Der Plünderungsbefehl war aber auch nur ein Gerücht. Wer das Feuer in Demmin gelegt hat, bleibt unklar. Klar ist aber, dass die Selbstmorde schon vorher begannen.
Ein Großteil meiner Information habe ich aus der TV-Reportage "
Eine Stadt bricht ihr Schweigen. Der Massenselbstmord von Demmin" von Ingelis Gnutzmann gezogen. Da direkt im Anschluss die Doku "Über Leben in Demmin" lief, haben sich die Inhalte in meinem Kopf schon ein wenig vermischt.
Beim Thema Erinnerung und Täuscung bin ich aber schon wieder richtig im Thema. Im Fokus der medialen Aufmerksamkeit steht die Erinnerung und die Erinnerungskultur. In den letzten Jahren wurden Überlebende befragt, die die Ereignisse als Kind erlebt haben. Ich gehe davon, dass sie die familiäre Dynamik, die zum Beinahe-Tod oder zum Überleben führte aus ihrer Sicht schon richtig wiedergeben. Allerdings fehlt den Kinder von einst der Zugang zum politischen Kontext. Sie selbst waren auch nicht die Akteure und haben vieles sicherlich nicht verstehen können.
Angsichts der detailreichen Schilderungen der Ereignisse scheint mir aber die Bezeichnung als Massenselbstmord schon übler Euphemismus zu sein, da die Kinder vielfach umgebracht wurden oder wenigstens zum Selbstmord(versuch) genötigt wurden.
Die Bezeichnung Massenselbstmord hat mir schon vor Jahren nicht gefallen und deshalb habe ich damals die Thread-Überschrift "Ein Dorf tötet seine Kinder" gewählt. Ich denke, man sollte besser auch über eine massenhafte Kindstötung sprechen und nicht nur über Selbstmorde.
Besonders spontan scheint das Vorgehen in Demmin nicht gewesen zu sein. Zumindest die Erwachsenen auf den Selbstmord vorbereitet waren. Besonders deutlich wird das an dem Fall, der aus dem brennenden Haus fliehenden Familie. Die Mutter hatte die Rasierklingen für alle schon vor der Flucht aus dem brennenden Haus eingepackt.
Auch das Selbstzeugnis des Studienrats Moldenhauer spricht eine ganz andere Sprache: "Ich habe eben meine Familie getötet ..." Das ist doch kein Selbstmord! (Die Echtheit der Aussage kann ich nicht überprüfen. Sie kann ja nur auf Erinnerung der Nachbarin basieren.)
Es existieren jedenfalls gegenteilige Deutungen der Ereignisse. Mal wird betont, die Gewalt der Russen sei durch die Schießereien mit Anwohnern (wie Moldenhauer) und den angeblichen Giftanschlag des Apothekers ausgelöst worden und die anschließende Rache der Russen hätte die "Selbtmordwelle" ausgelöst. Andere verschweigen die deutsche Gegenwehr oder tun sie gar als DDR-Propaganda ab.
In diesen medialen Erzählungen werden die "Selbstmorde" meist direkt mit Vergewaltigungen von Frauen verknüpft.
Bizarr sind auch die extrem verschiedenen Zahlenangaben zu den Opfer, 500 bis 2500.
Der
Bericht Zeitung nd aktuell von 2012 stellt verschiedenste Angaben und Deutungen aus dem öffentlichen Diskurs gegenüber, die dort gestellten Fragen werden nicht beantwortet. Es bleiben jedenfalls viele Fragen.
Soweit ich den Google-Übersetzer richtig verstanden habe, hält Emmanuel Droit die wenigen Angriffe deutscher Zivilisten auf Rotarmisten in Demmin nicht für ausschlagebend für die Ereignisse in Demmin.
Droit betont viel mehr die hohe symbolische Bedeutung des Kalendertages für den Lauf der Ereignisse.
Am 30. April 1945 verließ die Wehrmacht Demmin und sprengte alle Brücken hinter sich, am Nachmittag nahmen sowjetische Soldaten die Stadt fast kampflos ein.
Der 1. Mai war als "Tag der Arbeit" für die Sowjets ein hoher Feiertag. Gleichzeitig war die Eroberung Demmins zu feiern. Es gab viel Alkohol in der Stadt.
Am Abend des 1. Mai gab das deutsche Radio den Tod Hitlers bekannt. (Dass Hitler ebenfall Selbstmord begangen hatte, wurde aber verschwiegen. Offiziell wurde verkündet, der Führer sei den Heldentod im Kampf gegen den Bolschewismus gestorben.)
Die Stadt war voller betrunkender Russen, Hitler tot und gleichzeitig verwandelte sich die Altstadt in ein Flammenmeer. Die hierdurch entstandene Stimmungslage tiefer Verzweiflung habe neben anderen Faktoren zu jener tödlichen Dynamik geführt.
Eine monokausale Erklärung kann es aber nicht geben. Die ersten Selbstmorde wurden ja schon vor dem Einmarsch der Roten Armee verübt.