Arne
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Gekürzte Fassung einer umfangreicheren Arbeit aus 2002
Trilogie des Hasses - Die Antisemitischen Kinderbücher des Stürmer-Verlages
1.Der Stürmer
Das nationalsozialistische Kampfblatt "Der Stürmer" erschien von 1923 bis 1945 und war das ganz persönliche Werk und Eigentum von Julius Streicher, "dessen pathologischer Antisemitismus sogar in den Reihen der eigenen Partei auf Ablehnung stieß".(11) Er stand aber unter dem besonderen Schutz Hitlers, der den Stürmer angeblich immer von der ersten bis zur letzten Seite las.(12)
Der Stürmer war so eine erschreckende Ansammlung von Verleumdung, versteckter Pornografie und Hetzpropaganda, daß die Staatsführung schließlich die Notbremse zog und die Inhalte unter Parteizensur stellte, als Julius Streicher 1940 wegen diverser persönlicher Verfehlungen in Ungnade fiel. Streicher hatte sein "zarengleiches" Regime als Gauleiter in Franken zu sehr zur Bereicherung und persönlicher Vorteilsnahme missbraucht.
1938 löste der am 5.7.1900 geborene, ehemalige Volksschullehrer, Ernst Ludwig Hiemer, auf Weisung Berlins, den stellvertretenden Gauleiter Julius Streichers, Karl Holz, als Hauptschriftleiter und verantwortlichen Redakteur ab. Streicher blieb aber der Lenkende im Hintergrund. Holz sollte in seiner Position als stellvertretender Gauleiter nicht länger in den Ausgaben des Stürmer erscheinen. Julius Streicher kontrollierte und redigierte weiterhin jeden Artikel, aber verantwortlicher Redakteur wurde Ernst Hiemer. Er musste auch 1940 seinen Kopf für einen Streicher-Artikel hinhalten(1).
Der ehemalige Volksschullehrer Hiemer(2) wurde Streicher Ende 1934 im "Deutschen Hof" in Nürnberg vorgestellt und schrieb anschließend einige Artikel für "Die Deutsche Volksgesundheit" und seit 1935 auch für den Stürmer, wo er ins Redaktionsteam aufgenommen wurde.(3)
Drei Bücher, die er im Stürmer-Verlag veröffentlichte, sind bekannt. "Der Giftpilz", "Der Jude im Sprichwort der Völker" und "Der Pudelmopsdackelpinscher".
2.Kinderbücher im Stürmer-Verlag
Jede Gesellschaft, besonders jedes totalitäre Regime versucht die Kinder, als Zukunft des Staates für sich und ihre Zwecke zu gewinnen. Die bekanntesten Organisationen im Dritten Reich zur Beeinflussung der Jugend waren HJ und BDM. Natürlich war das ganze Leben erfüllt von Indoktrination und Propaganda. Selbst das Leseverhalten sollte sich ändern. Das individuelle Lesen wurde zugunsten des gemeinsamen "Leseerlebnisses" in der Gruppe verdrängt. Inhalte wurden gemeinsam diskutiert und in die richtige Interpretation gleich mitgeliefert. (11)
Das interessante an propagandistischen Kinderbüchern ist, daß man als gebildeter Erwachsener verhältnismäßig einfach die Strategie darin durchschaut. Kinder erkennen nicht so leicht, daß man sie manipulieren möchte. Doch machen wir uns nichts vor: auch wir Erwachsenen werden ständig ähnlich an der Nase herumgeführt. Nur eine Stufe geschickter - halt auf Erwachsenenebene. So, daß es nicht mehr so offensichtlich ist...
Im Stürmer-Verlag erschienen drei Kinderbücher.
