Benito Mussolini

Multivista

Gesperrt
Wenn ich "richtig" gesucht habe, gibt es hier gar kein spezielles "Topic" zum Thema Mussolini, diesem Irren (sorry für die Wertung - aber er soll ja auch gesgt haben, dass "Die Latinität zweimal durch zwei Visionäre ruiniert worden ist, die beide Hebräer waren: Jesus und Marx."). Heute kommt ja was dazu in arte!
http://stream.arte-tv.com/ramgen/permanent/c6/promos/070214_de.rmvb
http://www.arte.tv/de/1468992.html
http://www.arte.tv/de/geschichte-gesellschaft/geschichte-am-mittwoch/1471256.html
Die unbekannten Seiten des Duce?
Wieder mal wurden Tagebücher Mussolinis - doch nur wenige glauben an ihre Echtheit. Paul Badde, Die WELT schreibt dazu u.a.:
Der Gedanke, dass Tyrannen und Diktatoren ihre allergeheimsten Gedanken vielleicht nicht Adjutanten, Geliebten oder Kammerdienern, sondern nur ihren Tagebüchern so anvertrauen würden, als wären sie empfindsam wie junge Mädchen in der Pubertät, ist so abwegig nicht, dass er nicht in regelmäßigen Schüben alte Kulturnationen heimsuchen könnte. Gerade ist es in Italien wieder so weit. Der unbekannte Sohn eines nicht identifizierten ehemaligen Partisanen will Senator Marcello Dell'Utri von der Forza Italia authentische Tagebücher des Duce aus den Jahren 1935-39 übergeben haben, die sich bislang noch bei einem Notar in Bellinzona befinden sollen. Der bisherige Besitzer der Papiere will auch dabei gewesen sein, als Mussolini gegen Kriegsende von Partisanen ergriffen und erschossen wurde - heute für ihn angeblich Grund genug, auf seinem Inkognito zu bestehen. Warum er die Aufzeichnungen gerade heute an die Öffentlichkeit übergeben hat, bleibt danach nicht das einzige Rätsel.

Was hingegen den Inhalt angeht, haben die Italiener nun erfahren, dass Benito Mussolini kein Freund ausufernder Bankette war und frugale Mahlzeiten ebenso liebte wie knappe Gespräche, die schnell auf den Punkt kamen.
Der Diktator ist in diesen Papieren witzig, er ist redegewandt und charmant, trotz einiger Depressionen und anderer kleinerer oder größerer Defekte, die einen Menschen erst richtig zum Menschen machen. Hitler war ihm unheimlich, die Trägheit der italienischen Bourgeoisie verhasst - und Hitlers Weltkriegs-Projekt ein Gräuel, den er leider nicht abzuwenden verstand (O-Ton "Wir können nicht zu Waffen greifen, die wir nicht haben.")
Soweit das . Interessanter erscheint mir aber das, was die taz mal u.a. zu Mussolini schrieb:
Bürgertum? Elite?? Die Berliner taz meinte mal, dass der Begriff "Elite" seine Blütezeit im ausgehenden 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatte.
Er wurde zum politischen Kampfbegriff des Bürgertums in einer Situation, die von tief greifenden gesellschaftlichen Umwälzungen geprägt war. Das Bürgertum, das in seinem Aufstieg zur dominanten gesellschaftlichen Kraft fast überall in Europa durch die politischen Strukturen der alten, feudalen Gesellschaft noch empfindlich eingeschränkt war, sah sich zugleich von einer anderen Seite bedroht: durch die neuen, lohnabhängigen Schichten, die Demokratie und gesellschaftliche Teilhabe auch für sich beanspruchten. Die "Masse" wurde zum Schreckensbild, die Herrschaft der Eliten zum rettenden politischen Konzept.
>>> So ist der Elitenbegriff von Anfang an gebunden an den Gegenbegriff der "Masse", verstanden als ein chaotisches, entindividualisiertes und irrationales Ensemble von Menschen. Es verwundert nicht, dass diese Vorstellungen von einer Elite, die sich über die "Masse", die verachtete Mehrheit der Bevölkerung, erhebt, von den Faschisten aufgegriffen wurde, zunächst von BENITO MUSSOLINI, der bei dem "Elitentheoretiker" Pareto in Lausanne studiert hatte. Dieser hatte ein Verständnis von Gesellschaft entworfen, das in einer Art ewiger Ordnung von einer unüberbrückbaren Kluft zwischen Masse und Elite ausgeht. Es ist dann Sache der Elite, die breite Masse der mittelmäßigen und erfolglosen Menschen durch den Appell an deren Instinkte ruhig zu stellen und zu führen.. <<<
Sicher es gibt nie nur eine Antwort, einen Grund für die Machtergreifung oder gar die BELIEBTHEIT eiines "Führers" - aber was bewog Italien zu solche einem "Chef"? In wie fern waren die Motivationen dort anders als in Deutschland in Bezug auf Hitler? Mussolini griff wohl -anders als Hitler - tatsächlich (!) eher auf das Gedankengut von VERMEINTLICH totalitären Philosophen (Nietzsche) zurück, währen Hitler ja nur Nietzsches Lehre für seine Zwecke mißbrauchte/auslegte. Mussolini war wohl geistig gebildeter als Hitler. Und wir sehen "Philosophische Bildung schützt nicht immer vor falscher Politik" http://www.philtalk.de/msg/1115484714.htm
Gruss
MultiVista
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe Aussagen der gestrigen "arte" - Dokumentation in bereits bekannte Analysen (wikipedia) eingearbeitet:


Mussolini wurde als Sohn des gelernten Schmiedes (!) Alessandro Mussolini und dessen Frau Rosa geboren. Mussolinis Vater war ein politisch linksgerichteter Journalist, der seinem Sohn bewusst den Vornamen des mexikanischen Revolutionärs Benito Juárez gab. Entsprechend entwickelte sich Mussolini, der von Beruf Volksschullehrer war, aber dort versagte, da er die Klasse nicht in den Griff bekam !!


Zunächst engagierte er sich ab 1901 bei der sozialistischen Partito Socialista Italiano (PSI) und 1912 stieg er in das Exekutiv-Komitee der PSI auf.

Er wurde C h e f - Redakteur der linksgerichteten Tageszeitung „Avanti“ ("Vorwärts“). Wegen Desertion, Aufrufen zu Generalstreiks (z.B. gegen den italienischen Einmarsch in das damals osmanische (türkische) Libyen - vgl. auch Italienisch-Türkischer Krieg von 1911/12) und ähnlicher Aktionen verbüßte Mussolini mehrere kurze Haftstrafen.

Obwohl Mussolini 1914 das Anti-Kriegsmanifest des PSI unterzeichnete, gründete er kurz darauf die Fasci d'Azione Rivoluzionaria (FAR - Bünde der revolutionären Aktion), die für den Kriegseintritt Italiens eintrat. Daraufhin wurde er aus dem PSI ausgeschlossen.

>>> Mussolini, der auch Vorlesungen besuchte, las in seiner Jugend Schriften zahlreicher Philosophen und Theoretiker, darunter auch Karl Marx. Aus ihren Schriften destillierte er eine eigene politische Ideologie, die anfänglich noch dem Marxismus nahestand. Den nachhaltigsten Einfluss auf ihn übte Friedrich Nietzsche aus, dessen Konzept des „Übermenschen“ Mussolini begeistert übernahm. Vor allem unter dem Einfluss Nietzsches und protofaschistischer Ideologen wandte er sich mehr und mehr nationalistischen und rechtsextremen Positionen zu. <<<


Im ersten Weltlrieg stand Italien gegen Deutschland und Österreich um die Nation vor dem Untergang zu retten.

Bekannt war Mussolini auch für seinen militanten Atheismus und seine scharfe antireligiöse Polemik.

So ließ er etwa verlauten, Christi Moral führe „zu Vertierung, Feigheit“. Später hielt er sich in religiösen Fragen rhetorisch zurück, ohne seine Weltanschauung grundsätzlich zu ändern.

Dennoch hat der Papst später verkündet, dass Mussolini eine "göttliche Vorsehung" gewesen sei, die Italien beschert worden wäre.


Er war nicht nur gegen die Kirche, sondern auch gegen die Monarchie! Später ja dann auch gegen die Sozialisten.

Nach dem Ersten Weltkrieg beteiligte sich Mussolini im März 1919 an der Gründung der Fasci di Combattimenti („Kampfbünde“ - Squadristen), die eine autoritäre Ordnung und die Revision der Versailler Verträge zugunsten Italiens forderten, zumal Frankreich und Großbritannien einige ihrer bei der Londoner Geheimkonferenz von 1915 gemachten Zusagen, die Italien zum Verlassen des Dreibunds mit Österreich-Ungarn und Deutschland und zum Kriegseintritt gegen Österreich bewogen hatten, nicht mehr einhalten wollten, und so die Legende des „verstümmelten Sieges“ (Vittoria mutilata) landesweit die Runde machte.

DAS war ein Grund für die Unzufriedenheit der Italiener, die sich als "leer ausgegangen" nach dem Sinn der Mühen des Krieges fragten. So war der Boden bereitet für einen neuen Führer, der dann das Volk (u.v.a. die Arbeiter und Bauern) beschenken sollte. Nicht verwunderlich zogen also 2 Jahre später die Faschisten unter Mussolinis Führung mit 34 Abgeordneten in das italienische Parlament ein. Mussolini wandelte die Fasci im November 1921 in die Nationale Faschistische Partei (PNF) um. Zudem hatten die Italiener zunehmend Angst vor dem sich in Europa ausbreitenden Bolschewismus.Angst vor Enteignungen (Bauern und Mittelstand) zumal die Sozialisten bei den Wahlen 1919 hinzugewinnen konnten.

Während der sich zuspitzenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise nach dem Ersten Weltkrieg ging Mussolini mit faschistischen Milizen, den Squadristen, in Straßenkämpfen, vor allem aber in sogenannten „Strafexpeditionen“ in ländlichen Gebieten und mit Fabrikbesetzungen, gegen die Gewerkschaften, die Sozialisten und die gemäßigten Parteien vor. Es sollte das erste mal in Europa sein, das Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele eingesetzt wurde, ohne dass ein Kriegszustand geherrscht hätte. Die Squadren finanzierten sich u.a. durch Werkschutz-Aufträge der Industrie.

Der italienische Staat ließ aus Furcht vor einer proletarischen Revolution nach russischem Vorbild die mehrheitlich aus mittelständischen Verhältnissen stammenden, aber auch aus vielen Studenten und ehemaligen Soldaten bestehenden Fasci gewähren. Die Mitgliederzahlen der Fasci stiegen von 20.000 im Jahr 1920 auf nahezu 200.000 (1921). Die Faschisten galten als "Bollwerk" gegen den Bolschewismus und als patriotisch, was beim Volk gut ankam.

Mussolini organisierte 1922 mit 26.000 Faschisten den Marsch auf Rom. Mussolini selbst reiste später im Schlafwagen von Mailand aus an. Wohl aus Angst um seinen Thron weigerte sich König Viktor Emanuel III. den Belagerungszustand auszurufen und ernannte Mussolini zum Ministerpräsidenten!!

Ein Drittel aller Juden Italiens schlosen sich Mussolinis "Nationale" an, denn diesen hatten sie 50 Jahre vorher, bei der Einigung Italiens einiges zu verdanken, u.a. dass sie als FREIE Bürger galten.
Die ersten zwei Jahre regierte Mussolini noch im parlamentarischen Rahmen, begann dann aber die Opposition herauszufordern und zu versuchen seine eigene Macht zu erweitern, was ihm in der nächsten Zeit mit einer Reihe von Sondergesetzen und mit Hilfe oder zumindest der stillschweigenden Billigung des Königs Viktor Emanuel III. auch gelang.

1924 wurde der sozialistische Oppositionspolitiker Giacomo Matteotti entführt und erschossen. Indizien deuten darauf hin, dass Mussolini wahrscheinlich selbst den Auftrag für diesen Mord gegeben hat. In der Folge zogen die Oppositionsparteien, deren Einfluss bereits im Juli 1923 durch ein neues Wahlgesetz eingeschränkt wurde, demonstrativ aus dem Parlament aus. Mussolini nutzte die Matteotti-Krise, um die Vorherrschaft des PNF weiter auszubauen. Am 3. Januar 1925 erklärte er in einer Parlamentsrede seine politische Verantwortung für das Attentat. Im Allgemeinen wird mit diesem Datum der eigentliche Beginn der faschistischen Diktatur in Italien verbunden. 1926 kam se zum Totalirismus: Die Oppositionsparteien verboten, und zu den Wahlen 1928 traten nur noch vom PNF zugelassene Kandidaten an.


Spezielle Gesetze schufen den institutionellen Rahmen, unter anderem den Gran Consiglio del Fascismo, der als gemischtes Partei- und Staatsorgan fungierte. Damit war die Umstrukturierung des italienischen Staates zu einem Einparteienstaat und somit zu einer Diktatur abgeschlossen.

1932 veröffentlichte Mussolini seine Grundsatzschrift:
Der Geist des Faschismus > http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Geist_des_Faschismus

Frage: In wie weit wich er ab von Hitlers Ideen?

Anfänglich stand Mussolini Adolf Hitler ja sehr kritisch gegenüber.
 
Hallo,

mir erscheint eine späte Einsicht Mussolinis erwähnenswert, die man als Eingeständnis eines schweren politischen Fehlers in der Bindung an das Deutsche Reich deuten kann:

"Am 20. Juli 1941 sprach er davon, daß Italien spätestens bei einem deutschen Sieg zu einem Vasallenstaat des Deutschen Reiches würde. Die einzige Hoffnung wäre ein langer Krieg mit einem Kompromißfrieden, der die italienische Unabhängigkeit retten würde."
http://www.shoa.de/deutsch_italienische_beziehungen.html
Die Eintragung findet sich im Ciano Tagebuch, zur Mussolini-Reise.

Die Äußerung Cianos im Tagebuch läßt eine tiefe Resignation Mussolinis erkennen, zwar an der Seite des vermutlichen Siegers zu stehen (im Juli 1941 glaubte man den Ostfeldzug gewonnen zu haben), aber die Souveränität Italiens verspielt zu haben. Dieses verheerende Ergebnis ist aber vermutlich auch durch seine Abenteuer-Feldzüge in Nordafrika 1940 und Griechenland 1940, die Rückschläge für seine Mittelmeerflotte, etc. mit bestimmt.

Grüße
Thomas
 
Hitler widerum hat gegen Ende seiner "Amtszeit" die Rücksichtnahme auf den Duce und Italien als seinen schwersten Fehler bezeichnet.

"ansonsten hätte er die koloniale Karte gespielt und 1940 die französischen Kolonien für unabhängig erklärt"

Grüße Repo
 
Hallo Repo,

so stimmen sie denn im Selbstmitleid überein, der eine angesichts des vermuteten Sieges, der andere angesichts der Niederlage.

Da erscheint mir im direkten Vergleich Mussolinis Äußerung als Blitzstrahl höchster Erkenntnis.

Grüße
Thomas
 
Hallo Repo,

so stimmen sie denn im Selbstmitleid überein, der eine angesichts des vermuteten Sieges, der andere angesichts der Niederlage.

