Beginn der italienischen Kriegsvorbereitungen gegen seinen Verbündeten Österreich-Ungarn

Turgot

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Nachfolgend ein paar Informationen, zum Verhältnis Italien Österreich-Ungarn.

Seit dem Abschluss des Dreibundvertrages standen die Vorbereitungen für einen Krieg gegen Frankreich im Mittelpunkt des italienischen Generalstabes. Dies änderte sich nach dem Abschluss des Bündnisses mit Frankreich im Jahre 1902.

Den Dreibundpartnern und auch Frankreich war die Schwerpunktverlagerung der italienischen Kriegsvorbereitung von der West- zur Nordostgrenze, einschließlich der Truppenverlegungen und Anlage der Manöver, natürlich nicht verborgen geblieben.In Deutschland schloß man zunächst nicht mit aggressiven Absichten Italiens gegen Österreich-Ungarn . Für die fernere Zukunft erwartete der deutsche Botschafter, Monts, in Rom durchaus einen Angriffskrieg. Monts resümierte über die ihm unangemessen erscheinenden Reaktionen in Österreich, “Denn Italien muss schon aus finanziellen Gründen noch eine Reihe von Jahren die Freundschaftsmaske weitertragen. Wenn man in Wien dieses Bestreben ob sehend oder mit verbundenen Augen, ob aus politischen oder aus dem alles dominierenden Ruhebedürfnis freundlichst entgegenkommt, so paßt das natürlich vorzüglich in die hiesige Rechnung.” (1)

Die deutschen Rüstungskonzerne Krupp und Co. freuten sich über die Rüstungsaufträge.

Die Kriegsbereitschaft Italiens gegen den eigenen Bündnispartner datiert auf das Jahr 1904. Der ersten Problemanalyse aus dem Jahre 1902 des Ufficio Trasporti ist zu entnehmen, das der Auftrag neu war.

In einem Krieg gegen Frankreich mussten nach Piemont und Ligurien 6 Armeekorps, entsprach 3/7 des Heeres mobilisiert werden. In einem Krieg gegen Österreich-Ungarn aber musste die ganze Armee mobilisiert und in dem Aufmarschraum transportiert werden. Zur größeren Anzahl der Eisenbahntransporte kam die Schwierigkeit der Versammlung fast aller Truppen in einem einzigen, dazu begrenzten Gebiete (an der Piave) hinzu. Depots und Magazine waren seit 20 Jahren ausschließlich auf einen Aufmarsch gegen Frankreich angelegt und mussten bis zum Vorhandensein entsprechenden Einrichtungen gegen Österreich-Ungarn genutzt werden. Es gab einiges zu tun.

Grundlage des italienischen Plan war der Aufmarsch an der Piave und die Schließung der offenen Grenze in Friaul. Weder die Deutschen noch die Österreicher brachten etwas Präzises in Erfahrung. Der französische Militärattache informierte in seinem Jahresbericht für 1904, “In den letzten Jahren hatte man diese Frage so völlig außer Acht gelassen, dass eine Mobilisierung gegen Frankreich nicht in Frage kam.” (2)

Der Fortgang der italienischen Befestigungs-, Straßen- und Eisenbahnbauten im Nahbereich der österreichischen Grenze und im Piavetal ließen sich als Hinweise auf die Wendung in den italienischen Kriegsvorbereitungen entnehmen.

Im Sommer 1904 nahmen die italienischen Maßnahmen schon einen antiösterreichischen Charakter an und waren damit politisch nicht mehr mit dem Dreibund vereinbar.

Im Sommer 1904 begannen also, u.a. wegen der Aktionen der italienischen Irredenta und der damit verbundenen Spannungen zwischen Rom und Wien, eine fatale Entwicklung.

(1) GP, Band 21, 2.Teilband, Nr.7177
(2) Girodon Nr.301 , 20.02.1905
 
Der Fortgang der italienischen Befestigungs- (...)
z.B. Forte di Monte Ercole – Wikipedia
Als 1904 die Arbeiten an der Sperre Monte Ercole begannen, entstanden entlang der Staatsgrenze im Nordosten des Königreiches mehrere Panzerbatterien vom Typ „Rocchi“, benannt nach dem General der Genietruppe Enrico Rocchi, der diesen Bautyp konzipierte. Die strategisch, militärische Bedeutung der man der Nordostgrenze beimaß, geht auch daraus hervor, dass von den insgesamt 48 zwischen 1904 und 1913 errichteten Werken dieses Typs allein 44 an der Grenze zu Österreich-Ungarn entstanden.
 