1936 das Erste: "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid´ und keinem Jud bei seinem Eid" von Elvira Bauer; nach den meisten Quellen `eine damals 18jährige Kunststudentin`. Tatsächlich war sie aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits 21 Jahre. Sie ist am 12.9.1915 in Nürnberg geboren(15). Ob sie das Buch tatsächlich schon mit 18 geschrieben hat und erst mit 21 veröffentlichte, ist zumindest bei einigen Kapiteln des Buches zweifelhaft, da die Abschnitte in denen Julius Streicher verherrlicht wird, vermutlich erst nach der Zusage der Herausgabe gemacht worden sind.
Es liegt Briefverkehr vor, in dem sie mit dem "Schriftsteller und Maler" R. Rosermüller korrespondiert. Es ist wohl umstritten und nicht mehr klar zu ermitteln, wer von den beiden die Idee zu dem Buch hatte. (9) Rosermüller wollte es bei verschiedenen Verlagen unterbringen und damit Geld verdienen. Aber alle angesprochenen Verlage lehnten das antisemitische Kinderbuch ab, selbst der parteieigene Eher-Verlag in München. Vermutlich ist Elvira Bauer schon vorher von Streicher gefördert worden und erst auf sein Anraten zur Kunsthochschule gegangen. Schlussendlich hat er auch ihr Buch verlegt. Das Buch wurde mindestens siebenmal aufgelegt. Eine Gesamtauflage von über 100.000 Exemplaren dürfte zu einem guten Geschäft geworden sein.(7) Frau Bauer zog 1943 nach Berlin(14) und sagte nach dem Kriege aus, daß sie von Streicher betrogen wurde und kein Geld erhalten hätte.(6)
Es ist das einzige der drei, welches in Sütterlin gedruckt wurde. Die Nachfolgebücher von Ernst Hiemer sind in normaler Frakturschrift.
Für das Buch wurde im Stürmer mit folgendem Text geworben:
Ein Bilderbuch
Wenn schon die Kulturvölker des Altertums am jüdisch bolschewistischen Geiste zu Grunde gingen, so hatte dies seine Ursache in der Unwissenheit, mit der diese nichtjüdischen Völker dem Tun und Lassen der Juden gegenüberstanden. Diese Unwissenheit in jüdischen Dingen hat auch dazu geführt, dass das russische Volk den Marterweg der völligen Bolschewesierung (Verjudung) gehen konnte und diese Unwissenheit hat zur Folge, dass noch manch anderes Volk den gleichen Weg gehen muß und gehen wird. Das deutsche Volk wurde durch die nationalsozialistische Tat vor dem jüdisch-bolschewistischen Untergang gerettet.
Wenn aber dieser Sieg über die Mächte der Zerstörung und Vernichtung nicht Vorübergehendes geschaffen haben, und das neue Volk im neuen Reich in die Jahrhunderte und Jahrtausende hineingehen soll, dann muß die nachfolgende Jugend, die einmal unser Erbe übernimmt, auch das Wissen sich einverleiben, das wir Alten vom Volk der Juden in uns tragen. Das Wissen vom Juden ist das Wissen vom Teufel. Ein Volk, das von Geschlecht zu Geschlecht das Wissen vom teuflischen Treiben des Volkes Juda weitervererbt, bleibt davor bewahrt, auf´s neue der Schlange (und damit dem Teufel!) zu glauben und sein Glück für immer zu verlieren.
Solch unverlierbares Wissen von den Gefahren, die den nichtjüdischen Völkern vom Juden drohen, wird nur dann einem Volke werden, wenn Herz und Hirn schon in frühester Jugend (und damit in empfänglicher Zeit!) dafür in Anspruch genommen werden. Die Eindrücke, die man schon in frühester Kindheit empfängt, bleiben unverlierbar durchs ganze Leben. Soll also das, was wir das neue Deutschland heißen, von der nachfolgenden Jugend übernommen und wohlbehütet in die fernste Zukunft hinein geführt werden, dann muß diese deutsche Jugend schon frühzeitig mit dem Herzen für das gewonnen werden, was sie später sich erhalten und weitergestalten soll.
