebotener quasi-Ikonoklasmus
Alles in diesem Buch von Hans Peter Duerr ist mit Belegen unterfüttert – von insgesamt 742 Seiten entfallen 280 Seiten auf Anmerkungen und Bibliographie.
 
Danke für den Hinweis – da konnte ich gezielt suchen und: finden. :)

Die Ausbeute ist genauso dünn wie bei meiner Suche nach den vielen Sagen, wie Frauen durch das Zeigen der Vulva Feinde in die Flucht schlagen. Außer dem Ulster-Zyklus haben wir nur noch die Geschichte, die Plutarch überliefert. Und auch hier ist bedarf es einer ganzen Schar von Lykierinnen, die einem einzelnen Helden (der immerhin einen Tsunami im Schlepptau hat) entgegeneilt.

Vor allem die Chinesen ...
... bieten keine Beispiele, wie man ein Heer in die Flucht schlägt, sondern vor allem Beispiele für den Aberglauben, wonach die Anwesenheit nackter Frauen Geschütze unbrauchbar machen soll.

Wobei man in Ostasien am ehesten mit einer "Schockwirkung" hätte rechnen können: "Ja, als im 17. Jahrhundert die Jesuiten Heiligenbilder verteilten, auf denen die Leiber der Gottesfürchtigen in traditionelle Gewänder gehüllt waren, war die Bevölkerung darüber schockiert, wieviel nacktes Fleisch zu sehen war."
 
Oder im mittlerweile christlichen Irland des 8. Jahrhunderts wurde eine ältere Schilderung kämpfender Frauen oder von einer Frau als Heerführerin in eine Karikatur überführt.

Wieso das zum Islam gehört, verstehe ich auch nicht.
 
Wieso das zum Islam gehört, verstehe ich auch nicht.
Die älteren Darstellungen sind nicht die irischen und schottischen Sheela na Gig (ein modernes Kunstwort für die irischen und schottischen Darstellungen nackter Frauen an Außenseiten von Kirchen), sondern die weiblichen und männlichen Figuren an den Kirchen des Pyrenäenraums. Der Bezug zum Islam - eine These, der man nicht folgen muss - wäre der, dass mit den pornographischen Darstellungen an Außenseiten von Kirchen Muslime geschmäht werden sollten. Ich halte diese These für ebensowenig tragfähig, wie das Motiv der Abschreckung.
 
Es ist zumindest so, dass die Darstellungen aus dem Pyrenäenraum die älteren sind und die Behauptung, dass die irischen/schottischen Sheela na Gig Spolien seien, sich offenbar nicht anhand von nicht in Kirchen eingebauten Darstellungen belegen lassen. Der Unterschied besteht darin, dass im Pyrenäenraum Darstellungen beiderlei Geschlechts auftauchen, wohingegen die Sheela na Gig ausschließlich weiblich sind.
 
Also ist kein Zusammenhang belegt.

Reicht das Vorkommen in den Pyrenäen zumindest bis in Gebiete, in die in der Spätantike Migration aus Britannien erfolgte?
 
Das Gebiet, in das Migration aus Britannien bekannt ist, ist das Bistum Brittonia/Mondoñedo. Aber auch umgekehrt findet sich angeblich Migration, Nennius:

Novissime autem Scotti venerunt a partibus Hispaniae ad Hiberniam. primus autem venit Partholomus cum mille hominibus de viris et mulieribus et creverunt usque ad quattuor milia hominum et venit mortalitas super eos et in una septimana omnes perierunt et non remansit ex illis etiam unus. secundus venit ad Hiberniam Nimeth filius quidam Agnominis, qui fertur navigasse super mare annum et dimidium et postea tenuit portum in Hibernia fractis navibus eius et mansit ibidem per multos annos et iterum navigavit cum suis et ad Hispaniam reversus est. et postea venerunt tres filii militis Hispaniae cum triginta ciulis apud illos et cum triginta coniugibus in unaquaque ciula et manserunt ibi per spatium unius anni. et postea conspiciunt turrim vitream in medio mari et homines conspiciebant super turrim et quaerebant loqui ad illos et numquam respondebant et ipsi uno anno ad oppugnationem turris properaverunt cum omnibus ciulis suis et cum omnibus mulieribus excepta una ciula, quae confracta est naufragio, in qua erant viri triginta totidemque mulieres. et aliae naves navigaverunt ad expugnandam turrim, et dum omnes descenderant in litore, quod erat circa turrim, operuit illos mare et demersi sunt et non evasit unus ex illis. et de familia illius ciulae, quae relicta est propter fractionem, tota Hibernia impleta est usque in hodiernum diem. et postea venerunt paulatim a partibus Hispaniae et tenuerunt regiones plurimas.
Aus den tres filii militis Hispaniae werden dann die Míl Espáine (> „Milesier“) im Lebor Gabála Érenn. Aber selbst dann, wenn man diese Migration als historisch akzeptierte, wäre sie zu früh. Die pornographischen Grotesken des Pyrenäenraums sind wesentlich später und die Sheela na Gig noch mal später.
 