Für diese italienische Wendung kann der so viel gescholtene Generalstabschef Conrad von Hötzendorf nicht verantwortlich gemacht werden. Conrad wurde schließlich erst im Jahre 1906 Chef des Generalstabes. Die italienische Wendung aber erfolgte spätestens seit 1904. Conrad war sicher kein Freund Italiens und hierfür gab es offenkundig Gründe.

Es gab in der italienischen Führung seit Anbeginn des Bündnisses immer bestimmte Tendenzen, beispielsweise das Feilschen um Kompensationen und Vorteile zeigte sich als Konstante der italienischen Außenpolitik.

Im Zuge der Dreibundverhandlungen des Jahres 1886 war bereits deutlich geworden, das die italienische Führung im Falle eines europäischen Krieges unbedingt Kompensationen erhalten und sich sogar die Neutralität im Falle eines österreichisch-russische Krieges bezahlen lassen wollte. (1)

Schon für Außenminister Mancini, von 1881 bis 1885, war die Vorstellung unerträglich, irgendwo in Europa könnte ein Krieg ausbrechen, von dem Italien nicht in irgendeiner Forum profitieren.
Sein Nachfolger Robilant wurde in dieser Hinsicht noch deutlicher: "Ich betreibe keine sentimentale Politik. Ich will die Interessen und Würde meines landes politisch vertreten; jesnseits dessen bin weder an Prinzipien noch an Gefühle gebunden." (2) Diese Ausführung erinnert in frappierender Weise an Salandras "sacro egoismo".

Robilant wies bei gelegenheit den k.u.k. Botschafter daraufhin, solange der Frieden gewahrt bleibe, sei von der Irredenta nichts zu befürchten. Sollte aber dieser Friede gestört werde, Robilant meinte einen Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Russland, "dann freilich stehe ich für Nichts und niemanden und selbst nicht für mich." (3)

Es gab in der italienischen Führung eine bestimmte Mentalität, bestimmte Überzeugungen, die kontinuierlich zu beobachten waren und die schließlich 1915 zum Kriegseintritt auf der Seite seiner der Kriegsgegner der Mittelmächte, die italienischen Bündnispartner, führten.


(1) Afflerbach, Dreibund, S.201- 228
(2) Afflerbach, Dreibund S.177f
(3) Ludolf am 09.03.1886 an Kalnoky zitiert bei Afflerbach
 
Es gab in der italienischen Führung eine bestimmte Mentalität, bestimmte Überzeugungen, die kontinuierlich zu beobachten waren und die schließlich 1915 zum Kriegseintritt auf der Seite seiner der Kriegsgegner der Mittelmächte, die italienischen Bündnispartner, führten.
Und diese Bemerkung ist Unfug.

Die italienischen Politiker hängten sich an die Kompensationstheorie, aber die war kein speziell italienisches Ding.
Die Vorstellung, dass man eine, Machtverschiebung zu Gunsten einer anderen Macht, vom Punkt eines fiktivien Machtgleichgewichts weg, nicht hinnehmen könnte ohne selbst Kompensationen zu erhalten und dass man dementsprechend bei einem allgemeinen europäischen Krieg, der dieses fiktive Gleichgewicht verschieben musste, dementsprechend nicht abseits stehen konnte (jedenfalls nicht ohne Kompensation) war doch ehr oder minder ein europäisches Gemeinplätzchen.

Wien hatte im Rahmen des Dreibunds die "Kompensationsklausel" im Vertrag mit dem Königreich Italien und damit auch den Grundsatz der Kompensation per se, akzeptiert.
In der französischen Politik, war "Kompensation" schon immer ein Thema. Fast sämtliche politischen Krisen in Europa in die Frankreich involviert war, gingen letztendlich darauf zurück, ich erinnere an die Rheinkrise, als die Regierung Thiers meinte, dass Frankreich als Kompensation dafür in Übersee den Kürzeren gezogen zu haben, nun Anspruch auf die Rheingrenze haben müsse, ich erinnere an die Luxemburgkrise, etc.

Der gesamte Preußische Staat nach 1815 war Produkt von Kompensationsverhandlungen wegen der an Russland abgetretenen Gebiete in Polen (übrigens auch die Österreichische Vorherrschaft in Italien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit der Habsburg ja für die Gebiete aus der 3. polnischen Teilung, für die Österreichischen Niederlande und den Verlust der Vorlande (außer Tirol und Voralberg) kompensiert wurde.


