Na dann will ich mal eine ganz grobe, stark verkürzte Einschätzung der Außenpolitik des Dritten Reiches bis zum Kriegsausbruch 1939 versuchen (wesentliche Daten der Ereignisse setze ich mal voraus):
1. die Phase der Konsolidierung des Dritten Reiches:
(z.B. Höhne, Heinz, Die Zeit der Illusionen Hitler und die Anfänge 1933-1936, 1991)
Von Beginn an ist die Außenpolitik des Dritten Reiches auf die Revision des Versailler Vertrages gerichtet. Weil diese kalkuliert auch mit militärischen Mitteln durchgesetzt werden soll, beginnt frühzeitig die Aufrüstung der Reichswehr/Wehrmacht. Dieses erfolgt zunächst geheim, wie der Aufbau der Luftwaffe, etc., weil hierin bereits ein Verstoß gegen den Versailler Vertrag vorlag.
Hitlers Außenpolitik ist dabei durchaus (in seinen kleinen Anfangsschritten) machtbewußt und rational in den Entschlüssen: so folgt frühzeitig zur allgemeinen Überraschung der dt.-poln. Nichtangriffsvertrag, logisch insofern, als die ersten Ziele der Revision im Westen liegen (Saarland, Rheinland). Der Vertrag bringt die erforderliche Ruhe im Osten und den dort - wohl in Hitlers Vorstellungen nur temporär - notwendigen Ausgleich. (z.B. Ahmann, Rolf, Nichtangriffspakte: Entwicklung und operative Nutzung in Europa 1922-1939, aus 1988).
Die Außenpolitik der Phase 1933-1936 folgt insoweit den, noch recht rational eingeschätzten, machtpolitischen Möglichkeiten Die Durchbrechungen des Versailler Vertrages erscheinen rückschauend riskant, aber wohl-kalkuliert vor dem Hintergrund britischer Beschwichtigungspolitik, die auch auf deutscher Seite wohl vermerkt und benutzt wird, siehe dt.-britisches Flottenabkommen 1935 (die Abwesenheit der SU und der USA von der außenpolitischen Bühne Europas ist erwähnenswert). Auch andere Ereignisse, wie die Olympischen Spiele, fallen in diese Phase der Konsolidierungspolitik. Die dann folgenden Schritte sind bekannt, ich würde diese Phase mit der Achse Berlin-Rom und dem Antikominternpakt 1936 schließen. Interessanterweise ordnet Roosevelt trotz der zwischenzeitlichen Schritte (Rheinland, Wiederbewaffnung etc.) das Deutsche Reich 1937 noch nicht offen den „Aggressor-Staaten“ zu (Quarantäne-Rede,
http://www.geschichtsforum.de/showthread.php?t=7005&highlight=b%FCrgerkrieg ), als solche sieht er 1937 bislang nur Italien und Japan. Bei der Einmischung im spanischen Bürgerkrieg ist die deutsche Rolle gegenüber Italien und der Sowjetunion eher nachrangig einzuordnen.
2. Phase: Außenpolitik in militärischer Eskalation:
Der Einschnitt wird durch Hitlers „politisches Testament“ offen dokumentiert, in der Hoßbach-Schrift niedergelegt (und in den weiteren Besprechungen, Schmundt-Protokoll etc. fortgeführt). Es stellt in dieser Hinsicht den Abschluss der machtbezogenen Konsolidierungspolitik des Dritten Reiches dar. In der Besprechung wird ein Krieg als Szenario entworfen, um die weiteren Revisionen (Sudetengebiet, Danzig-polnische Frage, Memelgebiet), aber auch den Anschluss Österreichs zu erzwingen. Beide Phasen (Konsolidierung in der Vorstufe und folgende Aggression) würde ich gedanklich nicht trennen, die weiteren Schritte bedingen die Vorbereitung wie beschrieben. Der Osten war dabei stets im Blickfeld der Lebensraumvorstellung Hitlers, im Sinne seiner Vorstellung des politischen Darwinismus im „Überlebenskampf der Völker“. Konsequent wird nun die Außenpolitik ab 1937 dem gewachsenen militärischen Potential und den militärischen Notwendigkeiten der Durchsetzung und mit weitreichenden Zielen untergeordnet. Sie stellt zugleich Umsetzung der Machtpolitik wie auch Zulieferer der Anlässe für militärische Eskalationen dar. Im Fall der Besetzung des Sudetengebietes und der der Rest-Tschechei war sich Hitler vollkommen sicher, dass die Westalliierten nicht eingreifen werden. Nicht so zunächst im Fall Polen. Hier lag der machtpolitische Gipfel: Weil ein Zweifrontenkrieg ausgeschlossen werden musste, und die Westalliierten ohne den Beistand der SU nach Hitlers Auffassung nicht eingreifen würden, wurde entgegen nationalsozialistischer Weltanschauung ein temporärer Vergleich selbst mit dem ideologischen „Endgegner“ Sowjetunion gesucht. Dessen Territorium stellte nämlich stets erklärtes letztes Ziel der Lebensraumpolitik Hitlers dar. Zitat Hitler im November 1939: „Ich war mir unsicher, ob ich zuerst im Westen oder im Osten losschlagen sollte“. Die Machtpolitik kalkulierte also wechselnde Allianzen ein: noch 1938 gab es Erwägungen, Polen für eine gemeinsame Aufteilung der Ukraine zu interessieren, Hitler war daran kaum interessiert. Kurz nach der Einverleibung der Rest-Tschechei werden die Anweisungen für Fall Weiss entworfen, den Angriff auf Polen.
Zusammengefasst: Die Außenpolitik des Dritten Reiches ist von Beginn an der – wenn nötig – gewaltsamen Revision des Versailler Vertrages im Nahziel, der Lebensraum-Ideologie im Fernziel untergeordnet und zugleich Ausdruck ihrer Umsetzung. Diese ideologische Komponente der Machtpolitik überschreitet schließlich im Angriff auf Polen zugleich die - nur theoretischen - Revisionsgrenzen des Versailler Vertrages in der Einschätzung der anderen Großmächte Europas. Die Einschätzung der Reaktionen außenpolitischer Gegenspieler wurde dabei zunehmend der Realität entrückt, so wie die sachbezogenen Ratgeber der alten Weimarer Ministerialbürokratie im Außenministerium an Einfluss verloren. Das Verhalten anderer Staaten wurde nunmehr nach laienhaften Wunschvorstellungen bestimmt. Die Eskalation zum Krieg ist vorprogrammiert, so wie das Duo Hitler/Ribbentrop schließlich jeden Bezug zur Realität verloren hat.
Literatur z.B.:
Michalka, Ribbentrop und die deutsche Weltpolitik 1933 – 1940, Außenpolitische Konzeptionen und Entscheidungsprozesse im Dritten Reich, 1980
stark verkürzend auch:
http://lcweb2.loc.gov/cgi-bin/query/r?frd/cstdy:@field(DOCID+de0032)
P.s. sicherlich habe ich vieles in diesem Kurzabriß übersehen, aber die entsprechenden Daten sind leicht im Internet zu finden.