Bäcker in der DDR

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Die "Vorreiterrolle" ist Selbsteinschätzung (Hervorhebung durch mich) des Handwerks.

zB Wiki über die genannte Handwerkskammer Dresden

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Selbsteinschätzung ist immer so eine Sache, mal zu kritisch, mal zu euphemistisch; hier scheint mir letzteres der Fall zu sein.

Die Handwerkskammern waren in der DDR via Bezirkswirtschaftsrat in die sozialistische Planwirtschaft eingebunden ("bezirksgeleitete Wirtschaft").

Nach meinem Kenntnisstand aus Literatur und Zeitzeugenschaft, was nichts heißen muß, sind die Handwerkskammern weder im Herbst 1989 noch bis zum 2. Oktober 1990 als "Träger" einer Demokratisierung in der DDR politisch in Erscheinung getreten.

Was natürlich allerdings einschließt, daß sie sich selbst in dem genannten Zeitraum als berufsständische Organisation demokratisiert haben.

M.
 
Dann nochmal zurück zu den Daten 1949-1979-1989. Zwischen den beiden letzten Zeitpunkten besteht kein großer Unterschied mehr, bzw. Stagnation.

Wie erklärst Du Dir den Abbau nach 1949 in den kumulierten Beschäftigtenzahlen PGHs und Private?


Machen wir doch das Frage- und Antwortspiel weiter.

Wo siehst Du die Gründe?
Erheblich verbesserte Effizienz durch die PGHs?
Die DDR-Bürger brauchten wenig Handwerker, da hatte jeder die "Axt" im Haus?
Beginnende "Wegwerfgesellschaft? Sozusgaen Ex- und Hopp Mentalität?

Es wird wohl alles eine gewisse Rolle spielen.
Aber wo liegt der entscheidende Punkt?
 
Wo siehst Du die Gründe?
Erheblich verbesserte Effizienz durch die PGHs?
Die DDR-Bürger brauchten wenig Handwerker, da hatte jeder die "Axt" im Haus?
Beginnende "Wegwerfgesellschaft? Sozusgaen Ex- und Hopp Mentalität?

Es wird wohl alles eine gewisse Rolle spielen.
Aber wo liegt der entscheidende Punkt?

Das sind schon mal plausible Gründe.

Ich würde zusätzlich die VEBs/Kombinate nennen, deren Umfang auch die Eingliederung von "Handwerksunternehmen" als Betriebsteile umfasste.

Wenn man sich die Endstruktur in den 1980er Jahren anschaut, hatten produzierende Unternehmen (egal welcher Branche) riesige Instandhaltungs- und Investabteilungen. Selbst Bauabteilungen/Baubrigaden traten auf, auch wenn das Unternehmen zB Elektronikerzeugnisse oder Fahrzeuge produzierte. Das "make or buy" marktwirtschaftlicher Unternehmen wurde hier durch das "make" dominiert. Das wurde durch Mangelwirtschaft befördert, aber auch durch Plandruck und daraus resultierende Sicherstellung der Leistungen.

Neben der Vergesellschaftung in PGHs gab es mE eine (möglicherweise sogar viel gewichtigere) Tendenz zum Aufsaugen solcher Handwerksleistungen in den Betrieben in der DDR, ergo zum Verschwinden von Handwerkern in kleinen Betrieben.

Wenn das Argument zieht, erklärt es auch, warum solche konsumnahen Handwerkssektoren wie Bäcker/Metzger weniger betroffen waren.
 
Selbsteinschätzung ist immer so eine Sache, mal zu kritisch, mal zu euphemistisch; hier scheint mir letzteres der Fall zu sein.

Die Handwerkskammern waren in der DDR via Bezirkswirtschaftsrat in die sozialistische Planwirtschaft eingebunden ("bezirksgeleitete Wirtschaft").

Nach meinem Kenntnisstand aus Literatur und Zeitzeugenschaft, was nichts heißen muß, sind die Handwerkskammern weder im Herbst 1989 noch bis zum 2. Oktober 1990 als "Träger" einer Demokratisierung in der DDR politisch in Erscheinung getreten.

Was natürlich allerdings einschließt, daß sie sich selbst in dem genannten Zeitraum als berufsständische Organisation demokratisiert haben.

M.

Als "Zwangsmitglied" einer Handwerkskammer (und einer Innung, einer Handelskammer usw. usf. alles Beitragsbelastet:motz:) kenne ich die Publikationen zur Selbstdarstellung recht gut. (zumindest mein Papierkorb)

Aber der Anfrager würde, so es ihn noch interessiert, bei irgend einer HWK des Beitrittsgebiets zu dieser Frage garantiert erschöpfende kompetente Auskunft erhalten.
Und die Kontinuität der Handwerkskammern über alle Staatsformen hinweg halte ich für bemerkenswert.
 
