Außenpolitik Bismarcks -langfristige Stabilität oder Aufschub des 1. WK?

historybismarck

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Liebe Community,

ich suche stichhaltige Argumente zur Fragestellung
"Bismarcks Außenpolitik -langfristige Stabilität oder Aufschub des 1. WK?".

Für eine kurzfristige Stabilität und lediglich einen Aufschub des 1. Weltkriegs spricht zum Beispiel, dass Bismarcks Außenpolitik an seine Person gebunden war. Auch die Tatsache, dass er Rivalitäten zwischen den europäischen Großmächten schürte, um sie an gegenseitigen Bündnissen zu hindern, sorgt nicht unbedingt für eine langfristige Stabilität.

Habt ihr mehr Ideen? Auch Zitate oder Karrikaturen zu dem Thema würden mir sehr weiterhelfen! :)
 
Es gab vom 18.Januar 1871 keine Einbahnstraße zum Ersten Weltkrieg!

Bismarcks Außenpolitik als Reichskanzler des Deutschen Reiches war auf Sicherung des Erreichten angelegt. Ein Präventivkrieg gegen Frankreich war hingegen, insbesondere bis 1875, grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Bismarck wollte vorzugsweise von seinen monarchischen Bündnispartnern eine Besitzstandsgarantie einschließlich Elsass-Lothringens erreichen; das gelang aber nicht.

Nach 1875 war für Bismarck eigentlich klar, dass der Bestand des Deutschen Reiches, vielleicht auch der weitere Machtausbau, mit politischen sprich diplomatischen Mitteln zu erfolgen habe. Bismarck hielt das Deutsche Reich stets für gefährdet und sein Albtraum, eine Allianz zwischen Russland und Frankreich, ließ ihm ein kunstvolles Bündnissystem schaffen, um die Sicherheit durch numerische Überlegenheit zu gewährleisten.
Bismarcks Überlegungen kannst du gut im Kissinger Diktat nachlesen.

http://192.68.214.70/blz/eup/02_05_themenheft/themenheft_dokument6.asp
 
Die Fragestellung suggeriert ja, dass der Erste Weltkrieg unausweichlich war. Schon dass ist in meinen Augen problematisch.

Bismarck war darauf bedacht, das Reich in den Grenzen von 1871 zu sichern. Stabilität war für ihn ein wichtiges Ziel und ich meine, dass er es - objektiv gesehen - auch bis 1890 erreicht hat.
 
Die Fragestellung suggeriert ja, dass der Erste Weltkrieg unausweichlich war. Schon dass ist in meinen Augen problematisch.

Danke, dass ihr so schnell geantwortet habt.
Leider lässt sich an der Fragestellung nichts mehr ändern. Sie wurde für mein mündliches Abitur in zwei Wochen ausgewählt.
Auf der einen Seite gebe ich euch vollkommen Recht. Ich glaube weder, dass Bismarck nach der Krieg-in-Sicht-Krise 1875 noch ernsthaft über eine kriegerische Vorgehensweise (Präventivkrieg) nachdachte, noch, dass er zu Beginn seiner Amtszeit als Reichskanzler einen Weltkrieg erahnen konnte.
Doch bin ich der Meinung, dass er nicht die nötige Weitsicht besaß, um eine langfristige Stabilität erreichen zu können. Ja, kurzfristig war seine Politik sicherlich relativ stabil; er sicherte den Frieden während seiner Amtszeit und er hielt sich weitesgehend aus dem Kolonialismus, aber hätte er nicht einen Nachfolger in seine komplexen Strategien einweisen müssen? Und waren die Spannungen, die Bismarck einst schürte, nicht mit Auslöser für den 1. Wk?
Dass der Imperialismus der anderen Großmächte im Weltkrieg enden könnte, diese Eventualität bestand auch schon zu Bismarcks Zeiten. Die Frage ist, ob er mit seiner Politik eben über lange Sicht Stabilität erreichen hätte können, oder ob diese den sich anbahnenden Krieg nur aufzuschieben vermochte.
Weitere Ansätze:
Hat Bismarck, der den Obrigkeitsstaat mit "Eisen und Blut" wieder aufblühen ließ und den liberalen Bürgern und der Arbeiterschaft das Denken "abgewöhnte", nicht auch somit für Instabilität gesorgt?
Und hätte er mit Hilfe von Schlichtungsversuchen mit Frankreich für mehr Stabilität sorgen können?
 
Bismarcks "Spiel mit fünf Bällen" war nicht ganz ohne Risiko. Er wollte - laut dem Kissinger Diktat - die Rivalitäten, also die Konflikte, zwischen Österreich und Russland auf dem Balkan schüren, damit insbesondere Russland sich an Deutschland als möglichen Bündnispartner anlehnt. Zum Krieg sollte es aber nicht kommen ... so ein Konstrukt beinhaltet immer die Möglichkeit, dass ein Krieg ausbricht ("wegen einer dummen Sache auf dem Balkan" - wie Bismarck selbst sagte).

Das Auftreten als Vermittler, als "ehrlicher Makler", mit dem Bismarck die Konflikte immer wieder etwas entschärfen wollte, beinhaltete das Risiko, dass eine beteiligte Macht mit dem vermittelten Kompromiss nicht zufrieden war (in mindestens einem Fall war das dann auch Russland). Daher bestand die Gefahr, sich auch hier "Feinde" zu machen.

Russland war auch bald nicht mehr mit den Vorteilen, die sich aus dem Dreikaiserbündnis ergaben, zufrieden, es wollte mehr. Um seine Ziele (Isolation Frankreichs) weiter zu erreichen, sah Bismarck sich gezwungen, einen Vertrag mit Russland abzuschließen, der bei Bekanntwerden für Deutschland sehr nachteilig gewesen wäre (Geheimer Rückversicherungsvertrag). Für Russland wäre ein Bekanntwerden nicht so schlimm gewesen - damit war Deutschland erpressbar geworden (so zumindest viele Kritiker).

Es gibt also schon die Tendenz, dass Bismarck auch irgendwann das Spiel nicht mehr im Griff gehabt hätte, seine Strategien irgendwann nicht gegriffen hätten ... aber dennoch würde ich daraus nicht zwangsweise einen Weltkrieg konstruieren.
 
historybismarck schrieb:
Doch bin ich der Meinung, dass er nicht die nötige Weitsicht besaß, um eine langfristige Stabilität erreichen zu können. Ja, kurzfristig war seine Politik sicherlich relativ stabil; er sicherte den Frieden während seiner Amtszeit und er hielt sich weitesgehend aus dem Kolonialismus, aber hätte er nicht einen Nachfolger in seine komplexen Strategien einweisen müssen? Und waren die Spannungen, die Bismarck einst schürte, nicht mit Auslöser für den 1. Wk?

Inwiefern besaß Bismarck nicht die notwendige Weitsicht?

Bündnisse wurde damals immer nur für wenige Jahre abgeschlossen. Dann konnte sich die Interessenlage des jeweiligen Partners wieder geändert haben. In der damaligen Außenpolitik war man alles andere als redlich. So täuschte beispielsweise Andrassy, Außenminister Österreich-Ungarns von 1871-1878, den Russen imm Einvernehmen, war aber in Wirklichkeit immer darum bemüht eine Allianz gegen Russland zu schmieden, um gemeinsan mit Großbritannien gegen das Zarenreich Krieg führen zu können. Als 1877 die Russen in den Balkankonflikt militärisch eingriffen, wähnte Andrassy sich am Ziel seiner Träume.

Nein, Bismarcks Politik kann nicht für den Ausbruch des Ersten Weltkrieges verantwortlich gemacht werden. Dafür zeichnet die auswärtige Politik anderer Herren verantwortlich. Zu erwähnen sind hier insbesondere Bülow, Tirpitz und nicht zu vegessen Wilhelm II. .

Bismarck hat aus Gründen des machterhalts keinen Nachfolger in sein auswärtige Politik eingeweiht. Er wollte wohl seinen Sohn Herbert eines Tages dort installieren.

Papa Leo schrieb:
Er wollte - laut dem Kissinger Diktat - die Rivalitäten, also die Konflikte, zwischen Österreich und Russland auf dem Balkan schüren, damit insbesondere Russland sich an Deutschland als möglichen Bündnispartner anlehnt. Zum Krieg sollte es aber nicht kommen ... so ein Konstrukt beinhaltet immer die Möglichkeit, dass ein Krieg ausbricht ("wegen einer dummen Sache auf dem Balkan" - wie Bismarck selbst sagte).

Hier ist aber anzumerken, das Bismarck von seinen beiden Partnern keinesfalls in Optionszwnag gebracht werden wollte, was ihm eher zu zurückhaltenden Politik zwang, und das war fast durchgehend der Fall. Insbesondere der Ballhauspatz versuchte immer wieder Berlin von Petersbrug zu trennen. Ziel war zumindest die Rückendeckung für Abenteuer auf dem Balkan wie beispielsweise Bosnien und die Herzegowina.
 
Es gab vom 18.Januar 1871 keine Einbahnstraße zum Ersten Weltkrieg!

Das kann man nur unterstreichen, wie auch zahlreiche Krisen zeigten, die nicht zum Weltkrieg führten. (Vgl. Dülffer, Vermiedene Kriege)

Cliomara verweist ausserdem auf den Sachverhalt, dass es Bismarck bis 1890 auch gelungen war, das Reich zu sichern.

Einerseits könnte man dazu feststellen, dass Bismarck hier Entwicklungen zu Gute kamen, deren Abschluss zu Lasten des Deutschen Reiches noch nicht offen zu Tage getreten waren, wie zB die frz.-russ. Annäherung. Einige Historiker vertreten dazu die Auffassung, dass sich Bismarck Sicherheitssystem "vor seinen Trümmern" bzw. in der Auflösung befand. Zudem legte er mit seiner kurzzeitig betriebenen Kolonialstrategie Probleme insbesondere im deutsch-britischen Verhältnis an, die erst später zu Krisen führten, allerdings auch 1911/14 keinen besonderen Spannungsgrund mehr darstellten.

Alle drei Aspekte waren aber (andererseits) in den Jahren kurz vor dem Weltkrieg nicht ausschlaggebend: das frz.-russ. Bündnis bestand bereits Jahrzehnte, ohne den "großen Krieg". Der deutsch-britische Kolonialgegensatz war eigentlich kein bestimmender Krisenherd nach 1907. Elsaß-Lothringen war 1914 kein Kriegsgrund, sondern wurde (quasi naturgegeben) als Kriegsziel 1914 erst hochgespült.
 
Zuletzt bearbeitet:
Bismarck - Wegbereiter zu 1. WK?

Was haltet ihr von der These, dass Bismarcks Politik den Weg zum ersten Weltkrieg geebnet hat?
Welche Gründe sprechen dafür und welche dagegen?
Spielt die von Bismarck ausgehende Militarisierung des Volkes eine Rolle?
Gab es bestimmte Verfassungen Bismarcks, die den Einstieg erleichterten?

Vielen Dank für eure Antworten im Voraus :yes:
 
Ich halte in den nächsten Tagen meine Abitur Präsentationsprüfung in Geschichte. Mein Thema ist (leider...) "Bismarck-Wegberieter zum ersten Weltkrieg?"
Wichtig und in meinen Augen klar ist, dass er nicht Schuld am WK1 hat sondern diesen eben nur in eine bestuimmte Richtung gelenkt hat.
Fallen euch Gründe ein die für oder gegen diese These sprechen?
Ich wollte mich auch versichern ob meine Ansätze stimmen oder völlig daneben liegen.

Meine Ideen:
In meinen Augen gibt es viele Gründe die für die These sprechen

-Bismarck militarisierte das Volk und schürte den Nationalismus für seine zwecke und Kriege ( --> Volk hatte "Lust" auf einen Krieg)
-Anexion Von Elsaß Lothringen,Hass gegen Frankreich geschürt (--> Grundstein eines neuen Krieges mit Frankreich?)
-Bismarck besaß nicht die Weitsicht langfristig außenpol. Stabilität zu erreichen
-Kissinger Diktat: Bismarck wolte die Rivalitäten zwischen Österreich und Russland schüren um Russland als Bündnispartner zu erlangen
-ehemalige Bündnissysteme von Bismaerck wurden von Wilhelm 2. falsch weiterverfolgt

Gründe die gegen die These sprechen fallen mir nicht so viele ein.

- Bismarck wollte den Status Quo sichern und versichte oft die deutsche Saturiert, wollte Krieg vermeiden

fallen euch zu pro oder contra noch mehr Dinge ein?
 
Grauherr schrieb:
Bismarck militarisierte das Volk und schürte den Nationalismus für seine zwecke und Kriege ( --> Volk hatte "Lust" auf einen Krieg

Interessant ist die Frage, wann Bismarck sich des Nationalismus bediente und zu welchem Zweck? Instrumentalisierte er diesen auch, als das Deutsche Reich Wirklichkeit geworden war?

Anexion Von Elsaß Lothringen,Hass gegen Frankreich geschürt (--> Grundstein eines neuen Krieges mit Frankreich?)

Warum wurde denn Elsaß Lothringen eigentlich annektiert? Das solltest du dir ansehen.

Bismarcks Haltung war, das Frankreich, ob mit oder ohne Annektion, den Deutschen niemals die Niederlage verzeihen und schon deshalb auf Revanche sinnen würde. Erinnert sei hier an das Schlagwort, welches in Frankreich vor dem Krieg herumgeisterte, "Rache für Sadowa". Die Franzosen wollten Rache für einen Krieg, in dem diese überhaupt nicht involviert waren. Napoleon III. und Co. waren wohl eher sauer, das Preussen die Österreicher so schnell besiegt hatte und man nicht als lachender Dritter sich für seine Neutralität entlohnen lassen konnte.

-Bismarck besaß nicht die Weitsicht langfristig außenpol. Stabilität zu erreichen

Inwiefern besaß Bismarck nicht die erforderliche Weitsicht ein entsprechende Bündnissystem zu schaffen? Und überhaupt: Bismarck war ja nicht der einziger Spieler auf der Bühne der europäischen Großmachtpolitik. Die anderen "mussten" auch "mitspielen" und da galt es eine Haufen sich einander widersprechende Interessen unter einem Dach zu vereinen. Das war eine überaus schwierige Aufgabenstellung.

-Kissinger Diktat: Bismarck wolte die Rivalitäten zwischen Österreich und Russland schüren um Russland als Bündnispartner zu erlangen

Vor allem wollte Bismarck nicht in die Verlegenheit geraten, zwischen diesen Mächten optieren zu müssen. Des Weiteren ging es ganz wesentlich darum, das gerade und insbesondere inneeuropäische Konflikte nicht im Zentrum Europas sattfinden sollten, sondern an dessen Peripherie, so das Bismarck die vorzügliche Postion in der Hinterhand einnehmen konnte.


ehemalige Bündnissysteme von Bismaerck wurden von Wilhelm 2. falsch weiterverfolgt

Dazu bedarf es wohl ein paar Erläuterungen. So steht die Aussage etwas verloren in Raume und war es denn tatsächlich Wilhelm II. der die deutsche Außenpolitik maßgelich leitete und beeinflusste?
 
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