Antifaschistischer Schutzwall

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Gastpp

Gast
Wieso nannte man in der DDR die Mauer "Antifaschistischer schutzwall"??

Vielleicht kann mir ja irgend einer helfen.
 
in der DDR wollte man zB durch die entnazifizierung, legitimation von der bevölkerrung, für deren sytem erhalten... diese wurde bspw. in der BRD nicht so rigeros durchgeführt, wie in der DDR...

daher würde ich von einem "Antifaschistischer schutzwall" sprechen wollen...
 
Na ja, "antifaschistischer Schutzwall" ist schon eine geradezu infame Bezeichnung für die Mauer, als er suggeriert, die DDR vor einer revanchistisch faschistoiden BRD zu beschützen, während es in Wirklichkeit nur darum ging, zu verhindern, daß der DDR ihre Bürger wegliefen. Zugegeben gab es in der BRD eine ganze Reihe von Altlasten wie den Ministerpräsidenten von Baden Würtemberg Filbinger, der noch vor Kriegsende junge Matrosen zum Tode verurteilte, den Arbeitgeberpräsidenten Schleyer oder den Staatssekretär Globke, der den Kommentar für die Nürnberger Rassegesetze verfaßte. Etwas bescheidener war die Verstrickung von Bundeskanzler Kiesinger oder Bundespräsident Carstens. Die DDR machte es sich sehr einfach mit der Geschichte und erklärte sich einfach zum "antifaschistischen" und zum "besseren deutschen Staat". Zahlungen an Israel hat sie nie geleistet, und die Verstrickung in der NS Zeit immer nur in Zusammenhang mit der Bundesrepublik thematisiert. Beim Aufbau der Nationalen Volksarmee griff sie dennoch auf Generale der Wehrmacht zurück.
 
Die Israel-Frage bezog sich auf aktuelles Geschehen. Da spielt das Verhältnis der Blöcke mit hinein Israel war (und ist) imperialistisch ausgerichtet. Warum das noch durch Geldzahlungen, o.ä. fördern?

Aber das ist nich das Thema, ansonsten hast du es ja fast wertfrei ;) in deinem ersten Satz geschildert.
 
In der DDR wurde auch der Holocaust kaum thematisiert. Nach 1950 wurde dort nach NS Altlasten nicht mehr gefahndet. Ein prominenter SS Kriegsverbrecher Dr. Horst Fischer konnte sich dort bis 1965 unenttarnt aufhalten. Über den überaus laxen Umgang mit der NS Vergangenheit hat Christian Dirks eine Publikation vorgelegt: "Die Verbrechen der Anderen"
 
Hallo !

Die DDR verstand sich offiziell als antifaschistischen Staat, denn sie hat "getreu den Interessen des Volkes und den internationalen Verpflichtungen auf ihrem Gebiet den deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet" (Aus Artikel 6 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1974.)

Für den Sozialismus war faschismus eine übersteigerte Form des Kapitalismus. Dimitroff lieferte die Definition: "offene terroristische Diktatur der reaktionärsten, am meisten chauvinistischen, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals. [...] Sein Hauptangriff richtet sich gegen die Arbeiterklasse" Stichwort Faschismus in: Klaus, Georg/Buhr, Manfred (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch, 12. Auflage leipzig 1985, S. 403. Definiert wurde "Faschismus" auf dem XIII. Plenum des Exekutivkomitees der Komintern im Dezember 1933. 1935 wurde auf dem VII. Weltkongreß der Komintern durch Dimitroff zwar die sg. "Sozialfaschismusthese" revidiert, aber an der grundlegenden Definition festgehalten.
D. h.: Dort, wo Kapitalismus herrscht, ist auch Faschismus zu finden. Deswegen die Bezeichnung "antifaschistischer Schutzwall" aus Sicht der DDR.
Eine vielleicht interessante Andekdote:
Angesichts dieser Sichtweise hatte man auch keine Probleme, die Geschichte des Nationalsozialismus entsprechend umzudeuten.

Ein extremes Beispiel aus der Gedenkstätte Sachsenhausen (KZ 1936-1945). In der alten Ausstellung, die die Geschichte des NS darzustellen versuchte, wurde der Auftakt folgendermaßen gebildet:

Zu Beginn der Ausstellung befand sich Raum, in der Mitte eine Säule, betitelt mit "Die Auftraggeber", mit Fotos (ca. 8) mit Namen von versch. Großindustriellen, dahinter an der Wand des Raumes eine Europakarte mit KZs.