Ideologisch war die Existenz von privatem Handwerk durch die Gesellschaftsformationstheorie des Marxismus "Muttermale der alten Gesellschaft"):

Gesellschaftsformation ? Wikipedia

gleichsam "abgesichert".

Im "konsumnahen" Bereich gab es, als Ergebnis der sog. Hauptaufgabe des VIII. Parteitages der SED:


Die DDR in den siebziger Jahren - Informationen zur politischen Bildung (Heft 258)

GHDI - Document

einen Ministerratsbeschuß vom 12. Februar 1976:

Überholen ohne einzuholen: die DDR ... - André Steiner - Google Bücher

M.
 
Das sind schon mal plausible Gründe.

Ich würde zusätzlich die VEBs/Kombinate nennen, deren Umfang auch die Eingliederung von "Handwerksunternehmen" als Betriebsteile umfasste.


Neben der Vergesellschaftung in PGHs gab es mE eine (möglicherweise sogar viel gewichtigere) Tendenz zum Aufsaugen solcher Handwerksleistungen in den Betrieben in der DDR, ergo zum Verschwinden von Handwerkern in kleinen Betrieben.

Wenn das Argument zieht, erklärt es auch, warum solche konsumnahen Handwerkssektoren wie Bäcker/Metzger weniger betroffen waren.

Die zT riesigen "Eigenbetriebe" kann man in periodischer Folge in der Ex-BRD ebenso verfolgen. Kommt ein "Sanierer" werden sie dicht gemacht, kommt der nächste, wird peu a peu wieder eröffnet.

Dann der technische Fortschritt,
Beispiel aus der BRD: 1970 musste/sollte ein Auto alle 3.500 km zur Inspektion, gab es riesige Taktstände mit denen gleichzeitig 3 Mechaniker an einem Auto in 3 Ebenen arbeiten konnten. Da ist die Dampfwalze gnadenlos drüber gerollt. (einschließlich der Investitionen die sich niemals amortisiert haben)
Entwicklungen wie sie ziemlich sicher in allen Brachen in West und Ost nachzuweisen sind.

Ich denke hier kommt man ohne Vergleichszahlen nicht weiter.


Noch ein Ansatzpunkt:
Dass sich Bäcker und Metzger zB in der Ex-DDR gut halten konnten ist vermutlich nicht zuletzt dem Festpreissystem geschuldet. Das kommt gewöhnlich "Klitschen" immer zu gute.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus der Innenansicht zahlreicher Beispiele beider Bereiche: die Dimension ist nicht vergleichbar. :winke:

Insiderwissen ist natürlich nicht zu toppen.;)

Ich habe trotzdem Probleme den offensichtlichen Rückgang des Handwerks
in der damaligen DDR damit maßgeblich in Verbindung zu bringen.

Der Hauptauftraggeber im Handwerk ist doch der Private.
Wenn ich mich richtig erinnere an die Zeit vor der Wende (so oft war ich nicht "drüben" und wenn, dann hat man ganz andere Themen zu besprechen gehabt) ist da doch unheimlich viel über "Nachbarschaftshilfe" gelaufen. Es schien zumindest mir so, dass sonst in dem Bereich "Handwerk" gar nichts gelaufen ist. aus unterschiedlichen Gründen.

Nun im Westen wäre das zu einem ganz erheblichen Teil unter "Schwarzarbeit" gefallen, illegal und strafbewehrt. Fälle die zB die Handwerkskammern auch schon mal mit Detektiven verfolgen.

Wie war da eigentlich die Rechtslage in der DDR?
 
Meine Zahlen aus # 28 stammen aus Jürgen Helfricht u.a., "125 Jahre Saxonia. 1882 - 2007". Bei dem Buch handelt es sich um die Festschrift zum 125jährigen Jubiläum des Verbandes Sächsischer Bäcker-Innungen Saxonia. Dort findet sich ein Kapitel über das Leben der Bäcker in der DDR. Hieraus noch folgende Infos:

Das Gesetz zur Förderung des Handwerks (1950) schrieb vor, dass ein Handwerksbetrieb von einem Handwerksmeister geleistet werden musste und maximal zehn Arbeitnehmer haben durfte.

