Aufstieg und Untergang

Die iberische Halbinsel fiel im 8. Jhdt. an die Araber (auch hier wieder ein Beispiel das ein politisch--militärisches Vakuum zur Ausdehnung einer anderen Macht führt).
und zuvor etablierten dort die vom Arianismus zur römischen Kirche konvertierten Westgoten den ersten mittelalterlichen Feudalstaat, der so gesehen nicht eine direkte Weiterführung römisch-imperialer (Teil)Staatlichkeit darstellte.
 
Die Kirche und römische Verwaltung blieb bestehen. Die mittelalterlichen Titel eines Grafen oder Herzogs (dux bzw. comes) gehen auf spätantike Beamtenfunktionen auf Provinzebene zurück. Aber es gab auch Rückschritte: die Städte wurden kleiner, der Warenverkehr wurde geringer.
dux, comes => Graf, Herzog
ich glaube nicht, dass der mittelalterliche Feudalismus als Fortsetzung spätantiker Beamtenfunktionen betrachtet werden kann.

"die Kirche" war in Spätantike und Frühmittelalter auch nicht überall uniform dieselbe: zwischen irischer Mission, fränkischer Kirche und gelehrsamen byzantinischen Konzilen kann man einige Unterschiede feststellen.

Dass im 8. oder 9. Jh. in Europa das administrative Niveau seit der "Römerzeit" aufrecht erhalten worden sei, halte ich für eine Fiktion. Den Anspruch und den politischen Willen römische Verwaltung etc. aufrecht zu erhalten oder daran anzuknüpfen gab es sehr wohl, aber die Umsetzung kann man nicht eben als gelungen bezeichnen...
 
und zuvor etablierten dort die vom Arianismus zur römischen Kirche konvertierten Westgoten den ersten mittelalterlichen Feudalstaat, der so gesehen nicht eine direkte Weiterführung römisch-imperialer (Teil)Staatlichkeit darstellte.

Wie ich oben schrieb, sehe ich Kontinuitäten und Diskontinuitäten in dieser Epoche. Ich bin mit der Geschichte der Westgoten und der Etablierung des Feudalsystems nicht allzu vertraut, würde aber ad hoc sowohl Gemeinsamkeiten mit dem germanischen System der Gefolgschaft (Abhängigkeit von einem König oder Adeligen) aber auch mit dem römischen System des Klientelwesens vermuten.
 
Wie ich oben schrieb, sehe ich Kontinuitäten und Diskontinuitäten in dieser Epoche.
Da sind wir uns einig!
Ich selber würde das Verhältnis Kontinuitäten zu Diskontinuitäten in Zahlen als 60 : 40 ausdrücken, also mehr Diskontinuitäten.

Was mir aber noch nicht einleuchtet, und damit retour zum Thema, ist der Vergleich mit späteren frühneuzeitlichen Kolonialstaaten. Weder das spanische "Weltreich" noch das British Empire haben sich aufgrund des äußeren Drucks in eine untergehende West- und eine haltbare Osthälfte teilen müssen; auch siedelten sie keine externen barbarischen Söldner an, um diesen irgendwann fast das gesamte Militär zu überantworten (das späte weströmische Reich hatte keine eigenen Legionen mehr: Aetius befehligte ein buntes Gemisch aus diversen Foederaten) -- direkte Parallelen kann ich nicht erkennen.
 
...Weder das spanische "Weltreich" noch das British Empire haben sich aufgrund des äußeren Drucks in eine untergehende West- und eine haltbare Osthälfte teilen müssen...
Das kann man aber auch anders sehen, das "big business" war im Osten und der Westen ist verarmt und hat dadurch für das Gesamtreich an Bedeutung verloren, Versuche der Wiedereingliederung wurden irgendwann auf Grund einer Kosten- Nutzen Rechnung unterlassen.
Wenn man das nicht auf einzelne Staaten reduziert kann man vielleicht Parallelen zur "westlichen Welt" ziehen, Europa verarmt und wird bedeutungslos und die USA wirds noch länger geben.
 
Wenn man das nicht auf einzelne Staaten reduziert kann man vielleicht Parallelen zur "westlichen Welt" ziehen, Europa verarmt und wird bedeutungslos und die USA wirds noch länger geben.

Wie ich schon feststellte: Wenn das Abstraktionsniveau nur hoch genug ist, kann man Alles herleiten. Leider beweist man damit Nichts.
 
Das kann man aber auch anders sehen, das "big business" war im Osten und der Westen ist verarmt und hat dadurch für das Gesamtreich an Bedeutung verloren, Versuche der Wiedereingliederung wurden irgendwann auf Grund einer Kosten- Nutzen Rechnung unterlassen.
Wenn man das nicht auf einzelne Staaten reduziert kann man vielleicht Parallelen zur "westlichen Welt" ziehen, Europa verarmt und wird bedeutungslos und die USA wirds noch länger geben.

Einige Historiker haben bereits darauf hingewiesen, dass die Spätantike keine "allgemeine Verarmung" bzw. einen Bevölkerungsrückgang mit sich brachte. Es gab natürlich Provinzen, die besonders schlimm getroffen wurden (Dacia musste evakuiert werden, Germanien wurden mehrmals geplündert, Britannien... nun ja). Aber im Osten gab es, nachdem das Reich die Krise des 3. Jahrhunderts überwunden hatte, auch viele Regionen, in denen die Spätantike und damit die Phase des "Untergangs" (zumindest der Untergang Westroms) eine neue Blüte bedeuteten.

Gleichzeitig litt zwar der Westen unter den Kriegen, Bürgerkriegen und Einfällen. Aber Italien verlor nicht all sein wirtschaftliches und demographisches Potenzial, auch nach der Absetzung des Augustulus. Noch unter den Ostgoten versammelte sich der Senat, und das römische Recht kam für Römer weiterhin zur Anwendung. Paradoxerweise begannen für Italien die Probleme erst, als Ostrom unter Iustinianus eine Rückeroberung des Westreiches in Angriff nahm.

Es gibt also keine wirklichen Parallelen zwischen dem Untergang "des Westens", der "Dekadenz des Abendlandes" um einmal bestimmte Autoren der Neuzeit zu zitieren und dem Fall Roms. Ich würde Roms Fall vor allem auf den Zeitpunkt der Völkerwanderungen zurückführen: die trafen Rom nämlich am ungünstigsten Zeitpunkt, als innenpolitische Probleme (vor allem der Bürgkrieg, aber auch die Teilung nach Theodosius) dem Reich Probleme bereiteten.

Und wie Agricola schon sagte: in den Fall Roms kann man so ziemlich alles hineininterpretieren und mit ihm so ziemlich alles legitimieren.
 
Was die Frage aufwirft, ob es so etwas wie archaische Kerne des Verhaltens gibt, sozusagen Programmierungen aus der Frühzeit des Menschen.

Sicher wirken sich die Umweltbedingungen iwS aus. Die Handvoll Akteure zB in der Julikrise 1914 sind so heute nicht vorstellbar. Andere Kommuniktion (Möglichkeiten und Geschwindigkeiten) könnte andere Ergebnisse bringen, und ein weiterer Aspekt ist auch die Quantität der Akteure.

Wenn es archaische Kerne geben würde, würde das Hegel bestätigen. Nur wenn alle Menschen gleich "ticken" und handeln kann Geschichte rückblickend vom Ende her verstanden werden. Ich kann das aber nicht glauben. Menschen ticken nicht alle gleich bloß weil sie Menschen sind. Noch wichtiger: Egal wie Menschen ticken können sie in ganz verschiedenen Gesellschaftsformen leben. Überspitzt: Es spricht nichts dagegen daß ein Individuum gleichzeitig einer Mönchsgemeinde und einer terroristischen Vereinigung angehört. Oder daß ein Individuum seinen Hund liebt und artgerecht behandelt und gleichzeitig in einem KZ Menschen "vernichtet".

Dass wir alle Menschen sind, legt nicht fest wie die Gesellschaften aussehen in denen wir leben. Menschen sind da offenkundig sehr flexibel.

Das gilt umsomehr für so Prozesse wie Staatenbildung oder Staatsverfall, wo der Einzelne nichtmal großartige Einflußmöglichkeiten hat. "Marionetten sind wir, von unbekannten Gewalten am Drahte gezogen....." Keine Ahnung ob ich Büchner jetzt richtig zitiert habe. So ähnlich hat er es jedenfalls geschrieben.

Wenn es wirklich so wäre daß man Geschichte rückblickend verstehen kann, dann wäre nicht verständlich warum menschliche Gesellschaften unter ganz ähnlichen äußeren Bedingungen, im weitesten Sinne, so unterschiedliche Formen annehmen konnten. Hier Matriarchat, dort Patriarchat. Hier friedfertig, dort kriegerisch. Hier auf Expansion ausgerichtet, dort nach innen gerichtet. Hier auf Blutsverwandschaft ausgerichtet, dort auf Lebensphasen. Ein Papua-Stamm ist ein Stamm. Ein indischer Stamm ist auch ein Stamm. Beide haben ziemlich ähnliche Umweltbedingungen. Im weitesten Sinne. Trotzdem ähneln sie sich gar nicht.

Am "Menschsein" kann man nicht festmachen wie Gesellschaften sich entwickeln. Deshalb gibt es heute auch Wissenschaften die das Menschsein untersuchen und andere Wissenschaften, die Gesellschaften untersuchen.
 
Eigentlich gehen Hegel und Marx vom gleichen Sachverhalt aus: nämlich von dem daß Menschen, die neues schaffen wollen, dies leichter hinbekommen wenn sie auf Vorbilder zurückgreifen können. Im Sinne von: Nur wenige Menschen können Dinge denken die noch nie gedacht worden sind.

Wem sagst du das - ich gehöre ja zu ihnen... Aber Scherz beiseite: Trotz deiner interessanten Einwände sehe ich immer noch nicht, wie Marxens ´Hinzufügung´ auch nur im geringsten auf Hegels Beispiel betr. Cäsar und Augustus anwendbar wäre. Marx schreibt im Absatz nach dem von El Quijote zitierten Satz:

Und wenn sie (= die Menschen, Anm. Chan) eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen, noch nicht Dagewesenes zu schaffen, gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit zu ihrem Dienste herauf, entlehnen ihnen Namen, Schlachtparole, Kostüm, um in dieser altehrwürdigen Verkleidung und mit dieser erborgten Sprache die neuen Weltgeschichtsszene aufzuführen.

Ich halte es für ausgeschlossen, dass Marx damit auch Hegels Cäsar/Augustus-Beispiel einbezieht oder einbezogen hätte. Octavian, der "ängstlich die Geister der Vergangenheit zu (seinem) Dienst heraufbeschwört"? Da Marx schreibt, dass Hegel jenen Ausspruch "irgendwo" getan hätte und dieser Ausspruch von Marx dann auch noch verzerrt wiedergegeben wird (bei Hegel sehe ich nicht, dass "alle" großen Personen und Ereignisse sich "zweimal ereignen", sondern nur einige), gehe ich davon aus, dass er die entsprechende Hegel-Stelle gar nicht mehr bewusst im Kopf hatte und sie deswegen aus der vagen Erinnerung heraus falsch interpretierte. Hegel schreibt im Kap. 35 über Augustus:

In dem Individuum des Imperator ist die partikulare Subjektivität zur völlig maßlosen Wirklichkeit gekommen. Der Geist ist ganz außer sich gekommen, indem die Endlichkeit des Seins und des Wollens zu einem Unbeschränkten gemacht ist.

Klingt das nach einer Farce, d.h. nach einer unfreiwilligen Parodie auf Julius Cäsar? Ich denke nicht. Übrigens hat Marx den Augustus als 17jähriger (in einem Lateinaufsatz) eher bewundert. Wie er später über ihn dachte, ist mir im Moment nicht bekannt.

Im übrigen ist Octavian ein gutes Beispiel dafür, dass man eben doch "aus der Geschichte lernen kann", denn er hat aus Cäsars Fehlern gelernt (d.h. aus ´taktischen´ Fehlern) und damit seine Regentschaft auf ein sichereres Fundament gestellt als Cäsar dies tat. Dass dazu auch eine brutale Kompromisslosigkeit bei der Ausschaltung persönlicher Gegner (z.B. Cicero) gehörte, während Cäsar seine Gegner mit Milde (Clementia Caesaris) behandelte, ist bekannt. Ohne seine Clementia hätte Cäsars Diktatur - unter rechtzeitiger Ausschaltung von Brutus und Cassius - sicher sehr viel länger gewährt.
 
