Antikes Kartenmaterial

sky-

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Nach längerer Google-Suche bin ich noch nicht fündig geworden, daher hier.

Mich würde interessieren, auf welches Kartenmaterial die Feldherren in der Antike (Peleponesischer Krieg bis Ende römischen Imperiums) ihre Entscheidungen stützten, wie wurde das Gelände vermessen? Über Tagesmärsche? Das wäre ja dann recht ungenau gewesen.

Sind uns Karten aus dieser Zeit erhalten?

Oder stützte sich die Navigation hauptsächlich auf Ortskenntnisse?
 
Nur so viel: Karten wurden in der Antike so gut wie gar nicht verwendet, sondern eben "Ortskenntnisse". Die Menschen in der Antike hatten ein komplett hodologisches Weltbild, so wie wirt heutzutage nur noch partiell. Wie wir beispielsweise zu unserem Arbeitsplatz gelangen, indem wir wissen, dass wir am Eck, an der die Sparkasse steht, links abbiegen muss (jetzt mal als Beispiel...), so orientierten sich die Menschen in der Antike auch anhand von Merkmalen, die auf dem Weg liegen, ganz eindimensional und ohne abstrakte Karten - auch über weite Strecken. Solche Wegbeschreibungen findest du beispielsweise auch bei Strabon.

Karten aus der Antike sind nur sehr wenige erhalten, was auch damit zusammenhängt, dass es nur wenige gegeben hat. Die Tabula Peutingeriana und andere Karten sind weniger Karten in unserem heutigen Sinn, sondern häufig Routendiagramme; auf den Maßstab ist letztlich auch, wie man unschwer erkennen kann, wenig Wert gelegt worden, sondern lediglich darin, verschiedene Routen und Stationen, die diese Routen verbinden, abzubilden. Viele der uns erhaltenen Karten hatten aber auch nur rein dekorative Zwecke, stellten irgendwelche mythischen Irrfahrten oder Städte aus der Vogelperspektive bildlich dar - sind also eher Gemälde denn Karten.

Hier einige Literaturtipps:
Johannes Engels, Die strabonische Kulturgeographie in der Tradition der antiken geographischen Schriften und ihre Bedeutung für die antike Kartographie, in: Orbis Terrarum 4, 1998, 64-114.
K. Brodersen, Neue Entdeckungen zu antiken Karten, in: Gymnasium 108, 2001, 137-148.
R. Talbert, Peutinger's Roman Map: The Physical Landscape Framework, in: Wahrnehmung und Erfassung geographischer Räume in der Antike, Mainz 2007, 221-232.
 
Wo wir dabei sind: Noch ein kurioses antikes Dokument in dieser Hinsicht ist die "rudge cup", wohl eine stilisierte Darstellung eines Teils des Hadrianswalls. Nun ja, schon ziemlich weit von dem, was wir uns unter Karten vorstellen, entfernt, und sicher mehr in die Richtung eines Kunstobjekts gehend - aber heute von hohem dokumentarischen Wert.

Rudge Cup - Wikipedia, the free encyclopedia

Aber ich denke mir, dass vielleicht über solche und ähnliche Objekte doch so eine gewisse Orientierung möglich war. Immerhin gab es bei den Limesanlagen doch eine Art geographischer Schematik; und selbst wenn deren Anlage allein über ein ausgeklügeltes Vermessungswesen gelang, so nehme ich an, dass es in irgendeiner Weise Gegenstücke gab, die hinterher die Orientierung erleichterten.

Ansonsten stimme ich den Ausführungen von Imperator zu, gebe jedoch noch eines zu bedenken:
Die so genannte "Forma urbis" fand ich seit jeher beeindruckend; ein gigantischer Stadtplan Roms, mit Grundrissen der Gebäude der Stadt, der auch eher unseren heutigen Vorstellungen von Karten entsprechen:
Forma Urbis Romae ? Wikipedia
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch was zur Forma urbis: Gedeutet wird sie als eine Art Kunstwerk zu einem offenbar existierenden Katasterwesen in Rom; aus dem gleichen Funktionszusammenhang heraus sind auch viele der ersten Karten Deutschlands aus dem Mittelalter und der Frühneuzeit entstanden.
 