Da erscheint mir im direkten Vergleich Mussolinis Äußerung als Blitzstrahl höchster Erkenntnis.

Grüße
Thomas

Hallo Thomas,

für mich hat der Gedanke aber etwas faszinierendes. Hitler hätte die Juden in Ruhe gelassen und statt dessen die Völker Afrikas und Asiens befreit.
Ich müsste mich nicht Tag täglich für Ausschwitz schämen....

Hm hm....
Aber ich in so einem System, mann oh mann hätte ich Ärger gehabt.
Denke/Glaube/Hoffe ich zumindest.

OK trage ich halt mein Kreuz der Nachkomme von Massenmördern zu sein. Die Erbsünde nimmt uns auch keiner.

Grüße Repo
 
Die Erbsünde nimmt uns auch keiner.
Grüße Repo

Doch! Denn sie ist nur ein kirchliches Dogma!
Aber zum Thema:
es gab anscheinend auch schon mal was dazu im zdf:
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/29/0,1872,3933597,00.html

P.S.

Jürgen Kaube, FASZ:

Jost Philipp Klenner:
"Mussolini und der Löwe"
Zeitschrift für Ideengeschichte 2007

Der Herrscher als Löwe: Nachleben der Antike oder ewiger Vorrat des Imponiergehabes?

Am Anfang der Bildwissenschaft steht eine Fotografie Mussolinis.

Herrscher versuchen zu beweisen, dass sie welche sind, indem sie sich so zeigen, wie sie sich Herrscher vorstellen.