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Das kann man aber auch anders sehen, das "big business" war im Osten und der Westen ist verarmt und hat dadurch für das Gesamtreich an Bedeutung verloren, Versuche der Wiedereingliederung wurden irgendwann auf Grund einer Kosten- Nutzen Rechnung unterlassen.
Sie sind eher gescheitert als unterlassen worden bzw. reichten die Möglichkeiten zu großangelegten Rückeroberungsfeldzügen einfach nicht mehr. Außerdem war zumindest Nordafrika wirtschaftlich wichtig. Nach seiner Eroberung durch die Vandalen versuchten das west- und das oströmische Reich es in einer großangelegten Unternehmung unter dem Feldherrn Basiliskos gemeinsam zurückzuerobern, der Versuch endete aber in einem Desaster. Erst unter Iustinian klappte es bekanntlich, der sich dann auch noch Italien und Südspanien zurückholte. Doch auch später ließ man nicht so einfach vom Westen. Nachdem ein Teil Italiens an die Langobarden gefallen war, führte der oströmische Kaiser Konstans II. persönlich einen Feldzug zur Rückeroberung an (und das in einer Zeit, als das Reich andernorts massiv von den Arabern bedrängt wurde), der aber erfolglos blieb. Um Süditalien und Sizilien wurde noch bis ins 11. Jhdt. mit Arabern und Normannen erbittert gerungen.

Im übrigen ist Octavian ein gutes Beispiel dafür, dass man eben doch "aus der Geschichte lernen kann", denn er hat aus Cäsars Fehlern gelernt (d.h. aus ´taktischen´ Fehlern) und damit seine Regentschaft auf ein sichereres Fundament gestellt als Cäsar dies tat. Dass dazu auch eine brutale Kompromisslosigkeit bei der Ausschaltung persönlicher Gegner (z.B. Cicero) gehörte, während Cäsar seine Gegner mit Milde (Clementia Caesaris) behandelte, ist bekannt. Ohne seine Clementia hätte Cäsars Diktatur - unter rechtzeitiger Ausschaltung von Brutus und Cassius - sicher sehr viel länger gewährt.
Dass Octavian aus Caesars Fehlern gelernt und daher alles oder zumindest vieles besser gemacht habe als Caesar, wird gerne behauptet, halte ich jedoch zu einem Gutteil für einer eher oberflächlichen Betrachtung geschuldet bzw. wird vom Ergebnis (der eine ermordet, der andere nicht) auf Fehler und Bessermachen zurückgeschlossen. Octavian hat tatsächlich teilweise aus Caesars Fehlern gelernt und z. B. die Übernahme der Dictatur abgelehnt und den Senat entgegenkommender behandelt, aber auch er hat Maßnahmen ergriffen, die ihn Kopf und Kragen kosten können hätten, und letztlich war er seinem Adoptivvater so unähnlich auch wieder nicht. Z. B. stützte er zu Beginn seiner Alleinherrschaft seine Macht noch primär auf das Konsulat, das er von 31 bis zum ersten Halbjahr 23 durchgehend bekleidete. Das war mit den republikanischen Traditionen nicht vereinbar und letztlich nicht viel anders als Caesars Vorgangsweise: In beiden Fällen wurde ein republikanisches Amt, das eigentlich nur zur befristeten Bekleidung gedacht war, zur dauerhaften Machtausübung pervertiert. Augustus' Handeln mag weniger drastisch erschienen sein, Feinde machte er sich damit aber auch. Überhaupt nicht dem Herkommen hatte davor auch seine quasidiktatorische Stellung als Triumvir (die anders als beim 1. Triumvirat offizieller Natur war) entsprochen. Vor allem in seinen ersten Jahren als Triumvir war Octavian alles andere als beliebt, insbesondere wegen der Konfiszierung von Land für die Veteranen und der Proskriptionen; die Bewohner Italiens flohen in Scharen nach Sizilien zu Sextus Pompeius. Und auch gegen Augustus gab es zeitlebens mehrere Verschwörungen, die er zwar bekanntlich überlebte, aber auch Caesars Ermordung war keineswegs unausweichlich gewesen, immerhin war er sogar gewarnt worden.
Und was die Milde des einen und die Brutalität des anderen betrifft: Ciceros Tod war der Wunsch von Marcus Antonius, Octavian stimmte lediglich zu. (Generell ließen die drei Triumvirn einander bei der Ausschaltung von Gegnern weitgehend freie Hand.) Aber auch Augustus ließ nicht alle Gegner töten. Bekannte Gegner, die verschont wurden und teilweise noch Karriere machten, waren Messalla und Asinius Pollio sowie die meisten Kinder von Marcus Antonius. Gerade von letzteren erwuchs ihm Gefahr: Den Iullus Antonius machte er sogar zum Konsul, trotzdem verschwor sich dieser später gegen seinen Gönner.
 
Es hat etwas gedauert, aber jetzt habe ich den Beweis.

Man kann einzig und allein aus der Geschichte lernen, da nichts schneller als das Licht ist. :D

Gut, ja. Aber wann fängt Geschichte an. Wenn der Lehrer gesagt hat, dass die Übersetzung von monstrum mit Monster nicht elegant ist, ist das sicher kein Lernen aus der Geschichte. [Wir haben dann die Übersetzung in Gemeinschaftsarbeit gereimt, an passender Stelle das Monster weggelassen, was ihn tatsächlich ärgerte.]

Wenn ich von Veteranen höre, dass ein Schießbuch mit guten Ergebnissen unvorteilhaft sei, und ich das bei der Bundeswehr umsetze, indem ich nicht gut ziele, ist es sicher grenzwertig. [Die Empfehlung bekam ich unabhängig voneinander durch 3 Weltkriegsveteranen als ich einberufen wurde. Daran gehalten habe ich mich leichtsinniger Weise nicht, da es gegen meinen Stolz als Sportschütze ging.]

Wenn ich aber höre, dass Cato Entscheidungen durch Dauerreden verhindert hat, und deshalb eine Verfassung oder eine Geschäftsordnung so gestalte, dass dergleichen verboten ist, habe ich durch die Geschichte gelernt. [Verfassungen fasse ich nicht an. Erstens aus Prinzip. Zweitens aus mangelnder Machtfülle.]

Was haben die beiden Beispiele gemeinsam? Es kommt nicht auf den aktuellen Anlass an. Das Verhalten generell wiederholt sich.
(Vom monstrum will ich das nicht sagen. Im Lateinischen gibt es zu viele Ausnahmen.;))

Dass die aktuelle Situation verschieden ist, hat nichts mit der Effektivität einer Verhaltensweise zu tun. Wäre das so, gäbe es keine Evolution. Denn ein Vorteil könnte nur ein einziges mal wirken.

(Und den eigentlich nicht gemeinten Trivialfall sollte man auch nicht vergessen:
Ich kann auch nur aus der Geschichte lernen, wie Uniformen unter dem alten Fritz aussahen, wie Cäsar Gallien eroberte und wann Karl der Große gekrönt wurde.)

Dazu gehört auch, dass wir bewährte Verhaltensweisen nicht aufgeben wollen. Das kann dann auf veränderter Grundlage zu Misserfolgen und dem Untergang von Reichen führen:
Denken wir an das Festhalten Preußens am Militär des alten Fritz, an das Ignorieren auswärtiger Gegner durch die Römer, wenn es einen im Innern gab und das Ignorieren neuer Forderungen aus den Kolonien in Frankreich Mitte des 20.Jahrhunderts.
 
Vielleicht finden sich in der Geschichte lehrreiche Beispiele, wie diesem Missstand abzuhelfen ist. :D

Erstens das, und zweitens verdankt sich die bundesrepublikanische Verfassung ja gerade einem Lernen aus der Geschichte, d.h. aus der Fehlern der Verfassung der Weimarer Republik. Nur ein paar Beispiele:

+ in WR keine Sperrklausel. daher chaotische Parteienvielfalt im Parlament

+ in WR Gesetzgebung auch durch Volksentscheid, daher Einflusspotential für extremistische Volksverhetzung

+ in WR starker Reichspräsident, daher hohes Risiko durch unqualifizierte Entscheidung eines Einzelnen (Hindenburg)

+ in WR keine unverrückbare Stabilität der obersten Wertgesetze (Grundrechte), die durch Abstimmung verändert werden konnten

Das alles wurde durch die neue Verfassung verändert.

Grundsätzlich bin ich sehr skeptisch, wenn Nichtpraktiker in Sachen Politik - wie z.B. einige User in diesem Forum - behaupten, man könne "aus Geschichte nichts lernen". Da vertraue ich eher auf Praktiker wie Winston Churchill, der bekanntlich den Ausspruch tat:

Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter kann man vorausschauen.
 
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Grundsätzlich bin ich sehr skeptisch, wenn Nichtpraktiker in Sachen Politik - wie z.B. einige User in diesem Forum - behaupten, man könne "aus Geschichte nichts lernen".

Geschichtswissenschaft beschäftigt sich immer sehr stark mit Politik. Sie steht damit den "theoretischen" Politologen näher, als unsere real merkelnden Praktiker. Von daher ist deine Aussage also unsinnig.

Dass die Gründerväter der Bundesrepublik versucht haben, Fehler der Weimarer Republik zu vermeiden, ist offensichtlich. Ich würde das aber nicht "aus der Geschichte lernen" nennen. Sondern "auf die jüngste Geschichte reagieren". Das hat bereits Augustus getan, als er vermied, was seinem Onkel das Leben kostete. Ob unsere Gründerväter auch etwas gelernt haben, sei dahingestellt. Dazu hätten sie zu ihrer Zeit bereits die Weimarer Republik vollumfänglich verstehen müssen; und sie hätten unabhängig sein müssen.

Mir wäre aber nicht bekannt, daß sich in unserer Verfassung irgendwelche Hinweise auf Lehren aus dem Aufstieg oder Untergang des römischen Reiches finden lassen. Denn das wäre noch viel unsinniger.
 
Ich rede von Praktikern. Bist du ein aktiver Politiker?

Nein. Deine Praktiker haben leider keine Ahnung von der Fragestellung, die wir hier gerade diskutieren. Da müsstest du schon nach Politologen oder Geschichtswissenschaftlern fragen. Aber jedes Mitglied unseres Bundestages dürfte, sofern es nicht über eine einschlägige wissenschaftliche Ausbildung verfügt, hier vollkommen überfordert sein.
 
Sollten wir uns nicht alle politisch engagieren? Und wo fängt dann der Politiker an?

Relevant ist die Frage in Hinsicht darauf, ob z.B. Aetius über die Situation Roms reflektierte und inwieweit er aus Erfahrungen vergangener Zeiten heraus handlen konnte. Ist Lernen aus der Geschichte nicht möglich, wäre er auf die eigene Erfahrung beschränkt.
 
Man kann, so finde ich, sehr wohl aus der Geschichte lernen so wie man aus politischen Niederlagen/Siegen lernen kann, auch wenn das nur heißt, dass man Ursachen und Wirkungen erkennt und die gleichen Fehler nicht wiederholt.


So simpel, wie mancher glauben möchte, wiederholen sich Ereignisse nicht und es werden neue Fehler gemacht. Die Gründerväter der USA, jedenfalls die meisten vo ihnen waren klassisch gebildet und glaubten aus dem Scheitern der römischen Republik lernen zu können. Dass es ein eklatanter Widerspruch war, die recht radikalen Widerstands- und Emanzipationsrechte selbstbestimmtes Leben, persönliche Freiheit und das Streben nach Glück(lichkeit) die sie für sich geltend machten, anderen aber vorenthielten, war den meisten durchaus bewusst. Das Wort Sklaverei wird in der Unabhängigkeitserklärung gemieden wie eine gefährliche Klippe. Hätte man aber die Sklaverei abgeschafft, die 1776 auch noch in Nordstaaten wie New York und Massachusetts und Pennsylvania existierte, die im 19. Jhd zu den Hochburgen des Abolitionismus gehörten- hätten die Kolonien Georgia, Virginia, Maryland, Delaware und die Carolinas nicht mitgemacht.
 
Deine Praktiker haben leider keine Ahnung von der Fragestellung, die wir hier gerade diskutieren. Da müsstest du schon nach Politologen oder Geschichtswissenschaftlern fragen. Aber jedes Mitglied unseres Bundestages dürfte, sofern es nicht über eine einschlägige wissenschaftliche Ausbildung verfügt, hier vollkommen überfordert sein.

Hier wäre zunächst die Frage nach der Definition von "Geschichte" zu stellen. Im Duden heißt es: Geschichte ist ein

politischer, kultureller und gesellschaftlicher Werdegang, Entwicklungsprozess eines bestimmten geografischen, kulturellen o.ä. Bereichs

Der Begriff umfasst also nicht nur internationale großräumige Geschichte, sondern alle möglichen speziellen Sparten und geografischen Eingrenzungen. Es gibt z.B. Regional- und Stadtgeschichte, Rechtsgeschichte, Medizingeschichte usw. usf. Damit erzähle ich nichts Neues, es scheint aber in dieser Debatte irgendwie vergessen worden zu sein. Ein Historiker oder Politologe wird in bestimmten Problembereichen, die politisch zur Entscheidung anstehen, weniger kompetent sein als ein fachlich entsprechend gebildeter Kollege. "Aus der Geschichte lernen" kann in bestimmten Kontexten also ein Wissen voraussetzen, dass den von dir beschworenen Profihistorikern ermangelt.

