Ausstellung "Schwarze Romantik"

Ashigaru

Premiummitglied
Hier möchte ich kurz - während sie sich dem Ende zuneigt - auf eine der wohl, was das Öffentlichkeitsinterese betrift, spektakulärsten Ausstellungen im Frankfurter Städel der letzten Jahre hinweisen. Auch mich als kunstgeschichtlichen Laien hat sie angelockt.
Zu sehen sind hier Werke teils weltbekannter Maler wie Caspar David Friedrich, Goya, Max Ernst, Dali u.a. vom späten 18. Jahrhundert bis zu den frühen Surrealisten. Das Augenmerk liegt dabei eher auf "schwarz" als auf der Romantik, wobei letztere ohne Zweifel vorhanden ist. Denn es sind zum größten Teil sehr düstere und phantastische Bilder unterschiedlichster Stilrichtung zu sehen. Im Grund geht es vielleicht daher um Horror in der bildenden Kunst - und zwar ab dem Zeitpunkt, wo er sich m.E. aus dem religiös-antiken Rahmen, indem er schon vorher gezeigt werden durfte, emanzipiert und zum eigenen Sujet wird.

Mit der Einschränkung, dass viele der gezeigten Bilder sicher nicht zu den populärsten der bekannten Maler zählten, oder - wie bei den kryptisch-grotesken, teils die moderne Kunst vorwegnehmenden Zeichnungen Victor Hugos - gar nicht in erster Linie für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Dies wird dadurch unterstrichen, dass in einigen Räumen zwischendurch immer wieder Ausschnitte früher Horror- und Fantasyfilme zu sehen sind, z.B. aus Nosferatu, Frankenstein, Fritz Langs "Der müde Tod" oder, als jüngstem Film, Hitchcoks "Spellbound". Hartgesottene dürfen - an einem mit Altershinweis versehenen Guckkasten - einen schwarzen Schleier heben und die berühmt-berüchtigte Anfangssequenz in Bunuels "Ein andalusischer Hund" betrachten, in der einer Frau mit einem Rasiermesser das Auge durchgeschniten wird.

Die Bilder sind, wie gesagt, in ihren Themen und ihrer Stilistik höchst unterschiedlich. Manche verströmen eher eine subtile Unbehaglichkeit - wie die oft so opulenten wie kalten Landschaften Friedrichs oder die Alptraumwelten Dalis. Andere spielen mit dem Okkulten oder zeigen apokalyptische Visionen, aber es sind auch optisch brutale Bilder dabei. Eines, dass von der Position, der Großformatigkeit wie der Aufmerksamkeit in Presseberichten besonders hervorsticht, ist "Hunger - Wahnsinn - Verbrechen" des belgischen Malers Wiertz, dass eine verrückt gewordene Frau zeigt, die, offenbar getrieben durch Armut, ihr Neugeborenes getötet hat, und sich anschickt, es zu kochen:

http://images.reproarte.com/files/images/W/wiertz_antoine/hunger_wahnsinn_verbrechen.jpg

Am spannendsten war für mich der Raum mit den Bildern und Zeichnungen von Goya. Weltbekannt sind seine Zeichnungen von Hinrichtungen in spanisch-napoleonischen Kriegen. Er hat aber auch in ganz ähnlicher Machart grotesk-fantastische Bilder mit Kannibalen, Skeletten und ähnlichen Motiven gemalt, darunter eine Serie von Blättern, die mit zynisch-schwarzhumorigen Sprüchen unterschrieben waren. Diese Gegenüberstellung war für mich ausgesprochen schwer einzuordnen: faszinierte ihn als Maler das Grauen, ob es real erlebt oder fantastisch war? Oder machte ihn seine frühere Beschäftigung mit diesen Themen dafür sensibel, die Verbrechen im Krieg auf seinen weltberühmten Bildern realistisch darzustellen?


Allgemein sind es wohl die Fragen nach der Motivlage der Künstler, die - ähnlich, und dies ist sicher ein beabsichtigter Bogen, wie bei modernen Horrorfilmen - in der Ausstellung einen tieferen Eindruck hinterlassen. Liegt den Darstellungen des Grauens immer ein tieferer Sinn zu Grunde, spiegeln sie die psychische Gemengelage des Künstlers wieder, oder entspringen sie auch der Lust, moralische Grenzen auszuloten?
 
Zuletzt bearbeitet:
Liegt den Darstellungen des Grauens immer ein tieferer Sinn zu Grunde, spiegeln sie die psychische Gemengelage des Künstlers wieder, oder entspringen sie auch der Lust, moralische Grenzen auszuloten?
erst einmal Danke für den interessanten Bericht über diese Ausstellung!

Was deine Frage betrifft, die übrigens nicht nur die Malerei, sondern auch die Literatur und die Musik angeht, so möchte ich auf die berühmte Rezension der Uraufführung von Hector Berlioz´ Symphonie fantastique, Episode de la vie d'un artiste von Heinrich Heine hinweisen: Heine erläutert, wie in dieser schwarze-Romantik-Musik das Ästhetische durch das Hinzufügen/Integrieren des Häßlichen eine neue (erweiterte) Qualität erhält.

Das trifft auf die literarischen Werke von E.T.A. Hoffmann wie E.A. Poe ebenso zu, auch auf die Gemälde und Zeichnungen von Goya - sinnfällig wurde es anfang der 30er Jahre des 19. Jhs. mit der Uraufführung von Berlioz´ bis heute spektakulärer Sinfonie (die mit musikalischen Mitteln eine Hinrichtung und einen satanistischen Hexensabbatt (verkehrte Messe) evoziert)

Und da stallt sich mir die Frage: wurde die Ästhetik des Häßlichen, des Bösen, in dieser Ausstellung thematisiert, oder wurde eher auf Schock-Show abgezielt?
 
Und da stallt sich mir die Frage: wurde die Ästhetik des Häßlichen, des Bösen, in dieser Ausstellung thematisiert, oder wurde eher auf Schock-Show abgezielt?


Eine Mischung aus beidem, würde ich sagen. Die Zusammenstellung ist, wie gesagt, stilistisch und inhaltlich sehr vielfältig. Es sind z.b. Märchendarstellungen von Moritz von Schwind und einem anderen deutschen Maler (Name fällt mir jetzt nicht ein) zu sehen, die nicht in eigentlichem Sinne für "Horror" stehen. Gleiches gilt für die bereits erwähnten Arbeiten von Caspar David Friedrich, und ebenso sind - besonders von Max Ernst - auch Werke zu sehen, die m.E. eher einen Weg in Richtung Fantastik, meinetwegen auch Science Fiction einschlagen.

Andererseits nehmen die "Schocker" einen breiten Raum ein, z.T. aufgrund ihrer Positionierung, und weil überdeutlich - mit zwei großen "Kino"-Räumen, in denen Filmausschnitte zu sehen sind, und noch zwei kleineren Filminstallationen, von denen eine gleich im ersten Raum steht - der Bezug zu den ersten Horror- und Fantasyfilmen hergestellt wird. Dieser ist natürlich nicht willkürlich, da die Macher nachweisen können, wie diese Filme durch die Bildsprache einiger Gemälde in der Ausstellung beeinflusst wurden. Bzw. sind mit "Ein andalusischer Hund" und "Spellbound" zwei Filme präsentiert, an deren Design Dali maßgeblich beteiligt war.

Wie schon in meinem vorigen Post gesagt, liegt hier der Schwerpunkt eher auf "schwarz" als auf der Romantik.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben