Autonome Regelungen für Elsaß-Lothringen nach 1918

Dieses Thema im Forum "Westeuropa" wurde erstellt von TimFrancis, 26. September 2017.

  1. TimFrancis

    TimFrancis Neues Mitglied

    Das glaube ich auch. Aber das Thema ist Erbe der Jahre 1871/1918. Nicht nur die Elsässer aber besonders die Elsässer bedauern den starken Zentralismus in Frankreich und schauen mit Neid auf Deutschland. Ein Vergleich mit Süd-Tirol ist interessant. ST hat die Autonomie errungen und Beamte müssen Deutsch können. Dem Elsass wurde von Frankreich immer die Autonomie verweigert, und es gibt keine solche Sprachregelung. Dies führt zu einem endgültigen Aussterben des Deutschen im Elsass.
     
  2. Gangflow

    Gangflow Aktives Mitglied

    Tim Francis@Dem Elsass wurde von Frankreich immer die Autonomie verweigert, und es gibt keine solche Sprachregelung. Dies führt zu einem endgültigen Aussterben des Deutschen im Elsass.

    Etwas Autonomie haben die Elsässer sich aber doch über all die Zeiten erhalten:

    1. Konkret wird das Trennungsgesetz von 1905 in Elsass-Mosel nicht angewendet und die vier katholischen, lutherischen, reformierten und jüdischen Kulte haben offiziellen Status. Priester und Laien in der Mission, Pfarrer und Rabbiner werden vom Staat bezahlt. Die Bischöfe von Straßburg und Metz werden vom Staatsoberhaupt ernannt. Das Elysée folgt nun den Wünschen des Heiligen Stuhls. Der Präsident der evangelischen Kirche des Augsburger Elsässer und lothringischen Konfessionsbekenntnisses (EPCAAL), dessen Name durch eine Stimme des Oberkommissariats dieser Kirche vorgeschlagen wird, wird ebenfalls vom Staat ernannt.

    2. Es gibt noch den Religionsunterricht in den Schulen. Die Beobachtungsstelle für Säkularismus befasste sich auch mit dem Religionsunterricht in öffentlichen Schulen. Theoretisch ist diese Ausbildung in der Elsass-Mosel obligatorisch, in Grund- und weiterführenden Schulen eine Stunde pro Woche. In der Praxis ist sie jedoch optional, da Familien die Befreiung von der Anforderung beantragen können.
    Die Beobachtungsstelle schlägt vor,"die Wahl der Unterrichtsmethoden rückgängig zu machen": Es wäre nicht mehr Sache der Schüler, die diesen Kurs nicht belegen wollen, eine Befreiung zu beantragen, sondern derjenigen, die ihn belegen wollen.

    3. Es gibt noch das Blasphemiegesetz. Artikel 166 und 167. Sie sind nur in deutscher Sprache im Gesetzbuch und gelten nicht im übrigen Frankreich.
    Ein Gremium empfielt, einen Artikel aus dem Deutschen Strafgesetzbuch von 1871, der die Blasphemie bestraft, im lokalen Recht aufzuheben. "Wer einen Skandal verursacht hat, indem er öffentlich Gott mit beleidigenden Äußerungen blasphemisch beschimpft oder einen der Sekten öffentlich verärgert hat", der droht bis zu drei Jahren Gefängnis, heißt es in diesem Text, der de facto seit der Rückkehr des Elsass 1918 nach Frankreich faktisch nie zur Anwendung gekommen ist.
     
  3. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    Die Artikel 166 und 167 des code pénal wurden 1994 abgeschafft und waren weder auf deutsch noch beschäftigten sie sich mit Blasphemie.
     
  4. Gangflow

    Gangflow Aktives Mitglied

    Es gibt wohl eine lokale Version für das Elsass:

    Code pénal local (Alsace-Moselle). Article 167 - Legirel

    https://www.senat.fr/questions/base/2006/qSEQ060322419.html

    In jüngster Zeit bestätigte das Kassationsgericht 1999 eine vom Berufungsgericht Colmar auf der Grundlage von Artikel 167 erlassene Verurteilung, in der es das von den Parteien vorgebrachte Argument zurückwies, dass diese Bestimmung des Strafgesetzbuches den Beschuldigten nicht zugänglich sei, da der Text in deutscher Sprache verfasst worden sei (Cass. 30.11.1999, Fromm u. a.), und bekräftigte, dass die fragliche Bestimmung den Beschuldigten nicht zugänglich sei. Diese Rechtsprechung bestätigt daher, dass diese Bestimmungen des lokalen Strafrechts weiterhin in Kraft bleiben und dass die Umsetzung und Bestimmung des Anwendungsbereichs, insbesondere im Hinblick auf dessen Ausdehnung auf nicht anerkannte Religionen, in die ausschließliche Zuständigkeit der Justizbehörde fällt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 26. September 2017
    Ugh Valencia gefällt das.
  5. Carolus

    Carolus Aktives Mitglied

    Die von Gangflow zitierten Artikel gehen auf die §§ 166 und 167 StGB von 1871 zurück, die nach 1918 im Lokalrecht weiterhin formell gültig waren, und erst 2016 abgeschafft wurden (Le délit de blasphème abrogé au sénat - France 3 Grand Est ).
     
    Ugh Valencia gefällt das.
  6. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

    @Carolus
    mit Gültigkeit zum 27.01. 2017 (Abrogé par L. 2017-86 du 27 janvier 2017) wie Gangflows erster Link besagt. Interessant, dass es so etwas so lange gab. Die Abschaffung dieser Artikel scheint, wenn ich das richtig verstanden habe (mein französisch ist sehr schlecht), auf Anstoss der christlichen, jüdischen und islamischen Gemeinden im Elsass erfolgt zu sein. "Le 6 janvier 2015, les représentants des cultes catholique, protestants, juif et musulman d'Alsace-Moselle ont proposé lors d'une audition commune à Paris devant l’Observatoire de la laïcité d'abroger la législation locale relative au blasphème." Droit local en Alsace et en Moselle — Wikipédia

    Aber ich befürchte, wir entfernen uns damit immer weiter von E-L 1871-1918.
     
    Zuletzt bearbeitet: 27. September 2017
  7. Carolus

    Carolus Aktives Mitglied




    Für die Übersetzung haben wir doch http://www.geschichtsforum.de/thema/fuer-fremdsprachenkrueppel.53650/. Und wenn man den Text in DeepL eingibt, erhält man folgende ÜS:

    "Am 6. Januar 2015 schlugen Vertreter der katholischen, protestantischen, jüdischen und muslimischen Konfessionen des Elsass-Mosell-Orden in einer gemeinsamen Anhörung in Paris vor dem Observatorium des Säkularismus vor, die lokale Gesetzgebung zur Blasphemie aufzuheben."

    Also pas de problème.

    Immerhin hat das Übersetzungsprogramm nicht aus dem Observatoire eine Sternenwarte gemacht.

    Das ist in der Tat korrekt.
     
  8. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Beiträge aus dem Themenbereich "Kaiserreich" verschoben.

    Das "Blasphemiegesetz" bedeutete außerdem nicht, dass Blasphemie grundsätzlich verboten war. In der von gangflow verlinkten Antwort des Justizmin. ist deutlich ausgeführt:

    ... [hat der] Strafgerichtshof von Straßburg die Störung eines religiösen Amtes in der Kathedrale von Straßburg auf der Grundlage der Artikel 166 und 167 des Strafgesetzbuches verurteilte.Diese Entscheidung wurde nur teilweise in der Berufung bestätigt, da nur die in Artikel 167 des lokalen Strafgesetzbuches vorgesehene strafbare Handlung der Störung der Religionsausübung (CA Colmar; 19.11.1954, Pferdzer und Sobezac) aufrecht erhalten wurde. "

    Es geht hier um die konkrete Störung der Ausübung anderer. Das kann in Restfrankreich problemlos auch unter andere Strafnormen subsumiert werden.
    Venice Commission :: Council of Europe
    Jansen: Limits to expression on religion in France

    Deshab konnte "exekutiv" relaxt zusammengefasst werden, dass ...

    "Bestimmungen des lokalen Strafrechts weiterhin in Kraft bleiben und dass die Umsetzung und Bestimmung des Anwendungsbereichs, insbesondere im Hinblick auf dessen Ausdehnung auf nicht anerkannte Religionen, in die ausschließliche Zuständigkeit der Justizbehörde fällt."
     
    Zuletzt bearbeitet: 27. September 2017
  9. Ugh Valencia

    Ugh Valencia Aktives Mitglied

  10. Carolus

    Carolus Aktives Mitglied

    Nicht zu vergessen: das Gebiet des ehemaligen Reichslandes hat im Gegensatz zum restlichen Frankreich noch zusätzliche Feiertage: den 2. Weihnachtsfeiertag und Karfreitag
     
  11. Gangflow

    Gangflow Aktives Mitglied

    Es gibt noch einige Unterschiede zwischen dem französischen Recht und dem Lokalrecht Elsaß-Mosel.
    Hier auf Französisch:

    Droit local en Alsace et en Moselle — Wikipédia

    und hier vielleicht zum besseren Verständnis Einiges auf Allemannisch:

    Lokalrecht in Elsass-Mosel - Alemannische Wikipedia

    Könnte sein, daß die französischen Schnapsbrenner neidisch auf das Elsaß blicken:

    Die derzeitigen lokalen Regelungen sind viel liberaler als die allgemeine Regelung, die sich von der allgemeinen Regelung in folgenden Punkten unterscheidet:
    Destillation zu jeder Jahreszeit und zu Hause, unabhängig von der Menge des erzeugten Alkohols.
    Die Destillationseinrichtung am Ende des Prozesses nicht versiegelt ist und um sicherzustellen, daß die Destillationseinrichtung nicht mehr verwendet wird, der Deckel oder der Schwanenhals mit einer von der Verwaltung zugelassenen Schutzvorrichtung versehen.
    Der Transport der Rohstoffe zum Brenner erfolgt frei, wenn die Destillation außerhalb des Herkunftslandes durchgeführt wird; er erfolgt unter dem Deckmantel der Destillationsanmeldung, wenn die Erzeugnisse aufgrund ihrer Beschaffenheit zollpflichtig sind (Weine, Apfelweine, zu rektifizierende fehlerhafte Alkohole usw.).
    Die Ausbeute muß nach der Destillation deklariert werden.
     
  12. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Das tun sie garantiert. Eine bekannte, eine ältere Dame aus Südfrankreich die sich einen eigenen Limoncello herstellte, erzählte uns mal, was für eine Schrererei es wäre, den passenden Alkohol dazu zu bekommen. Sie zwackte diesen bei dem Zahnarzt ab für den sie arbeitete was dieser zwar duldete aber eigentlich nicht erlaubt war. Sogar der transport von Essig sei (zumindest früher) dort genehmigungspflichtig gewesen.
     

Diese Seite empfehlen