Außenpolitik von Bismarck

Timo17

Mitglied
Hi,

habe mal ein paar Fragen zu Bismarck's Außenpolitik und hoffe mal,dass entweder ihr oder Internetquellen mir weiterhelfen können.

Was waren konkret die allgemeinen Ziele der Bismarckschen Außenpolitik?(Irgendwo zum Nachlesen evtl.?)

Und dann noch:
Bismarck hatte ja ein Bündnis mit Russland und ein defensives Bündnis mit Österreich vereinbart.Nur wieso hat er die Beziehung zu Russland aufrechterhalten?

Wäre nett wenn mir jemand helfen kann :)

LG
 
ja von Wikipedia hatte ich schon mal etwas gehört :)

nur wird mir aus diesen Quellen nicht deutlich wie Bismarck seine Ziele der Außenpolitik im Dreikaiserbündnis verwirklichen wollte...

kann mir da nochmal jemand helfen?
 
Schau Dir mal das Bild im folgenden PDF an:

http://loske.org/html/school/history/c19/5balls.pdf

Bismarck bezeichnete seine Außenpolitik als Spiel mit 5 Kugeln (siehe Abb.).

Folgende Fragen solltest Du Dir stellen und beantworten:

Was repräsentieren die gleichfarbigen Verbindungen? Und welches grundlegende Ziel war es denn das Bismarck verfolgte? Wo liegen Gefahren eines solchen Systems - auf welchen Annahmen beruhte das System?

Gezieltes Googeln sollte übrigens helfen;) z.B. Kaiserreich Außenpolitik oder Dreikaiserbündnis - da kommt einiges an Links!
oder
dhm - Deutsches Historisches Museum
oder Wikipedia: Kaiserreich
 
die konkreten ziele waren
1. Isolation von Frankreich, Frankreich sollte keine buendnisse mit anderen Staaten machen koennen, da man wusste, dass Frankreich bereits seit dem Frieden von Frankfurt angefangen hat aufzuruesten um bei der erstbesten gelegenheit das deutsche Reich anzugreifen. ausserdem allgemeiner groll gegen das deutsche reich, viele hetzreden u.s.w. man ging aber davon aus, dass frankreich ohne einen verbuendeten nicht deutschland angreifen wuerde (dabei russland natuerlich ganz besonders gefaehrlich -> zweifrontenkrieg).

2. Die deutsche Stellung sollte allgemein gesichert werden. Durch das relativ rasche Emporkommen des deutschen Reiches, das dann auch schnell sehr stark war und gleich die franzoesische Armee, die bis dahin als die staerkste der Welt galt, besiegte, erregte in anderen laendern natuerlich auch misstrauen. das deutsche reich hatte soweit ich weiss sogar vor den ganzen buendnissen bei einigen grossmaechten angefragt, wie sie sich bei einem praeventivschlag deutschlands auf frankreich verhalten wuerden, und da russland und grossbritannien das nicht genehmigt haetten, da totalen ungleichgewicht auf dem kontinent, hat man von der idee des praeventivschlages abgelassen und stattdessen die ganzen buendnisse geknuepft.


darf ich hier auch mal zwischendurch eine frage stellen?
wie wuerdet ihr das bismarck'sche buendnissystem bewerten? war es zukunftstauglich, oder zu koplex, es waere frueher oder spaeter sowieso zusammengefallen?
was meint ihr?
 
herr hase schrieb:
darf ich hier auch mal zwischendurch eine frage stellen?
wie wuerdet ihr das bismarck'sche buendnissystem bewerten? war es zukunftstauglich, oder zu koplex, es waere frueher oder spaeter sowieso zusammengefallen?
was meint ihr?

Ich halte das Bismarck'sche Bündnissystem für perfekt.

Kurzgefaßte Begründung ohne Quellenangaben: Das Bismarck'sche Bündnissystem basierte stets auf einer Nutzung der wechselnden Interessen der umliegenden Großmächte und gab einer Gefühls- oder Prestigepolitik wenig Raum. Der Verzicht auf statische Elemente und die daraus resultierende Anpassungsfähigkeit machen dieses Bündnissystem nach meiner Auffassung zu einem Ideal.

Zusammengefallen ist das System, weil sich Bismarcks Nachfolger die Fortsetzung nicht zutrauten und KWII gefühls- und prestigepolitische Motive den interessenpolitischen zumindest gleichsetzte.
 
