Ich erinnere mich gut daran, daß ich für eine ähnliche Aussage in einer Geschichts-LK-Klausur nur 2 Punkte bekam :red:
Diese "Sündenbock-Sache" spielte sicher eine Rolle, jedoch darf man nicht auf den Gedanken kommen, daß anstatt der Juden jede andere x-beliebige Minderheit zum Ziel der Nazis hätten werden können. Wie schon angeführt, war der Antisemitismus uralt. Man sah die "Mitschuld der Juden an der Niederlage" nur als weiteres Mosaiksteinchen im Bild.
Dieser "zusätzliche Eintrag im Sündenregister" erklärt aber noch nicht, wie sich der schon lange vorhandene Antisemitismus plötzlich so in Extrem steigern konnte.
Ich könnte mir vorstellen, es hing damit zusammen, daß die Kräfte Einfluß und politische Macht bekamen, deren Antisemitismus bereits lange vorher Bestandteil ihrer Ideologie waren. Sie wurden aber nicht wegen ihrem Antisemitismus gewählt, sondern brachten ihn im Gepäck mit...
Die Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (1789) stellten im 19. Jahrhundert die Weichen in Richtung (formaler) Gleichberechtigung der Juden. Diese Entwicklung fand aber nicht nur Beifall. Sie stieß auch auf Widerstand. Gegen die Assimiliation der Juden wandte sich eine rassisch begründete antisemtische Propaganda. So sehr sich der einzelne Jude auch seiner Umgebung anpasste, er blieb - in den Augen der Antisemiten - aufgrund seiner Abstammung doch ein Jude: "er mag einen deutschen Pass haben, aber eben kein deutsches Blut".
Im Kaiserreich (1871-1918) waren schon in der ersten Wirtschaftskrise (Gründerkrise) Rassismus und Antisemitismus vernehmbar. Wenig später entstanden die ersten antisemitischen Parteien. Hauptträger des Antisemitismus waren die völkischen Verbände:
Antisemitismus
Im 1. WK schürten diese Verbände, die wiederum im Offizierskorps besonders starken Einfluss hatten, den Antisemitismus. Mehr noch: er begann sich zu radikalisieren.
Hier ist insb. die Agitation um die sog. Judenzählung vom 1.11.1916 zu nennen. Die Juden wurden verdächtigt, "feige Drückeberger" und Schieber zu sein, die mit knappen Lebensmitteln Geschäfte machen:
Judenzählung – Wikipedia - Die Zählung wurde übrigens abgebrochen und ihre Ergebnisse geheim gehalten, als sich zeigte, dass sich in Relation zur Gesamtbevölkerung mehr Juden als Nichtjuden am Kriegseinsatz beteiligten, freiwillig zur Front gemeldet hatten und seltener von Frontdiensten befreit worden waren.
Ferner ist in diesem Zusammenhang auch noch die Agitation gegen die Zuwanderung von Ostjuden zu nennen, mit der die Bevölkerung ebenfalls stak verunsichert wurde. Hier müsste ich noch nach einem entsprechenden Link bzw. Buchtip suchen.
Meiner Meinung nach liegt der Schlüssel zum Verständnis der Radikalisierung des Antismitismus in der Zeit des 1. WK, in der von völkischer Seite unentwegt die Propagandatrommel gegen "die Juden" geschlagen wurde und das Schicksal des Landes mit dem "Kampf gegen die Juden" verknüpft wurde.