Leider werden uns wohl die wichtigsten Karten nichtmehr erhalten sein, denn gerade wenn man sich Caesars Gallienfeldzug anschaut muss es halbwegs akurate Karten gegeben haben, sonnst wäre eine Detachierung der einzelnen Legionen und besonders die spätere Wiedervereinigung unmöglich gewesen.

Es wird aber wohl kaum über Straßen/Gebirgs/Flussverlauf hinaus gegangen sein.

Auch würde das wohl bedeuten, dass eine viel engere Fühlung (also Nachrichtenreiter) nötig gewesen ist, um das halbwegs zu koordinieren.
 
Leider werden die wichtigsten Karten niemals existiert haben, würde ich eher sagen... Die meisten Feldzüge in der Antike funktionierten ohne Kartenmaterial. Weshalb sollte es bei Caesar anders gewesen sein?
 
Leider werden die wichtigsten Karten niemals existiert haben, würde ich eher sagen... Die meisten Feldzüge in der Antike funktionierten ohne Kartenmaterial. Weshalb sollte es bei Caesar anders gewesen sein?


Woher wissen wir, dass es ohne Karten funktionierte?

Wenn ich meine Armee teile und verschiedene Anmarschrouten zu einem Treffpunkt wähle brauche ich Karten, es geht nicht anders.

Auch wenn ich Straßen bauen will, brauche ich Karten. Das ist das allererste was ich aufnehmen oder besorgen lasse, wenn ein Feldzug zu planen ist.
 
Damals wie heute dürften Karten den Status des Ge- und Verbrauchsmaterials nicht oft verlassen haben, d. h. Belastung durch häufiges Anfassen, wechselnde klimatische Veränderung, häufiges Einpacken/Auspacken und herausholen zwecks Orientierung und Abgleich mit der Umgebung. Sowas hält nicht lange, vor allem nicht mit so einem sensiblen Material wie Papyrus oder Wachs. Es würde mich auch sehr wundern, wenn ein so präzises Unterfangen wie z. B. die Katastrierung einer Colonia ohne Karten abgelaufen wäre.
Andererseits hat -sky sicher mit seiner Äußerung Recht, dass die Feldzüge ohne großes Kartenmaterial stattfanden: das Material wurde ziemlich sicher erst im Laufe des Feldzugs erstellt, und häufig genug ins Blaue hinein geführt (Alexander, Drusus). Auf diese Art und Weise kam denn auch Agrippa zu den (falschen) Dimensionen der Weltkarte, welche Germanien und Asien dramatisch verkürzte, und Augustus zu seiner Illusion, er habe "Germanien erobert".
 
Woher wissen wir, dass es ohne Karten funktionierte?

Wenn ich meine Armee teile und verschiedene Anmarschrouten zu einem Treffpunkt wähle brauche ich Karten, es geht nicht anders.

Auch wenn ich Straßen bauen will, brauche ich Karten. Das ist das allererste was ich aufnehmen oder besorgen lasse, wenn ein Feldzug zu planen ist.

Doch, es geht schon anders. Auf Grund von Beschreibungen. Das war lange Zeit die übliche Art der geographischen Dokumentation.

Die ersten "Ruteiros" (Kursbücher) in der Seefahrt im 15. Jahrhundert bestanden auch mehr aus schriftlichen Beschreibungen garniert mit einigen Skizzen des Küstenverlaufs. Und bei diesen Skizzen wurde auch oft mehr die "Skyline" markanter Berge und Hügelketten als die eigentliche Draufsicht der Küste dargestellt. So wie auch auf den wenigen römischen (in Kopie) erhaltenen Karten die Gebigsketten in Ansicht dargestellt sind.

Man folgte z.B. dieses oder jenes Tal oder Flusslauf, bis man nach so und soviel Tagen einen bestimmten Berg sah.
 
Woher wissen wir, dass es ohne Karten funktionierte?

Wissen wir nicht, aber man darf davon ausgehen, da 1. keine, aber wirklich keine Karten aus der Antike überliefert sind, auch nicht über mittelalterliche Abschriften oder Ähnliches (das Argument mit der Abnutzung zieht da wenig; wir haben Abertausende von Papyri aus ägyptischen Müllhalden erhalten, mit denen man wohl noch schlechter umgesprungen sein dürfte als mit einer Seltenheit wie Karten, wenn denn welche existiert haben sollten), 2. in keiner einzigen antiken Quelle die Verwendung oder das Vorhandensein von Karten erwähnt wird und da 3. wie Bdaian bereits sagte, man auch mithilfe von Beschreibungen sehr gut zurechtgekommen ist. Außerdem: Was hätten die detaillierten Beschreibungen eines Strabon genützt, wenn man über Karten verfügt hätte?

Wenn ich meine Armee teile und verschiedene Anmarschrouten zu einem Treffpunkt wähle brauche ich Karten, es geht nicht anders.

Auch wenn ich Straßen bauen will, brauche ich Karten. Das ist das allererste was ich aufnehmen oder besorgen lasse, wenn ein Feldzug zu planen ist.

Ja, wenn DU Routen wählt und wenn DU Straßen bauen willst. Aber du bist ein Kind des 20./21. Jahrhunderts und nicht der Antike (ich übrigens auch nicht, würde es wohl genauso machen wie du, wenn ich denn ein Feldherr wäre, also nichts für ungut). Wir sind die Verwendung von Karten gewohnt, das ist uns quasi eingepflanzt. Die Menschen in der Antike haben aber anders gedacht und anders gelebt. Karten brauchten sie keine, bloße Wegbeschreibungen.
 
Die Römer haben sicherlich über Kartenmaterial verfügt. Wie kann man denn sonst eine Wegbeschreibung von Anderen am besten darstellen?
Sicherlich nicht so detailliert wie heutzutage. Aber im Groben(Fluß, Berg, Siedlung...usw.) schon. Die waren ja schließlich nicht dumm. Ich erinnere an andere technische Leistungen wie Aquädukte, da kam man ohne Darstellung der Topographie nicht zurecht.
 
Die Römer haben sicherlich über Kartenmaterial verfügt. Wie kann man denn sonst eine Wegbeschreibung von Anderen am besten darstellen?

Indem man die Wege, die man beschreibt, einst selbst beschritten hat. Genau das haben die antiken Geographen wie Strabon getan. Wo er etwas weniger detailliert beschreibt, hat er von anderen Geographen wie Erathostenes abgeschrieben.

Sicherlich nicht so detailliert wie heutzutage. Aber im Groben(Fluß, Berg, Siedlung...usw.) schon. Die waren ja schließlich nicht dumm.

Das ist keine Frage von Dummheit oder Intelligenz, sondern von Praktikabilität und Zweckmäßigkeit. Wenn man keine Karten gebraucht hat und andere Mittel hatte, größere Entfernungen zurückzulegen, Feldzüge zu planen usw., wieso sollte man welche geschaffen haben, nur weil WIR uns heutzutage eine Welt ohne Karten nicht mehr vorstellen können? Übrigens sind die wenigen "Karten", die uns erhalten sind, nicht bloß in der Detailfrage deutlich ungenauer als heutige Karten, sondern - in so ziemlich jeder anderen Hinsicht auch. Inseln sind fälschlich zusammengefasst oder neue Inseln hinzugemalt worden und völlig unrealistische Küstenverläufe gezeichnet worden - obwohl man es nachweislich besser gewusst hätte. Spricht also eher für dekorative als für praktikable Zwecke.

Ich erinnere an andere technische Leistungen wie Aquädukte, da kam man ohne Darstellung der Topographie nicht zurecht.

Offensichtlich schon.
 
@ Imperator

Wieso bist Du so ein "Kartengegner"? Es ist doch einfacher einen Weg zu malen, als einen zu beschreiben!
 
Ich bin kein "Kartengegner", sondern halte mich an aktuelle Forschungsergebnisse, die ich für sehr überzeugend halte. Wenn nun einmal keine Karten aus der Antike überliefert sind, dann halte ich es für abwegig und anachronistisch, automatisch zu folgern, dass es welche gegeben haben muss. Und ganz egal wie "schwer" es war, einen Weg zu beschreiben: In der Antike hat man es getan. Strabon hat es getan. Eratosthenes hat es getan. Und viele andere auch. Anstatt Karten zu verwenden. Heutzutage macht das keiner mehr. Wieso? Weil wir Karten haben. Damals haben sie offenbar andere Mittel verwendet. Ganz einfach. (Ich weiß, ich wiederhole mich, aber solange meine Argumente nicht entwertet werden, die Argumente der anderen aber schon, sehe ich keinen Grund, nach neuen Argumenten zu suchen.)
 
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