Das Bilderbuch "Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid", das in diesen Tagen in die deutschen Lande hinausgeht, will mithelfen mit freudigen Farben und verständlichen Versen der deutschen Jugend schon in ihrer Frühzeit Vermittlerin ernsten Wissens zu sein. Aber nicht bloß für die kleinen Kinder hat Elvira Bauer dieses einzigartige Bilderbuch geschaffen. Auch für Große ist es bestimmt, denn
· so lange es noch Leute gibt, die da glauben, aus einem Juden könne man durch Taufe einen Nichtjuden machen,
· so lange es noch Leute gibt, die in ihrem "anständigen Jude4n" nicht den verkappten Teufel erkennen,
· so lange es noch Leute gibt, die im Juden einen Volksgenossen sehen,
· so lange es noch Leute gibt, die da glauben, das Heil kommt vom jüdischen Volk,
· so lange es noch Leute gibt, hat Elvira Bauer ihr einzigartiges Bilderbuch auch für große Kinder gemacht.
Wer zu großen und kleinen Kindern sprechen will, muß die Sprache des Kindes und seine Aufnahmefähigkeit kennen. Elvira Bauer weiß, wie man es dem großen und kleinen Kinde sagen muß. Und Groß und Klein werden es ihr danken, dass sie das erste und beste Bilderbuch schuf, das man im neuen Reich mit seinem neuen Volk auf jeden Weihnachtstisch legen soll.
`Der Stürmer` Nr.48/1936
1938 erschien "Der Giftpilz" und erreichte schon im ersten Jahr eine Auflage von 60.000 Exemplaren(13). Der Schriftleiter Ernst Hiemer arbeitete mit dem bekannten Stürmer-Illustrator "Fips" zusammen, hinter dem sich der Zeichner und Dekorateur Philipp Rupprecht verbarg. Er war am 4.9.1900 in Nürnberg geboren(17), kam 1925 nach längerem Aufenthalt in Argentinien nach Nürnberg zurück und arbeitete 20 Jahre für den Stürmer. 1934 gab er eine Sammlung von 24 Karikaturen im Stürmer-Verlag heraus ("Juden stellen sich vor").
1940 folgte schließlich das Dritte "Der Pudelmopsdackelpinscher". Hier wurden die einfachen Zeichnungen von Willi Hofmann gemacht. Die Bilder sind eher zweitrangig. Die inhaltliche Struktur der Gegenüberstellung von Geschichten aus dem Tierreich zur "Judenproblematik" ist deutlich an ältere Kinder gerichtet.
So wie sich der Textanteil der Bücher stetig erhöht, so scheint auch das Zielpublikum immer etwas älter zu sein. Elvira Bauers Buch ist offensichtlich an Grundschüler deutlich unter zehn Jahre gerichtet, der Giftpilz für Zehn- bis Zwölfjährige und der Pudelmopsdackelpinscher ist so knapp bebildert und enthält so viel Text mit "Hintergrundinformationen", daß sich wohl nur Jugendliche jenseits der Pubertät dafür begeistern lassen konnten. Der Stürmer-Verlag hielt also schließlich für jedes Kinderalter ein "passendes" Jugendbuch parat.
Hier soll nicht weiter auf die Analyse der Bücher eingegangen werden. Gute, weiterführende Literatur liegt dazu bereits vor und soll hier nicht endlos zitiert werden. Empfehlenswert sind:
· "Der Braune Hass - Das Kinderbuch `Trau keinem Fuchs auf grüner Heid´ und keinem Jud bei seinem Eid` von Elvira Bauer" Helmut Fischer, Essen 1991
(Speziell zu diesem Buch)
· "Verführung der Unschuldigen: Beispiele judenfeindlicher Kinderliteratur im 3.Reich" Hans Maas, Karlsruhe 1990
(Kurz und knapp, einfach zu lesen)
· ""Zerrbild und Wunschbild - Zur Darstellung der Juden in der nationalsozialistischen und jüdischen deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur des Dritten Reichs" Monika Ehrenreich Regensburg 1999
(Umfassend gewähltes Thema, sehr wissenschaftlich)
Weiter in Teil 2