Arabische Grammatik?

Manche Linguisten gehen heute davon aus, dass es eine angeborene Urgrammatik gibt. Man nennt diese Strömung Nativismus. Die Idee dahinter ist, dass die Grammatik der meisten Sprachen über die Sprachfamilien hinaus recht ähnlich ist und das Kleinkinder in den Anfängen des Spracherwerbs häufig über eine sogenannte Zweiwortgrammatik verfügen. Wie schon ersichtlich wurde (manche Linguisten, Strömung), ist das keinesfalls unumstritten. Ein bekannter Linguist, der die nativistische Strömung vertritt, ist (Avram) Noam Chomsky.

Die arabische Sprache ist eine semitische Sprache (wie Akkadisch (+), Babylonisch (+), Assyrisch (+), Punisch (+), Aramäisch und Hebräisch etc.). Irgendwann einmal haben sich die verschiedenen semitischen Sprachen auseinanderentwickelt, durch Nachbarschaft zueinander aber auch immer wieder gegenseitig beeinflusst. So gibt es zunächst einmal eine gemeinsemitische Grammatik, die allen semitischen Sprachen gemeinsam ist und die eigenständige Weiterentwicklung nach der Trennung. Aber auch im Arabischen selbst gibt es eigenständige Entwicklungen nach Dialekt. So kennt das Hocharabische beispielsweise nur den bestimmten Artikel (al-), wohingegen das maghribinische Arabisch auch einen unbestimmten Artikel kennt, der vom Zahlwort für eins abgeleitet ist: wahid. Lebende Sprachen entwickeln sich eben und sind immer im Fluss. Das gilt sowohl für den Wortschatz, als auch für die Grammatik. Es ist niemand hingegangen und hat bestimmt: "Ab heute sprechen wir so und so", sondern das hat sich in der Sprachpraxis entwickelt und wird sich auch in Zukunft entwickeln. Es hat sich also niemand eine Grammatik ausgedacht.

Was aber nun passiert, ist, dass es ein Empfinden für richtig oder falsch gibt. Dieses Empfinden für richtig oder falsch entspricht natürlich häufig dem, was man als Kind selber gelernt hat. Und seitdem es Schriftsprachen gibt, kann man das nun auch niederschreiben bzw. kann in älteren Texten lesen und daher sein Sprachgefühl bestätigt oder unbestätigt sehen. Daher gibt es Menschen, die Grammatiken aufschreiben. Diese Grammatiken sind zunächst einmal beschreibend, denn sie beschreiben, was der Sprecher vorgefunden hat bzw. glaubt, vorgefunden zu haben (die Beobachtungen müssen ja nicht immer richtig sein). Und ganz allmählich bekommen solche Grammatiken dann normierenden Charakter. Ja, man kann davon ausgehen, dass hinter dem Interesse, eine Grammatik aufzuschreiben, das Interesse lag, einen für richtig gehaltenden Sprachstand zu konservieren bzw. in der Sprechergemeinschaft durchzusetzen.

Das funktioniert natürlich nicht. Das kann Sprachentwicklung nicht aufhalten sondern allenfalls verlangsamen und führt zu einem Auseinanderdriften von Hoch- bzw. Schriftsprache und gesprochener Sprache. Im Arabischen, wo teilweise der Marokkaner sich mit dem Syrer nicht unterhalten kann, ohne dass beide auf das Hocharabische oder wahlweise das Ägyptische rekurrieren (Ägypten ist nach Bollywood und Hollywood mittlerweile der größte Filmproduzent weltweit) kann man diese Auseinanderentwicklung ganz gut sehen.

Ich weiß nicht, wann das erste Mal eine arabische Grammatik fixiert wurdem, würde aber, obwohl es bereits vorislamische arabische Literatur gibt, annehmen, dass das mit der Islamisierung notwendig wurde, als der Qur'an zusammengefasst wurde und man schon aus religiösen Gründen so etwas, wie einer verbindlichen Grammatik bedurfte.
 
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Ich weiß nicht, wann das erste Mal eine arabische Grammatik fixiert wurdem, würde aber, obwohl es bereits vorislamische arabische Literatur gibt, annehmen, dass das mit der Islamisierung notwendig wurde, als der Qur'an zusammengefasst wurde und man schon aus religiösen Gründen so etwas, wie einer verbindlichen Grammatik bedurfte.

Da ich gerade diesen alten Beitrag von mir wiederfinde: Ich habe damals gar nicht so daneben gelegen:

Arabischen Quellen zufolge wird für die Schule von Basra Abu l-Aswad ad-Du'ali (gest. 688) als erster Grammatiker und Erfinder der Vokalzeichen genannt. Doch die systematische sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit der Grammatik begann mit al-Chalil ibn Ahmad (gest. 787), der das früheste arabische Lexikon verfasste. Er gilt auch als der erste, der die arabischen Laute nach ihrer Artikulationsstelle klassifizierte und die Grundregeln der arabischen Metrik nach einem System aufstellte. Sein Schüler, der Perser Sibawaih (gest. 793), zählt zu den berühmtesten Vertretern der Grammatik basrischer Prägung.
Geschichte der arabischen Sprache – Wikipedia
Vor allem Sibawaih wird auch heute noch, wenn ich das mal von der romanistischen Perspektive in die Arabistik hineindilettierend sagen darf, von Sprachwissenschaftlern nicht nur als histoirsche Quelle sondern durchaus auch als heute noch ernstzunehmende Autorität bzgl. der arab. Grammatik zitiert, über 1.200 Jahre nach seinem Tod. Sibawaih, dessen Muttersprache Persisch war, schrieb zwar auf Arabisch eine arabische Grammatik, adressierte diese aber vorwiegend an Perser.
 
Vor allem Sibawaih wird auch heute noch, wenn ich das mal von der romanistischen Perspektive in die Arabistik hineindilettierend sagen darf, von Sprachwissenschaftlern nicht nur als historische Quelle sondern durchaus auch als heute noch ernstzunehmende Autorität bzgl. der arab. Grammatik zitiert, über 1.200 Jahre nach seinem Tod. Sibawaih, dessen Muttersprache Persisch war, schrieb zwar auf Arabisch eine arabische Grammatik, adressierte diese aber vorwiegend an Perser.

Zur Illustration: So beginnt das Buch von Ramzi Baalbaki, The Legacy of the Kitāb:

The Kitāb of Sībawayhi (d. 180/796) is undoubtly the most authoritative work in the long history of Arabic grammmar. Its exhaustive contents became almorst a defnitive corpus for subsequent grammarians, who were also indeed faithful to its author's terminology, arguments and set of analytical tools. [...] Sîbawayhi's book soon earned the epithet Qur'ān al-naḥw, or the holy book of grammmar.​
 
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