Dein oben zitiertes Argument verengt somit den Blick auf die Fragestellung, weil es den Geschichtsbegriff verengt.

Dazu kommt, dass profunde historische Kenntnisse nicht unbedingt ein Fachstudium voraussetzen. Merkel ist Physikerin, hat aber sicher ausgezeichnete Kenntnisse zumindest der neueren nationalen und internationalen Geschichte. Gleiches gilt grundsätzlich für jeden Politiker, der auf national und international relevanten Entscheidungsebenen mitmischt, zumindest sollte man das bis zum Beweis des Gegenteils unterstellen. Merkel ist übrigens häufig bemüht, geschichtliche Analogien herzustellen, um ihre Entscheidungen oder ihre Sichtweise zu begründen. Das wird ihr von Gegner wiederum oft als unzulässige Methode vorgeworfen. Das grundsätzliche Gegenargument lautet (schon von Hegel verwendet), dass Situationen immer singulär seien und daher spezielle Entscheidungen erfordern, die nicht aus der Verallgemeinerung historischer Analogien abgeleitet werden können. Die Wahrheit dürfte aber in der Mitte liegen, d.h. das Singuläre und das Analogisch-Allgemeine müssen zum Zweck einer optimalen Entscheidungsfindung verknüpft werden. Jeder Mensch geht im Alltagsleben genauso vor: Er/sie berücksichtigt die singulären Umstände, schöpft bei seiner/ihrer Entscheidung aber auch aus der Erfahrung (= persönliche Geschichte).

Zudem ist die Entscheidungssituation nicht immer so kompliziert, dass sie einen Rückgriff auf Analogien erfordert. Das von mir genannte Beispiel der Verfassung der Weimarer Republik zeigt doch, dass es reicht, bestimmte Fehler (z.B. in einer Verfassung) zu erkennen, deren Negativeffekte durch Fehlerbehebung vermieden werden können. Das Erkennen dieser Fehler anhand ihrer Folgen ist dann das "Lernen aus der Geschichte".

Dass man aus der Geschichte lernen kann, das ist in Einzelfällen also gut belegbar. Ich und andere haben diverse Beispiele genannt. Die generelle Aussage "Man kann nicht aus der Geschichte lernen" (die auch von Hegel vertreten wird) ist damit widerlegt, denn wissenschaftstheoretisch gilt, dass ein Gegenbeispiel ausreicht, um eine Allaussage als falsch zu erweisen. Die Frage ist also nicht, ob man aus Geschichte lernen kann, sondern auf welche Weise das zu tun ist und welche Vorsichtsregeln zu beachten sind.

Abschließend ein Link zu einem Artikel, an dessen Ende es heißt:

Geschichte wiederholt sich nicht, aber die historische Analogie gibt Hinweise, worauf zu achten ist und was man falsch machen kann.


Historische Analogie als politische Orientierung - The European
 
Grundsätzlich bin ich sehr skeptisch, wenn Nichtpraktiker in Sachen Politik - wie z.B. einige User in diesem Forum - behaupten, man könne "aus Geschichte nichts lernen". Da vertraue ich eher auf Praktiker wie Winston Churchill, der bekanntlich den Ausspruch tat:

Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter kann man vorausschauen.
Dazu drei Anmerkungen/Fragen:

1. Wie weit hat der Praktiker Churchill denn zurück- oder vorausgeschaut? War der nicht einer der Akteure der Julikriese? Besonders vorausschauend kommt der mir rückschauend betrachtet nicht vor.

2. In Deutschland gibt es keine Ausbildung zum Berufspolitiker. Alle politischen Praktiker die hierzulande am werkeln sind, waren also irgendwann Nichtpraktiker. Mir fällt auf Anhieb auch kein Land ein in dem "Politiker" ein Ausbildungsberuf ist.

3. Wir diskutieren gar nicht über die Frage ob man aus der Geschichte lernen kann. Wir diskutieren über die Frage ob Geschichte sich wiederholt.
 
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