Lieber Hrubesch,
das Schlimmste, was Bismaecks Nachfolger machen konnten, war den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht zu erneuern. Dadurch kam es zu einem Zweifrontenkrieg im WKI. :grübel:
 
heinz schrieb:
Lieber Hrubesch,
das Schlimmste, was Bismaecks Nachfolger machen konnten, war den Rückversicherungsvertrag mit Russland nicht zu erneuern. Dadurch kam es zu einem Zweifrontenkrieg im WKI. :grübel:

Genau, da ja zwischen Abdankung und 1.WK nur 24 Jahre liegen.... :aua: :ironie:
 
Doch, lieber Brecht, da stimme ich Heinz schon zu. Die Beendigung des Rückversicherungsvertrages führte zum Zweibund zwischen Rußland und Frankreich. Diese intensive Annäherung war für das DR sehr unerfreulich, weil Frankreich als feindselig angesehen werden mußte und damit im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung stets ein Zweifrontenkrieg drohte.

Natürlich kamen später weitere Gegensätze zwischen dem DR und Rußland hinzu, z.B. die deutsche Unterstützung der englischen Position in Fernost und die russische Unterstützung des Panslawismus mit seiner Spitze gegen ÖU.
 
Na also, du hast hier mit meinen Kommentar erklärt.

Geschichte ist nicht monokausal, so wie es Heinz immer andeutet! In einer Zeitspanne von 24 Jahren passiert eine Menge und niemand würde abstreiten, dass die Beendigung des Rückversicherungsvertrages Auswirkungen auf den 1. WK hat (in welcher Form auch immer).
 
Brecht schrieb:
Genau, da ja zwischen Abdankung und 1.WK nur 24 Jahre liegen.... :aua: :ironie:

Lieber Brecht,

wie stellst Du Dir Außenpolitik vor?:confused: Heute wird der Rückversicherungsvertrag nicht erneuert und morgen gibts Krieg?:confused::pfeif:
Frankreich und Russland mußten, bei diesen verschiedenen Gesellschaftssystemen, welche in beiden Ländern herrschten erst zueinander finden. Außerdem stand WihelmII erst am Anfang seiner abenteuerlichen Politik, so schnell konnte man nicht alles was Bismarck geschaffen hatte zerstören. Das kam dabei raus, wenn ein Kaiser selbst Politik betreiben wollte. Die anschließenden Kanzler von Caprivi bis Berhman-Hollweg waren doch nur Erfüllungsgehilfen von WII.:grübel:
 
heinz schrieb:
Lieber Brecht,

wie stellst Du Dir Außenpolitik vor?:confused: Heute wird der Rückversicherungsvertrag nicht erneuert und morgen gibts Krieg?:confused::pfeif:

Lieber Heinz,
jetzt verdrehst du aber Ursache und Wirkung. Selbstverständlich liegt meist Zeit zwischen der Ursache und der daraus resultierenden Problematik. Nur ist es in der Geschichte sehr selten, dass auf ein Problem genau eine Ursache folgt. Zum Beispiel folgt auf den Versailler Vertrag nicht automatisch Hitler (danke für den schönen Vergleich vom grünen Punktgeber). Ein Reusltat ist meist die Summe vieler Ursachen und das beachtest du meist in deinen Argumentationen...
heinz schrieb:
Frankreich und Russland mußten, bei diesen verschiedenen Gesellschaftssystemen, welche in beiden Ländern herrschten erst zueinander finden. Außerdem stand WihelmII erst am Anfang seiner abenteuerlichen Politik, so schnell konnte man nicht alles was Bismarck geschaffen hatte zerstören. Das kam dabei raus, wenn ein Kaiser selbst Politik betreiben wollte. Die anschließenden Kanzler von Caprivi bis Berhman-Hollweg waren doch nur Erfüllungsgehilfen von WII.:grübel:
Das ist alles schön und gut, hat aber mit deiner Argumentation, dass die Auflösung des Rückversicherungsvertrages zum Zweifrontenkrieg im 1. WK führt, nichts zu tun. Der Beitrag weiter oben enthält einen Determinismus der so nicht zu halten ist...
 
Angesichts der dynastischen Verbundenheit (Niki und Willi) und der Vielzahl gleichgerichteter Interessen hätte eine Fortsetzung des Rückversicherungsvertrags sowohl die Entfremdung zwischen dem DR und Rußland als auch das russische Interesse an einem französischen Bündnis und damit die Gefahr eines Zweifrontenkrieges zumindest reduziert. Daher halte ich die Nichtverlängerung schon für einen sehr bedeutenden Aspekt in Bezug auf die Zweifrontensituation im Jahre 1914.

Ein Allheilmittel wäre die Fortsetzung jedoch auch nicht gewesen, insbesondere nicht vor dem Hintergrund der Auf-Gedeih-und-Verderb-Verbindung mit ÖU. Geholfen hätte wohl nur eine vorausschauende Forstsetzung des Spiels mit den fünf Kugeln.

Zu diesem Themenkreis habe ich kürzlich ein interessantes Buch gelesen. Es hieß in etwa "Das deutsch-englische Bündnisproblem 1890-1904". Falls Interesse besteht, werde ich gern nähere Angaben posten.
 
Die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages wird heute viel zu oft als offensichtliche Dummheit und Versagen der Politiker angesehen, ohne die komplizierte politische Lage der Zeit zu beachten. Leider ist hohe Politik selten so durchsichtig, wie sich das auf den zwei Zeilen der BILD-Zeitung ausdrücken lässt.

Der Wikipedia-Artikel dazu führt meines Erachtens gut die näheren Umstände, die zu dieser Entscheidung führten, aus:

"Der Rückversicherungsvertrag war als Teil des Systems der Aushilfen in Bismarcks komplizierten Versuch, einen Krieg in Europa zu verhindern, eingebunden. Nach der Entlassung Bismarcks sah sich sein Nachfolger Leo von Caprivi außerstande, diese komplexe Politik erfolgreich fortzusetzen. Zudem plante eine „neue Generation“ im Auswärtigen Amt um Friedrich August von Holstein und Bernhard von Bülow die generelle Abkehr von Russland und einen Ausbau des Zweibundes zu einem mitteleuropäischen Machtblock, an den dann Großbritannien herangezogen werden sollte.

In diese Strategie passte es nicht, dass im Rückversicherungsvertrag Deutschland zwar nicht vor einem französischen Angriff geschützt war, Russland aber unter Verweis auf seine historischen Rechte auf dem Balkan, de facto das Recht zugesprochen wurde, Österreich-Ungarn anzugreifen.

Als Russland aufgrund der beschriebenen Vorteile 1890 auf eine Verlängerung des auslaufenden Vertrags drängte, weigerte sich das Deutsche Reich unter Wilhelm II. beharrlich. Selbst als Russland sich bereit erklärte, auf das „Ganz Geheime Zusatzprotokoll“ zu verzichten, behielt die deutsche Führung ihre Ansicht bei. Ursache für die deutsche Entscheidung war die Annahme, dass ein Abkommen mit Russland in Bezug auf den Balkan die deutsche Glaubwürdigkeit gegenüber den Verbündeten Österreich-Ungarn und Italien unterminiere. Die heutige Forschung vertritt allerdings die These, dass ein Vertrag mit Russland durchaus mit dem Dreibund vereinbar gewesen wäre."

Quelle/Zitat aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Rückversicherungsvertrag

Beachtet das "die heutige Forschung vertritt die These", was soviel heißt, daß man selbst mit heutigem Kenntnisstand der Folgen, nur eine These vertritt und keine Feststellung zum "was wäre wenn" gefunden hat. Hätte man wirklich ohne Zögern zugunsten eines Nichtangriffspaktes mit Rußland seine beiden wichtigsten Verbündeten (die auch Beistand bei einem Angriff geleistet hätten!), verprellen sollen? Was wäre bei einem französischen Angriff passiert? Deutschland hätte allein dastehen können...?
Es ist vieles nicht so simpel, wie es scheint. Also Vorsicht mit der Verurteilung früherer Politikergenerationen, die zu den klügsten Köpfen ihrer Zeit gehörten und einen ganzen Beraterstab neben sich hatten.
 
hrubesch schrieb:
Zu diesem Themenkreis habe ich kürzlich ein interessantes Buch gelesen. Es hieß in etwa "Das deutsch-englische Bündnisproblem 1890-1904". Falls Interesse besteht, werde ich gern nähere Angaben posten.

Tu das, könnte deine selbstdiagnostizierten Rotgrünschwäche etwas lindern.
 
Moin Mercy,

hier die gewünschten Angaben: "Geschichte des deutsch-englischen Bündnisproblems 1980-1901" von Friedrich Meinecke, München und Berlin 1927, Druck und Verlag von R. Oldenbourg. € 29,-- gut angelegt im Antiquariat meines Vertrauens.

Zum Autor findest Du hier weiteres: http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Meinecke

Nebenbei: nicht selbstdiagnostiziert...
 
Moin Arne, eine Frage und eine Stellungnahme zu Deinem Beitrag:
Hätte man wirklich ohne Zögern zugunsten eines Nichtangriffspaktes mit Rußland seine beiden wichtigsten Verbündeten (die auch Beistand bei einem Angriff geleistet hätten!), verprellen sollen? Was wäre bei einem französischen Angriff passiert? Deutschland hätte allein dastehen können...?

Mir ist nicht klar, wen Du neben ÖU als weiteren wichtigsten Verbündeten des DR ansprichst. Frankreich kommt nicht in Frage. GB war mit dem DR nicht verbündet, hatte aber in der Meerengenfrage gegen Russland gerichtete Interessen, welche sicherlich "Verprellungspotential" hatten. Italien hatte keine eigenen Gegensätze mit Rußland, baute aber auf den Verbleib der Briten im Mittelmeer. Dieser hätte mit einer Entscheidung der Meerengenfrage zugunsten Rußlands wohl geendet.

Ein alleiniges Dastehen gegenüber einem französischen Angriff löste im DR zu keiner Zeit eine ernsthafte Sorge aus, solange nicht mit dem feindseligen Eingreifen einer weiteren Großmacht gerechnet werden mußte. Eine russische Neutralität oder sogar wohlwollende Neutralität wurde als ausreichend angesehen. Die späteren Bündnisverhandlungen mit GB sahen sogar eine Regelung vor, nach der der Bündnisfall nur dann eintreten solle, wenn der Partner von zwei Großmächten angegriffen werde.
 
hrubesch schrieb:
Mir ist nicht klar, wen Du neben ÖU als weiteren wichtigsten Verbündeten des DR ansprichst. (...) Italien hatte keine eigenen Gegensätze mit Rußland, baute aber auf den Verbleib der Briten im Mittelmeer. Dieser hätte mit einer Entscheidung der Meerengenfrage zugunsten Rußlands wohl geendet.

Vorweg geschoben: Meine Kenntnisse der wechselnden, weltweiten Machtinteressen zwischen 1886 und 1914 sind rudimentär. Wer mich belehren kann: Nur zu.

Ich meine Italien, das einer starken Intervention Rußlands Im Mittelmeer und auf dem Balkan wohl wenig wohlwollend gegenüber stand - deswegen wohl auch das Interesse an einem Gegengewicht in Form der Briten im östlichen Mittelmeer. Eine mögliche Entwicklung hätte ja auch ein Konflikt zwischen Rußland und Italien werden können, wenn sich irgendwann mal russische Interessen oder dessen Vasallen (z.B.Serbien) im Mittelmeer gekreuzt hätten. Der Rückversicherungsvertrag vereinbarte ja Neutralität, ausser in zwei Fällen: Angriff F auf das DR und Angriff R auf ÖU. Von einem Krieg Italien gegen Rußland ist da nicht die Rede...

hrubesch schrieb:
Ein alleiniges Dastehen gegenüber einem französischen Angriff löste im DR zu keiner Zeit eine ernsthafte Sorge aus, solange nicht mit dem feindseligen Eingreifen einer weiteren Großmacht gerechnet werden mußte. Eine russische Neutralität oder sogar wohlwollende Neutralität wurde als ausreichend angesehen.

Es mag sein, daß man in D keine große Angst vor einem Krieg nur gegen Frankreich hatte - aber ist es nicht besser jeden Krieg zu vermeiden, als ihn möglich werden zulassen? Gegen Frankreich gab es keine Gebietsforderungen, im Gegenteil, man war in D am Erhalt des Status Quo interessiert. Wozu das Leben deutscher Soldaten, Material und Geld riskieren?
 
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