Die Ehefrau durfte mithelfen, aber nicht entlohnt werden. Offizielle Begründung: "Eine beim Ehemann angestellte Ehefrau ist in einem Ausbeuterverhältnis und das gibt es in einem real existierenden Sozialismus nicht". Also gab es für die mithelfende Ehefrau - zur Vermeidung ihrer Ausbeutung - keinen Lohn:S. Hintergrund war wohl, dass der Unternehmensgewinn und damit das Steueraufkommen aus diesen Gewinnen durch die Entlohnung der Ehefrau nicht schrumpfen sollte. Der Jahresgewinn eines Bäckers soll in Sachsen zu DDR-Zeiten ca. 15.000 Mark vor Steuern betragen haben. Wäre die mithelfende Ehefrau mit 7.000 Mark entlohnt worden, hätten viele Bäcker gar keine Steuern zahlen müssen. Ab 1967 durfte die mithelfende Ehefrau die Fachverkäuferinnen-Prüfung ablegen und ab 1968 wenigstens in die Sozialversicherung aufgenommen werden. Doch durch die Differenzierung zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Mithilfe konnte es in verschiedenen Lebensbereichen immer noch Probleme geben, z.B. bei den Kindergartenplätzen.

In der DDR war der Pro-Kopf-Verbrauch von Brot und Brötchen (120 kg) deutlich höher als in der BRD bis 1990 (80 kg) und im wiedervereinigten Deutschland ab 1990 (80 kg). Das subventionierte Brot wurde wohl teilweise an Tiere verfüttert oder landete in den Mülltonnen.

Es gab häufig Rohstoff-Engpässe. Betrieb ein Bäcker eine Vorratswirtschaft, um die Engpässe auszugleichen, konnte er dafür kriminialisiert werden. Konnte er nicht genügend Backwaren anbieten, war eine öffentliche Entschuldigung fällig bzw. hagelte es Verweise. Der DDR-Bäcker konnte also - wenn er negativ auffiel, aber sonst eben auch - schnell vorgeführt werden: mal als Raffzahn, mal als Versager.

Die Technik der Bäcker stammte häufig aus der Vorkriegszeit oder gehörte zur Marke Eigenbau. In der DDR wurden zwar auch moderne Geräte und Maschinen hergestellt (z.B. 120 Zyklothermbackofen in Bautzen pro Jahr). Die waren aber überwiegend für den Export bestimmt (90 % von den Bautzener Öfen) und im übrigen für die meisten Bäcker der DDR viel zu teuer. Doch selbst wenn es gelang einen neuen Ofen zu erwerben, stellte sich damit nur das nächste Problem. Ein moderner Gasofen zum Beispiel benötigte ein Fundament aus Beton. Beton wiederum gab es für den selbständigen Handwerker nicht. Also musste sich dieser den Zement aus der wöchentlichen Zementabgabe für die Bevölkerung zusammenhamstern und das Fundament selber legen. Entsprechend schwierig war es in der DDR effizient zu arbeiten.

Die Bäcker-Gesellen gehören mit einem Stundenlohn von 1,20 Mark bis 1,35 Mark zu den am schlechtesten bezahlten Gesellen im Lande.
 
Da haben wir uns missverstanden. Das Ursachenbündel sehe ich auch so.


Da habe ich einen Link


zum Thema "Schwarzarbeit in der DDR" entdeckt.

Gut mit der ursprünglichen Fragestellung nach den "Bäckern" hat das natürlich weniger zu tun.
Zum Handwerk insgesamt aber ein interessanter Bericht.

Die "Schwarzarbeit" das Horror-Szenario jedes selbständigen Handwerksmeisters (von Pfuschen reden sie übrigens auch in Österreich) in der DDR aber offensichtlich zumindest geduldet (Zeitungsanzeigen!)

Was sich mit meinem damaligen Eindruck deckt.
 
zum Thema "Schwarzarbeit in der DDR" entdeckt....Was sich mit meinem damaligen Eindruck deckt.

Mein Großvater war Bäcker und Konditor, und landete über den RAD 1945 als Küchenchef im Armaturenwerk Karl Marx, Magdeburg-Buckau.

Neben diesen "Einzügen" in die VEBs gab es auskunftsgemäß auch viele Überstellungen von Bäckereien/Konditoreien in die Konsum- und HO-Organisationen. Das mag mit zum Verschwinden der Läden beigetragen haben.
 
Moin...
Ist zwar kein Bäcker sondern ein Saatzuchtbetrieb in Quedlinburg, der letzte wirklich noch bis heute produzierende Betrieb dieser Art in Quedlinburg und auch mein Lieferant...

Zitat von seiner Seite:
trotz größter Schwierigkeiten den Sozialismus in privater Rechtsform überdauert
P.J. Schmidt Samenzucht, Quedlinburg

Aber auch diesen Betrieb wird es wohl leider bald nicht mehr geben, der Inhaber ist weit über 70 Jahre alt und hat keinen Nachfolger, dann wars das mit der traditionsreichen Saatzucht in Quedlinburg
 
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