Zum Beispiel mit Attributen aus bekannten Herrscherdarstellungen. Die nebenstehende Fotografie zeigt in diesem Sinne Benito Mussolini, seinen Chauffeur, Ercole Boratto, und seinen Löwen, genauer: eine junge Löwin mit Halsband. Die Aufnahme wurde 1924 gemacht und achtzig Jahre später noch einmal groß von der italienischen Zeitung "La Domenica di Repubblica" veröffentlicht, nachdem die Erinnerungen des Chauffeurs in Archiven des amerikanischen Geheimdienstes CIA, für den sie Boratto auch geschrieben hatte, wiederaufgefunden wurden.
Im ersten Heft der soeben herausgekommenen "Zeitschrift für Ideengeschichte" versucht der Berliner Historiker Jost Philipp Klenner zu zeigen, welche Rolle diese Fotografie für die Anfänge der Wissenschaft von den politischen Bildern spielt.
Löwen gehören zu den traditionellen Beigaben von Herrscherporträts, vor allem auf Münzen.
Im Fall des italienischen Diktators Mussolini
verband sich das Symbol mit dem Haustier, dessen Größerwerden die italienische Tagespresse mit Stoff versorgte.
Nachdem sie Mussolini in den römischen Zoologischen Garten gegeben hatte, besuchte er sie ab und zu, um vor Augenzeugen "Italia, Italia!" zu rufen und hinter den Gitterstäben - Vorsicht, Betreten nur für Diktatoren möglich! - mit ihr zu spielen. Wollte mitteilen: wie mit dem Land, für dessen Kraft sie ebenso stand wie er für die Fähigkeit, diese zu bändigen. So jedenfalls, damit es auch jeder verstehe, 1926 die Biographie "DUX" aus der Hand seiner Geliebten, Margherita Sarfatti.
Mussolini, der nach Auskunft Borattos ein schlechter Autofahrer war, hatte die Löwin, die selbstverständlich "Italia" hieß, von einem Zirkusbesitzer geschenkt bekommen.
In der Zeit, als die Aufnahme entstand, zeigte sich der Diktator offenbar nie ohne das Tier; nur zwischen den Fahrten fiel es wieder in den Zuständigkeitsbereich des Chauffeurs, sich um die Löwin zu kümmern.
Damals, 1924, fand der deutsche Kunsthistoriker Aby Warburg unsere Abbildung in einer Hamburger Zeitung: "Im Fremdenblatt", schrieb er an seine Frau, "ist Mussolini abgebildet, wie er mit einem jungen Löwen fährt. Dahinter steckt etwas eminent mimisch Heidnisches: das gebändigte Monstrum (in gezähmter Miniaturausgabe) als Erweiterung und Erhöhung der Persönlichkeit; ein imperatorischer Triumph."
Schon ein Jahr zuvor hatte sich Warburg aus der Rezension einer deutschen Mussolini-Biographie die Stelle ausgeschnitten, an der es hieß, jener sei am 29. Juli 1883 geboren worden, als die Sonne "seit 8 Tagen in die Konstellation des Löwen eingetreten" war.
Und so nahm Warburg auch das Foto wahr: Als Reflex des antiken, astrologischen Herrschaftsbildes, wonach der Sonnengott Sol, als Sol invictus, unbesiegbarer Gott, dem auf antiken Münzen die Gesichtszüge des jeweiligen Kaisers gegeben wurden, mit seinem Streitwagen - damals ohne Benzin - den Himmel ersteigt. "Nachleben der Antike!", endet die Beobachtung im Brief an die Ehefrau.
Nun ist es gewiss eines, Ähnlichkeiten zwischen zwei Bildern zu finden, ein anderes, ein Nachleben, also irgendeine Form von Ferneinfluss zu behaupten. Wie man sich diesen Einfluss vorstellen soll? Warburg zufolge wandert das Motiv aus der antiken Solartheologie über in die Darstellung Christi in einem Stich Albrecht Dürers als "Sonne der Gerechtigkeit" auf einem Löwen sitzend, bis zur Verehrung des "Sonnenkönigs". Doch zwischen Dürers Quelle für die Kombination von Sonne, Löwe und Herrscher, einem theologischen Handbuch von 1489 und der Mussolini-Biographie liegen mehr als 400 Jahre. In Warburgs Notizen trennt ihre Autoren nur ein Strich "Berchorius / Sarfatti".
Außerdem: Hatte auch der Sol invictus einen Chauffeur? Und passt der Bowler zur Göttlichkeit? Überdies fährt die Karosse nicht zum Himmel, so wichtig die Italiener damals Autostraßen auch finden mochten. Man kommt also leicht auch auf ein paar Unterschiede, die sich offenbar ins Nachleben gemischt haben.
Drei Jahre später, 1927, hielt Warburg einen Vortrag über politische Symbole auf Briefmarken, in dem er noch einmal auf die Thematik zurückgriff. Dabei unterschied er die bloß metaphorische Nutzung alter Bilder von einer weniger spielerischen. Der König von England, den eine Briefmarke der Insel Barbados auf einem von Seeungeheuern gezogenen Neptunsgespann zeigte: ein bloßer Vergleich - der englische König hielt sich keineswegs für den Wassergott. Das antike Rutenbündel mit Beil auf faschistischen Briefmarken: eine reale Drohung zum Zweck, Furcht einzuflößen. Der Diktator mit Löwin steigerte das noch, denn die Löwin, das Symbol, lebte tatsächlich.
Irgendwann allerdings verzichtete Mussolini auf die alltäglichen Löwenfahrten:
Die Löwin verkratzte ihm nämlich den Ledermantel. Es gab offenbar also doch noch wichtigere Statussymbole als diejenigen antiker Sinnfülle. Und es gibt Aspekte am lebenden Symbol, die unwillkommen sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

eine Nachfrage:

in den Ciano-Tagebüchern wird die Besetzung der Rest-Tschechoslowakei im März 1939 durch das Deutsche Reich behandelt. Ciano befürchtete in Gesprächen mit Mussolini als nächsten Schritt Deutschlands (in der Südostrichtung auf den Balkan), beherrschenden Einfluß auf Rumänien und die Unabhängigkeitsbewegung in Kroatien zu nehmen. Letzteres würde nach seiner Ansicht den Zerfall Jugoslawiens bewirken, der durch Italien nicht hingenommen werden könne. Eine weitere Reaktion war es, "Kompensation für Prag" durch die Besetzung Albaniens zu suchen.

Es gab Diskussionen über italienische Truppenverschiebungen an die jugoslawische und österreichische (damals demnach deutsche) Grenze, wobei militärische Auseinandersetzungen mit Deutschland bei einer Eskalation der Ereignisse befürchtet wurden. Die Lage war demnach sehr gespannt, es gab eine deutschfeindliche Stimmung in Italien nach der Besetzung Prags.

Gibt es dazu weiterführende Literatur? Den deutschen Zusagen in Richtung Balkan wurde wohl kein großer Glaube geschenkt. Interessieren würden mich Abhandlungen über das - nicht spannungsfreie - deutsch-italienische Verhältnis 1938 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Grüße
Thomas
 
Zu Mussolinis Rolle:

MacGregor Knox, Das faschistische Italien und die "Endlösung" 1942/43, in VfZ 2007, S. 53ff.

Knox legt die durch das Anwachsen der deutschen Macht zunehmend erweiterte Bewegungsfreiheit und Radikalität Mussolinis, sein scheinbares Schwanken in der "Judenfrage", und die Auswirkungen der drohenden Niederlage 1943 dar. Im Ergebnis hätten die Westallierten und die Rote Armee hinsichtlich der Judenverfolgung "Ialien vor sich selbst gerettet."
 
Der erste faschistische Vernichtungskrieg-
Italiens verdrängte Vergangenheit

Vergangenheit wurde und wird nicht nur in Deutschland verdrängt, auch Italien tut sich schwer mit seiner faschistischen Epoche. Zu diesen blinden Flecken zählt der Vernichtungskrieg, den Mussolinis Truppen schon ab 1935 in Afrika führten. Es war ein auf territoriale Eroberung ausgerichtetes, rassistisch motiviertes Mordunternehmen, wie im Sammelband "Der erste faschistische Vernichtungskrieg" nachzulesen ist.

http://www.dradio.de/dlf/programmtipp/politischeliteratur/669432/
 
Hitler und Mussolini - Freunde ??

"arte" zeigt heute anend eine Domumentation zu den beiden und deren Verhältnis:

arte: "Deutlich wird, dass die beiden faschistischen Diktatoren in wechselnden Rollen miteinander verbunden waren und trotz aller Gegensätze einander brauchten. So wird immer wieder die Frage gestellt, ob Hitlers Aufstieg ohne das historische Modell des italienischen Faschismus überhaupt möglich gewesen wäre."
 
Hitler und Mussolini - Freunde ??

Hitler rhabarberte ja so'n Zeugs wie, dass Mussolini wohl sein einziger Freund sei. Auch Hitlers reden mal Sachen, von denen sie nichts verstehen. Hitler hatte keine Freunde, lag an seinem Charakter.
Vielleicht hätte er gerne einen Freund oder Freundin gehabt. Aber dazu hätte er sich einer langjährigen Therapie unterziehen müssen.
 

Davon ging ich aus. Aber (!) da gucken bestimmt nicht alle rein, die sich für Mussolini interessieren. Deshalb halte ich es für gut, wenn interessante TV - oder Radioprogramme an den Ort des Forums gestellt werden, wo sie auch dann zum Thema passen und die entspr. Interessenten erreiichen! Ausserdem ist ja von "arte" ein statement gebracht worden, dass ja durchaus kontrovers diskutieret werden könnte > arte:
"Deutlich wird, dass die beiden faschistischen Diktatoren in wechselnden Rollen miteinander verbunden waren und trotz aller Gegensätze einander brauchten. So wird immer wieder die Frage gestellt, ob Hitlers Aufstieg ohne das historische Modell des italienischen Faschismus überhaupt möglich gewesen wäre."


Gruss
MultiVista
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben