Ars moriendi

SRuehlow

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Jean de Gerson (1363-1429), Reformpriester, seit 1395 Professor und Kanzler an der Pariser Sorbonne stellt 1408 im dritten Teil seines Werkes Opus tripartium die Kunst des [heilsamen] Sterbens (lat. ars moriendi) dar. Er formuliert vier Stufen des geistlichen Sterbeprozesses:

1. Ermahnungen (lat. exhortationes) - sich durch die E. allmählich Gottes Ratschluß zu unterwerfen und das von ihm gesandte Leiden geduldig zu ertragen.
2. Fragen (lat. interraogationes) - Reue des Kranken ob seiner Sünden vor Gott und die Bitte um Vergebung vor demselbigen.
3. Gebete (lat. orationes) - Der Sterbende bittet um Beistand bei Gott, der Heiligen Jungfrau Maria , dem Schutzengel und den Schutzheiligen, insbesondere der Sterbepatrone St. Christophorus und St. Barbara.
4. Vorschriften für den Sterbehelfer (lat. observationes) - die Beichte und Letzte Ölung getreffend.

Dieses Werk verbreitete sich rasch in Frankreich, dient als Unterrichtsstoff für Priester sowie Laien und wird innerhalb weniger Jahre mehrfach ins Deutsche übersetzt. Hieraus entstehen Sterbebüchlein und Stundenbücher, die zur Erbauung für alle Lesekundigen bestimmt sind und größte Volkstümlichkeit erlangen. Das berühmteste Sterbebüchlein des 15. Jahrhunderts ist die Ars moriendi der fünf Anfechtungen, die sogenannte Bilder-Ars. Sie wird zwischen 1450 und 1460 gedruckt und umfaßt insgesamt elf Holzschnitte sowie 13 Seiten Text.
Im Gegensatz zu Gerson werden hier alle Empfehlungen auf die Todesstunde zugespitzt, insbesondere die Abwehrmaßnahmen gegen die fünf Anfechtugen des Teufels (Glaubensversuchung, Ungedult, Verzweiflung, Hochmut und Geiz).
Das einflußreichste Sterbebüchlein, das Speculum artis bene moriendi (Spiegel der Kunst des guten Sterbens), basiert auf den genannten Vorbildern und geht auf den Magister und Rektor der Wiener Universität, Nikolaus von Dinkelsbühl (ca. 1360-1433) zurück. Der große Ruf dieses Gelehrten führt zu zahlreichen Übertragungen des Werks ins Deutsche, wie die verschiedenen Handschriften belegen, in denen der Text teilweise auch neu bearbeitet ist.
Mit dem Auftreten der Pest, verstärkt durch die Krise der Reformationszeit im 16. Jahrhundert, tritt der Gedanke an Tod und Sterben immer stärker in den Vordergrund.
 
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