Suggeriert werden sollte, daß "die Großindustriellen" die KZs in Auftrag gegeben hätten. Das Perfide: Auf der Säule war auch ein Foto von Fritz Thyssen.

Thyssen hatte zwar, wie einige andere auch, anfänglich die NSDAP mit Spenden unterstützt und das Regime gestützt, bekam aber zunehmend Probleme, den Antisemitismus und die Kriegsvorbereitungen des NS-regimes gut zu heißen. Den Novemnber-Pogrom hat er deutlich kritisiert. Im September '39 floh er in die Schweiz, später wurde er enteignet. Er wollte Europa verlassen, in Südfrankreich wurde er vom kollaborierenden Vichy-Regime nach Deutschland ausgeliefert und ins KZ Sachsenhausen gebracht.

Daß er dort Häftling war (zwar priviligiert behandelt), hat man in der DDR verschwiegen.

Ciao,

Thomas
 
In der DDR wurde auch der Holocaust kaum thematisiert. Nach 1950 wurde dort nach NS Altlasten nicht mehr gefahndet. Ein prominenter SS Kriegsverbrecher Dr. Horst Fischer konnte sich dort bis 1965 unenttarnt aufhalten. Über den überaus laxen Umgang mit der NS Vergangenheit hat Christian Dirks eine Publikation vorgelegt: "Die Verbrechen der Anderen"
Danke für den Hinweis. Ich kenne eine Dissertation zum Thema: Olaf kappelt: Die Entnazifizierung in der SBZ sowie die Rolle und der Einfluß ehemaliger Nationalsozialisten in der DDR, Hamburg 1997.

Eine richtige Fragestellung hat der Autor zwar m. E. nicht entwickelt, hat aber eine Unmenge an Beispielen versch. biographischer NS-Kontinuitäten jeder Coluer (vom einfachen Blockwart bis zum SS-Kriegsverbrecher), die unbehelligt und offiziell "entnazifiziert" waren.

Ciao,

Thomas
 
...Thyssen hatte zwar, wie einige andere auch, anfänglich die NSDAP mit Spenden unterstützt und das Regime gestützt, bekam aber zunehmend Probleme, den Antisemitismus und die Kriegsvorbereitungen des NS-regimes gut zu heißen. Den Novemnber-Pogrom hat er deutlich kritisiert. Im September '39 floh er in die Schweiz, später wurde er enteignet. Er wollte Europa verlassen, in Südfrankreich wurde er vom kollaborierenden Vichy-Regime nach Deutschland ausgeliefert und ins KZ Sachsenhausen gebracht.

Daß er dort Häftling war (zwar priviligiert behandelt), hat man in der DDR verschwiegen.
Ciao,
Thomas
Das ist richtig. Überhaupt wurden als einzige "Widerstandskämpfer" die Kommunisten, allen voran Ernst Thälmann, genannt und der gesamte 2. WK wurde aus russischer Sicht betrachtet (in Westdeutschland war es dagegen die alliierte Sicht).
 
Das ist richtig. Überhaupt wurden als einzige "Widerstandskämpfer" die Kommunisten, allen voran Ernst Thälmann, genannt und der gesamte 2. WK wurde aus russischer Sicht betrachtet (in Westdeutschland war es dagegen die alliierte Sicht).

Das ist ein Märchen. Die "Weiße Rose" wie die "Rote Kapelle" waren z.B. "anerkannte" Widerstandskämpfer die in der DDR geehrt wurden, da waren Juden und Nichtkommunisten dabei.
Das Attribut, "einzige Widerstandskämpfer die Kommunisten" waren, ist unhaltbar.
Dass in einem totalitären System die genehmen Widerständler mehr geehrt/hervorgehoben wurden, ist verständlich, um das eigene System hochzuloben.

"Antifaschistischer Schutzwall" war die Mauer nur im Jargon des SED-Politbüros und des Zentralkomitees. Jeder wußte in der DDR warum die Mauer errichtet wurde. Um sich vom Kapitalismus abzugrenzen, damit dieser nicht mehr Einfluss auf die DDR nahm.
@Scorpios Erklärung kann ich zustimmen.
 
Auch ich stimme da zu. Grundsätzlich wurde aber nicht nur die "Mauer" so bezeichnet, sondern das gesamte innerdeutsche Grenzsystem, das teilweise (eher weitestgehend) schon vor der Berliner Grenzanlage entstand (der Mauerbau wird immer überschätzt, eher war Berlin wegen dem "Vier Mächte Statut" bevorzugt). Der Begriff dürfte auch keinesfalls so abwertend gemeint sein, wie immer gedacht (auch den DDR-Oberen war klar, dass die BRD kapitalistisch und nicht faschistisch war), sondern der Kapitalismus in der Bundesrepublik wurde als Vorstufe zum Faschismus konstruiert.
 
Die Israel-Frage bezog sich auf aktuelles Geschehen. Da spielt das Verhältnis der Blöcke mit hinein Israel war (und ist) imperialistisch ausgerichtet. Warum das noch durch Geldzahlungen, o.ä. fördern?

Aber das ist nich das Thema, ansonsten hast du es ja fast wertfrei ;) in deinem ersten Satz geschildert.

Gab es denn andere Entschädigungszahlungen an die Opfer des Nazi-Regimes in der DDR?
Nicht Israel unterstützen zu wollen heisst ja nicht, dass nicht eigene Zahlungen geleistet wurden.
 
Gab es denn andere Entschädigungszahlungen an die Opfer des Nazi-Regimes in der DDR?
Nicht Israel unterstützen zu wollen heisst ja nicht, dass nicht eigene Zahlungen geleistet wurden.
So etwas gab es nicht. Die Enteignungen durch die SED - so die offizielle Staatsdoktrin - sei die beste Wiedergutmachung. Individuelle Entschädigungsleistungen gab es nicht für Juden. Kommunisten als "Kämpfer gegen den Faschismus" erhielten eine Sonderrente, die anderen Opfergruppen verwehrt wurde, da sie nicht über "das korrekte klassenpolitische Bewußtsein" verfügen würden.

1945 baten achtzig aus Lagern zurückgekehrte Juden den Leipziger Oberbürgermeister um Pelze für den Winter, da sie diese im NS abliefern mußten. Diese Bitte wurde mit folgender Begründung abgelehnt: "Den Juden wurden diese Pelze nicht aus politischen Gründen weggenommen, sondern weil sie Juden waren [...]. Im Ganzen können die Juden nicht als antifaschistisch bezeichnet werden. Sie wurden passive Opfer der NS-Kampfführung. [...]. Eine Wiedergutmachung halten wir in einzelnen Fällen für nicht zweckmäßig. [Auslassungen im Original, T. B.(1) Dies läßt sich insofern noch verallgemeinern, als der OdF (Opfer des Faschismus) diese Haltung offiziell vertrat. "Im Juli 1945 vertrat der Hauptausschuß der OdF unter Ottomar Geschke die Auffassung, daß Juden zwar Opfer, aber keine Kämpfer gegen den Nationalsozialismus gewesen wären und deshalb keiner besonderen Fürsorge bedürften." (2)

Anmerkungen:
(1) Eschwege, Helmut: Die jüdische Bevölkerung der Jahre nach der Kapitulation Hitlerdeutschlands auf dem Gebiet der DDR bis zum Jahre 1953, in: Arndt u. a. Juden in der DDR, S. 65, zitiert nach Goschler, Constantin: Paterna-lismus und Verweigerung - Die DDR und die Wiedergutmachung für jüdische Verfolgte des Nationalsozialismus, in: JfA 2, S. 93-117, hier S. 96.
(2) Groehler, Olaf: Erblasten: Der Umgang mit dem Holocaust in der DDR, in: Loewy, Hanno (Hrsg.): Holocaust: Die Grenzen des Verstehens. Eine Debatte über die Besetzung der Geschichte, Reinbek 1992, S. 110-127, hier S. 121.

M. W. ist diese Haltung stringent durchgehalten worden.
Ciao,

Thomas
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist ein Märchen. Die "Weiße Rose" wie die "Rote Kapelle" waren z.B. "anerkannte" Widerstandskämpfer die in der DDR geehrt wurden, da waren Juden und Nichtkommunisten dabei.
Das Attribut, "einzige Widerstandskämpfer die Kommunisten" waren, ist unhaltbar...
Tut mir leid, aber in meinem damaligen Geschichtsunterricht fiel über diese kein einiges Wort. Da muß meine Schule wohl ganz besonders rot gewesen sein - na ja, kein Wunder - unsere Direktorin stieg 1986 auch zum Schulrat auf...
:hmpf:
 
Gab es denn andere Entschädigungszahlungen an die Opfer des Nazi-Regimes in der DDR?
Nicht Israel unterstützen zu wollen heisst ja nicht, dass nicht eigene Zahlungen geleistet wurden.
Es gab den Titel "Verfolgte des Naziregimes" und ich glaube, es gab dafür auch eine Rente. Ob aber Juden das auch erhielten, weiß ich nicht. Ich habe selbst nie einen kennen gelernt.
 
Tut mir leid, aber in meinem damaligen Geschichtsunterricht fiel über diese kein einiges Wort. Da muß meine Schule wohl ganz besonders rot gewesen sein - na ja, kein Wunder - unsere Direktorin stieg 1986 auch zum Schulrat auf...
:hmpf:

Wie schon geschrieben, die DDR hat kommunistische Widerstandskämpfer mehr geehrt. Im Geschichtsunterricht der DDR wurde der Widerstand gegen die Nazidiktatur kaum erwähnt. Innerhalb 10 Minuten war das Thema abgehakt.
"Weiße Rose" und "Rote Kapelle" wurden z.B. auf DDR-Briefmarken in den 60ern verewigt, es gab einen Zweiteiler über die "Rote Kapelle" im DDR-Fernsehen produziert und viele Schulen und Straßen trugen die Namen der Geschwister Scholl.
Welchen Stellenwert und wer besonders wird im heutigen Geschichtsunterricht als damaliger Widerstand bezeichnet?
Wenn Schulen die alleinige Bildungseinrichtung für Bürger sein sollen, dann ist man in jedem Gesellschaftssystem verloren, weil die Zeit an Schulen für all den Stoff nicht ausreicht.
 
Es gab den Titel "Verfolgte des Naziregimes" und ich glaube, es gab dafür auch eine Rente. Ob aber Juden das auch erhielten, weiß ich nicht. Ich habe selbst nie einen kennen gelernt.

Nun bin ich doch ein wenig verwirrt:
Gerade hatte ich es so verstanden, dass politisch Verfolgte ( Kommunisten) diesen Ehrentitel und die Sonderrente erhielten.
Während die aus anderen Gründen Verfolgten (wie eben Juden) nicht derart bedacht wurden ( fehlendes korrektes klassenpolitisches Bewusstsein).

Wie sah es denn mit Entschädigungen von Zwangsarbeitern aus?
Und habe ich es falsch in Erinnerung, dass ein Teil der russischen Reparationsforderungen eigentlich an Polen als Reparation gehen sollten, dort aber nie ankamen?
 
Die DDR konnte einen propagandistischen Erfolg verbuchen als im Januar 1989 die "Republikaner" mit 7,5 % in das Abgeordnetenhaus (West) einzogen.
Ich erinnere mich noch daran wie eine Ostberliner Zeitung hämisch kommentierte der antifaschistische Schutzwall sei in seiner Notwendigkeit bestätigt worden.
 
Nun bin ich doch ein wenig verwirrt:
Gerade hatte ich es so verstanden, dass politisch Verfolgte ( Kommunisten) diesen Ehrentitel und die Sonderrente erhielten.
Während die aus anderen Gründen Verfolgten (wie eben Juden) nicht derart bedacht wurden ( fehlendes korrektes klassenpolitisches Bewusstsein).
Wie sah es denn mit Entschädigungen von Zwangsarbeitern aus?
Wie gesagt: Es gab diesen Titel, bei dem von politischer Verfolgung keine Rede war, wie aber das Anerkennungsverfahren verlief und wer nun alles genau anerkannt wurde, das weiß ich leider nicht.
Vielleicht meldet sich ja noch jemand, der da genauer bescheid weiß?
 
Soweit ich weiß, sollten die Zwangsarbeiter ihre damalige (Zwangs-)Arbeit bezahlt bekommen, indem sie den "ausstehenden" Lohn auf Antrag ausgezahlt bekommen sollten. Und zwar von den Firmen bei denen sie arbeiteten bzw. auch vom Staat falls es diese Firmen nicht mehr gab.
Also so eine echte Entschädigung ist es nicht, aber immerhin etwas.

Sonstige Geschädigte konnten innerhalb einer gewissen Frist bei der Oberfinanzdirektion Köln einen Antrag auf Wiedergutmachung stellen.
Mein Großvater stellte so einen Antrag, er war in einem Strafbatallion.
 
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