Russland suchte in den 1910er Jahren auf dem Balkan in Spielfeld zur Kompensation der eigenen machtpolitischen Nachteile, die aus der Niederlage gegen Japan resultierten.

Auch die deutsche, Wilhelminische Kolonialpolitik lässt sich auf der gleichen Folie betrachten.
Die Vorstellung, dass man als große Nation genau so ein Recht auf ein Kolonialreich habe, wie die anderen großen europäischen Mächte und dass man bei Machtverschiebungen in Übersee beteiligt werden wollte, gehen letztendlich ebenfalls auf den Kompensationsgedanken zurück.


Das ist nicht speziell italienische politische Kultur, dass ist eine wesentliche Spielregel des europäischen Imperialismus, die man im größeren oder kleineren Maß bei allen beteiligten Akteuren findet.
 
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Und diese Bemerkung ist Unfug.

Nö. Keineswegs! Krasse Beispiele dafür habe ich ja genannt. Das kann dann nicht per se als Unfug abgetan werden.

Die italienischen Politiker hängten sich an die Kompensationstheorie, aber die war kein speziell italienisches Ding.

Wo wurde das gesagt? Ich sprach von einer bestimmten Mentalität. Die italienischen Politiker hängten sich an Kompensationen, das sie aus eigener Kraft keine territorialen Zuwächse erreichen konnten. Italien benötigte immer die Unterstützung anderer. Das war schon bei der Begründung des eigenen Nationalstaates so.
Wie schon von mir mehrfach ausgeführt. Die italienische Öffentlichkeit, die so lautstark nach Kolonien schrie, verkannte schlicht und neinfach die realen, tatsächlichen Machtmilttel und Möglichkeiten, bzw. deren Nichtvorhandensein, des italienischen Staates, um diese formulierten Ansprüche zu realisieren. Abessinien und Tripolis haben dies deutlich gezeigt.

Wien hatte im Rahmen des Dreibunds die "Kompensationsklausel" im Vertrag mit dem Königreich Italien und damit auch den Grundsatz der Kompensation per se, akzeptiert.

Ja, da sie italien verlangt hatte. Das war eine ziemliche "Dummheit" von Kalnoky, ohne jede Not, auf dieses Verlangen Roms einzugehen.

Der gesamte Preußische Staat nach 1815 war Produkt von Kompensationsverhandlungen wegen der an Russland abgetretenen Gebiete in Polen (übrigens auch die Österreichische Vorherrschaft in Italien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit der Habsburg ja für die Gebiete aus der 3. polnischen Teilung, für die Österreichischen Niederlande und den Verlust der Vorlande (außer Tirol und Voralberg) kompensiert wurde.
Preußen ist gerade nicht das Thema.

Auch die deutsche, Wilhelminische Kolonialpolitik lässt sich auf der gleichen Folie betrachten.
Die Vorstellung, dass man als große Nation genau so ein Recht auf ein Kolonialreich habe, wie die anderen großen europäischen Mächte und dass man bei Machtverschiebungen in Übersee beteiligt werden wollte, gehen letztendlich ebenfalls auf den Kompensationsgedanken zurück.
Deutschland setzte im Vergleich zu Italien seine Ansprüche alleine durch.
 
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Ich weiß, ich weiß, ich schreibe nicht über die Römer und deren Exklaven und damit eben nicht so wahnsinnig interessant.

Ein paar Zeilen noch zur italienischen Zuverlässigkeit bzw. wie diese wahrgenommen wurde. In einem Brief von Kálnoky an Aehrenthal vom 01.Juni 1896 war die Rede Franz-Josephs Gegenstand der Betrachtung.
Kálnoky wundert sich zunächst einmal grundsätzlich darüber, das der Kaiser den Dreibund/Italien so auffallen akzentuiert worden war.

"Auch der Passus über die Italiener in Afrika gefällt mir nicht. Warum ist Italien unser bewährter Bundesgenosse? Haben sich unsere Bundesgenossen überhaupt im Orient bewährt? Und was haben die italienischen Abenteuer unseres "treuen" Bundesgenossen in einer kaiserlichen Ansprache zu tun. Wozu dem Kaiser eine Phrase in den Mund legen, über die italienische Tapferkeit, die nicht aufrichtig klingt, und den Italieniern die Schläge, die sie bekommen, doch nicht vom Rücken nimmt."

Soweit Kálnoky, ehrmals gemeinsamer Außenminister der Monarchien, an Aehrenthal.
 
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