Die pornographischen Grotesken des Pyrenäenraums sind wesentlich später und die Sheela na Gig noch mal später.
laut https://de.wikipedia.org/wiki/Sheela-na-Gig in Spanien und Frankreich ab dem 11.Jh., in Irland und Britannien dann 12.-13.Jh. - spekulativ, da quellenlos, sind die Überlegungen, ob diese Figuren als verzerrte/dämonisierte Varianten von älteren heidnischen Fruchtbarkeitskulten stammen könnten.
 
laut https://de.wikipedia.org/wiki/Sheela-na-Gig in Spanien und Frankreich ab dem 11.Jh., in Irland und Britannien dann 12.-13.Jh. - spekulativ, da quellenlos, sind die Überlegungen, ob diese Figuren als verzerrte/dämonisierte Varianten von älteren heidnischen Fruchtbarkeitskulten stammen könnten.
Richtig. Das britonische Episkopat des Maeloc muss irgendwann vor 572 eingerichtet worden sein, vorher (Konzilsakten von Braga) haben wir keine Nachricht davon, allerdings ist die Quellenüberlieferung zu dieser Zeit sehr schlecht. In Bretoña gibt es eine starke Ascheschicht, die von einigen mit den Muslimen (konkret 'Abd al-'Azīz ibn Mūsā (ibn Nusayr)) von anderen mit den Wikingern in Verbindung gebracht wird, somit dürften bereits im 8. Jhdt. wichtige Quellen zum britischen Bistum im suebischen/westgotischen Königreich verloren gegangen sein.
Vom 6. Jhdt. bis zum 11. Jhdt., dem ersten Auftauchen der obszönen Grotesken im Pyrenäenraum ist eine lange Zeit.
 
@El Quijote diese starke Ascheschicht: könnte das von den Verwüstungen durch Leovigilds Truppen stammen (um 585) ? Galicien soll sich erst im 8. Jh. von diesem westgotischen Eroberungszug wieder erholt haben (wirtschaftlich, sozial)
 
allenfalls eine seriös spekulierte
gerne!
Wenn ich es richtig im Kopf hab, hat es in Galicien nach der westgotischen Eroberung im Frühmittelalter keine umfangreichen Kriege mehr gegeben - da war meine spekulative Frage, ob der vermutlich (noch?) nicht datierte Zerstörungshorizont (Ascheschicht) eventuell aus dem späten 6.Jh. (Leovigild) sein könnte.
 
Nun, ich lese von mehreren Gräbern hochgestellter Persönlichkeiten. Die Verlagerung des Bistums von Britonia/Bredoña nach Montedoñedo findet unter Alfonso III. (9./10. Jhdt.) statt. Das spricht für mich am ehesten für die Zerstörung durch Normannen und gegen Westgoten/Mauren. V.a. aber gegen die Westgoten. Aber das basiert alles auf oberflächlicher Lektüre nicht auf einer profunden Beschäftigung mit dem archäologischen Befund. Daher nur seriös spekuliert.
 
Aber selbst dann, wenn man diese Migration als historisch akzeptierte, wäre sie zu früh. Die pornographischen Grotesken des Pyrenäenraums sind wesentlich später und die Sheela na Gig noch mal später.

Nun, das ist nicht ganz korrekt. Wenn es auf keltische Traditionen, egal ob Sheela na Gig* oder anderes, etwa Sagenmotive, zuruckzuführen wäre, wäre eine Verbindung in dieser Zeit, in der 'das Heidentum' erstarkte, schon interessant. Wenn das aber, als letzter Strohhalm sozusagen, fehlt, sehe ich nicht, warum das jenseits der Ähnlichkeit des Motivs ein einheitliches Thema sein soll.

* Ja, unwahrscheinlich, sehe ich auch so. Fehlende Überlieferung u.s.w..Aber unwahrscheinlich heißt noch nicht unmöglich, weshalb es weiter überprüft, mitgeschleppt werden muss.
 
Nun, das ist nicht ganz korrekt. Wenn es auf keltische Traditionen, egal ob Sheela na Gig* oder anderes, etwa Sagenmotive, zuruckzuführen wäre, wäre eine Verbindung in dieser Zeit, in der 'das Heidentum' erstarkte, schon interessant. Wenn das aber, als letzter Strohhalm sozusagen, fehlt, sehe ich nicht, warum das jenseits der Ähnlichkeit des Motivs ein einheitliches Thema sein soll.

* Ja, unwahrscheinlich, sehe ich auch so. Fehlende Überlieferung u.s.w..Aber unwahrscheinlich heißt noch nicht unmöglich, weshalb es weiter überprüft, mitgeschleppt werden muss.

Nun...
taq 572 Gründung Bistum Britonia durch Maeloc(?)
11./12. Jhdt. obszöne Figuren an Kirchen im Pyrenäenraum
12./13. Jhdt. „Sheela na Gig“ an Kirchen in Irland und Schottland
 
Und?

Wo siehst du da einen Widerspruch zu von mir Gesagtem?

(Abgesehen davon natürlich, dass du schon wieder völlig unbegründet einen Zusammenhang der Darstellungen in den Pyrenäen und in Irland behauptest?)
 
(Abgesehen davon natürlich, dass du schon wieder völlig unbegründet einen Zusammenhang der Darstellungen in den Pyrenäen und in Irland behauptest?)
Einen Zusammenhang behaupte ich nicht, ich habe referiert, dass manche einen Zusammenhang sehen, ohne mich dazu zunächst im Speziellen zu positionieren. Wogegen ich mich positioniert habe, ist, dass es sich bei den iro-schottischen Sheela na Gig um Spolien handele. Des Weiteren mache ich auf die Chronologie aufmerksam:

Überdimensionierte Vulven und Phalloi sind typisch an Kirchen im Pyrenäenraum und etwas später in Irland und Schottland (Sheela na Gig). Manche meinen, dass die im Pyrenäenraum Vorläufer der iro-schottischen Sheela na Gig seien, andere halten die Sheela na Gig für vorchristliche Spolien von Darstellungen einer Fruchtbarkeitsgöttin. Dagegen spricht aber wohl, dass dann praktisch alle Sheela na Gig als Spolien ab Außenmauern von Kirchen gelandet wären.

Die älteren Darstellungen sind nicht die irischen und schottischen Sheela na Gig (ein modernes Kunstwort für die irischen und schottischen Darstellungen nackter Frauen an Außenseiten von Kirchen), sondern die weiblichen und männlichen Figuren an den Kirchen des Pyrenäenraums.

Ist denn gesichert, dass es dasselbe Phänomen ist? Oder nicht doch zwei unterschiedliche Traditionen?

Im folgenden Beitrag habe ich mich bereits vorsichtig positioniert, nämlich, dass es sich um zwei getrennte Phänomene handele („der Ungerschied besteht darin...“):
Es ist zumindest so, dass die Darstellungen aus dem Pyrenäenraum die älteren sind und die Behauptung, dass die irischen/schottischen Sheela na Gig Spolien seien, sich offenbar nicht anhand von nicht in Kirchen eingebauten Darstellungen belegen lassen. Der Unterschied besteht darin, dass im Pyrenäenraum Darstellungen beiderlei Geschlechts auftauchen, wohingegen die Sheela na Gig ausschließlich weiblich sind.

Also ist kein Zusammenhang belegt.
Dem habe ich nicht widersprochen. Du hast aber in demselben Beitrag eine Frage gestellt, die ich beantwortet habe:

Reicht das Vorkommen in den Pyrenäen zumindest bis in Gebiete, in die in der Spätantike Migration aus Britannien erfolgte?

Das Gebiet, in das Migration aus Britannien bekannt ist, ist das Bistum Brittonia/Mondoñedo. Aber auch umgekehrt findet sich angeblich Migration, […] Aber selbst dann, wenn man diese Migration als historisch akzeptierte, wäre sie zu früh. Die pornographischen Grotesken des Pyrenäenraums sind wesentlich später und die Sheela na Gig noch mal später.
Auch aus diesem letzten Beitrag („wesentlich später... noch mal später“) lässt sich eine vorsichtige Positionierung lesen, nämlich dass es keinen offensichtlichen Zusammenhang gibt.

Ich halte aufgrund des späten Auftauchens und dem Mangel an Singularität eine „keltische“ Herleitung schlicht für Unsinn. Das keltische Christentum, dass von Irland nach Iona ausstrahlte und dort sein Zentrum fand und seine eigene, von Rom abweichende Theologie entwickelte (v.a. bzgl. der Osterfestsberechnung), bis diese sich wieder enger mit Rom verband, kennt diese Darstellungen nicht
 
Wieso suchst du beim keltischen Christentum? Wäre das nicht eher eine Übernahme aus Sage oder Märchen?
Deshalb verstehe ich auch die Zahlenspielerei nicht. Denn 500 oder 600 Jahre sind für mündlich überlieferte Sagenmotive nicht so ungewöhnlich. Dass das im 12./13. Jh. ohne Hinweis in Schriftquellen in die Kunst eingeht, ist ungewöhnlich. In der Regel gibt es da doch Interpretationen der gebräuchlichen Motive, die uns als Quellen dienen können.

Warum halte ich das für unwahrscheinlich? Es ist etwas spät für die Übernahme heidnischer Symbolik.

Klar, an Spolien denke ich in Irland auch nicht.

Aber nach der Thread-Zusammenführung ist es nun einmal Thema, ob es eine Verbindung gibt. Also die Frage nach der Migration, was geographisch ausgeschlossen wurde. Also sind es unabhängige Themen, wenn nichts mehr auftaucht.
 
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